EZB und Rettungsschirm-Politik – wozu?
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 12.9.2012
Vielleicht denkst du, der hat jetzt nicht mehr alle… ? Da ist die Kanzlerin nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erleichtert „Ein guter Tag für Europa“ – und die Politiker tun so, als ob sie sich mitfreuten. Und dann komme ich und sage, einfach schlank-weg heraus: Was soll es , das bringt Europa doch nicht voran, sondern lässt uns weiter auf dem Weg des „Zeit-Kaufens“ dahinzockeln – bis es doch ärger noch kracht, weil mit dem Spardiktat kann es – frei nach Adam Riese – nie und nimmer auf ein gutes Ende zugehen (= siehe auch die Analysen unten).
Außerdem wußte man das mit dem Urteil vorher, wie es Ulrike Herrmann klar festgestellt hatte (www.taz.de/Kommentar-ESM-Entscheidung/!101396/ ) – obwohl sie als Journalistin darf solche „Prognosen“ ja wagen, nur dem Bundespräsidenten steht das in seiner Rolle einfach überhaupt nicht zu (www.nachdenkseiten.de/?p=12901#h01 ).
Nachdem es nun kam, wie erwartet – darf ich mir erlauben dir einfach einmal einen – vielleicht recht unvollkommenen – „Zwischeruf“ nach diesem Urteil zukommen zu lassen – denn „gewonnen“ ist damit für Europa noch gar nichts!
Und um das Wort der Kanzlerin noch einmal aufzugreifen, ein guter Tag für Europa ist es nur insoweit, dass allzu nassforsche „Deutschtümelei“ – wie auch Ulrike Herrmenn es ausdrückte – ein Ende hat und dass der Euro nicht rasch total – jetzt kurzfristig schon – ins Schlingern kommt, sondern doch erst wieder einmal mit den Rettungsschirmen“Zeit gekauft“ wurde, die das ganze drohende Euro-Chaos mit dem Fiskalpakt Spardiktat wieder ein Stück bloß nach hinten schiebt – nur für wie lange? (Vgl „(K)ein Ende für die Politik des „Zeitkaufens“ im Interesse der Anleger“:
archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl37.html)
Und nach der heutigen (12.9.12) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes:
EZB und Rettungsschirmpolitik – wozu? In der Eurokrise ist jetzt Frankreich gefordert: Eine inakzeptable Spaltung droht sonst
Soll die Politik in der Eurozone jetzt einfach so weitermachen, nur um sich bloß weiterhin – unter der misslichen „Führung“ von Deutschland – mit „Zeit-kaufen“ durchzuwurschteln – und am unrühmlichen Schluss doch noch auf ein Ende der Eurozone zu?
Gibt es jetzt am Tage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Fiskalpakt und ESM auch noch die Möglichkeit über dieses damit begonnenen bloßen „Schlitterns“ auf das Ende der gemeinsamen Währung hinaus zu gelangen.
Es liegen ja erstaunliche und umfassendere Analysen aktuell dazu vor.
Beginnen wir vielleicht mit der erstaunlichsten Analyse des „Finanzhais“ Soro, der in einem Essay – zuletzt im Spiegel veröffentlicht – eine erstaunliche Perspektive für Europa entwickelt – mit der sich immer weiter vertiefenden „Spaltung“ zwischen Gläubigern und Schuldnerländern immer weiter zur Zerstörung des Euro und Europas.
Eine dauerhafte Spaltung ist jedoch für den europäischen Integrationsprozess auf der Grundlage eines freiwilligen Zusammenschlusses gleichrangiger – demokratischer – Staaten inakzeptabel.
Deshalb heißt es: „Deutschland muss führen oder austreten“: Deutschland kann die Europäische Union und den Euro retten oder beides zerstören, es muss führen oder aussteigen. Was nicht geht, ist weiter abwarten (www.spiegel.de/wirtschaft/george-soros-deutschland-muss-fuehren-oder-aus-dem-euro-austreten-a-854595.html )
Die Führungsrolle für Deutschland – als „wohlwollender Hegemon“ oder als „Aussteiger“ – sieht Soros jedoch „nur“ unter dem Druck von außen erreichbar, weil Deutschland „aus sich selbst heraus“ kaum in der Lage sein wird: „Für die deutsche Öffentlichkeit ist es überaus schwer zu verstehen, dass Deutschland Europa die falsche Politik aufzwingt. Die deutsche Wirtschaft befindet sich nicht in der Krise. Tatsächlich hat Deutschland bisher von der Eurokrise profitiert, die dazu beitrug die Wechselkurse niedrig zu halten und Exporte zu erleichtern. In letzter Zeit erfreut sich Deutschland extrem niedriger Zinssätze. Aufgrund einer Kapitalflucht aus den Schuldner-Ländern wird Deutschland mit Kapital überschwemmt, während die „Peripherie“ gleichzeitig deftige Risoprämien zahlen muss, um zu finanziellen Mitteln zu gelangen.“
Nur jetzt einfach so wie bisher mit ESM und Fiskalpakt weiter“wurschteln“ – als den Weg des geringsten Widerstandes führt zwar nicht zum unmittelbaren Zusammenbruch des Euro, aber zu einer Verlängerung der Krise auf unbestimmte Zeit. Ein – dann möglicher – ungeordneter Zusammenbruch wäre eine Katastrophe für die Eurozone… und da es Deutschland besser geht als anderen Mitgliedern der Eurozone, kann es dann auch tiefer fallen als die anderen…
In dieser – wie auch den anderen Studien zur aktuellen europäischen Lage – wird als schlimmer „Geburtsfehler“ der europäischen „Gründung“ mit der Eurozone der „Maastricht-Vertag von 1992 und ihm folgend der Lissabon-Vertrag angesehen, die Deutschland wie „in Stein gemeiselt“ betrachtet. Hier wurde eben gemäß der marktfundamentalischen Annahme „festgeschrieben“ dass nur der öffentliche Sektor chronische Defizite produzieren kann, was eigentlich schon durch die Finanzkrise 2007/2008 eindeutig widerlegt wurde – wenn auch alle „europäische Welt“ – contrafaktisch – eisern daran festzuhalten versucht. (Vgl. dazu Soros, S. 4 f. und Hickel / Troost ,“Eurozone vor dem Ende ?“, S.2 f.,13 f.: http://www2.alternative-wirtschaftspolitik.de/uploads/m2312.pdf oder www.heise.de/tp/artikel/37/37538/1.html sowie www.nachdenkseiten.de/?p=14300#h04 und Stephan Schulmeister, „European Governance – Do we need a new navigation map?“, dort S. 21 f. und 25: www.foreurope.eu/fileadmin/documents/pdf/Stephan_Schulmeister_Paper.pdf und zusätzlich „Ein Weg aus der Krise des Finanzkapitalismus mit der Chance für eine realkapitalistische Phase“ auf der Seite 2 bei archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/trauer_bahl.html)
Und der „Ausweg“ nur gegen Deutschland und „mit“ Frankreich!
Angesichts der Feststellung, dass Deutschland zwar der einzige Akteur ist, der Europa retten kann – aber genau das voraussichtlich „nie“ machen wird, kommt Soros (S. 11 f.) auf eine wahrlich innovative Idee, „nur Druck von außen kann dies bewerkstelligen: Und mit Francois Hollande als neuem Präsidenten ist Frankreich ein offenkundiger Kandidat einer alternativen Politik für Europa.
In einer gemeinsamen Front mit Spanien und Italien könnte Frankreich mit einem wirtschaftlich glaubwürdigen und politisch ansprechenden Programm die Europäische Union als idealistische Vision wieder entstehen lassen.
Ähnlich vielleicht wie das die Vereinigten Staaten auf dem Weg zu ihrer Währungsunion im 18. Jahrhundert mit Alexander Hamilton mit einer gewaltigen Anstrengung angepackt haben. (Vgl. Robert von Heusinger, „Was Euroland aus den Dollarkrisen lernen kann“: www.fr-online.de/schuldenkrise/eurokrise-was-euroland-aus-den-dollar-krisen-lernen-kann,1471908,17217610.html )
Und so führt Soros visionär aus: „Die tatsächliche Wahl Frankreichs besteht also einerseits in dem Bruch mit Deutschland, um Europa zu retten und das – notwendige – Wachstum wiederherzustellen, oder andererseits vorzugeben, für eine begrenzte Zeit im Hartwährungsboot – mit Deutschland – zu sitzen, – nur um dann später – von den Finanzmärkten – doch noch über Bord geworfen zu werden.
Sich jetzt auf die Seite der Schuldnerländer zu schlagen und sich der Sparpolitik – aus Deutschland – entgegenzustellen, würde es Frankreich ermöglichen, seine Führungsrolle wieder einzunehmen, die es unter der Präsidentschaft Mitterands innehatte.
Das wäre eine würdigere Position als die eines Beifahrers – auf Zeit – neben Deutschland, wie es Sarkozy so unwürdig praktizierte. (archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl13.html )
Dennoch würde es von Frankreich großen Mut erfordern, sich kurzfristig von Deutschland abzukoppeln (Soros, S. 12 – vgl auch auf englisch http://www.nybooks.com/articles/archives/2012/sep/27/tragedy-european-union-and-how-resolve-it/?page=1 ).