Angesichts der Misere von Europa mit Griechenland: Eine kleine Geschichte zum „politischen Aschermittwoch!
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 18.2.2015
– angereichert bzw. erweitert mit der Geschichte der Ökonomie der Staatsausgaben – die Deutschen können Keynes bei den Staatsausgaben nicht verstehen, da mit ihm ein deutsches Tabu verbunden ist –
Immer wieder bemühen wir uns – wie Sisyphos (nach Camus ja ein glücklicher Mensch!) – unseren politischen Eliten immer wieder „nachzuweisen“ wie grandios vertrottelt und inkompetent sie doch im ökonomischen Sinne handeln (diese Anbeter der „Schwarzen-Null“). – Und heute steige ich dazu – was euch / dich vielleicht auch interessierten könnte – angeregt auch durch den Griechen Varoufakis mit seiner Anmerkung, die Deutschen müssten sich aus ihrer traurigen Geschichte doch den Griechen in ihrer jetzigen Situation noch am meisten verbunden fühlen, in die Geschichte „hinab“, um zu zeigen, dass schon Weimar an den dämlichen „Bürgerlichen“ – nebst Sozialdemokratie – scheiterte – und erst die Faschisten eine zunehmende Staastverschuldung nicht mehr als Übel ansahen – und die Arbeitslosigkeit beseitigten (frei nach Keynes).
Diese Seite von Keynes, die Staatsschulden in gewissen volkswirtschftlichen Situationen auszuweiten statt einzuschränken („Deficit spending“) hat nun nichts mit dem politischen Rechts-Links-Schema zu tun.
Roosevelt tat es – aber Hitler eben auch (worauf Fabian Lindner mit seiner ausgezeichneten Grafik hinweist und John Galbraith (der Vater) hat es erstaunt bestätigt – siehe unten den Abschnitt „Man kann nichts aus der Geschichte lernen, wenn man sie ignoriert“.)
Das Links-Rechts oder auch „Werteschema“ kann man daher erst bei der Verwendung der Staatsausgaben zur Beurteilung einsetzen (Für Bildung, Gesundheit u.ä. – oder eben für Rüstung wie bei Hitler). Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit gilt für beides.
Wer sich auskennt, weiß, dass dieser „keynesianische“ Ansatz von Hitler die deutsche Nach-Kriegs-Ökonomie der „Ordo-Liberalen“ zu den seltsamsten „Verrenkungen“ veranlasste: Da Hitler – ökonomisch gesehen – keynesianisch handelte, kann der „ganze“ Keynes nur eine große „Sauerei“ sein. (weil durch Hitler kontaminiert)
Diesen Denkfehler hat jedoch in Deutschland niemand nachgespürt, die „Ordoliberalen“ wurden ja sozusagen zur Staatsdoktrin – aber Michel Foucault hat sich in seiner „Gouvernemetalität“ über diese freche Chuzpe der deutschen „liberalen“ Ökonomen gewundert, die eigentlich auf einer „Denkschwäche“ wegen der Verdrängung der mit viel Gewalt verbundenen historischen Tatsachen beruht.
Aber zunächst einmal – noch tiefergreifend – zu den „aktuellen“ Griechen
Die Mühen der Ebene von Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis – aber auch noch für die weiteren Zusammenhänge ein Buch für die Hintergründe
Ach, noch einen besonderen Gruß zum politischen Aschermittwoch: Jedem geübten Polit-Profi sind die Mühen der Ebene ja auch nicht unbekannt – in die die Syriza- Regierung in Griechenland jetzt einsteigen muss (vgl. Gift und Galle in Brüssel“ (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenlands-schuldenkrise-gift-und-galle-in-bruessel-1.2355046 ).
Aber zu diesen Mühen der Ebene gehört eben nicht nur Brüssel, sondern auch der griechsiche Sparer und die griechischen Banken (Bank run). So geraten die griechsichen Banken durch die Griechen selbst uter enormen Druck, weil sie ihre Konten leeren: Jetzt lieber Kasse machen (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/banken-in-griechenland-jetzt-lieber-kasse-machen-1.2355050 ) – Niels Kadritzke verleiht diesem Spagat der neuen griechischen Regierung in seiner ausführlichen Analyse in der neuen „Monde Diplomatique“ vom Februar2015 Ausdruck: „Wie die Dinge nun einmal stehen, werden die Griechen darauf angewiesen sein, zusammen mit den europäischen Partnern eine Melodie zu komponieren, die sowohl die griechischen Wähler als auch die Märkte beruhigt“ (Niels Katritzke: Griechenland auf dem Boden der Tatsachen: http://www.monde-diplomatique.de/pm/2015/02/13.mondeText1.artikel,a0004.idx,0 ).
Dennoch bleibt den Griechen für die weitere Perspektive – sozusagen jenseits der aktuellen Mühen der Ebene – immer noch, dass ihre Regierenden einen anderen Durchblick (Deutungsmuster) für diese Krise noch pflegen können: falls es dir nicht schon lange bekannt ist, darf ich dich deshalb auf das Buch des jetzigen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis, „Der Globale Minotaurus“ hinweisen, das im Jahre 2012 auf Deutsch im Verlag Antje Kunstmann erschienen ist – und von dem die „Diplo“ damals das erste Kapitel abdruckte (http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/02/10.mondeText.artikel,a0068.idx,23 ). Allein dieser Text dürfte dir im Ansatz gefallen: Er stellt diese sogenannte Schuldenkrise wieder auf ihre realitätstauglichen Füße, die „Finanzkrise“.
Aber in einem Punkt geht er über bisherige Erklärungen des Finanzkapitalismus doch hinaus: (Als bisher bei uns ausgeprägtestes Beispiel für die Analyse des Finanzkapitalismus – im Unterschied zum Realkapitalismus – siehe bei uns bisher Stephan Schulmeister,“Ein New Deal für Europa“ (Picus-Verlag)
Varoufakis sieht es jedoch nicht wie Schulmeister – jetzt grob skizziert – als „Sieg“ der „Neolib“-Masterminds aus Chicago mitsamt der damit auch „verbesserten“ Interessenlage des Unternehmer-/Arbeitgeberlagers gegenüber den zu stark gewordenen Arbeitnehmern, sondern als Merkmal der Weltwirtschaft, wie es den USA gelang – trotz Umkehrung der Ströme bei Kapital- und Handelsüberschüssen zwischen den USA und dem Rest der Welt – seine Hegemonie weiterhin zu bewahren, indem es – erstmals in der Weltwirtschaftsgeschichte – die Defizite vergrößerte. Der Finanzkapitalismus war das Mittel dazu diese Vorherrschaft sogar noch zu stärken.
Diese Änderung bei den Ursachen für den Finanzkapitalismus hat natürlich auch Implikationen für seine Überwindung!
Dabei wird die „schulmeisterliche“ Erklärung ja durchaus nicht bedeutungslos – aber „großmachtmäßig“ ökonomisch erweitert. Als mehr wissenschaftlicher Text ist es – weitaus ausführlicher und den entsprechenden wissenschaftlichen Apparaten – zusammen mit zwei anderen Wissenschaftlern – nämlich Joseph Halevi und Nicholas Theocarakis – unter dem Titel: „Modern Political Economics“ erschienen. (natürlich englisch)
Und Europa kann eigentlich richtig „dankbar“ sein, um diese Erweiterung der Deutung dieser Krise! Wie ist eine Auseinandersetzung darüber möglich?
Und nun muss Varoufakis sich um die Schulden von Griechenland mit neoliberalen Beton-Köpfen (oder doch nicht mehr ganz ?) herumschlagen… (siehe dazu oben ausführlich Niels Kadritzke)
Kein Wunder also, dass es jetzt „von der Seite“ aus der ILO in diesen Krisen-Prozess der EU hineintönt „Genug vom illusorischen Dogmatismus gegenüber Griechenland“ (http://www.ipg-journal.de/rubriken/europaeische-integration/artikel/genug-vom-illusorischen-dogmatismus-gegenueber-griechenland-784/ ).
„Es sind die berechtigten Zweifel an der objektiven Erfüllbarkeit der Vertragsverpflichtungen, die den Rechtsdogmatismus des Finanzministers Schäuble als illusorisch erscheinen lassen. Das als harte aber realistische Option präsentierte „Weiter so“ basiert auf Realitätsverweigerung.“
Und zu dieser Realität gehört dann eben auch Griechenland ist pleite – und alles jetzt Konkursverschleppung (http://www.tagesspiegel.de/politik/gastbeitrag-griechenland-eine-unbequeme-wahrheit/11387976.html ) … und die Journalisten / Meinungsmacher in Deutschland, die ihn jetzt „im Auftrag“ zerfetzen dürfen, haben keine Ahnung über diese „größeren“ Zusammenhänge.
Wie einfach ist für sie doch das von der Bundeskanzlerin Merkel eingeübte Bild von der „schwäbischen Hausfrau“ – diesem kardinalen Denkfehler aus Deutschland. (http://www.heise.de/tp/artikel/36/36405/1.html ) Da braucht man einfach nicht „weit“ denken!
Man kann nicht aus der Geschichte lernen, wenn man sie ignoriert.
Dabei hat Varoufakis sie so ganz bescheiden an die eigenen Erfahrungen in der deutschen Geschichte erinnert – den Versailler Vertrag und die daraus folgenden Schulden – und die dann erfolgte Sparpolitik in Deutschland. Fabian Lindner gab ihm recht – und hat dies sehr schön mit Grafiken veranschaulicht, wie – ähnlich der Entwicklung damals in Deutschland – die ökonomische Entwicklung nach unten „sank“. (http://blog.zeit.de/herdentrieb/2015/02/09/griechenland-verdient-die-unterstützung-deutschlands_8125 )
Ja, was aus dieser Entwicklung damals auch so deutlich hervorgeht, bleibt die so streng tabuisierte Tatsache, dass die deutschen Nazis es waren, die die deutsche Sparpolitik beendeten – und dazu – höre und staune – die Staatsausgaben wieder stark erhöhten.
John Galbraith hat uns in der „Geschichte der Wirtschaft im 20. Jahrhundert“ auch darauf hingewiesen: „Dass die wirtschaftliche Erholung unter einer Regierung gelang, die für Unterdrückung, Völkermord und schließlich militärischen Wahn stand, hat die wirtschaftlichen Erfolge aus dem Blick geraten lassen.“ (vgl. die Seite 3 „Und als Nachwort zu dieser brillanten Studie…“ bei https://www.labournet.de/?p=70280)
Also jetzt ein Streit über Krise und Kapitalismus oder über das Abendland?
Dem Rechtsextremismus ist Griechenland vorerst mit Tsipras und Varoufakis entkommen. Aber jetzt heißt es doch: „Sich auf die Griechen einlassen, um Europa zu gewinnen – oder mit Pegida und Co. das „Abendland“ retten, um im Sumpf der Nationalismen zu landen?“ (siehe vor allem „Der Streit kehrt wieder zurück auf die Politische Bühne“. auf der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=74377)
Nur wie der Streit ausgehen wird, davon hängt doch so viel ab – oder wie es ein anderer Buch-Autor so trefflich zugespitzt hat: „Wenn jetzt die EU Tsipras dämonisiert, fliegt uns der Euro um die Ohren.“ (vgl. das Ende beim letzten Link)
Oder kurz gesagt: Scheitern die Kräfte wie Syriza in Griechenland oder auch Podemos in Spanien debattieren wir in den kommenden Jahren nicht über Krise und Kapitalismus, sondern über Asyl und Abendland. Die überall schwelende Wut muss ihr zuhause nicht bei demokratischen europäischen Kräften finden, sondern kannn auch von Autoritären jeder Spielart bedient werden. Die deutsche Geschichte ist ein so plastisches Beispiel dafür.