Finanzkrisen – und kein Ende in Sicht. Die Weltwährungen geraten ins Schwanken – und treten gegeneinander an: Euro gegen oder gar statt Dollar

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 10.12.2018

Kann der Euro – als Systemfrage (für welches „System“?) – gestärkt die weltweite Bedeutung des Dollar (so vieles wird in Dollar abgewickelt!) einschränken, um als Weltwährung neben den Dollar zu treten? (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/euro-vs-dollar-die-systemfrage-1.4240075 externer Link)

Bloomberg greift gleich weit aus – und formuliert scharf: „Dollar-Tyrannei geht ihrem Ende zu“. (https://de.sputniknews.com/politik/20181004322523309-bloomberg-dollar-tyrannei-geht-ihrem-ende-entgegen/ externer Link)

Aber Ulrike Herrmann sieht – mit dem DGB – deutlich die Zusammenhänge: Um die Dominanz des Dollar zu überwinden, müssten die Europäer – und allen voran Deutschland – ihren als alternativlos bezeichneten neoliberalen Irrtum, dass in der Europäischen Währungsunion auch Staaten wie Griechenland pleite gehen müssen,- um allein den Finanzmärkten das Regiment zu überlassen – endlich weit hinter sich lassen. (Vgl. „Europa im ökonomischen Irrtum führt weiter zur – ökonomisch eigentlich ansonsten widersinnigen – Dominanz des Dollar“: https://www.labournet.de/?p=138414)

Gleichzeitig gibt es jetzt schon Anzeichen für eine Rezession – die flache Zinskurve. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zinsen-vorahnungen-der-finanzprofis-1.4240080 externer Link)

Was die Anleger auch nervös macht, ist nicht die US-Binnenwirtschaft, sondern die Schwäche der Weltwirtschaft…

Ist das arlamierend für US-Präsident Trump – ähnlich wie für Nixon 1971 / 72?

Als Analogie mit den Jahren 1971/72, in den Nixon die Notenbank der USA – die Fed – unter Druck setzte, um Wahlen zu gewinnen (November 1972) will Nikolaus Piper jetzt die US-Notenbank vor Trump warnen, der mit einer expansiven Geldpolitik wieder Ähnliches im Schild führen könnte. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/richard-nixon-us-oekonomie-1.4241983?reduced=true externer Link)

Zwar gibt Nikolaus Piper an, dass gleichzeitig Nixon am 15. August – als sein zweiter Erzählstrang – das Ende von Bretton Woods – das stabile Währungssytem der Nachkriegszeit – (vgl. dazu auch Stephan Schulmeister, „Prosperität“ Seite 42 – mit der „Ausblendung des Unpassenden“ der Nachkriegszeit!) einleitete – und damit die Weltwirtschaft auf eine „neue“ Grundlage stellte – den entfesselten Finanzmärkten.

Diese grundsätzliche Änderung der Wirtschaftsordnung wird im folgenden recht entscheidend für die Intstabilität unserer Gesellschaften (schwerwiegend wachsende Ungleichheiten!). die Änderung einfach so „en passant“ beiseite zu schieben, mag zwar tiefverankertem neoliberalen „Glauben“ geschuldet sein, aber führt hier auch zu einer Fehldeutung der Rolle der Nationalbank – und das, was ihr erlaubt sein „darf“.

Bretton Woods scheiterte, weil Keynes mit einer Weltwährung wegen der ökonomischen Dominanz-Interessen der USA nicht durchkam.

Dabei musste Bretton Woods scheitern, weil keine Weltwährung – gegen die USA – durchsetzbar war. Somit geriet der Dollar in seine Doppelrolle als einerseits nationale Währung und andererseits einer (Ersatz-) Weltwährung in eine „Auswegslosigkeit“, denn im Zweifel galt für die USA der Dollar als nationale Währung. Das konnte der „restlichen“ Weltwirtschaft nicht gefallen. (Siehe wiederum Stephan Schulmeister,“Prosperität“, Seiten 70 f. – sowie das Kapitel 7 „Entfesselung der Finanzmärkte und Selbstentmündigung der Politik: Der lange Weg in die Große Krise“, Seiten 104 ff.)

Diesem „Strang“ mit seinen Folgen geht aber Nikolaus Piper nicht weiter nach, um den „Schuldigen“ allein bei Nixon – der Politik – zu finden. – Aber bis zu Trump steigt er gar nicht erst durch… (https://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/das-dollar-regime-als-waffe/ externer Link)

Nun wird es derzeit jedoch immer fragwürdiger, ob diese so einseitig ideolgische marktradikale Sichtweise noch viel weiter tragen kann. (was nicht heißt, dass Nikolaus Piper bei seiner Analyse der Nixon`schen Wirtschaftspolitik in Gänze nur unrecht hat – z.B. seine Einschätzung der Nixonschen Preiskontrollen um die Inflation durch Bürokratie – ohne Not – in den Griff zu bekommen…) (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/richard-nixon-us-oekonomie-1.4241983?reduced=true externer Link)

Und die globale Verantwortung der Fed?

Anders als der neoliberale Nikolaus Piper sieht der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze gerade jetzt auch in der Eurokrise die Zentralbank (EZB) als versagende Institution – anders als Piper der dort die „Gefahr verortet – die neoliberalen Masterminds hatten schon bei der Weltwirtschaftskrise in den 1930-er Jahren mit dem New Deal des Präsidenten Roosevelt die Sichtweise auf diese große Krise so zurechtbogen, dass „der Staat“ „schuld an dieser Weltwirtschaftskrise war, die jedoch durch drei Bullenmärkte – also „die Märkte“ – ins Desaster führte.

Tooze sieht die Fed als Retter in der Finanzkrise – wie eben schon in den 1930-er Jahren unter Roosevelt: In der Finanzkrise drohten eben nicht nur Verluste, auch der Dollar-Kreisverkehr stoppte abrupt. (Siehe Ulrike Herrmann über Tooze (http://www.taz.de/!5543457/ externer Link)

Im Gegensatz dazu übernimmt die EZB keine Verantwortung für Europa in der Finanzkrise.

Deshalb wären die Europäischen Banken sofort zusammengebrochen, wenn die US-Notenbank Fed nicht unbegrenzt Dollar zur Verfügung gestellt hätte. Es war eine historisch einmalige Aktion, wie Tooze darlegt. Und die Fed wurde ihrer Rolle – dieses Mal – gerecht: Auf diese Art kann der Dollar – nur er? – weltweite Leitwährung sein, wenn die US-Notenbank globale Verantwortung – jetzt in der Finanzkrise – übernimmt.

Diese grenzüberschreitende Weitsicht fehlte aber in Europa bei der Europäischen Zentralbank (EZB) gänzlich, als Osteuropa in den Strudel der Finanzkrise kam.

Vor allem die Ungarn hatten viele Kredite in Fremdwährungen wie Euro oder Yen aufgenommen – konnten diese Darlehen aber kaum noch bedienen, als der Forint abstürzte. Die Ungarn hätten jetzt Euro-Kredite von der EZB benötigt, doch genau diese Hilfe wurde ihnen – durch die Beschränkung der EZB – verwehrt. Anders als die Fed versagte also die EZB,erklärt Tooze. Dies erklärt zum großen Teil den rechtspopulistischen Durchmarsch von Orban in Ungarn… (http://www.taz.de/!5543457/ externer Link)

Muss der Euro weiter nur im neoliberalen Korsett funktionieren?

Diesem weitverbreiteten Anliegen der fest im Neoliberalen verankerten Ökonomen widerspricht Ulrike Herrmann heftig, denn für sie hätte gerade der Euro – als Weltwährung – eben nur eine Chance, wenn die Europäer – allen voran die Deutschen – ihren als alternativlos bezeichneten neoliberalen Irrtum, dass auch Staaten wie Griechenland (oder jetzt Italien?) pleite gehen können (https://gegenblende.dgb.de/artikel/++co++2bd46332-bfc5-11e8-8c40-52540088cada externer Link), ganz grundsätzlich aufgeben. (http://www.fr.de/wirtschaft/weltwaehrung-kampfansage-an-den-dollar-a-1633300 externer Link)

Und vor allem auch „Europa im ökonomischen Irrtum führt weiter zur – eigentlich ökonomisch widersinnigen – Dominanz des Dollar“ bei https://www.labournet.de/?p=138414

Ärger mit dem Dollar gibt es vor allem deshalb, weil gerade Trump jetzt – z.B. im Iran – den Dollar auch als Machtinstrument für die amerikanischen Interessen einsetzt. (https://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/das-dollar-regime-als-waffe/ externer Link)

Die eher gegenteilige Ansicht vertrat Detlef Drewes in der Frankfurter Rundschau (= im Kommentar – nicht im Netz), dass für Italien jetzt eben bei ihrem Schuldenmachen die Vertragstreue (siehe Fiskalpakt & Co.) strikt eingehalten werden müsste. (vgl. zu der flexiblen Anpassung Rudolf Hickel „Italien bricht den Fiskalpakt – der aber dringend angepasst werden muss“ (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/italien-und-eu-im-clinch.de externer Link) Die ökonomisch-fiskalische Argumentation der italienischen Regierung ist eben verständlich. (Siehe dazu den Absatz auf der Seite 3 f. – vor allem ganz unten- bei https://www.labournet.de//?p=140533)

Europa vernachlässigt weiter die Stabilität der Währung – des Euro – weiter unter dem Druck von Deutschland, das weiter den größten Nutzen aus dem Euro zieht.

Zu diesem Schluss gelangt der Europa-Parlamentarier Sven Giegold nach den letzten so recht halbherzigen und unvollständigen Beschlüssen der Eurogruppe (= die Finanzminister der Währungsunion) – der letzten Möglichkeit vor den Europawahlen im Mai 2019! „Diese kleinen Schritte machen den Euro – wieder – nicht stabil oder sicher!“ (https://sven-giegold.de/reform-der-waehrungsunion/ externer Link)

Die Blockadehaltung von Deutschland stärkt jedenfalls die Euroskeptiker für die Wahlen – und schwächt das gemeinsame Europa. Dabei bleibt das jetzige Ergebnis noch hinter den Vereinbarungen der GroKo zurück – und wird wohl der Schwäche der SPD weiter zu Buche schlagen.

So wird der Eindruck einer politisch Europa-tauben und Finanzkapital-tauben GroKo in Berlin noch verstärkt. (https://www.labournet.de/?p=141006)

Die Aufarbeitung der Finanzkrise im Deutschen Bundestag

Am Montag hatte dann also Stephan Schulmeister die Möglichkeit eine nicht allein ideologisch-gesättigte Sicht auf die Finanzkrise im Finanzausschuss des Bundestages vorgetragen: Öffentliche Anhörung im Finanzausschuss zu den Anträgen „Zehn Jahre nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers – Finanzkrisen durch strikte Regulierung und Umverteilung verhindern“ (Fraktion „Die Linke“) sowie „Finanzwende anpacken – nächsten Crash verhindern“ (Bündnis 90 / Die Grünen)

Zusammen mit anderen anderen Sachverständigen hat er nun am Montag – 10.12. – diese an Keynes und dessen Kenntnis der Finanzmärkte ausgerichtete Sicht zum Thema „Finanzkrise“ vortragen können. (https://www.bundestag.de/ausschuesse/a07/025–sitzung/581884 externer Link)

Bullen- und Bärenmärkte auf den Finanzmärkten können nicht wahrgenommen werden, weil sie in der Theorie nicht vorgesehen sind.

Seinen Text greife ich deshalb besonders heraus (https://www.bundestag.de/blob/583094/85832e07b1fc8e1b24b78d729f5e76c7/dr–stephan-schulmeister-data.pdf externer Link pdf), weil Stephan Schulmeister sich an dem großen Ökonomen John Maynard Keynes – der schon auf die Politik von Roosevelt in der Weltwirtschaftskrise der 1930-er Jahre einen starken Einfluss hatte – orientiert und für die heutige Zeit fortschreibt. (= hier auch der Text etwas ausführlicher noch auf englisch: (https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=61485&mime_type=application/pdf externer Link )

Seine Sichtweise ist gerade auch deshalb recht herausfordernd oder sogar richtig provozierend, weil er die bisherigen Bemühungen – entsprechend der eingeschränkten Betrachtungsweise der bei uns vorherrschenden Mainstream-Ökonomen – einfach als unzureichend bzw. theoretisch blind bezeichnet: Sie können es nicht sehen! Bullen- und Bärenmärkte kommen in ihren theoretischen Konzepten einfach gar nicht vor.

Die systemische Hauptursache der Finanzkrise wird deshalb bis heute nicht gesehen. Deshalb haben die Regulierungen nach 2008 – der letzten Finanzkrise mit drei Bullen- und anschließenden Bärenmärkten – den Prozess der Preisbildung nicht einmal berührt – wie es z.B. etwa durch eine Finanztransaktionssteuer möglich wäre.

Deshalb wurde seit 2011 das Absturzpotential der nächsten Krise aufgebaut (Abbildung 1) (https://www.bundestag.de/blob/583094/85832e07b1fc8e1b24b78d729f5e76c7/dr–stephan-schulmeister-data.pdf externer Link pdf) und jetzt gerade wurde auch noch wegen ihrer Bedeutung bei der Eindämmung – oder dem Zurückschrauben – des Finanzkapitalismus die Finanztransaktionssteuer noch einmal zum Thema, worüber dann gerade wieder heftig gestritten wird. (vgl. https://www.labournet.de/?p=141006)

Aber dafür sollten wir gerade auch noch den Wirtschaftshistoriker Adam Tooze mit seinem „Crashed“ lesen. (https://www.zeit.de/2018/39/crashed-adam-tooze-wirtschaftshistoriker-buch-finanzkrise externer Link)

Und dringend müssen wir die in der Finanzkrise verdrängte Systemfrage stellen – wie Tooze noch fordert. (https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-09/finanzkrise-lehman-brothers-crashed-adam-tooze/seite-3 externer Link)

An der Systemfrage Finanzkapitalismus als „entfesselte“ Finanzmärkte findet natürlich auch Stephan Schulmeister ein Interesse: (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/wie-wird-der-neoliberalismus-enden externer Link)

Europa jetzt eher über einen gemeinsamen Haushalt hin zu einer größeren Gleichheit retten?

Während Tooze den Hebel zur Rettung der europäischen Gemeinschaft bie der Geldpolitik (EZB) ansetzt. Stephan Schulmeister bei der Eindämmung der zentralen Triebkraft, den Finanzmärkten möchte Thomas Piketty („Das Kapital des 21. Jahrhunderts“) bei einer Demokratisierung („Europäische Versammlung“) zusammen mit einem europäischen Haushalt zur besseren Verteilung und Reduzierung der enormen Ungleichheit ansetzen. (http://www.taz.de/!5557618/ externer Link)

Piketty möchte möglichst viele Menschen in Europa für diese Projekt ansprechen und mitziehen (http://tdem.eu externer Link = französisch oder auf deutsch: http://tdem.eu/de/221-2/ externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=141372
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