„Das Finanzregime ist ein wenig beunruhigt“
Joseph Vogl untersucht in seinem neuen Buch die gegenseitigen Abhängigkeiten von Staaten und Märkten und analysiert die Herausbildung sou- veräner Enklaven als „vierte Gewalt“. Interview von Tania Martini in der taz online vom 11.03.2015
- Aus dem Text: „… Der Begriff Postdemokratie suggeriert immer, dass wesentliche Prozesse der Entdemokratisierung auf neoliberale Reformen und auf die Deregulierung von Märkten seit den achtziger Jahren zurückzuführen sind. Wenn ich von Parademokratie spreche, meine ich etwas anderes. Nämlich die Tatsache, dass sich neuzeitliche Demokratien nur unter der Bedingung entwickelten, dass bestimmte Regierungsinstanzen wie Zentralbanken konsequent aus diesen Prozessen herausgenommen wurden und sich als unabhängige Enklaven oder Inseln platzierten. Das Finanzwesen sollte immun gegen demokratische Zumutungen werden. (…) Was mich interessiert – und da weiche ich von David Graeber ab -, ist nicht das ökonomische Problem der Schulden, sondern die Frage, wie die damit verbundene Finanzmacht eingesetzt wird, um Regierungspolitik zu betreiben. Finanz und öffentlicher Kredit sind nicht einfach ökonomische Phänomene, sie sind unmittelbar politische Machttypen, die die Fähigkeit entwickelt haben, elementare Lebensbedingungen mitzubestimmen. An dieser Stelle formuliere ich eine Frage, die von Foucault herkommt, nämlich die Frage, wie wir regiert werden, wie wir regiert werden wollen. Foucault hat sich für das Finanzwesen nicht direkt interessiert, für mich rückt die regierungstechnische Dimension der Finanz in den Blick. Das ist der zentrale Gegenstand des Buches…“
- Zum Buch: Joseph Vogl: „Der Souveränitätseffekt“. Diaphanes Verlag, Berlin 2015, 320 Seiten, 24,95 Euro