Wer hat Recht? Reiner Hoffmann oder Heiner Flassbeck? Ursachen der Eurokrise: Löhne oder Finanzmärkte?
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 16.1.2015
So steht jetzt doch an die KLÄRUNG der Frage: „WELCHE Rolle spielen die FINANZMÄRKTE – und welche die LÖHNE – in der EUROKRISE. Hören wir uns dazu erst einmal den Weltökonomen Heiner Flassbeck an: DGB: Deutscher Götterbote (http://www.flassbeck-economics.de/dgb-deutscher-goetter-bote-aufgelesen-bei-reiner-hoffmann/ ). Flassbeck hält die Wirkung der Finanzmärkte für desaströs, aber die miese Rolle des deutschen Lohndumping zur „Stärkung“ der Wettbewerbsfähigkeit vor allem in der Eurozone möchte er auch angemessen berücksichtigt haben – und nicht unter den Tisch gekehrt wissen – von den deutschen Gewerkschaften – um sich als alleiniges „Alibi“ an die Krisenwirkung der Finanzmärkte – zur Ablenkung von eigenem „Versagen“ bei den Löhnen – zu klammern?
Diese Schwächen und Möglichkeiten – zusammen mit allen Protagonisten der Debatte – hatte ich im Zusammenhang mit dem DGB-Kongress 2014 schon einmal darzustellen versucht (https://www.labournet.de/?p=58853). Ein zentrales strategisches Problem für den DGB – und die deutschen Gewerkschaften in dem inzwischen erreichten Zustand der Schwäche (Stichwort „Lohndumping“) – ist die Fähigkeit, die deutschen Gewerkschaften vor allem mit ihren Mitgliedern – trotz ihrer ökonomisch „schlechten“ Rolle in der Eurozone gegenüber den anderen europäischen Gewerkschaften – insbesondere im Süden – für das gemeinsame Projekt Europa zu gewinnen. (Siehe auch das „Wegschwächeln“ bei den Eurobonds, um die Verschuldensprobleme gemeinsam – und nicht allein zum Nutzen Deutschlands – zu lösen – vgl. dazu z.B. den diesbezüglichen Abschnitt „Das Beispiel Eurobonds zeigt u.a. die geringe Mobilisierungsfähigkeit… für ein gemeinsames Europa“ im letzten Drittel auf der Seite 4) Bei der Lohnfrage sehen sich anscheinend – trotz der Defizite (= S. 3 – in der oberen Hälfte: „Wie unzureichend bleibt der Sieg mit dem Mindestlohn – und dann die noch ausstehende Lohnkoordination für Europa“) – die deutschen Gewerkschaften erst einmal – aktuell – aus der Pflicht.
So konzentrieren sich die deutschen Gewerkschaften – auf dem gegenwärtigen politisch- ökonomischen Niveau auf die aktuellen Möglichkeiten, die auch noch erfolgversprechend sein können.(Bei den Finanzmärkten siehe aktuell den – wieder verbesserten – Stand für eine Finanztransaktionssteuer (https://www.labournet.de/?p=73193) – breiter zur Bedeutung des Finanzmarktgeschehenens auch noch die Seiten 6 f. bei dem obigen DGB-Krongress-Link von Labournet) Dazu kommt, dass das aktuell zentrale Problem für die Eurozone – nämlich Griechenland – auch noch pragmatisch lösbar werden könnte. (Vgl. „Chancen für Griechenland und Europa“: https://www.labournet.de/?p=72980)
Wenn auch keine längerfristige Strategie erkennbar ist, so bleibt doch das Motto von James Galbraith vom Krisen-Kongress der IG Metall vage im Hintergrund in Erinnerung,“die Wahl für Europa ist: Alle zusammen – oder rette sich jeder, wie er kann“. (Wobei letzteres ein Ende für ein gemeinsames Europa bedeuten würde – mit allen Folgen für die Rolle Europas – vgl. dazu die Seite 1 unten noch einmal bei https://www.labournet.de/?p=58853)
Wenn mich also jemand fragen würde, wer Recht hat, Heiner Flassbeck oder Reiner Hoffmann? So kann ich nur antworten – eigentlich beide! Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann versucht – angesichts der „Beschränkungen“ seines Amtes – aus der aktuellen „Misere“ noch das Jetzt-Mögliche für Europa herauszufinden – d.h. auch zusammen mit den anderen – um auf keinen Fall einerseits in die Nähe der Europa-Gegner zu geraten und andererseits allzu schnell die politische Gefolgschaft der Gewerkschaftsmitglieder zu verlieren. Ja, wie kam es mir in den Sinn „Gewerkschafterlein, du hast einen schweren Weg vor dir“. (Seite 4 nach der Mitte)
Diese pragmatische Denke angesichts der gegenwärtigen politischen Möglichkeiten ist jedoch – wieder einmal für den Moment – in der Lage, das Schlimmste für Europa zu verhindern – und damit den Weg nach Europa weiter offen zu halten.
Aber keineswegs wird damit die Krise der Eurozone überwunden – deshalb erscheint es notwendig, die weiterhin bestehenden grundsätzlichen Probleme der Eurozone im Blick zu behalten – was auch eine Erwartungshaltung gegenüber dem DGB-Vorsitzenden bleibt – auch wenn es ein für den Zuschauer reichlich frustrierendes „Durchwursteln“ durch die Eurokrise wird.
Aber wie heißt ein Buch, dass seit Wochen in Deutschland auf der Spiegel-Bestseller-Liste steht: „Der Crash ist die Lösung“ (siehe dazu „Uns muss das Finanzsystem um die Ohren fliegen“: http://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/bestsellerautoren-matthias-wek-und-marc-friedrich-uns-muss-das-finanzsystem-um-die-ohren-fliegen-seite-all/10177482-all.html – von den Autoren wurde vorher schon der Bestseller „Der größte Raubzug der Geschichte“ geschrieben, bei dem Hermann Zoller „Schwächen“ in der Konsistenz der volkswirtschaftlichen Erklärung ausmachte (http://www.nachdenkseiten.de/?p=19862 ) – und wie kommentierte Paul Krugman die Entwicklung in der Eurozone: Immer, wenn man denkt, jetzt „kracht`s „, dann wird ein kleiner Ausweg in Europa gefunden, der gerade dies wieder einmal noch verhindert. Somit wird wohl nicht der „große Crash“ die Lösung, sondern immer wieder die Verhinderung der „kleinen“ – auch wenn ersteres viel spektakulärer klingt.