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Wie das System in Bulgarien dank der (um scheinbare Distanzierung bemühten) EU weiter funktioniert – trotz andauernder Massenproteste
„… Nun aber bedauern die Europa-Abgeordneten in ihrer Resolution „zutiefst, dass die Entwicklungen in Bulgarien zu einer erheblichen Verschlechterung im Hinblick auf die Achtung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundrechte geführt haben, einschließlich der Unabhängigkeit der Justiz, der Gewaltenteilung und der Medienfreiheit“. Sie bringen deshalb ihre „Solidarität mit dem bulgarischen Volk zum Ausdruck hinsichtlich dessen legitimen Forderungen und Bestrebungen nach Gerechtigkeit, Transparenz, Rechenschaftspflicht und Demokratie“. Die vom spanischen EU-Abgeordneten Juan Fernando López Aguilar im Namen des „Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres“ (LIBE) zur Abstimmung vorgelegte Resolution geht auf die Initiative zweier bulgarischer EU-Abgeordneten zurück. Elena Jontscheva von der „Bulgarischen Sozialistischen Partei“ (BSP) und Radan Kanev von der traditionell konservativen Partei „Demokraten für ein starkes Bulgarien“ (DSB) haben ideologische Gräben übersprungen für die gerechte Sache eines rechtsstaatlichen Bulgariens. Die von CSU-Politiker Manfred Weber geführte EVP-Fraktion stellte bei der Aussprache zur Resolution indes die EVP-Parteiloyalität zu Borissovs Partei „Bürger für eine Europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) obenan und versagte ihrem EVP-Fraktionskollegen Radan Kanev, zu den EU-Abgeordneten zu sprechen. Die linken, liberalen und grünen EU-Abgeordneten schlugen sich dagegen mit ihrer Zustimmung zur Resolution eindeutig auf die Seite der seit drei Monaten protestierenden außerparlamentarischen Opposition. (…) So halten einer Meinungsumfrage von Eurobarometer zufolge vier von fünf befragten Bulgaren die Korruption in ihrem Land „für weit verbreitet“ und eine knappe Mehrheit von 51 % ist der Auffassung, „dass die Korruption in den letzten drei Jahren zugenommen hat“…“ – aus dem Beitrag „Konvolut der Scham oder linksliberalgrüne Verschwörung“ von Frank Stier am 11. Oktober 2020 bei telepolis über die „Bulgarien-kritische“ Entschließung der langjährigen Regime-Freunde… Siehe dazu auch zwei weitere aktuelle Beiträge zu den Protesten gegen das Regime und der damit verbundenen Kritik an der EU – sowie einen Hintergrundbeitrag zur kapitalistischen Umstrukturierung Bulgariens vor allem durch die EU – und den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zu den Massenprotesten in Bulgarien:
- „Bulgariens Machthaber und die schützende Hand der EU“ von gof am 06. Oktober 2020 bei den Rote Fahne News berichtet zur Aktualität der Proteste in Bulgarien unter anderem: „… Trotz zahlreicher Kritiken über die grassierende Korruption in Bulgarien forcierten Deutschland und andere EU-Mächte die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die Europäische Union, die im Jahr 2007 erfolgte. Hintergrund ist die Macht- und Wirtschaftspolitik der imperialistischen EU, die sich den gesamten Balkanraum und weitere – dem früheren russischen Einflussgebiet angehörende – Staaten einverleiben will. Der Preis dafür sind Schweigen und Milliardengelder aus den EU-Kassen. Jährlich steht Bulgarien in der Kritik wegen unzureichender Korruptionsbekämpfung und der fehlenden Kontrolle über die Generalstaatsanwaltschaft. Dennoch empfahl die EU-Kommission letztes Jahr die Entlassung Bulgariens aus dem Kontroll- und Korruptionsverfahren. Noch nach dem Ausbruch der Proteste im Juli 2020 erklärte Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, zu der sowohl die deutsche CDU/CSU als auch die Partei Borissows, GERB, gehören, seine ausdrückliche Solidarität mit Borissow. Bojko Borissow stimmt brav alles ab, was von der EU-Kommission unter Führung Ursula von der Leyens kommt, die übrigens selbst Mitglied der CDU und damit auch der EVP ist. Dafür fließen die Gelder. Zwei junge Unternehmer der IT-Branche äußerten sich gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung anonym: „Die EU hat einen korrumpierenden Einfluss auf unser Land. … Ohne die Milliarden aus dem Wiederaufbaufonds wäre Borissow wahrscheinlich schon weg. Aber so gibt es einfach für zu viele zu viel zu holen.“ Das spüren aber auch die Massen, so dass die EU-kritischen Stimmen deutlich zunehmen. Die EU unterstützt also eine weitere, deutlich nach rechts gerückte Regierung, allen Heucheleien über Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Meinungsfreiheit zum Trotz. Borissows konservative GERB regiert seit den Parlamentswahlen 2017 mit der russlandfreundlichen und faschistoiden Allianz Vereinigte Patrioten und lässt sich von der ebenfalls rechten Partei Wolja tolerieren. Ein politisches Klima, in dem die Korruption erst recht aufblühen kann...“
- „Wut auf Europa“ von Helene Kortländer bereits am 06. August 2020 beim IPG-Journal ist auch ein Beweis dafür, dass die Berichterstattung über Kritik an der Rolle der EU keineswegs nur von linker Seite kommt, sondern selbst in sozialdemokratischen Kreisen Thema ist (weniger allerdings massive bundesdeutsche „Investitionen“ in Bulgarien): „… Die Bulgaren sind ein pro-europäisches Volk; keine nationale Institution erhält hier so viel Zustimmung wie die EU, besonders unter jungen Leuten. Und lange galt die Erwartung, dass die EU die Bulgaren vor dem retten könne, was sie hier Mafia nennen: ein Kartell aus politisch bestens vernetzten Oligarchen mit Verbindungen ins organisierte Verbrechen. Doch nun wird zunehmend klar, dass in Brüssel niemand die Zustände in Bulgarien wahrnimmt. Schlimmer noch: Niemand sie wahrnehmen will. Und dass das Geld aus Brüssel weiterfließt, trotz Skandal nach Skandal. „EU – are you blind?“ und „EU, come and look how they spend your money!“ skandieren die Demonstranten. Dabei dürften bei den Partnern in der EU wenig Illusionen über Borissovs Regierung und die Verwendung von EU-Fonds in Bulgarien vorherrschen – zu offensichtlich und kontinuierlich sind die Missbräuche. Nicht ohne Grund zögern die Mitgliedsstaaten den Schengen- und Eurobeitritt Bulgariens immer wieder hinaus. Das „Kooperations- und Kontrollverfahren“ der Kommission, das eine kontinuierliche Entwicklung hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit in Bulgarien sicherstellen sollte, hat sich als stumpfes Schwert erwiesen. Die halbjährlichen Fortschrittsberichte haben nur wenig mit den tatsächlichen Geschehnissen in Bulgarien zu tun. Brüssel lässt sich allzu gern täuschen. Aus guten Beziehungen in die EU lässt sich in Bulgarien durchaus politisches Kapital schlagen; Borissov zeigte sich stets gerne mit seinen Kollegen, insbesondere auch mit Angela Merkel, die er als seine „große Schwester“ bezeichnete. „Ist Ihnen der korrupte Typ nicht peinlich, Frau Merkel?“ fragt nun ein Plakat an der Adlerbrücke in Sofia, eins der Zentren des Protests. Offenbar nicht peinlich genug: Ein Statement von Manfred Weber, Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei, „Boyko Borissov habe in seinem Kampf gegen die Korruption seine volle Unterstützung” klang den Protestierenden wie Hohn – Borissov gilt vielen als der Frontmann der „Mafia“. Sonst bleibt es still aus Brüssel und Berlin. Die europäischen Parteienfamilien tun sich schwer im Umgang mit problematischen Mitgliedern innerhalb der eigenen Reihen – die ideologischen Unterschiede sind oft enorm, aber im Europaparlament werden alle Stimmen gebraucht...“
- „Austerität und Privatwirtschaft“ von Veronika Stoyanova am 02. Oktober 2020 bei der Rosa Luxemburg Stiftung zur gesamten Entwicklung Bulgariens in den letzten Jahrzehnten und vor allem nach dem EU-Beitritt 2007 unter anderem: „… In der Zeit nach dem EU-Beitritt Bulgariens im Jahr 2007 wurden unter Aufsicht der Europäischen Kommission noch mehr Reformen zur weiteren «Optimierung» der sozialen Einrichtungen durchgeführt. Ein Moratorium für die Privatisierung staatlicher Krankenhäuser von 2001 wurde 2008 aufgehoben, wobei seither jedoch noch keine Privatisierungen stattgefunden haben. Außerdem gibt es wiederkehrende Forderungen nach der Privatisierung von Universitäten, von der auch sie jedoch bisher verschont geblieben sind. Stattdessen wurden jene Krankenhäuser, Universitäten und Schulen, die das vergangene Jahrzehnt überlebt haben, Vermarktlichungsreformen unterworfen – eine staatliche Grundfinanzierung, die sie dazu zwingt, um andere, projektgebundene Fördermittel zu konkurrieren, sowie verschiedene Rankingsysteme wurden dazu benutzt, die Logik ihrer Arbeitsweise umzukehren: von der Bereitstellung einer öffentlichen Dienstleistung hin zur Erwirtschaftung eines Profits. Nach mehreren Jahren der Vermarktlichung sind die Systeme von Gesundheit und Bildung heute stark unterfinanziert, unterbesetzt, und in der Qualität ihrer Leistungen oft unzureichend. Zudem sind sie beide durch ein erhebliches Maß an sozialer Ausgrenzung gekennzeichnet: Über zwei Millionen Menschen sind nicht krankenversichert – und diejenigen, die es sind, zahlen die höchsten Selbstbeteiligungen in der gesamten EU. Die jüngsten Daten zum Schulsystem zeigen, dass in ländlichen Regionen ein Drittel der Kinder die Schule vorzeitig abbricht, wobei der Anteil unter Kindern von Roma mit 67 Prozent sogar noch deutlich höher ist. Nachdem die internationalen Finanzinstitutionen jahrelang auf eine Senkung der «Steuerlast» hingedrängt hatten, führte Bulgarien 2008 einen Pauschalsteuersatz von 10 Prozent ein. Das praktisch regressive Steuersystem hat die ohnehin schon großen sozialen Ungleichheiten seither noch verstärkt: Die Einkommen der reichsten 20 Prozent sind durchschnittlich achtmal so hoch wie die der ärmsten 20 Prozent – der EU-Durchschnitt liegt bei einem Faktor von fünf. Und obwohl die durchschnittliche Arbeitsproduktivität in Bulgarien bei der Hälfte des EU-Durchschnittswerts liegt, betragen die Löhne nur ein Fünftel. Es sind vor allem diese Lohnunterschiede in Zusammenhang mit dem beständigen Verlust von Rechten und Sicherheiten, die seit 1989 Millionen von Bulgar*innen aus dem Land getrieben haben.Allein bis 2005 wanderten fast 1 Million Menschen (das sind über 12 Prozent der bulgarischen Bevölkerung) aus, wobei die Öffnung der EU-Grenzen im Jahr 2007 und der weltweite ökonomische Zusammenbruch von 2008 einen weiteren Massenexodus auslösten. Viele gingen dazu über, die mageren und prekären Einkommen zu Hause durch Saisonarbeit im Westen aufzustocken – in einer neuen Form von Arbeitsteilung, die die Versorgung westlicher landwirtschaftlicher Betriebe mit billigen Arbeitskräften sicherstellt, während die Kosten der Kranken- und sonstigen Sozialversicherung dem verarmten bulgarischen Staat überlassen bleiben. Die neuen Formen prekärer Arbeitsmigration haben viele Leben schwer gezeichnet. Kinder wuchsen oft unter der Obhut ihrer Großeltern auf und sahen ihre Eltern nur über Skype. Zudem ist eine neue Gruppe von «transnationalen alternden Pflegepersonen» entstanden – Menschen fortgeschrittenen Alters, die ihre ausgewanderten Kinder bei der Kinderbetreuung unterstützen, oder Migrant*innen mittleren Alters, die ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren alternden Eltern nachzukommen versuchen (wobei einige von ihnen die Verpflichtungen von Kinderbetreuung und Altenpflege miteinander vereinbaren müssen Diese durch familiäre Fürsorge motivierte Mobilität beeinträchtigt jedoch die soziale Sicherung der Betroffenen sowohl in Bulgarien als auch in den Ländern, in die sie einwandern, da sie ihren Zugang zu den staatlichen Sozialsystemen einschränkt oder sie sogar davon ausschließt, was wiederum neue Formen geschlechtsspezifischer und intergenerationeller Ungleichheiten hervorbringt…“.
- Zu den Protesten in Bulgarien zuletzt: „Das bulgarische Lehrstück: Gibt es keine „Ausschreitungen“ – gibt es auch keine Medienberichte. Und auch die wichtigste Regime-Stütze EU soll kein Thema werden…“ am 07. September 2020 im LabourNet Germany