Deutschland weiter im Griff des Finanzkapitals: Geldpolitik und Autobahnprivatisierung
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 9.12.2016
Nach der neuesten Entscheidung der EZB: Nur wieder geldpolitischer Populismus – und Schäuble schoß dabei schon vorher den Vogel ab. (http://www.sueddeutsche.de/politik/europaeische-zentralbank-draghi-flutet-maerkte-mit-neuen-milliarden-1.3285837?reduced=true ) Bleibt wieder allein die EZB wegen der schandhaft niedrigen Zinsen in der Kritik, weil des Deutschen Lieblings“tier“ das Sparschwein ist und bleibt. (http://www.sueddeutsche.de/politik/europaeische-zentralbank-ein-bisschen-weniger-ist-zu-wenig-1.3285801?reduced=true )
So nehmen die Kommentatoren „geflissentlich“ ihren Kopf wieder unter den Arm – um die Finanzanleger diese geheimen Herrscher unserer Hemisphäre, zu beruhigen – und vor wem: Dem demokratischen Souverän, dem Wähler. (Aber das kommt nur ganz nebenbei raus) (http://www.fr-online.de/wirtschaft/geldpolitik-ezb-verlaengert-anleihekaufprogramm,1472780,34998336.html )
Als Mantra wird jedoch der geschädigte Sparer vorneweg getragen – und: „schon klar, Draghis Kurs erleichtert dem zweitgrößten Euro-Schuldenmacher Italien das Überleben, schreibt Alexander Hagelüken in der SZ noch. (Vgl. auch „Gerettet hat die Finanzmisere von Italien bisher vor allem die EZB“ auf der Seite 3 unten bei https://www.labournet.de/?p=108270)
Ja, das hatte der deutsche Ober-Guru in finanzkapitalistischen Dingen, der Chef des Finanzministerium Wolfgang Schäuble ja schon einmal richtig deftig dem Draghi hingerieben: Er sei schuld am Erstarken der Rechten Populisten.
Damit hat Schäuble die Dinge auf den Kopf gestellt, um wieder das Finanzkapital aus der Schusslinie zu bekommen – und alles, was noch seinen ökonomischen Verstand beisammen hatte, war über diese aggressiv populistischen Entgleisung entsetzt. (Wohlgemerkt: die AfD lieferte nur den Vorwand für diesen Populismus, der jetzt von der „vernünftigen“ Regierungsseite vorgetragen wurde)(http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/schaeuble-ezb-geldpolitik-mitverantwortlich-fuer-afd-erfolg-14170159.html )
Gehen wird doch einfach einmal zurück auf die Zeit vor dem Juli 2012, wo Draghi so klar einen Riegel dem Finanzkaptal vorschob, auf den Bankrott von Euro-Ländern zu spekulieren. (http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl14.html) Das sah schon damals ziemlich dramatisch aus. Jedoch solche Erinnerungen gehören wohl nicht zum „Werkzeug“ eines Wirtschaftsjournalisten, wenn man nur der „richtigen“ geldpolitischen Ideologie huldigen will. Dabei gab es selbst dafür noch Analysen,die das klarer herausstellten. (https://www.rosalux.de/publication/40678/blackbox-ezb.html )
Dabei hatte Rudolf Hickel – und nicht erst bei der letzten EZB-Entscheidung im Juli – klar gemacht, dass Draghi eben mit seinem geldpolitischen Latein am Ende war – und jetzt die öffentliche Hand (der Staat) gefordert ist, mit Investitionen in die Infrastruktur voranzugehen. (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/ezb-votum-billige-aber-ineffiziente-geldflut-/ ) Das Problem ist die vorhandene gewaltige Geldflut doch wieder in Investitionen münden zu lassen. (Vgl. dazu auch den Wirtschaftsweisen Peter Bofinger „Gerechtigkeit für Draghi“: „Das Grundproblem besteht darin, dass die EZB als einziger Akteur auf der europäischen Ebene überfordert ist.“ http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-gerechtigkeit-fuer-draghi-1.2957960 )
Draghi – auf dem jetzt wieder rumgehackt wird, – ist also nicht das Problem, sondern einfach doch die Politik, die anscheinend bisher sich als unfähig erweist, ökonomisch „vernünftig“ zu handeln – und sich stattdessen zu solchen Sottisen hinreißen lässt, dass jetzt der Draghi am Erstarken der AfD schuld sein müsste. (Vgl. dazu „Des deutschen Finanzministers Rundschläge – auch über Griechenland hinaus – jetzt auch noch die Europäische Notenbank und ihr Präsident Mario Draghi – Wer kann überhaupt noch diese weitere „Verschäubelung“ der Wirtschaftspolitik in Europa stoppen?“ – auf der Seite 1 unten bei https://www.labournet.de/?p=96809)
Merke: Unser herrschendes Narrativ ist weiterhin der Staat „darf“ wirtschaftspolitisch nicht handeln, sondern weiterhin allein das Finanzkapital ist die „Bezugsgröße“ mit besseren Möglichkeit für ihre Profite (und die soll dann doch wieder der Staat garantieren!)
Dem Finanzkapital will diese Bundesregierung nun zu Lasten des Benutzers (Maut) bei der Privatisierung der Autobahnen zu neuen Profitquellen verhelfen, um dieser vorhandenen Geldflut zu profitablen Anlagemöglichkeiten zu verhelfen.
Kaum ist der Angriff auf Demokratie und Gemeinwesen über diese privaten Schiedsgerichte (siehe TTIP und Ceta) – allein zur Profitsicherung von Konzernen – etwas in den Hintergrund gerückt,und schon überrascht uns diese schwarz-rote Regierung mit neuen Plänen, wie es gelingen soll, die Profite des Finanzkapitals weiter zu sichern – durch eine Privatisierung der deutschen Autobahnen (und Straßen).
„Auf ins Konzernland“ schreibt die TAZ: Die Bundesregierung lässt eine private Gesellschaft designen, damit Konzerne wieder höhere Renditen erzielen können – finanziert vom Steuerzahler. Möglich wird dann eine weitreichende Privatisierung der Infrastruktur. (https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5361952&s=Kai+Schlieter&SuchRahmen=Print/ )
Dafür plant diese Bundesregierung eine Grundgesetzänderung. (Der schnell gefertigte Entwurf für die Grundgesetzänderung liegt der TAZ vor: 114 Seiten lang – Stand 23. November 2016)
Auch wenn Gabriel (SPD) zwischendurch betont hatte, dass die Privatisierung vom Tisch sei, so besteht doch für das Finanzkapital die Möglichkeit durch stille Beteiligungen u.ä. sich erhöhte Renditen zu verschaffen. Eine hochkomplexe Trickserei, um die Benutzer zu schröpfen zugunsten von Investoren und deren Profiten.
Es soll eben für die Öffentlichkeit nicht offensichtlich werden, wie die Bundesregierung für Investoren aus der Infrastruktur Anlageprodukte fabriziert. – Auch wenn der Verwaltungswissenschaftler Holger Mühlenkamp sich vorsichtig äußert, so ist sein Resümee doch klar: Offenbar haben sich hier Lobbies auf Kosten der Steuerzahler und Autofahrer durchgesetzt. Das führt – unter dem Strich – zu einer weiteren Vermögens- und Einkommensungleichheit. Das ist dann wieder eine Umverteilung von unten nach oben.
Ein aktuelles Gutachten – erstellt im Auftrag des Zentraverbandes des Deutschen Baugewerbes – findet: „Die Grundgesetzänderung sei aus der Perspektive der Maut- und Steuerzahler als nachteilig einzustufen.“ (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/privatisierung-von-autobahnen-gutachten-sieht-chancen-fuer-regierungsplaene-a-1124742.html ) Dieses Gutachten kommt auch zu dem Ergebnis, wenn, wie Wirtschaftsminister Gabriel das Versprochen hat, kein Zugriff von Privaten stattfinden soll, dann müsste der Entwurf noch klar geändert werden.
Jedenfalls formiert sich gegen diese Gefahr auch schon eine klare Abwehrfront von Gewerkschaften und Parteien. (http://www.verkehrsrundschau.de/ramelow-hofreiter-und-verdi-warnen-vor-strassen-privatisierung-1859479.html ) Die Gewerkschaft sieht es besonders kritisch, dass dabei fast 50 Prozent dieser Gesellschaften an die private Wirtschaft gehen sollen. (https://bund-laender-nrw.verdi.de/land/strassen-nrw/++co++8fe70092-a8b5-11e6-9c6a-525400ed87ba )
Und am (heutigen) Freitag will die Bundesregierung diesen wahrhaften „Coups“ auf den Geldbeutel des Normalbürgers beschließen.
Es gäbe nur einfachere Möglichkeiten dieser vorhanden Geldflut des Finanzkapitals für „jedermann“ zur Verfügung zu stellen, statt diesen „Jedermann“ weiter für das Finanzkapital ewig weiter zu schröpfen: Nur „sie“ werden inzwischen immer dreister!
Dabei hatten wir doch auch noch die Diskussion um das Helikoptergeld, um aus dieser Liqiditätsfalle zu entkommen, die gerade auch der Oberguru der Neoliberalen, Milton Friedman, ins Spiel gebracht hatte. (https://www.labournet.de/?p=96407)
Jedoch wahrscheinlich zeigt das nur,wie ökonomisch reduziert die Wahrnehmung heute nur noch sein darf. Eine realistische Problemlösung steht da gar nicht auf der Tagesordnung – obwohl Europa, das sie angeblich „alle“ vorgeben, so zu lieben, daran zerbrechen könnte.