Finanzmärkte, Europa, immer weiter sinkende Löhne und eine weitere Destabilisierung im Interesse der Spekulanten

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6.9.2017

UngleichheitEine aktuelle Beschreibung unseres aktuellen gesellschaftlichen Zustandes ist schon deshalb so bemerkenswert, weil Parteien oder Wahlkampf kommen schon nicht vor, weil sie einfach nichts zu sagen haben zu den zentralen ökonomischen Themen unserer Zeit. Das verwirrt selbst mich, wenn Wirtschaftsinstitute wie das ZEW (eher konservativ) sich in seiner analysierenden Darstellung der „grassierenden“ Ungleichheit nur ein klein wenig von dem DIW (eher als links geltend) unterscheidet, während auf der „politischen Ebene“ dieses gravierende Thema der Ungleichheit einfach überhaupt nicht vorkommt… Dann gibt es gerade einmal den Claus Offe – unter anderen – der sich noch wundern kann. Es ist eine sehr seltsame Zeit in der wir leben, wo man allenthalben sich über die AfD noch politisch aufregen kann – aber sonst „nix“…

Wohin treibt diese Bundesrepublik Deutschland im Herbst 2017 ?

So sehen wir also neben einer – einerseits – neuerlichen Marktradikalisierung der FDP im Wahlkampf nun noch eine Herausforderung gegenüber der – andererseits – gänzlichen wirtschaftspolitischen Ignoranz „unserer“ Parteien angesichts des gravierendsten Problems unserer Zeit – der enormen Ungleichheit. Dabei signalisiert dies – zum weiteren – auch einen allseitigen Bankrott für die eigentlich notwendigen Alternativen?

Für die Finanzmärkte ist diese Bundestagswahl 2017 : Der Non-Event

Kaum Unterschiede zwischen den für eine Regierung in Frage kommenden Parteien – unter ökonomischen Gesichtspunkten. (http://www.fr.de/politik/bundestagswahl/finanzmarkt-wirtschaftsrisiko-fdp-a-1339639 externer Link)

Unter ökonomischen Gesichtspunkten – man könnte sagen hat das Finanzkapital „alles im Griff“ – denn es gibt nur ganz geringe Unterschiede zwischen den Parteien, die dann auch eine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung haben – also der CDU, der FDP, der SPD und den Grünen. „Der mögliche Wahlausgang sorgt somit unter den Finanzmarktteilnehmern nicht für schlaflose Nächte“, so ein Banker.

Zwar hat jede Partei ein umfassendes Programm vorgelegt (so zwischen 78 Seiten (CDU) und 234 Seite (Grüne), jedoch bei den großen wirtschaftspolitischen Grundsatzdebatten um Wachstum, Verteilung, Effizienz und Gerechtigkeit muss man schon genau hinschauen, um zwischen diesen Parteien alternative Konzepte auszumachen,“ erklärt ein anderer Banker. (Bleibt es also weiterhin einfach „alternativlos“?)

So seien große Vorhaben wie die Einführung einer Vermögenssteuer (man erinnere sich nur an die – auch mit der Finanzkrise gewaltig gewachsenen großen Einkommen an der Spitze der Einkommenspyramide) bei all diesen Parteien chancenlos. Genauso eine Verschärfung der Erbschaftssteuer oder auch die Einführung einer Bürgerversicherung bei Rente und Gesundheit. Auch im Bereich Arbeit und Soziales werde wenig passieren. (Vgl. die etwas kleinteiligere Abgleichung der aktuellen Unterschiede in der Wirtschaftspolitik der Parteien bei dieser Bundestagswahl auch noch Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin in der Süddeutschen vom 30. August noch http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bundestagswahl-diesel-steuer-datenschutz-1.3644820 externer Link)

Neuere Analysen verdeutlichen die gravierendsten Probleme bei der Ungleichheit – mit 40 Prozent Abgehängten – und bei der Politik hat sich ein gewisser Zynismus gegenüber diesem Problem „eingeschliffen“, das heißt sie „übersehen“ es meist einfach.

In allen Partei-Programmen werden die grundsätzlichen Probleme der Ungleicheit nicht oder wie bei der SPD nur unzureichend angegangen. Hier scheint sich wohl ein gewisser Zynismus eingeschliffen zu haben, dass die gravierende Ungleichheit nicht zum politischen Thema zu werden braucht, weil die – schon seit einer längeren Periode – sozial Benachteiligten einfach nicht mehr zur Wahl gehen – und diese Menschen daher auch gar keine Berücksichtigung finden müssen in der Politik für unsere Zukunft.

Gegen dieses so offensichtliche Defizit in der politischen Wahrnehmung stemmt sich jetzt ein breites „Bündnis für ein menschenwürdiges Existenzminimum“, zu dem sich der DGB, der Paritätische Gesamtverband und 19 weitere Wohlfahrtsverbände doch wieder zusammengeschlossen haben. (http://www.fr.de/wirtschaft/armutsbericht-jedes-fuenfte-kind-lebt-in-armut-a-1342004 externer Link) Die Armut im reichen Deutschland ist und bleibt ein Skandal, sagt DGB- Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Und die Synopse des Bündnisses für die Antworten der Parteien verdeutlicht noch, wie unbefriedigend die Antworten der Parteien auf dieses gravierende Problem der Armut durch Arbeitslosigkeit ist. (http://www.menschenwuerdiges-existenzminimum.org/wp-content/uploads/Synopse_Parteien_2017.pdf externer Link pdf) Der DGB hat deshalb auch noch einen „Sechs-Punkte-Plan“ zur Umgestaltung des Hartz-IV-Systems vorgelegt. (Siehe dazu speziell den zweiten Link nach dem Interview in der Osnabrücker Zeitung mit Annelie Buntenbach: http://www.dgb.de/themen/++co++97979a4a-8bc7-11e7-b469-525400e5a74a externer Link) Der DGB hält eine Reform der Hartz-IV-Regelsätze daher für dringend geboten (http://www.dgb.de/presse/++co++ef026840-8d58-11e7-b9bd-525400e5a74a externer Link) und wird mit dem Bündnis der Sozialverbände dafür kämpfen. (http://www.menschenwuerdiges-existenzminimum.org/wp-content/uploads/Positionspapier_Buendnis_30_08_2017-1.pdf externer Link pdf)

Nach den Analysen der Wahlprogramme von Union, SPD, Linken, Grünen und FDP kommt das Bündnis zu dem Ergebnis, dass allein Grüne und Linke eine grundlegende Neuberechnung und deutliche Erhöhung der Hartz-IV-Sätze anstreben… Grundlegende Reformen – die mehrheitsfähig sein werden – sind bei dem Problem der Arbeitslosigkeit also nicht in Sicht. (http://www.fr.de/wirtschaft/armutsbericht-jedes-fuenfte-kind-lebt-in-armut-a-1342004 externer Link)

Also selbst für eine – etwas angemessenere – finanzielle Kompensierung der sozialen Not bei Arbeitslosigkeit gibt es politisch keine Lösung.

Auch wenn es nach der Kanzlerin den Deutschen jetzt so gut geht wie nie

(http://www.tagesspiegel.de/politik/merkel-in-haushaltsdebatte-den-menschen-in-deutschland-ging-es-noch-nie-so-gut/14881374.html externer Link), so mag diese Rechnung aufgehen, wenn die massive Steigerung des Reichtums mit der gleichbleibenden Armut zusammengefasst wird. (Und es damit „statistisch“ allen gut geht!) Aber: Ohne solchen statistischen Schwindel bekommen 40 Prozent vom Wohlstand einfach nichts mehr mit!

Wenn wir jetzt nicht nur auf die Armut durch Arbeitslosigkeit schauen, sondern die Verteilung in Deutschland genereller in den Blick nehmen, wie es gerade – nach dem DIW – jetzt kürzlich das ZEW gemacht hat: 40 Prozent in dieser unserer Gesellschaft bekommen kaum noch etwas vom – ansonsten laufend gestiegenen und weiter noch steigenden – Wohlstand ab. (http://www.zeit.de/news/2017-08/28/deutschland-studie-breite-schichten-haben-keinen-anteil-an-jaehrlich-wachsendem-wohlstand-28120004 externer Link)

Das hatte die CDU unter Ludwig Erhard noch anders gekonnt – wie Sahra Wagenknecht schon einmal konstatierte. Hier noch der Zugang zur Studie des ZEW. (http://www.zew.de/de/presse/pressearchiv/materieller-wohlstand-ist-historisch-gewachsen-verteilt-sich-aber-zunehmend-ungleich/ externer Link)

Jetzt scheint es jedoch in der Politik – vielleicht bei der SPD, die noch für sich in Anspruch nehmen will für mehr Gerechtigkeit zu sein? – kaum jemanden zu geben, der diese eigentlich so asoziale „Fehlkalkulation“ über die Güte des Wohlstands der Deutschen – erst recht als Möglichkeit für alle – massiv in Frage stellt. Dabei gehört – wohl auch noch mit spitzerem Stift gerechnet – die eher noch wachsenden Ungleichheit in Deutschland eigentlich zum ökonomischen Standardwissen, wie auch schon das DIW es klar für Deutschaland vorgerechnet hatte. (http://www.fr.de/wirtschaft/diw-bericht-ungleichheit-nimmt-wieder-zu-a-742080 externer Link und hier auch gleich wieder die Studie des DIW noch: https://www.diw.de/de/diw_01.c.550957.de/themen_nachrichten/realeinkommen_nehmen_seit_1991_weniger_stark_zu_als_die_wirtschaftskraft_erste_anzeichen_fuer_wieder_steigende_einkommensungleichheit.html externer Link)

Und bei der Altersarmut trifft es dann die Frauen besonders hart – ergänzt diese Armuts-Bilanz für Deutschland dann noch Bertelsmann. (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-06/studie-berteslmann-altersarmut externer Link) Und unter regionalen Gesichtspunkten – z.B. dieses Nord-Süd-Gefälle in Deutschland – ist die Armut dann auch noch recht verschieden verteilt. (http://www.fr.de/wirtschaft/analyse-wo-die-armut-wohnt-a-1341044 externer Link)

Vor dem Phänomen sozialer Ungleichheit einfach kapituliert.

Von diesem Satz der Kanzlerin „es geht den Deutschen so gut…“ müssen sich also ein sehr großer Teil der Deutschen – immerhin 40 Prozent – ausgeschlossen fühlen – ohne dass dies bei einem Großteil der Opposition aufgegriffen und in praktische Politik dagegen umgesetzt wird.

Der Soziologe Claus Offe – siehe auch sein Buch „Europa in der Falle“ (https://www.labournet.de/?p=21892) – attestiert den großen Parteien jetzt noch vor der Bundestagswahl, vor dem Phänomen sozialer Ungleichheit haben sie einfach kapituliert. Dabei ist das Thema brisanter denn je (vgl. dazu auch Oliver Nachtwey, „Die Abstiegsgesellschaft“: http://www.sueddeutsche.de/kultur/soziologie-abrutschen-aus-der-sicherheit-1.3055230 externer Link sowie https://www.perlentaucher.de/buch/oliver-nachtwey/die-abstiegsgesellschaft.html externer Link), aber gerade die beiden großen Volksparteien – inwieweit sind sie das noch? – scheinen davor zu resignieren. Ihre einzige Idee nämlich die Steuer für große Einkommen marginal zu erhöhen, ist einfach keine ernstzunehmende Antwort. (http://www.sueddeutsche.de/kultur/soziologe-claus-offe-die-halbwertszeit-der-illusionen-1.3651467?reduced=true externer Link)

Christoph Butterwegge sieht daher die Möglichkeit für eine – eventuell „Rot-Rot-Grüne-Alternative“ nur in einer „Ablösung“ von den real-existierenden Parteien – als „überparteiliches Projekt“. (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5433625&s=&SuchRahmen=Print/ externer Link)

Ob wir auf diese Weise den aktuellen gedanken- und ideenlosen Parteivorstellungen der Mehrheitsparteien zur bei uns inzwischen gewaltig gewachsenen Ungleichheit entkommen können?

Parallel zu dieser Entwicklung muss man auch einen deutlichen Schwund des Einflusses der Gewerkschaften auf die Einkommen der Beschäftigten selbst konstatieren: Das Arbeiten ohne Tarifvertrag ist zum Normalfall geworden! Aber die Bundesregierung findet: eine Erosion des Systems der Flächentarifverträge ist nicht zu beobachten!

Waren es vor rund 20 Jahren noch mehr als zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland, die unter einen Branchentarifvertrag fielen, so erreichte inzwischen – vor allem dank des durch die Politik eingeführten „größten Niedriglohnsektors in Europa“ dank der Agenda 2010-Politik – dieses Verhältnis in Deutschland im Jahr 2016 einen Tiefpunkt in der Geschichte des Tarifvertragswesens in der Bundesrepublik (http://www.fr.de/wirtschaft/arbeitsmarkt-normalfall-arbeiten-ohne-tarifvertrag-a-1340380 externer Link): so waren es in den westdeutschen Ländern wohl nur mehr 51 Prozent, in den ostdeutschen lediglich 36 Prozent. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. (https://www.bundestag.de/presse/hib/2017_08/-/525418 externer Link)

Der Langzeitvergleich macht deutlich, wie stark die Tarifbindung – und damit die Definitionsmacht der Gewerkschaften über das Einkommen und die Arbeitsverhältnisse – in den vergangenen zwei Jahrzehnten abgenommen hat. 1995 wurden nach Angaben des Nürnberger Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) noch 72 Prozent der westdeutschen ArbeitnehmerInnen nach einem Branchentarfivertrag beschäftigt und bezahlt. (http://doku.iab.de/aktuell/2017/Tarifbindung_2016.pdf externer Link pdf)

2009 war der Anteil laut Bundesregierung auf 56 Prozent gesunken, 2016 markiert dieser Anteil mit 51 Prozent diesen neuen Tiefpunkt der Tarifbindung. Und im Osten war der Schwund noch stärker. (http://www.fr.de/wirtschaft/arbeitsmarkt-normalfall-arbeiten-ohne-tarifvertrag-a-1340380 externer Link)

Dieses Unverhältnis zwischen den noch der Tarifbindung unterliegenden Arbeitsverhältnissen zu den „übrigen „vogelfreien“ Arbeitenden drückt die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Jutta Krellmann, dann so aus: „Der tarifpolitisch gut regulierte Kern der Arbeit wird immer kleiner und die tarifschwachen und -freien Zonen werden immer größer.“ Jedoch die – großkoalitionäre – Bundesregierung mit ihrer Arbeitsministerin sieht keine Erosion des Systems der Flächentarifverträge. So tragen durch diese Politik auch noch die Beschäftigten selbst weiter zur Erhöhung des Potentials der Armut bei.

So ist ein Ergebnis der ganzen Agenda-2010-Politik in Europa, dass in der Eurozone der Anteil der arbeitenden Armen inzwischen schon auf 10 Prozent gestiegen ist. (vgl. Das Lohnrätsel (http://www.fr.de/wirtschaft/gerechtigkeit-das-lohnraetsel-in-europa-a-1343311 externer Link) – siehe zum weiteren Teil des „Lohnrätsels“ auch hier den übernächsten Abschnitt noch)

Der Verlust einer Moralität für die ganze Gesellschaft in Deutschland. Kann dies zutiefst sozial gespaltene Land – mit 40 Prozent auf Dauer Abgehängten noch einmal ein politische Thema werden?

Diese geschilderte Zunahme von Ungleichheit richtet einen Schaden an, weil dadurch immer mehr eine Gesellschaft entsteht mit weniger Zusammengehörigkeit. Atkinson, der große Ökonom gegen diese Entwicklung zur Ungleichheit, machte dieses Dilemma der so nur neoliberalen, marktradikal-fixierten Poiltik mit einem Satz deutlich: „Wenn wir Banken retten können, wieso können wir dann nicht auch die Menschen retten?“, das er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung bei der Vorstellung seines Buches „Ungleichheit -Was wir dagegen tun können,“ äußerte. (Vgl. Anthony Atkinson: Noch Keynes bezeichnete die Ökonomik als moralische Wissenschaft: https://www.labournet.de/?p=103627)

Also wenn wir schon bei den „vorherrschenden“ Parteien keine Ideen finden können, um diesen gesellschaftsschädigenden Stillstand in der Politik zu überwinden, dann erfreut es einen in besonderem Maß, wenn einmal in der Zeitung doch noch einmal ein nützlicher Beitrag steht. Dieses Mal ist es Alexander Hagelüken in der „Süddeutschen Zeitung“ mit seinem Kommentar zur Sozialen Frage: „Total ungerecht“. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ungleichheit-in-deutschland-ran-an-die-firmenerben-spitzenverdiener-und-kapital-millionaere-1.3646077 externer Link)

Ein Grundübel sieht er in dem Denken, das sich seit den 80-er Jahren dann so alles andere niederwalzend durchgesetzt hat und als Ideologie die Begriffshoheit erobert hat: der Neoliberalismus, der allein die entfesselten Märkte predigt und die Selbstbedienung der Starken predigt. Deshalb kommen die Firmenerben mit der Behauptung durch, ihre Besteuerung vernichte Jobs. Deshalb sind Geringverdiener im öffentlichen Bewußtsein, vor allem selber schuld.

Hagelüken meint, es wird wohl überall in den Industriestaaten jetzt mehr Zeit und auch geschicktere Wahlkämpfer brauchen, um die – ein anderes Denken blockierenden – neoliberalen Mythen zu entzaubern. Um wieder das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass zu viel Ungleichheit eine Gesellschaft auseinanderreißt. Bisher profitieren von diesem Frust allerdings nur die Rechtspopulisten wie Donald Trump und die AfD, die jedoch keine ernsthaften Lösungen anbieten. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ungleichheit-in-deutschland-ran-an-die-firmenerben-spitzenverdiener-und-kapital-millionaere-1.3646077 externer Link)

Zu diesem gravierenden Problem in Deutschland hat Alexander Hagelüken für diese Zeit der anstehenden politischen Entscheidung auch noch ein Buch geschrieben: Alexander Hagelüken über die Ungleichheit in Deutschland „Das gespaltene Land“ (http://www.sueddeutsche.de/kultur/von-sz-autoren-alexander-hagelueken-ueber-ungleichheit-1.3449154 externer Link). Der Zeitung „Mitbestimmung“ hat bei diesem Buch gefallen, wie konkret sich Hagelüken mit der sozialen Spaltung dieses Landes auseinandersetzt. (https://www.magazin-mitbestimmung.de/artikel/Armes%2C+reiches+Deutschland@UssZdaUhSQqyXmZXrHZ9oQ?issue=0mRwhZToQKuFhczJUYLs%2BQ externer Link)

Und wie er erklärt – auch wenn es rückwärts gewandt klingt – wie jetzt doch das 21. Jahrhundert wieder von dem 20 Jahrhundert lernen könne – wo eben die Ungleichheit – auch nach Kanzler Erhards Motto „Wohlstand für alle“ noch nicht diese große Kluft aufwies.

Und noch das „Mysterium des verlorengegangen Lohnwachstums“ – oder die Arbeitnehmer verlieren immer mehr Rechte im Griff eines immer konzentrierteren Kapitals (Monopole, Oligopole)

Auf Grund des Europäischen Tarifberichtes 2016 / 2017 des WSI von Thorsten Schulten und Malte Lübker (https://www.boeckler.de/106602_110594.htm externer Link) widmet sich Stephan Kaufmann in der FR einem Lohnrätsel: Die Wirtschaftsleistung in Europa wächst und die Zahl der Arbeitslosen ist seit 2013 stark gesunken. Infolgedessen müssten jetzt eigentlich die Gehälter steigen – nur das tun sie aber nicht. (http://www.fr.de/wirtschaft/gerechtigkeit-das-lohnraetsel-in-europa-a-1343311 externer Link)

Warum steigen die Löhne nicht?

Als ein Grund wird angenommen, dass die Arbeitslosigkeit doch viel höher ist als offiziell „zugegeben“: Die um diese „verdeckte“ Arbeitslosigkeit erweiterte – wohl reale – Arbeitslosenquote war 2016 mit 18,5 Prozent doppelt so hoch wie die offizielle, wird erklärt. – In diese Richtung argumentiert auch die EZB, die mit ihrer Niedrigzinspolitik gewaltig daran interessiert ist, dass die Löhne endlich wieder steigen – und deshalb auch dahinter her ist, zu klären, warum das jetzt so offensichtlich ausbleibt. (vgl. auch WSI-Tarifbericht)  Und als zweiten Grund sieht das WSI den Abbau von Arbeitnehmerrechten (institutionellen Veränderungen der Lohnfindung), die zu einer radikalen Dezentralisierung der Lohnverhandlungen führen. Dadurch nähern wir uns dem Schreckensbild, den einst das Bundesarbeitsgericht für die Notwendigkeit von Streiks und Tarifverträgen als Orientierung ausgab, ohne diese Möglichkeit verkommt die Situation der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern zur Bettelei.

Was jetzt gerade auch noch in Frankreich nach dem Vorbild der deutschen „Agenda 2010“ weitergeführt wird. (https://www.labournet.de/?p=120850)

Für eine Stabilisierung der Eurozone sieht die EZB diese Entwicklung mit Misstrauen. Um ihre von vielen Seiten kritisierte Niedrigzinspolitik zu beenden, müsste die Inflation auf die Zielmarke von 2 Prozent hin tendieren. Und dazu müssten die Löhne endlich steigen. Das tun sie aber einfach weiterhin nicht – und immer wieder nicht!

So steckt die EZB in einem Dilemma – und plädiert dennoch oder gerade deshalb dafür, dass die Löhne steigen müssen. (http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/analyse-wieso-haelt-die-ezb-an-ihrer-ultralockeren-geldpolitik-fest–28004286 externer Link)

Nach den gängigen ökonomischen Modellen müsste mit der sinkenden Arbeitslosenzahl doch die Möglichkeit zu Lohnsteigerungen erweitert werden. Das gelingt aber nicht – und führt zu dem „Mystery of missing wage growth“ (Geheimnis des ausbleibenden Lohnwachstums), wie Giugliano meint. (https://www.bloomberg.com/view/articles/2017-06-09/draghi-is-right-to-hold-out-for-wage-growth externer Link)

Und so muss Draghi an seiner Geldpolitik festhalten, obwohl sie anscheinend für ein Lohnwachstum nichts mehr bringt – jedoch die Zunahme des Reichtums weiter befeuert.

Eine weitere Spur für das allgemeine Sinken der Lohnquote: Zunehmende Konzentration der Unternehmen als stichhaltigere Erklärung für die Abnahme der Löhne (Lohnquote) – nur das, was so viele Menschen betrifft, steht völlig außerhalb jeglicher politischen Diskussion!

Wie der WSI-Tarifbericht für Europa festhält, geht die Verteilungsbilanz gemessen an den Kriterien einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik auch im Zeitraum 2010 bis 2017 zu Ungunsten der Beschäftigten aus. (Vgl. Abb. 6 auf der seite 430) So geht der Anteil der Arbeitseinkommen – eben jene Lohnquote – in 20 von 28 EU-Staaten weiter zurück. Damit folgen die Lohnentwicklungen einem bereits seit den 1980- er (!) und 1990-er Jahren in vielen Ländern zu beobachtenden Trend: https://www.boeckler.de/106602_110594.htm externer Link)

Und auch in Deutschland blieb letztlich trotz der vergleichsweise starken Lohnzuwächse die Lohnquote über den Zeitraum 2010 bis 2017 gerade einmal nur konstant. Die Lohnerhöhungen der letzten Jahre in Deutschland waren also vollständig durch die Preis- und Produktivitätsentwicklung gedeckt, sodass sich die funktionale Einkommensverteilung zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommen nicht veränderte. Allerdings hat Deutschland in den 1990-er und 2000-er Jahren einen relativ starken Rückgang der Lohnquote erlebt. Die Entwicklung des jetzigen Jahrzehnts hat diesen Trend also nur gerade einmal angehalten, aber keineswegs korrigiert. Die deutsche Lohnpolitik ist damit weit von einer expansiven Ausrichtung entfernt und steht deshalb nach wie vor in der Kritik, insbesondere in Anbetracht der Leistungsbilanzüberschüsse. (Ökonomische Ungleichgewichte)(Siehe zum Effekt der Lohnreduzierung auch den Wirtschaftsweisen Peter Bofinger: http://www.ksta.de/wirtschaft/wirtschaftsweise-im-interview–verfaellt-die-euro-zone–ist-deutschland-der-verlierer–28152918 externer Link)

Dieses Lohndumping – das Deutschland eben im Übrigen schon längst vor den Hartz-Reformen praktizierte – funktionierte doch nur, weil es die anderen (vor allem in der Eurozone) nicht praktizierten und dadurch Deutschland diesen Vorteil erhielt. (Vgl.dazu auch „Dieser Exportüberschuss ist Anlass zur Sorge und kein Grund stolz zu sein“ auf der Seite 1 unten bei https://www.labournet.de/?p=111654)

Die Konzentration der Unternehmen als entscheidender Grund für den Rückgang der Lohnquote: Die Machtkonzentration in Großkonzernen verschärft die Ungleichheit

Catherine Hoffmann sieht deshalb noch einen ganz anderen Grund für diesen Rückgang der Lohnquote – die Konzentration der Unternehmen in den Märkten. (so etwas wie Monopole oder Oligopole, die eben „ihre“ Preise mit „ihrer“ Macht auch durchsetzen können – eben auch bei den Löhnen!)(http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ungleichheit-super-firmen-greifen-an-1.3649240?reduced=true externer Link) Diese Monopolartigen Gefüge gehen eben zu Lasten von Verbrauchern und Beschäftigten.

David Dorn, Professor für internationalen Handel und Arbeitsmärkte an der Universität Zürich, hat mit einem Prominenten Forscherteam aus den USA untersucht, warum die Lohnquote in den USA, den meisten europäischen Ländern und sogar in China seit langem rückläufig ist. Daraus entstand eine gewaltige Studie „The Fall of the Labour Share and the Rise of Superstar Firms“,mit der sie herausfanden, dass diese großen Firmen einfach schneller wachsen – und bei kleineren Lohnquoten – ihre Marktanteile immer weiter ausdehnen. (https://nephist.wordpress.com/2017/07/03/superstar-firms-and-inequality/ externer Link – und ausführlicher noch https://economics.mit.edu/files/12979 externer Link)

Zu einer ähnlichen Einschätzung wie diese größeren Unternehmen den Marktzugang für Wettbewerber erschweren und so monopolartige Strukturen etablieren, mit denen sie dann auch höhere Preise verlangen können, obwohl ihre Produkte nicht einmal besonders gut sind, kommen auch die Ökonomen Jan De Loecker und Jan Eeckhout in ihrer Studie „The Rise of Market Power“. Dieser „monopolartige“ Sektor war lange Zeit konstant, doch seit 1980 (!) stieg er stetig von 18 Prozent auf zuletzt 67 Prozent. (http://marginalrevolution.com/marginalrevolution/2017/08/rise-market-power.html externer Link)

Beide Forscherteams und damit beide Studien kommen zu der Überzeugung, dass das Entstehen von diesen übermachtigen Konzernen Hand in Hand geht mit einer schrumpfenden Lohnquote. Das heißt auch vom Erstarken dieser Superfirmen profitieren in erster Linie die Aktionäre und nicht die Arbeitnehmer! (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ungleichheit-super-firmen-greifen-an-1.3649240?reduced=true externer Link)

Mit den Großkonzernen nimmt nicht nur die Machtkonzentraion, sondern auch die Ungleichheit weiter zu. Aber diesen großen Problemen unserer Zeit widmen sich „unsere“ Parteien nicht: Stattdessen verharrt die Politik bei der Erklärung unserer Gesellschaft – deren „Narrativ“ – bei der Mitte oder Mittelstandsgesellschaft.

Uns bleibt dennoch die weiter vorherrschende Dominanz eines total unzeitgemäßen „Narrativs“ für unsere Gesellschaft – die sogenannte „Mittelstandsgesellschaft“.

An diesem so unzeitgemäßen und vollkommen außerhalb der gegenwärtigen gesellschaftlichen Realität liegenden Narrativ einer Mittelstandsgesellschaft, das so „wunderbar“ (für die Reichen) die bestehende Ungleichheit zu relativieren vermag, übt der Berliner Soziologe Ulf Kadritzke mit seinem Essay „Mythos Mitte – Oder Die Entsorgung der Klassenfrage“ vehemente Kritik. (https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2017/06/mitte_kadritzke.pdf pdf)

Diese Begrifflichkeit versucht die „real-existierende“ Radikalität der Ungleichheit zu relativieren. Die Erzählung von der „Mitte“ stiftet qua Definition ein die Gesellschaft verbindendes Band, indem sie auch noch die Gleichheit sehr unterschiedlicher Lebenslagen betont. (https://monde-diplomatique.de/artikel/!5337738 externer Link)

So wird die Mitte zu Wille und Vorstellung – und was dabei alles verschwiegen wird, kann nicht zum Problem werden. Und durch diesen von allen Medien geförderten Mitte-Diskurs und die Gefährdung der Mitte sollen noch die vergessen werden, die tatsächlich von Armut bedroht sind, erklärt Kadritzke. (https://www.heise.de/tp/features/Mass-und-Mitte-3758545.html externer Link)

So geht es jetzt eigentlich darum die Klassenfrage zu ent-entsorgen. (https://www.freie-radios.net/83729 externer Link) Nur wenn die Politik schon so geschlossen „alternativlos“ in der „Mittelschichtsgesellschaft“ verharren will, was bleibt dann noch für eine politische Auseinandersetzung?

Aber irgendetwas wollen die aktuellen Parteien doch noch politisch tun: Steuern senken und Investitionen erhöhen? Aber bestenfalls ein minimal höheres Wachstum!

Alle diese Parteien versprechen zwar Steuern zu senken und die Investitionen zu erhöhen. Große Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum dürfte das aber nicht haben. – Die Schweizer UBS-Bank rechnet bei den Steuersenkungen allerhöchstens mit einem Zusatzwachstum von 0,5 Prozent über zwei Jahre. Auch das größte vorgeschlagene Investitionsprogramm brächte höchstens 0,3 Prozent verteilt über mehrere Jahre.

All dies ist nicht genug, als dass wir unsere bestehenden Wachstumsprognosen ändern müssten, sagt der UBS-Ökonom. Für die Finanzmärkte gilt Angela Merkel als Kanzlerin gesetzt, spannend könnte es höchstens dabei werden, mit wem sie regieren wird, also eine Koalition mit der FDP oder der SPD eingehen wird?

Eine weitere Radikalisierung der Finanzmärkte – oder nicht?

Ich verstehe zwar nicht ganz, warum die Grünen gar nicht mehr in Frage kommen? Aber vielleicht wird so eben die politische „Rechnung“ an den Finanzmärkten gemacht.

Bei dieser Alternative FDP oder SPD jedenfalls kommt die FDP nicht gut an – so urteilt jedenfalls das US-Investmenthaus Citi. Dabei ist bei der FDP vor allem eine weitere Radikalisierung der Finanzmärkte (Spekulation) vorgesehen: Jedoch: Die FDP kommt wegen ihrer weiteren Marktradikalisierung dann doch auch bei den Finanzmärkten nicht nur gut an.

– Staatsschulden sollen eben auch sicher sein – und wenns auf Kosten der Steuerzahler geht –

Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm eine strikte Einhaltung der Defizit-Ziele des „Stabilitäts-Paktes“ inklusive einer automatischen Strafe bei Verfehlung. Sie besteht zudem auf der Geltung der Nichtbeistandsklausel zwischen den Euro-Staaten (Gauweiler u.a. fochten dafür vor dem Bundesverfassungsgericht). Jeder Mitgliedsstaat muss eben die Folgen seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik ganz alleine tragen und somit Haushaltsdisziplin wahren. (= ein bißchen „Sprengstoff“ für den Euro?)

Der Euro-Rettungsschirm ESM, der bislang als Nothelfer für wankende Staaten bereit steht, soll in Folge dieser Politik gemäß der FDP kontinuierlich verkleinert werden – und langfristig auslaufen, also wieder total verschwinden. (http://www.fr.de/politik/bundestagswahl/finanzmarkt-wirtschaftsrisiko-fdp-a-1339639 externer Link)

Statt Notkrediten fordert die FDP eine Insolvenzordnung für Staaten: endlich muss die Marktdisziplin wieder hergestellt werden! Und der Austritt aus dem Euro muss einfacher werden!

Kann eine Euroland seine Verbindlichkeiten nicht bedienen, müssen diese teilweise gestrichen werden. Das würde Verluste für die Gläubiger bedeuten. Dadurch würde „der Ausfall eines Staates als Schuldner zum realistischen Szenario.“ Und konsequenterweise plädiert die FDP neben einer Insolvenzordnung für die Eurostaaten (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/die-waehrungsunion-braucht-politische-integration-ein-standpunkt-von-peter-bofinger-13727596.html externer Link) auch noch für die Einführung eines Verfahrens, nach dem ein – dann bisheriger – Mitgliedsstaat auch einfacher aus dem Euro austretten könne. (Haben die FDP-ler jenseits der scheinbar alles bestens regelnden „Heiligkeit“ des Marktes noch irgendwelche ökonomischen Zusammenhänge einer Währungszone begriffen?)

Kredite verführen – und stabilisieren nicht, so die weitverbreitete Meinung dieser Liberalen.

Dabei – das muss eingeräumt werden – entspricht dieses Konzept der FDP dem vieler liberal – oder marktradikal – eingestellter Ökonomen in Deutschland: Nach deren – verbreiteter – Meinung verführt die Tatsache, dass Staaten im Notfall durch Kredite zahlungsfähig gehalten werden dazu, dass die betroffenen Regierungen dieser Länder es an finanzieller Disziplin fehlen lassen. (Eben: „Schuld ist immer der Schuldner“! (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/FUCH_WIEN_0709_05_X.pdf externer Link pdf)

Fest verankert in diesem Glauben erklären diese Marktliberalen – und mit ihnen eben jetzt die FDP -, dass eine „unbekümmerte“ (schon dieses Vokabular erscheint „entlarvend“, – will sagen, allein die Marktradikalen können sich mit Hilfe des Marktes „richtig“ kümmern) Kreditvergabe der Banken auch an schwächere Eurostaaten (= die es „natürlich“ nicht verdienen) ermöglicht wird, denn dank der Rettungsmechanismen (z.B. ESM) brauchen die Gläubiger kaum oder keine Verluste zu befürchten.

Ein endgültiges Ende dieser Hilfszusagen und die definitive Möglichkeit der Staatspleite würden dagegen – endlich – die Marktdiszipin wieder herstellen. (http://www.fr.de/politik/bundestagswahl/finanzmarkt-wirtschaftsrisiko-fdp-a-1339639 externer Link)

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger steht dagegen wie ein Fels in der Brandung bei diesem neuerlichen Ansturm einer so totalen Marktgläubigkeit auf der politischen Bühne im Bundestagswahlkampf 2017: „Jetzt soll die Eurozone noch weiter destabilisiert werden „

Diese ganze „Neukonstruktion“ der Währungszone – vielleicht allein zum Segen der Spekulanten – sieht der Wirtschaftsweise Peter Bofinger – zusammen mit anderen Ökonomen – sehr skeptisch. Er warnt deshalb vor solch einer Konstruktion, denn wenn diese umgesetzt wird, könnten schon kleinere finanzielle Schwierigkeiten einzelner Staaten zu einer Panikwelle an den Märkten führen. „Die Marktteilnehmer müssten davon ausgehen, dass es grundsätzlich zu einer Umstrukturierung von Staatsanleihen kommt, sobald ein Land auf den Kapitalmärkten unter Druck gerät“, schreibt Peter Bofinger. (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/die-waehrungsunion-braucht-politische-integration-ein-standpunkt-von-peter-bofinger-13727596.html externer Link) „Somit könnte es schon bald bei geringen Störungen zu einem „Bond-run“ kommen, der dann nicht mehr zu stoppen ist.“ So würde nur die Eurozone destabilisiert.

Die FDP-Pläne „würden sicherlich viele deutsche Volkswirte (sozusagen die Ideologiefraktion der alten liberalen Schule) erfreuen, kommentierte ein Banker, aber kaum die Währungsunion verbessern. (http://www.fr.de/politik/bundestagswahl/finanzmarkt-wirtschaftsrisiko-fdp-a-1339639 externer Link)

Ausgerechnet den Finanzmärkten soll die Stabilisierung der Eurozone durch die FDP übertragen werden: Und damit wäre uns die nächste Eurokrise sicher – bis zum endgültigen Untergang des Euro !

Die FDP glaubt einfach an die alleinseligmachende Marksteuerung für das Europa einer gemeinsamen Währung durch die Finanzmärkte (Spekulation) und will, das sagt sie deutlich, damit nicht Europa retten, sondern seine weitere Erosion durch das „Diktum“ der Finanzmärkte klären lassen. (http://www.fr.de/politik/meinung/kommentare/gegen-den-rettungsschirm-die-fdp-und-die-reform-der-euro-zone-a-1340156 externer Link)

Durch die Einführung stärker akzentuierter marktwirtschaftlicher Elemente – wie der Abschaffung des Euro-Rettungsfonds und ein Insolvenzrecht für Staaten – will die FDP – frei nach ihrem Glauben an die Märkte – die Eurozone stabilisieren (Ja, das ist kein Tipp-Fehler: sie möchte die Eurozone stabilisieren, wohl auch wenn von dieser danach nichts mehr übrig „bleibt“) Und wodurch möchte sie sie „stabilisieren“: indem sie ausgerechnet den Finanzmärkten eine Disziplinierungsfunktion überträgt.

Nur: Die nächste Eurokrise wäre dann sicher und würde in etwa so ablaufen, erklärt uns Stephan Kaufmann: Ein Staat – sagen wir Spanien – bekommt wirtschaftliche Probleme, gegen die er nicht mit Mehrausgaben angehen kann, da dies der Stabilitätspakt untersagt – ein „Stabilitätspakt“ der ökonomisch inzwischen weitgehend als „dumm“ betrachtet wird (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/eu-stabilitaetspakt-der-dumme-pakt-12198396.html externer Link).

Darauf lassen die Finanzmärkte die Kurse der spanischen Staatsanleihen fallen, das bedeutet jetzt steigende Zinsen für Spanien. Ohne die Aussicht auf staatliche Notfallkredite flieht in der Folge die gesamte Investorenherde panisch aus sämtlichen spanischen Anleihen und treibt das Land in die Pleite.

Denn es darf ja – gemäß FDP – keinen Rettungsschirm mehr geben. Stattdessen gibt es eine Insolvenzordnung, wie sie so manchen Köpfen – fest im marktwirtschaftlichen Glauben – dann vorschwebt. (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/die-waehrungsunion-braucht-politische-integration-ein-standpunkt-von-peter-bofinger-13727596.html externer Link)

Eine solche Insolvenzordnung bedeutet: Anlegern, die nicht rechtzeitig ihre Spanien-Anleihen verkaufen können, drohen Verluste. Es entsteht Panik auf den Märkten – und diese Panik wird dann noch verstärkt durch die – jetzt darauf folgende – Aussicht auf den Euro-Ausstieg Spaniens. Und den hat die FDP ja dann auch schon erleichtert. (http://www.fr.de/politik/meinung/kommentare/gegen-den-rettungsschirm-die-fdp-und-die-reform-der-euro-zone-a-1340156 externer Link) So wird dieses Eurokonzept der Liberalen (FDP) eine einzige Einladung an die Spekulation – ohne Aussicht auf eine konstruktive politische Lösung für Europa!

Lakonisch fasst das Claus Offe noch ziusammen: Die These, dass die Reichen investieren und damit Arbeitsplätze schaffen, funktioniert einfach in einer solchen – wie bei uns – finanzwirtschaftlich dominierten Ökonomie nicht (vgl. dazu aktuell noch „Auf dem Weg in den nächsten Finanzkrisen-Kladderadatsch… „: https://www.labournet.de/?p=120868 externer Link), in der doch viel Reichtum aus dem Handel mit Schulden (der Staaten) fließt. Gerade Produktion und Beschäftigung profitieren vom Treiben in den Geldfabriken an den Finanzmärkten wenig, aber viele Reiche macht es reicher. (http://www.sueddeutsche.de/kultur/soziologe-claus-offe-die-halbwertszeit-der-illusionen-1.3651467?reduced=true externer Link) Statistisch ist das von Piketty und anderen gut belegt. Gerade am unteren Ende werden sehr viel Boote von der Geldflut keineswegs angehoben, sondern eher leckgeschlagen.

Das wäre die „totale marktradikale Endlösung“ durch Radikalisierung der Spekulation zum Segen der Reichen.

Aber das hatte die FDP doch schon einmal nach einer „Wende“ zur CDU – mit Kanzler Kohl angefangen – und es wäre jetzt daher eine nur konsequente Fortsetzung. (https://www.labournet.de/politik/eu-politik/wipo-eu/ein-so-wesentliches-stueck-wirtschaftsgeschichte-mit-hans-tietmeyer-ein-mit-autor-des-lambsdorff-papiers-zur-neoliberalen-wende-in-deutschland-ist-tot/)

Claus Offe aber zum Beispiel meint noch, in der Tat geht es um nichts weniger als die Neuerfindung staatlicher Handlungs- und Politikfähigkeit. Aber diese kann nur noch grenzüberschreitend konzipiert werden – eben jene Neuerfindung von Europa – nicht mehr „in der Falle“. (Vgl. zu Offes „Europa in der Falle“: https://www.labournet.de/?p=21892)

Alexander Hagelüken skizziert in seinem Buch „Das gespaltene Land“ (https://www.magazin-mitbestimmung.de/artikel/Armes%2C+reiches+Deutschland@UssZdaUhSQqyXmZXrHZ9oQ?issue=0mRwhZToQKuFhczJUYLs%2BQ externer Link) die großen Alternativen folgendermaßen: Es kristallisiert sich heraus, dass Deutschland vor zwei Alternativen steht. Die bessere Alternative wäre ein entschiedenes Programm gegen Ungleichheit… Die schlechtere Alternative wäre, es einfach – und danach sieht es leider jetzt aus – es einfach so weiterlaufen zu lassen wie bisher – und die Finanzmärkte können die Bundestagswahl weiter als ein „Non-Event“ betrachten – Das würde weiter politische Unruhen – bisher in der Regel nach rechts – auslösen.

Dann könnte es in Deutschland knallen, bis das Land nicht wiederzuerkennen ist.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=121206
nach oben