Das politische Mandat der Gewerkschaften muss ein europapolitisches werden
Quelle: Interview mit Hans-Jürgen Urban von Kai Burmeister in spw 1/2013
Aus dem Text: „… Die Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, konnten durch ihr Engagement für eine „Abwrackprämie“ und bessere Kurzarbeitsregeln maßgeblich zur Stabilisierung von Branchen und Beschäftigung und damit zum „deutschen Arbeitsmarktwunder“ beitragen. Das waren ansehnliche und keineswegs selbstverständliche Defensiverfolge. (…) Wichtig ist: Die neuen Sozialpakte konnten an Traditionen und Restbestände sozialpartnerschaftlicher Politik in Deutschland anknüpfen, sind aber vor allem Kinder der Krise des Finanzmarktkapitalismus. (…) Da Realkapital, Staat und Gewerkschaften in der Akutphase der Krise geschwächt und gleichermaßen in eine Defensivposition abgedrängt wurden, habe ich im Anschluss an internationale Forschungsergebnisse auch von einem „Korporatismus der Schwachen“ gesprochen. (…) Ob eine Korporatismusverweigerung bessere Resultate gebracht hätte, kann nicht zuletzt mit Blick auf Entwicklungen in anderen Ländern bezweifelt werden. Mitunter waren und sind Konfrontationsstrategien und Militanz eher Ausdruck gewerkschaftlicher Schwäche als von Kraft. Auch unter den Bedingungen einer kapitalistischen Schockkrise setzt die Einbindung von Gewerkschaften in korporatistische Bündnisse ein Mindestmaß an Mobilisierungs- und Verhandlungsmacht voraus. Geschwächte Gewerkschaften ohne Vetomacht werden nicht integriert, sondern marginalisiert. Und gerade das fand ja in vielen Ländern Europas statt. Also: Nur auf der Grundlage ausgebauter Organisationsmacht haben die Gewerkschaften eine reale strategische Wahl zwischen Kooperation oder Konfrontation; und diese Wahl muss nicht ideologisch, sondern verhandlungstaktisch entschieden werden. (…) Die gewerkschaftliche Mobilisierung für einen solchen Pfadwechsel ist bisher eher kläglich. Ihr politisches Mandat muss ein europapolitisches Mandat werden. Ohne Kapitalismuskritik kein solidarisches Europa. Und ohne ein solidarisches Europa keine gute Zukunft für die Gewerkschaften!„