Verdi Herne setzt Initiative Jobcenterwatch vor die Tür
Auf Drängen von Jobcenter-Mitarbeiter_innen hat der Ortsvorstand Herne (im Bezirk Bochum-Herne) eine Initiative vor die Tür gesetzt, an deren Entstehung sie unmittelbar selbst beteiligt waren. Nicht nur ist ein Vorstandsmitglied aktiv in der Initiative tätig, im Sommer 2013 hatten sie noch über verantwortliche Beteiligung am Herner Sozialforum gemeinsam mit der LINKEN Herne die „Jobcenter-Rebellin“ Inge Hannemann nach Herne eingeladen. Sah es zunächst danach aus, dass hier Gewerkschaft, Beschäftige, Betroffene und politische Kreise gemeinsam die strukturellen Probleme des JC Herne angehen wollten, kam es jetzt zum Knall… Siehe dazu den Beitrag von Norbert Herrmann für die LabourNet-Redaktion vom 3.1.2016. Siehe dazu eine zusätzliche Information (am Ende)
Verdi Herne setzt Initiative Jobcenterwatch vor die Tür
Auf Drängen von Jobcenter-Mitarbeiter_innen hat der Ortsvorstand Herne (im Bezirk Bochum-Herne) eine Initiative vor die Tür gesetzt, an deren Entstehung sie unmittelbar selbst beteiligt waren. Nicht nur ist ein Vorstandsmitglied aktiv in der Initiative tätig, im Sommer 2013 hatten sie noch über verantwortliche Beteiligung am Herner Sozialforum gemeinsam mit der LINKEN Herne die „Jobcenter-Rebellin“ Inge Hannemann nach Herne eingeladen. Sah es zunächst danach aus dass hier Gewerkschaft, Beschäftige, Betroffene und politische Kreise gemeinsam die strukturellen Probleme des JC Herne angehen wollten, kam es jetzt zum Knall.
Mit Wilfried Kohs, vor der Verrentung langjähriger Betriebsratsvorsitzender der Wanne-Herner Eisenbahn (WHE), 2013 von der SPD zu den GRÜNE gewechselter Stadtverordneter und verdientes Mitglied des Herner Ver.di-Ortsvorstandes, Aktiven des Kreisverbandes der Linkspartei und weiteren Aktiven der Sozialen Bewegung scheint die Initiative gut aufgestellt. Der Unterstützung durch Norbert Arndt, Stellvertretender ver.di- Bezirksgeschäftsführer und „Statthalter“ in der Herner Dependance, immer dabei wenn es um Sozialproteste und UMfairTEILEN geht, konnten sie gewiss sein. So war es auch nicht überraschend, dass der Initiative im Oktober 2015 eine hochkarätig besetzte Veranstaltung gelang: Auf dem Podium saßen Arbeitsagentur-Chef Luidger Wolterhoff, Jobcenter-Geschäftsführer Karl Weiß, Sozialdezernent Johannes Chudziak und als Moderatoren Dorothea Schulte von den GRÜNEN und Daniel Kleibömer von der LINKEN. Der Dialog sollte fortgesetzt werden (s. untenstehenden Bericht der WAZ vom 21.20.2015). Um so überraschender dass es jetzt zu diesem Eklat kommt. Zeigt sich hier der „Ausweg“ für ver.di aus dem Spannungsfeld zwischen Prinzipientreue und Mitgliedergewinnung? Jedenfalls hat eben dieser Norbert Arndt jetzt den Bruch vollzogen und begründet (s. untenstehenden Bericht der WAZ vom 29.12.2015).
An der Initiative kann es nicht liegen: Sie arbeitet ausgesprochen fundiert und seriös und kann auf erfahrene Kolleg_innen zurückgreifen. Leider ist die homepage http://jobcenter-watch.de/ gerade erst im Aufbau, darum muss hier aus einem internen Papier zitiert werden: „Aber auch die Jobcenter selbst, mit ihren vielen Mitarbeitern, welche ja weisungsgebunden einem in vielerlei Hinsicht unzureichendem Gesetz unterliegen, kann an diesem Gordischen Knoten nur wenig ändern, auch wenn sie dieses gern täten. Insofern sollten die Mitarbeiter dieser Behörde verstehen, dass sie selbst auch Teil und somit in diesem Sinne Betroffene dieses im Grunde nicht funktionierenden Systems SGB II sind, was sich ja auch immer wieder mal bis zu körperlichen Konfrontation mit den Betroffenen zeigt, wie entsprechende Schlagzeilen in den Medien zeigten. Hier bedarf es dringend gemeinschaftlicher, gemeinsamer Korrekturen am System, am Gesetz, und vor allem auch an dessen Anwendung im Einzelfall.“
Mit ihrer Beteiligung kam es im September 2015 im Herner Sozialausschuss zu einem (abgelehnten) Antrag gegen die Sanktionspraxis („Sanktionsmoratorium“), das allerdings nur von den Grünen und der LINKEN unterstützt wurde. Jobcenter-Watch unterstützt die bundesweite Initiative http://www.wirgehenmit.org/ , die unterstützende Begleitung zu Ämtern organisiert. Im Mai 2015 veröffentlichte die LINKE Herne eine Liste mit Telefonnummern der Jobcenter-Mitarbeiter_innen und bekam daraufhin prompt Besuch von der örtlichen Polizei. Ob in Herne jetzt wer auf Rache sinnt?
Reaktionen in der Presse:
- Ver.di Herne setzt Initiative Jobcenterwatch vor die Tür
„Auf Druck von Jobcentermitarbeitern stellt Verdi der Initiative Jobcenterwatch vorerst keine Räumlichkeiten mehr zur Verfügung. Die Mitte 2015 gegründete Initiative Jobcenterwatch will 2016 auf weitere Verbesserungen im Herner Jobcenter drängen. Fürs kommende Jahr muss sich die Gruppe allerdings zunächst einen neuen Treffpunkt suchen: Die aus Langzeitarbeitslosen und Mitgliedern von Linkspartei, Grünen und Piraten bestehende Gruppe kann sich nicht mehr wie bisher in den Räumen von Verdi an der Brunnenstraße treffen. Die Gewerkschaft hat Jobcenterwatch praktisch bis auf Weiteres vor die Tür gesetzt…“ Redaktioneller Beitrag in der WAZ Herne vom 27.12.2015
- Verdi-Chef verteidigt Rauswurf der Initiative Jobcenterwatch
„Verdi-Gewerkschaftssekretär Norbert Arndt hat auf den WAZ-Bericht „Verdi schmeißt Jobcenterwatch raus“ mit einer Stellungnahme reagiert und darin erneut das Vorgehen der Gewerkschaft verteidigt. (…) Die Beschäftigten des Jobcenters sind für die Drangsalierungen der Hartz IV-Vorschriften nicht verantwortlich. Sie sind weisungsgebunden und ausführendes Organ. Personell chronisch unterbesetzt haben sie es mit einem nicht immer einfachen Publikum zu tun, das nicht selten seinen Frust bei ihnen und nicht bei den politisch Verantwortlichen zurücklässt.“ Artikel in der WAZ Herne vom 29.12.2015 – LabourNet Germany hat noch keine Antwort auf eine Anfrage erhalten…
- Jobcenter: Die Initiative Jobcenterwatch setzt auch 2016 auf Dialog
„… Weiterhin auf der Agenda steht die Einrichtung einer (unabhängigen) Ombudsstelle für die Arbeitsbehörde. Die Jobcenter-Geschäftsführung als auch die beiden Jobcenter-Träger Stadt und Arbeitsagentur lehnen ein solches zusätzliches Hilfe-Angebot für Hartz-IV-Empfänger bisher ab. (…) Im Dialog will die Initiative diese und weitere Themen angehen – mit der Jobcenterspitze, aber auch mit den Mitarbeitern. Denn: Diese seien ebenfalls Betroffene des „nicht funktionierenden Systems SGB II“. Janßen: „Unser Angebot, mit den Behörden an den uns alle betreffenden Problemen konstruktiv zusammenzuarbeiten, besteht weiterhin.““ Meldung vom 3.1.2016 in der WAZ Herne online
- Noch kurz zuvor hiess es: Herner Jobcenter-Spitze stellt sich der Kritik
„Die Jobcenter-Spitze hat sich in einer öffentlichen Veranstaltung der Initiative „Jobcenter-Watch“ der Kritik gestellt. Beim Reizthema „Jobcenter“ schlagen die Emotionen in der Regel hoch – auch in Herne, wo die Behörde seit knapp einem Jahr zunehmend öffentlich in die Kritik geraten ist (wir berichteten). Umso mehr Spannung versprach die Veranstaltung der Initiative Jobcenter-Watch am Dienstagabend in der VHS Wanne. Das Bündnis hatte nämlich die Jobcenter-Spitze zur Diskussion eingeladen, um darüber zu sprechen, wie „unter den bestehenden Bedingungen Verbesserungen möglich sind“ (…) Beide Seiten kündigten an, den Dialog fortsetzen zu wollen…“ Redaktioneller Beitrag in der WAZ Herne vom 21.10.2015
Stellungnahme des Erwerbslosenvereines tacheles e.V.: Verdi Herne setzt Initiative Jobcenterwatch vor die Tür
„Verdi bezieht (falsche) Position
Wir möchten an dieser Stelle über einen sehr unschönen Vorgang berichten wo verdi in Herne eine ELO-Gruppe aus ihren Räumen verweist. Leider ein typisches Beispiel dafür, dass verdi seinen Jobcentermitgliedern näher steht als den erwerbslosen Kollegen. (…) Hier ging es um einen Dialog mit dem Jobcenter Herne. „Beide Seiten kündigten an, den Dialog fortsetzen zu wollen.“ So sieht der Dialog des Jobcenters Herne aus. Und was macht Verdi Herne? Es setzt dem noch einen drauf!“ Stellungnahme des Erwerbslosenvereines tacheles e.V. vom 29.12.2015
Harte Linie gegen Jobcenter-Kritik
Seit dem Start der Kampagne „AufrechtBestehen – Kein Sonderrecht im Jobcenter“ fährt ver.di einen harten Kurs gegen Kritik an der Praxis der Jobcenter. Schließlich befasst sich die Kampagne nicht nur mit der Gesetzeslage, sondern insbesondere mit der unerträglichen Umsetzung durch die Jobcenter: „Vielfach verweigern die Jobcenter aber sogar Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht und begehen damit täglich Rechtsbruch.“ Die Kampagne wird im Frühjahr fortgesetzt.
In einer Pressemitteilung vom 14.04.2015 kritisierte der ver.di-Bundesvorstand das Vorgehen der Kampagne: „Die Beschäftigten in den Jobcentern wollen eine verlässliche Leistungsgewährung garantieren und auch die Möglichkeit zu mehr individueller Betreuung und Arbeitsförderung von Langzeitarbeitslosen.“ Sie erklären weiter: „Für die Härten des Hartz-Systems sind aber nicht die Jobcenter-Mitarbeiter, sondern die politischen Entscheider verantwortlich zu machen. Daher hält es der ver.di-Bundesvorstand für falsch, diese Kritik der Kampagne „AufRecht bestehen“ vor die Jobcenter zu tragen.“
Vor einigen Jahren hatte die Verteidigung der Jobcenter-Praxis bei ver.di noch einen schweren Stand. Auf dem ver.di-Bundeskongress 2011 in Leipzig hatte sich die Personalratsvorsitzende des JC BO energisch dagegen gewandt, dass im Antrag B 082 die Praxis der Jobcenter zutreffend mit den Begriffen „Diskriminierung“, „Willkür“ und „Drangsalierung“ in Verbindung gebracht wurde. Sie hatte wenig Erfolg. Der Antrag kritisiert auch zutreffend den Zwang, bestimmte Sanktionsquoten zu erreichen. (ver.di-Bundeskongress 2011, Tagesprotokoll Teil 23 , S. 3f).
Ver.di und die Jobcenter-Beschäftigten unterwerfen sich gehorsamst dem Repressionsauftrag des SGB II und dem Regime des “New Public Management“. Mit dem Argument, die Kollegen und Kolleginnen müssten ja auch überleben in diesen harten Zeiten. Zudem steht ver.di als Gewerkschaft in starker Konkurrenz durch im Beamtenbund (dbb) zusammengeschlossene kleinere Gewerkschaften, als da wären: Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS), komba gewerkschaft (komba), vereinigung der beschäftigten der berufs- und arbeitsmarktdienstleister (vbba) und weitere. Da können Prinzipien schon mal auf der Strecke bleiben – sofern nicht die ver.di Erwerbslosengruppen und andere ver.di-Gliederungen mal ein klares Wort sprechen!
Beitrag der LabourNet-Redaktion vom 3.1.2016
- Siehe im LabourNet-Archiv: Arbeitsverwaltungen wehren sich – wogegen?
- Und neue Information: Jobcenter drängt Verdi zum Rauswurf von JobcenterWatch
„… Der Personalratschef Jürgen Kottenkamp findet das [die Arbeit von JobcenterWatch] überflüssig. Gegenüber dem „Neuen Deutschland“ sagte dieser: „Es gibt eine funktionierende Kontrolle und Aufsicht über unsere Arbeit, da brauchen wir nicht irgendwelche Leute, die als Hobby hier rumwerkeln“. Seine Kollegen würden sich „überwacht“ fühlen. Zudem sei es zu einer „Denunzierungen“ gekommen. „Ver.di hat nicht geguckt, wer hinter dieser Gruppierung steht. Aktiv sind hier Kunden des Jobcenters und unbedeutende Lokalpolitiker.“ Daher habe er Verdi dazu aufgefordert sich von der kritischen Erwerbslosengruppe zu distanzieren. Weil sehr viele Jobcenter-Mitarbeiter bei Verdi organisiert sind, knickte der Verdi-Geschäftsführer offenbar ein. „Politisches Gewicht und die Durchsetzungsmacht einer Gewerkschaft erwächst aus ihrer Mitgliederstärke und betrieblicher Verankerung“, sagte Verdi-Geschäftsführer Arndt…“ Beitrag vom 17.01.2016 bei Hartz IV News