Was Uber (Eats) unternimmt, um in der EU scheinselbständige Ausbeutungsverhältnisse zu sichern

Dossier

DAs Uber Streikplaka der IWGB in London am 8.5.2019Nach den Urteilen in Großbritannien und in Frankreich (in denen jeweils in letzter Instanz geurteilt wurde, Uber-Beschäftigte seien eben Beschäftigte und nicht etwa unabhängige Vertragspartner), aber auch in der Schweiz, reagieren nicht nur die Beschäftigten in anderen Ländern, wie etwa in Südafrika – sondern auch das Unternehmen: Uber startet eine Offensive, um die Arbeitsverhältnisse wie (noch?) in Kalifornien auch in der EU zu verankern. In Kalifornien hatte das Unternehmen ja mit sehr viel Geld ein Referendum gewonnen, das seinen Ausbeutungsmechanismus aufrecht erhält – und genau das möchte man nun auch in der EU zustande bringen, offensichtlich von der Bewertung ausgehend, dass es hier am leichtesten sein würde – im Vergleich zur Arbeitsgesetzgebung in einzelnen Staaten der EU. Was keineswegs herbei phantasiert sein muss, im Gegenteil. Siehe zu Ubers EU-Offensive einige Beiträge und Verweise:

  • Uber Eats: Mindestlohnbetrug und Scheinselbstständigkeit. Ehemalige Uber Eats- KurierInnen schildern fragwürdige Beschäftigungsverhältnisse – und niemand klagt New
    „Fünf Jahre ist es her, dass der Lieferdienst Deliveroo – der mit den türkisen Rucksäcken – sich plötzlich aus der Hauptstadt zurückzog. Die überwiegend selbstständig beschäftigten Kurier*innen standen vom einen auf den anderen Tag ohne Job da. Deliveroo bot Abfindungen im dreistelligen Bereich an. Die Mehrheit akzeptierte. Einige wenige jedoch, die sich in der Gewerkschaft Freie Arbeiter*innen Union (FAU) organisierten, zogen vor Gericht. Per Feststellungsklage wollten sie gerichtlich prüfen lassen, ob tatsächlich ein selbstständiges und nicht etwa ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hatte. Dann nämlich hätte Deliveroo nicht nur Sozial- und Krankenversicherungsbeiträge sowie Steuern nachzahlen müssen. Unter Umständen wäre auch geprüft worden, ob die Kurier*innen den gesetzlich festgelegten Mindestlohn verdient hatten. Zu einem Urteil kam es am Ende jedoch nicht. Gegen Abfindungen zwischen 3000 und 8000 Euro traten die Kurier*innen von ihren Klagen zurück. (…) Nach Informationen von »nd« ist ein Großteil der Uber Eats-Kurier*innen als Selbstständige beschäftigt. Erneut steht der Verdacht der Scheinselbstständigkeit und des Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz im Raum. Die Uber Eats-Kurier*innen sind nicht direkt bei Uber Eats beschäftigt, sondern bei Subunternehmen, sogenannten Fleetpartnern, von denen sich Uber Eats seine Flotte, also seine Arbeitskräfte einkauft. (…) Dass der Fleet-Partner seine Kuriere als Selbstständige beschäftigt, ist offensichtlich: Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses verlangt er eine Gewerbeanmeldung und eine unterschriebene Dienstvereinbarung. (…) Entscheidend für die Feststellung von Scheinselbstständigkeit, also der eigentlichen Arbeitnehmereigenschaft, ist die Frage, inwiefern die Arbeiter*innen in den Betrieb eingegliedert sind. Rosario konnte zwar stets selbst entscheiden, wann er arbeiten wollte und im Grunde auch wie viel, doch sobald er sich in die App einloggte, wurde er dazu angehalten, jede Bestellung anzunehmen: »Wir wurden anhand unserer Annahmerate beurteilt. Wenn wir zu viele Bestellungen ablehnten oder abbrachen, wurden wir sanktioniert oder aus dem System verbannt. (…) Rechtsanwalt Martin Bechert vertritt seit Jahren Kurier*innen in arbeitsrechtlichen Fragen, zuletzt insbesondere Beschäftigte des Uber Eats-Konkurrenten Wolt. Wolt beschäftigt nach dem Vorbild von Uber Eats immer mehr Kurier*innen über Subunternehmen, allerdings als Arbeitnehmer*innen und nicht als Selbstständige. Das Mutterunternehmen sei auf den Rechtsweg gut vorbereitet, investiere viel Geld in die anwaltliche Vertretung. Das sei ein ungleicher Kampf. Die Subunternehmen seien hingegen schwer zu greifen, ihre Firmen kurzlebige Hüllen, deren Geschäftsführung mitunter schnell ausgetauscht werde. »Die Spur endet häufig an einem einsamen Briefkasten«, sagt Bechert. »Wer weiß, ob und von wem der geleert wird.« Bechert spricht von einem »kriminogenen Sumpf«, der sich in den letzten Jahren in der Branche herausgebildet habe und der darauf ausgelegt sei, Gesetze zu umgehen. Die Unwissenheit und die unsicheren Lebensverhältnisse der Arbeiter*innen würden dabei ausgenutzt. »Da klagt niemand«, sagt Bechert mit Blick auf eine mögliche rechtliche Prüfung von Scheinselbstständigkeit bei Uber Eats…“ Artikel von Christian Lelek vom 25. August 2024 in Neues Deutschland online externer Link („Uber Eats: Mindestlohnbetrug und Scheinselbstständigkeit“)
  • Widerstand gegen die Geschäftspraktiken des US-Dienstleistungsunternehmen Uber – Lehrbeispiel für Profitmaximierung und Ausbeutung
    „Das US-Dienstleistungsunternehmen für Personenbeförderung agiert im Bereich fortlaufender Deregulierung bislang gültiger Standards, einem Unterbietungswettbewerb, der Ausbeutung seiner Beschäftigten bei sozialer Absicherung und Lohn, in gesetzlichen Graubereichen, und das, von USA bis Australien, von Südafrika bis Europa. Ein weltweit agierendes, neoliberales Unternehmen reinsten Wassers. (…) Im Februar 2024 meldet der Konzern einen Nettogewinn von 1,9 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2023. (…) Die Scheinselbstständigkeit bei Uber-Fahrern bedeutet den Ausschluss jeglicher Sozialleistungen wie Kranken-, Renten-, oder Arbeitslosenversicherung. Schon früh kam es zu Widerstand, der auch vor den Gerichten ausgefochten wurde. Das Genfer Kantonsgericht in der Schweiz beispielsweise entschied im November 2020, dass Fahrer als Angestellte und nicht als Selbstständige anzusehen sind, eine nicht unerhebliche Entscheidung. Auch die Klage vor dem Schweizer Bundesgericht brachte für Uber Switzerland GmbH keinen Erfolg, und das Genfer Taxi-Gesetz behielt Gültigkeit. Einen ähnlichen juristischen Vorstoss gab es auch in Österreich. Allerdings gewann Uber in zwei Gerichtsverfahren, und darf seit 2020 sein aktuelles Geschäftsmodell rechtmässig in Österreich betreiben. Die Wiener Taxifunkzentrale unterlag dem US-Unternehmen, da das Gericht Uber als Vermittlungsplattform einstufte. In der Vergangenheit gab es eine Reihe von Auseinandersetzungen mit den Betroffenen, die sich gegen die Ausnutzung rechtlicher Grauzonen und aggressiver Wettbewerbsverzerrung und deren sozialen Folgen zur Wehr setzen. Zahlreiche Taxifahrer in Europa protestierten gegen Uber durch Konvois und Blockarden. In Paris und Lyon wurden Uber-Fahrer sogar tätlich angegriffen. In den USA wurde Uber untersagt in Notsituationen seine Preise willkürlich anzuheben. In Indonesien, Thailand, Spanien und den Niederlanden wurde der Dienst in der zweiten Jahreshälfte 2014 landesweit verboten. Im März 2021 demonstrierten Düsseldorfer und Kölner Taxifahrer in einem Autokorso gegen die ungleichen rechtlichen Bedingungen. Unfaire Arbeitsbedingungen, Missachtung gesetzlicher Standards, Unterlaufen von Tarifen und Arbeitnehmerrechten, Ausbeutung über Scheinselbstständigkeit, Verlagerung von Steuern in Steueroasen, aggressiver Lobbyismus, alles Methoden, die mit Uber in Verbindung zu bringen sind. Will man neoliberalen Kapitalismus im Kern verstehen, stellt Uber ein hervorragendes Lehrbeispiel dar.“ Beitrag von Volker Brauch vom 12. März 2024 beim untergrundblättle externer Link
  • „Time for the EU to put an end to bogus self-employment in platform work“ am 03. März 2021 bei UNI Europa externer Link weist darauf hin, dass das „Engagement“ von Uber am selben Tag begann, da italienische Gerichte ein Grundsatzurteil zur sogenannten Plattform-Arbeit (im Fall Deliveroo, siehe unser Dossier dazu) fällten und die EU ebenfalls an diesem Tag zu entsprechenden Konsultationen aufrief, die eine gemeinsame Gesetzgebung einleiten sollen. UNI unterstreicht dabei, dass die EU in der Pflicht stehe, bei entsprechenden Bestimmungen der Arbeitsbedingungen nicht hinter die Bestimmungen nahezu aller betreffender einzelner Staaten zurück zu fallen.
  • „La maniobra de poker de Uber para imponer su modelo en Europa“ von Gael de Santis am 27. Februar 2021 bei Viento Sur externer Link werden die verschiedenen Argumentationslinien Ubers nachgezeichnet, wie eine Art Leitbeitrag auf dem Unternehmens-Blog und ein entsprechendes Weißbuch, worin unterstrichen wird, die sogenannte Selbstständigkeit sei eine bessere Grundvoraussetzung für die Fahrerinnen und Fahrer im Vergleich zum Status des Angestellt-Seins. Was auch schon die Argumentation in Kalifornien gewesen war – und als solche auch Basis der angeblichen Zusammenarbeit mit verschiedenen sozialen Initiativen, was wohl auch in der EU die Absicht sein wird.

Siehe zu Uber in Europa:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=187335
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