Hat das Lernen aus Syrizas Erfahrung begonnen? Und was könnte die Lektion sein?

Dossier

Wahlerfolg von SyrizaWie heißt es so schön? Wenn Wahlen etwas ändern würden… Nur wenige Tage nach dem überwältigenden OXI, nach dem deutlichen Nein zum europäischen Spardiktat beim griechischen Referendum, stimmten SYRIZA und eine große Mehrheit im griechischen Parlament für genau ein solches Kürzungsprogramm, das zu verhindern SYRIZA angetreten war. Vom „Einknicken“ SYRIZAS, ja von „bedingungsloser Kapitulation“ ist nun stellenweise zu lesen – enttäuschte Hoffnungen, gerade auch bei deutschen Linken verschiedener Ausprägung. „Nichts braucht Widerstand so sehr wie ein realistisches Feindbild. Für die deutsche Linke heißt das: Der Hauptfeind steht im eigenen Land. (Auch wenn man sich mit dieser alten Wahrheit nicht bei allen Kolleginnen und Kollegen beliebt macht.) Es heißt aber auch, dass ohne eine europäische Alternative an solidarische Krisenlösungen nicht zu denken ist. Die Kolleginnen und Kollegen von Syriza wissen das sehr gut. Wenn Yanis Varoufakis „Merkel“ sagt, versucht er sich nur in Propaganda. Eigentlich meint er uns.„, schreibt Sebastian Gerhardt im seinem Beitrag „Von Byrnes zu Merkel. Der deutsche Sonderweg in die Spitzengruppe des liberalen Imperialismus“ in der eben erschienen 30. Ausgabe von lunapark21 – zeitschrift zur kritik der globalen ökonomie externer Link. Wir dokumentieren hier (ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne den Anspruch, dass jeder dieser Beiträge unbedingt die Position der Redaktion widerspiegeln müsste) verschiedene Beiträge zur Debatte, was denn nun aus den Erfahrungen SYRIZAS zu lernen sei – und von wem. (Zu den Hintergründen siehe unsere Rubriken Politik » Europäische Union » EU-Krise » Euro-Krise und Griechenland und Internationales » Griechenland » Politik)

  • Internationalistischer Gipfel für einen Plan B in Europa am 23./24.1.2016 in Paris
    „… Der Euro ist das Werkzeug politischer und ökonomischer Dominanz einer kleinen europäischen Elite geworden. Diese Oligarchie versteckt sich hinter der deutschen Regierung, erfreut darüber, dass Frau Merkel all die Schmutzarbeit macht, zu der andere Regierungen unfähig sind. Dieses Europa schafft Verletzungen, sowohl innerhalb der Länder, als auch zwischen ihnen: Massenarbeitslosigkeit, scharfes Sozialdumping und Beleidigungen gegen die europäische Peripherie, die der deutschen Führung zugeschrieben werden, aber von allen „Eliten“, auch denen der Peripherie, nachgeplappert werden. Die Europäische Union ist so zur Vertreterin eines extrem rechten Ethos geworden sowie zu einem Werkzeug, um demokratische Kontrolle über Produktion und Verteilung in Europa auszuhebeln. (…) Wir sind entschlossen mit diesem „Europa“ zu brechen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, die Zusammenarbeit zwischen unseren Völkern und Ländern auf neuer Basis wiederaufzurichten…“ Aus dem Aufruf auf der internationalen Aktionsseite externer Link – das zweite Treffen soll vom 19. bis 21. Februar 2016 in Madrid stattfinden, ein drittes Treffen im Juni in Deutschland… Siehe dazu:

    • Zwei Wege
      Unter dem Motto „Plan B“ haben Vertreter europäischer Linksparteien, darunter Funktionäre der Partei „Die Linke“, am vergangenen Wochenende über „Alternativen“ für eine Politik innerhalb der EU diskutiert. Es müsse darum gehen, dass in der EU „die Demokratie, die Menschenrechte und soziale Sicherheit wiederhergestellt“ würden, hieß es auf dem Treffen in Paris. Am morgigen Mittwoch erscheint bei german-foreign-policy.com eine kritische Darstellung der „europäischen Idee“, ihrer föderalen Fundamente und aktuellen Niederschläge in den EU-Konzepten von Wolfgang Schäuble und Jürgen Habermas (Zwei Wege – Eine Katastrophe. Bestellungen: info@ german-foreign-policy.com), die auch vermeintlich fortschrittliche Ansätze zur Ausgestaltung der „europäischen Ordnung“ beleuchtet. Wir sprachen mit dem Autor Hans-Rüdiger Minow.“ Interview von und bei german-foreign-policy vom 26.01.2016 externer Link
    • Raus aus dem Euro
      Europas Linke stellt in Paris gemeinsame Plattform und einzelne Forderungen ihres »Plan B« vor. Bericht von Hansgeorg Hermann, Paris, in junge Welt vom 25.01.2016 externer Link
    • »Das neoliberale Europa hat keine Zukunft«. Pariser Kongress für einen Plan B diskutiert über Rückeroberung demokratischer Souveränität und Alternativen zum Austeritätsblock
      „»Ich habe mir vor Jahren so viel von Europa versprochen, aber wie sich das entwickelt, hat mich enttäuscht und macht mir sogar Angst«, meint die pensionierte Lehrerin Alice Durant. Wie sie sind mehrere hundert Menschen an diesem Wochenende in Paris zum »Ersten Internationalistischen Kongress für einen Plan B in Europa« gekommen. Redner waren Intellektuelle, Gewerkschafter, linke Politiker und andere Persönlichkeiten aus zwölf Ländern Europas. Im Mittelpunkt stand die Abrechnung mit dem neoliberalen und undemokratischen Europa und die Frage, wie man soziale und politische Alternativen erzwingen kann…“ Bericht von Ralf Klingsieck, Paris, vom 24.01.2016 im ND online externer Link
  • Griechenland – Lehren aus der Niederlage
    1. Zur Niederlage der Linken in Griechenland äußern sich Linke außerhalb Griechenlands oft sehr gewunden. Man wolle aus der sicheren Entfernung keine wohlfeilen Ratschläge geben oder gar Noten verteilen. Auch sei man im eigenen Land ja noch weit hinter der Stärke des linken Lagers in Hellas zurück. Schließlich sei die Niederlage keineswegs allein eine der Linken Griechenlands, sondern der gesamten Linken Europas. Alle diese Vorbehalte und Bedenken treffen zu. Von Deutschland aus, mit Kranken- und Arbeitslosenversicherung und Hartz IV, ist es, trotz der subjektiv beschissenen Lage, relativ wohlfeil, die Griechinnen und Griechen anzutreiben im Kampf gegen Austeritätsmaßnahmen. Und in der ganzen Eurozone gibt es 18 neoliberal ausgerichtete Regierungen, nur die eine linke – von Syriza geführt – in Griechenland. Und in der Tat hat die Linke Europas noch viel eklatanter verloren als die in Griechenland. Syriza hat von Anfang darauf gesetzt, darauf setzen müssen, dass sich europaweit eine soziale, politische Bewegung entfalten muss, um ihre Chancen auf die Abwehr des Austerity-Diktats aus Brüssel zu wahren. Diese Bewegung hat es nicht gegeben. In München sind 40.000 Menschen marschiert gegen TTIP und letztes Wochenende waren es in Berlin 250.000. Das ist hervorragend. Es muss aber zu denken geben, wenn bei uns bei jeder Demo für gesunde Ernährung, soziales Wohnen und solare Energie weit mehr Menschen demonstrieren als für Solidarität mit Griechenland und ein Ende der von Brüssel und Berlin diktierten Austeritätspolitik…“ Artikel von Conrad Schuhler vom 14. Oktober 2015 beim isw externer Link
  • Radikale Demokratie ist ein Lernprozess
    Die schnelle Ernüchterung um Podemos und Syriza zeigt: Eine linke Politik muss die Grundlagen der herrschenden Demokratie infrage stellen…“ Artikel von Raul Zelik in der WoZ vom 24.09.2015 externer Link in seiner Reihe „Im Multiversum des Kapitals“ (Teil 3). Aus dem Text: „… Wenn Vergesellschaftung aber nicht nur ein Rechtsakt ist, durch den Privateigentum zu Gemeineigentum wird, sondern eben dieser Prozess, in dem die Gesellschaft lernt, über alle Bereiche des Lebens – auch über Arbeit, Produktion, Konsum, Pflege – gemeinsam zu entscheiden, muss Demokratie oder richtiger Demokratisierung ein Kernstück linker Politik sein. Anders als ein linker Parlamentarismus à la Syriza muss diese Bewegung zur Vergesellschaftung der Macht aber die Grundlagen der herrschenden Demokratie selbst infrage stellen. Vor allem vom Wunsch, besser repräsentiert und regiert zu werden, sollte sich die Linke endgültig verabschieden.Der Erfolg linker Politik misst sich nicht daran, ob eine Staatsführung Ressourcen besser verwaltet oder verteilt. Wenn man ernst nimmt, dass Demokratisierung eine zentrale Achse linker Politik ist, dann misst sich deren Erfolg daran, ob der Protagonismus der vielen auf Kosten der Repräsentantinnen und Führer zunimmt…“
  • Gegen linke Melancholie und für radikale Politik
    Was vom griechischen Sommer bleibt? Plädoyer für eine Transnationalisierung des Widerstandes. Beitrag von Tamara Ehs und Aaron Tauss vom 31.08.2015 externer Link im österreichischen Blog Mosaik. Aus dem Text: „… Die Linken in Österreich, Deutschland etc. werden aufhören müssen, gebannt nach Griechenland, Spanien und Portugal zu schauen, in der Hoffnung, dass dort die Revolution zünde und auch hierzulande alles gut werde. Das wird nicht passieren. Wir werden schon selbst das bessere Leben (herbei-)führen müssen. Massendemonstrationen und der Wahlsieg eines linken Wahlbündnisses in nur einem europäischen Land können nicht strukturell verfestigte sozio-ökonomische und politische Kräfteverhältnisse in Europa verändern. (…) Es gilt demnach, die Machtfrage so zu stellen, dass man nicht naive Hoffnungen in einzelne Parteien oder Personen setzt, glaubt, SYRIZA oder nun Jeremy Corbyn könnten sozialistische Politik innerhalb eines neoliberalen Rahmens durchsetzen. Vielmehr befinden wir uns in einem langwierigen, umkämpften Prozess, in dem es um die Transformation der Kräfteverhältnisse innerhalb der Staatsapparate zugunsten der subalternen Klassen geht. Dieser Wandel basiert immer auf Auseinandersetzungen in der Zivilgesellschaft, in den Betrieben, der Familie, den Schulen und Universitäten, Medien, Gewerkschaften, Friedens-, Frauen-, sozialen und ökologischen Bewegungen, demokratischen Initiativen, politischen Parteien, etc.. Die politische Taktik kann daher nur sein, den Wandel so herbeizuführen, dass wir gemeinsam eine materielle Gegenmacht aufbauen – im Sinne einer wachsenden Zahl von Menschen, Basisorganisationen und Institutionen, die sich aktiv an der Entwicklung einer postkapitalistischen Alternative beteiligen und diese durch ihr konkretes Handeln im Alltag ins Leben rufen. (…) angesichts der anhaltenden kapitalistischen Reproduktionskrise, des Erstarkens reaktionärer Kräfte und der Intensivierung sozialer Konflikte, die seitens der EU bloß mit noch mehr Autoritarismus beantwortet werden, ist eine Transnationalisierung des Widerstandes in Europa und auf internationaler Ebene nicht nur immer notwendiger, sondern mehr denn je möglich. Wir sollten in die Gänge kommen.“
  • Den linken Euro gibt es nicht
    Es gibt keine neutrale Währungsunion, die sich je nach Kräfteverhältnis demokratisch und sozial ausrichten lässt. Martin Höpner über die strukturellen Zwänge, die vom Euro selbst ausgehen.
    Die neue, derzeit auf neues-deutschland.de geführte Euro-Debatte beeindruckt im Hinblick auf Umfang und Qualität. Obwohl alle Beteiligten einen kritischproeuropäischen Standpunkt einnehmen, landen sie bei ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Alle Beteiligten wünschen sich, dass die Europäerinnen und Europäer friedlich und solidarisch füreinander einstehen und dass von der europäischen Integration demokratische und sozialpolitische Impulse ausgehen. Ob allerdings das Festhalten am Euro diesen Zielen dient, ist eine offene Frage. Offensichtlich stehen am Ausgangspunkt immer weniger Wegweiser. Das Bekenntnis für »mehr Europa« verliert allmählich seinen Sinn
    …“ Artikel vom 17.08.2015 im ND online externer Link. Darin: „… In Deutschland schließt der Anti-Inflations-Konsens nicht nur alle großen Parteien, sondern auch die Gewerkschaften mit ein, namentlich die des Exportsektors. Wer etwa glaubt, die deutschen Gewerkschaften ließen sich auf eine Strategie der gezielten Inflationierung verpflichten, um den Süden von einem Teil des auf ihm lastenden Deflationierungsdrucks zu entlasten, der hat gewiss noch nie mit einem Betriebsrat eines Exportunternehmens gesprochen. Das Problem der Lohnkoordination ist der Dreh- und Angelpunkt der linken Eurodebatte. Ja, mit realistischer Aussicht auf eine transnationale Lohnkoordination wären einige Probleme des Euro beherrschbar. Aber die Aussicht existiert nicht und lässt die nationalen Lohnpolitiken als verbleibende Flexibilitätsreserven und als Wettbewerbsparameter zurück. Dieses logisch zwingende Ergebnis, und damit aber eben auch das Euroregime insgesamt, stehen fortschrittlichen Politikzielen strukturell feindlich gegenüber. Ich teile daher die Einschätzung von Oskar Lafontaine und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern, dass – die Randbedingung einer fehlenden Lohnkoordination gegeben – diskretionär anpassbare Wechselkurse die bessere Lösung für die heutigen Euro-Teilnehmer wären…“
  • Für ein »wildes« Referendum gegen Merkels Europa. Alban Werner über Irrungen und Wirrungen der linken Eurokrisen-Debatte – und ein Lösungsvorschlag
    In der Debatte um eine fortschrittliche Lösung der Eurokrise schälen sich zwei Lager heraus: Die Euro- und EU-Exit-Linke einerseits und eine gutmeinende Euro-Linke andererseits. Während die Euro-Exit-Linke nicht belegen kann, dass es den Euroländern nach einem Verlassen der Gemeinschaftswährung besser ginge, kann die gutmeinende Euro-Linke nicht darlegen, wie innerhalb der Zwangsjacke von EU und Euro-Regelwerk eine keynesianische Alternative durchsetzbar sein soll. Deswegen wird hier argumentiert, dass ein Ausbruchsversuch aus dem neoliberalen Regime nur durch politische Mobilisierung außerhalb der vertrauten EU-Kanäle möglich sein kann, durch organisierten zivilen Ungehorsam in Form eines »wilden« Referendums von unten für ein anderes Europa…“ Artikel von Alban Werner vom 13.08.2015 in ND online externer Link. Aus dem Text: „… Die gutmeinenden Euro-Linken, die sich eine Krisenlösung von mehr Demokratie in Europa erhoffen, weisen nahezu immer drei Schwächen in ihrer Argumentation auf. Sie neigen zum ersten dazu, den in den EU-Verträgen eingegossenen Wirtschaftsliberalismus herunterzuspielen, zum zweiten können sie keine Antwort darauf geben, wie man von hier nach da, sprich vom schlechten Ist- zum besseren künftigen Zustand gelangen soll. Dadurch wirken ihre gutgemeinten und aus meiner Sicht inhaltlich durchaus zustimmungsfähigen Vorschläge strategiepolitisch ziemlich steril. Gustav Horns These, die falsche Wirtschaftspolitik in Europa könne »man jederzeit ändern«, ist unter den aktuellen Bedingungen eine Chimäre. Zum dritten übersehen die Euro-Linken in ihrem Lehrbuch-artigen Blick auf Europa, dass kapitalistische Staaten nur begrenzt als entscheidungsfähige Handlungseinheiten begriffen werden können. (…) Zudem fällt bei einigen gutmeinenden Linken auf, dass sie Zwänge und begrenzte Handlungskorridore ausblenden, wenn es um die Umgestaltung der EU geht. (…) Wenn es nicht, »verelendungstheoretisch« gedacht, überall gleichzeitig in der EU zu einer so tiefen Krise käme, die SYRIZA-ähnliche Kräfte in die Regierung spülte, wer sollte das Europäische Investitionsprogramm denn auf die Tagesordnung setzen? Das Elend der gutmeinenden Linken besteht darin, für ihre Lösung das voraussetzen zu müssen, was sie eigentlich erst erreichen wollen. (…) Wird auf Euro-Exit verzichtet, besteht der wahrscheinliche Gang der Dinge darin, dass bei relativer konjunktureller Aufbesserung die europäischen Gesellschaften sich daran gewöhnen werden, dauerhaft mit noch größerer sozialer Ungleichheit, Erwerbslosigkeit (einschließlich hoher Jugendarbeitslosigkeit), geringer sozialer Absicherung, geschwächten Gewerkschaften usw. zu leben. (…) Das bedeutet im Klartext, dass eine Mobilisierung gegen die neoliberale Deregulierungs- und Austeritätspolitik in der EU neben den und gegen die üblichen Kanäle erfolgen muss, bei Inkaufnahme von zivilem Ungehorsam und von Kriminalisierung durch die herrschenden Kräfte. In diesem Sinne erneuere ich hier meinen Vorschlag, ein »wildes« Referendum durchzuführen gegen die neoliberale Politik von EU und Eurozone…“
  • Ein gemeinsames Lager des »Oxi«
    Zerfällt der europäische Gedanke? Der Durchmarsch der Gläubiger, Handlungsmöglichkeiten für linke Kräfte und eine neue Verbindung von Dezentralität mit transnationalen Vermittlungen…“ Artikel von Mario Candeias vom 04.08.2015 im ND online externer Link
    Aus dem Text: „… Europa ist nicht mehr wie zuvor. Von links kann dieses Projekt europäischer Einigung kaum noch verteidigt werden, ohne in blanken Illusionismus umzuschlagen. Aber was dann…? Raus aus dem Euro, raus aus der EU, wie es nun auch in vielen linken Krisen heißt? Mit welcher Perspektive? Die Mindestforderung lautet schon seit dem letzten Europawahlkampf: Keine weiteren Kompetenzübertragung von der nationalen Ebene an diese EU. Unzweifelhaft zutreffend. Und weiter? Manche hoffen darauf nun mit Alternativen zu diesem Europa punkten zu können – jetzt erst recht. Doch schon vor der Krise fragte sich: mit welcher Durchsetzungsstrategie verfolgen wir diese Alternativen? (…) Wir haben nichts beigetragen zur Verschiebung der Kräfteverhältnisse. Wir wollten, wir mühten uns, aber wir haben nichts erreicht. Unsere Solidarität mit Griechenland war symbolisch wichtig. Doch Demonstrationen für gesunde Lebensmittel erreichen ein vielfaches an Teilnehmerinnen als jene für Solidarität und gegen die Krisenpolitik der deutschen Regierung. Also schweigen wir besser für einen Moment, enthalten uns der Gedankenspiele, was besser für Griechenland wäre. (…) Was wäre eine strategische Position – nicht nur eine programmatische – die tatsächlich Kräfteverhältnisse ändert? Ob wir nun einen linken Grexit befürworten, die Auflösung der Eurozone oder eine radikale Demokratisierung der EU – dies alles geht an der entscheidenden Frage vorbei: Was können wir tun, hier in der BRD um wirklich die Kräfteverhältnisse zu verändern?…“
  • Debatte: Das Dilemma von SYRIZA
    Der »lange Marsch« für ein demokratisches und solidarisches Europa ist nicht am 13. Juli in Brüssel zu Ende gekommen. Etienne Balibar, Sandro Mezzadra und Frieder Otto Wolf zum Stand des griechischen Frühlings – Artikel beim ND online vom 21. Juli 2015 externer Link. Aus dem Text: „… Noch gravierender: Die Maßnahmen, durch welche Griechenland »unter Vormundschaft gestellt« wird, errichten innerhalb der Europäischen Union ein Protektorat. Griechenland ist nicht mehr souverän – und dies nicht etwa im Sinne einer geteilten Souveränität, welche Griechenland in einen Prozess in Richtung eines europäischen Föderalismus hineinziehen würde, sondern im Sinne einer Unterwerfung unter die Macht des HERRN. Aber um welchen HERRN handelt es sich hier denn? Um das Regime zu kennzeichnen, das heute Europa regiert, hat Habermas hat von einem postdemokratischen Exekutiv-Föderalismus gesprochen. Aber eben diese »Exekutive« agiert verborgen und informell. Die Kommission hat ihre Macht der Eurogruppe überlassen, deren Existenz auf keinem Vertrag beruht und die daher auch keinem Gesetz unterworfen ist. Ihr Präsident spielt die Rolle des Sprechers für den mächtigsten Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall also für Deutschland. (…) Vor allem aber hat der 13. Juli unterstrichen, wie schwerwiegend das Problem der Demokratie und des Mangels an Legitimität in Europa ist. (…) Das Unbehagen und der Zorn, welche diese Verlagerung der Entscheidungsfindung vom Nationalstaat auf die supranationalen Institutionen und auf verborgene Organisationen ausgelöst hat, wächst daher im weiter. Als »Kompensation« dafür hat ma eine ganz beunruhigende Aufstellung eingerichtet: Man hat den »Steuerzahlern« der unterschiedlichen Länder eingehämmert, dass sie »für die Griechen zahlen« und dass sie dies letztlich aus der eigenen Tasche tun müssten. (…) Kann unter derart starken Spannungen die Einheit von SYRIZA überhaupt bewahrt werden? Das Drängen auf eine Spaltung kommt von außen, aber auch von gewissen selbsternannten »Marxisten«, die immer schon den Grexit als eine von ihnen zu ergreifende Chance betrachtet haben. Uns scheint nun, dass die Bestreitung der Regierungsentscheidungen, so legitim sie auch ist, jedenfalls nicht dazu führen darf, dem Feind in die Hände zu spielen. Entweder hält also die Einheit der Bewegung – dann wird es möglich seine, eine Dialektik von Anwendung und Widerstand in der Umsetzung der Vereinbarungen in Gang zu setzen. Oder sie zerbricht – womit dann die Hoffnung begraben wäre, wie sie in Griechenland, in Europa und sogar in der Welt aufgekommen war. (…) Bis heute, das müssen wir doch zugeben, war die Unterstützung durch die anderen Völker Europas nicht auf der Höhe der zu lösenden Aufgaben. Aber der »lange Marsch« für ein demokratisches und solidarisches Europa ist nicht am 13. Juli 2015 zu Ende gekommen.“ Im Artikel auch der Hinweis, dass der vollständige Text in vier Sprachen online erscheint auf http://www.opendemocracy.net externer Link
  • Den Widerstand von unten organisieren
    SYRIZAs Politik zeigt: Man sollte keine Hoffnung in die Eroberung des Staates setzen, sondern selbst die gesellschaftlichen Strukturen umbauen. (…) Mit der Unterwerfung unter die maßgeblich durch die Bundesregierung diktierte Ausplünderungspolitik der Troika, hat die griechische SYRIZA-Regierung den Hoffnungen der parlamentarischen Linken in Europa ein abruptes Ende bereitet…Kommentar von Ralf Dreis bei ND online vom 18. Juli 2015 externer Link
  • Die Etappenschlappe
    Die griechische Syriza-Regierung hat gegen die schiere Allmacht einer deutsch geführten EU eine Niederlage erlitten. Die europäische Linke hat deren Fehler zu analysieren und aus ihnen zu lernen…“ Artikel von Thomas Sablowski in junge Welt vom 18.07.2015 externer Link. Aus dem Text: „… Die EU ist für das deutsche Kapital vor allem wichtig als Sprungbrett für die globale Expansion. Sie fungiert als Verstärker zur Durchsetzung der politischen und ökonomischen Interessen des deutschen Kapitals, aber auch der anderen europäischen Kapitale in der Welt. Deshalb geht es bei der Austeritätspolitik auch nicht nur, ja in der gegenwärtigen Situation nicht einmal vorrangig, um die Haushaltskonsolidierung, sondern vor allem um die sogenannten Strukturreformen zur Steigerung der »Wettbewerbsfähigkeit«. Die Austeritätspolitik dient dazu, in der gesamten EU die Löhne zu senken, die Profitabilität zu erhöhen und die Position des deutschen und europäischen Kapitals in der Weltmarktkonkurrenz zu verbessern. Es ist eine entscheidende Schwäche der überwiegend keynesianisch argumentierenden deutschen Linken, dass sie aus einer an der effektiven Nachfrage orientierten Perspektive die Austeritätspolitik immer nur als irrational darstellt und nicht ihre Bedeutung für den Klassenkampf herausarbeitet. Der griechische Binnenmarkt spielt eine ganz untergeordnete Rolle für die Interessen des deutschen und europäischen Kapitals. Viel wichtiger ist es, an Griechenland ein Exempel zu statuieren, dass eine Alternative zum Neoliberalismus in der EU mit allen Mitteln unterbunden wird. (…) Die deutsche und europäische Linke und die Gewerkschaften haben nicht genug in die Waagschale geworfen, um Syriza zu unterstützen und eine solidarische europäische Lösung der Finanzkrise zu erzwingen. Gerade das Kräfteverhältnis in Deutschland ist aber wichtig, da Deutschland in der EU dominanter denn je ist. Die Entwicklungen zeigen, dass sich die deutsche Regierung weiterhin auf das erfolgreiche Exportmodell und die Einbindung relevanter Teile der Lohnabhängigen stützen kann. Dem hat die Linke bisher wenig entgegenzusetzen. Doch die Erpressung der griechischen Regierung könnte sich als Pyrrhussieg erweisen. Die Widersprüche der europäischen Integration sind nun scharf hervorgetreten. Die griechische Krise wird auch mit einem dritten Memorandum nicht gelöst, wird sich vielmehr weiter verschärfen. Und die griechischen Probleme sind noch gering im Verhältnis zu anderen, vor denen die EU steht. Sowohl die rechte als auch die linke Opposition gegen die Politik der EU wird in vielen Ländern stärker. (…) Die deutsche und europäische Linke wird nach den jüngsten Erfahrungen ihr Verhältnis zur europäischen Integration überdenken müssen. Von Schäuble und anderen Gegnern kann die Linke lernen, dass die Herrschenden bereit sind, die Form der europäischen Integration zu ändern und diese letztlich zur Disposition zu stellen, um den Klassencharakter ihrer Politik zu verteidigen. Es bleibt zwar richtig, gegen die autoritär-neoliberale Politik der EU die Neubegründung eines sozialen und demokratischen Europas von unten zu fordern, doch die Linke muss sich auch der Frage stellen, wie dies durchgesetzt werden soll. Die neoliberale Politik ist in der Verfassung der EU dermaßen verankert, dass sie auf europäischer Ebene nur im Zuge EU-weiter Aufstände zu ändern sein dürfte. Die Entwicklung der politischen Krise in Europa zeigt aber, wie groß die Ungleichzeitigkeit zwischen den einzelnen Ländern dabei ist. Die Linke muss daher europapolitisch wesentlich flexibler werden, um zu verhindern, dass eine linke Regierung wie in Griechenland noch einmal in eine Falle läuft. Ein Zerfall der EU ist unter den gegebenen Bedingungen sicher nicht wünschenswert, weil sich dann reaktionäre Nationalismen noch stärker artikulieren können. Andererseits ist die Erhaltung dieser EU und der Währungsunion auch kein Wert an sich…“
  • Unter die Räder gekommen. Die Strategie der Eurolinken.
    Das EU-Diktat gegen Griechenland fordert viele Opfer. Über ein einziges davon bin ich nicht unglücklich: Die Strategie der EU-Linken ist nach der Abdankung von Alexis Tsipras als Gegner der Austeritätspolitik unter die Räder gekommen. Seit über einem Jahr hatte sich die Politik dieser Gruppierung darauf gestützt, am Beispiel von Griechenland und der Linkspartei Syriza zeigen zu können, dass progressive Reformen im Interesse der Bevölkerung innerhalb dieser EU zuerst in einem Land und dann überall möglich sein würden. Marxistische Analysen der EU als gegen die Bevölkerung gerichtete Herrschaftsform des Großkapitals, die sich gegenüber demokratischen Verhältnissen abschottet, wurden als dogmatisch abgetan…“ Artikel von Franz Stephan Parteder vom 18.7.2015 beim “Personenkomitee EuroExit gegen Sozialabbau” externer Link. Aus dem Text: „… Wird es in der EU-Linkspartei zu einer Änderung des Kurses kommen? Wird man zu einer grundsätzlichen Kritik an der EU finden? Das wäre positiv. Allerdings gibt es historische Beispiele, die ernüchtern. Der 1. imperialistische Weltkrieg 1914 – 1918 war eine mächtige Widerlegung aller Vorstellungen der reformistischen Sozialdemokratie. Trotzdem ging man in und nach den Revolutionen 1918/1919 noch weiter nach rechts und begriff sich in der großen Weltwirtschaftskrise, die zum Faschismus führte, als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus. Erste Reaktionen – vor allem das übergroße Verständnis für die Taktik von Alexis Tsipras, die ihm den Posten des Ministerpräsidenten rettete, deuten darauf hin, dass wir auch im Jahr 2015 von dieser Seite noch negative Überraschungen erwarten können.“
  • OXI! Aber wo ist der kommende Aufstand?
    Trotz aller Krisen: Der Kapitalismus wird sich nicht von selbst verabschieden – es droht seine „Ewige Wiederkehr“. Verabschiedet haben sich aber die Utopien...“ Artikel von Patrick Spät in telepolis vom 17.07.2015 externer Link. Aus dem Text:

    • „… Reformen werden das kapitalistische System nicht auf links krempeln. Es gibt keinen guten oder gezähmten Kapitalismus. (…) Der Kapitalismus kriselt und röchelt, aber er ist längst nicht tot – ganz im Gegenteil. Zwar wird sich auch in den nächsten Jahren die klaffende Lücke zwischen Arm und Reich weiter verschärfen. Zwar werden auch in Zukunft die Armen und Ärmsten weiter in die Ghettoisierung getrieben, während sich die Reichen in ihren „Gated Communities“ abschotten. Zwar wird es auch einen weiteren Abbau des ohnehin schon abgebauten Sozialstaats geben und parallel dazu einen Ausbau des „Robocop“-Staats, in dem die Armen noch massiver durch Polizei und Militär überwacht und drangsaliert werden. (…) Deutschland, das Herz der Bestie, bereichert sich am Elend der Welt und an der Armut in Südeuropa – und die Wählerinnen und Wähler belohnen diese Politik, indem sie der CDU fast zu einer absoluten Mehrheit verhelfen. Kleiner Hoffnungsschimmer: Immerhin glaubt externer Link jeder dritte Deutsche, dass der Kapitalismus zwangsläufig zu Armut und Hunger führe und dass eine echte Demokratie nur ohne Kapitalismus möglich sei. Hier und da sagt jemand: „Deutschland, du mieses Stück scheiße“ externer Link, aber der Protest ist nicht staatsgefährdend. (…) Man darf den Kapitalismus nicht unterschätzen. Erstens werden die Reichen und Mächtigen alles dafür tun, ihren Reichtum und ihre Macht zu wahren. Die kommenden Zeiten werden blutig sein. Zweitens ist der Kapitalismus ist extrem geschickt darin, neue Verwertungspotentiale zu finden. Auch wenn momentan keine neuen in Sicht sind, heißt das noch lange nicht, dass er keine aus dem Hut zaubern wird. (…) Warum zettelt die junge Generation keinen Aufstand an? Einer der ersten Facebook-Mitarbeiter, Jeff Hammerbacher, hat da seine ganz eigene Antwort externer Link: „Die klügsten Köpfe meiner Generation denken darüber nach, wie sie Menschen dazu bewegen können, auf Werbeanzeigen zu klicken. Das ist scheiße.“ (…) Wir müssen uns darüber klarwerden, was Kapitalismus eigentlich ist, wie er blutig entstanden ist und wie er sich gewaltsam am Leben hält. Wir müssen uns darüber klarwerden, dass es keinen guten Kapitalismus geben kann. Wir müssen uns darüber klarwerden, dass der Kapitalismus nicht von selbst aufhören wird – und dass seine „Ewige Wiederkehr“ droht. Und wir müssen uns darüber klarwerden, dass der Kapitalismus von Menschen gemacht wurde – und nicht naturgegeben ist wie der alltägliche Sonnenaufgang –, und dass er deshalb auch vom Menschen überwunden werden kann. Zumindest theoretisch. Vielleicht kommt er dann in der Praxis, der kommende Aufstand. Vielleicht.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=83672
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