Mitarbeiter der Jobcenter: Zielen Sie nicht auf Ihre Mitmenschen!
„Mit der nunmehr zehnjährigen Geschichte der unsäglichen Hartz-IV-Gesetze in Deutschland hat die Vergesellschaftung der politisch-büro- kratisch initiierten Stigmatisierung ihren Lauf genommen. So stolz auch alle Bundesregierungen seit Ger- hard Schröder die Hartz-Gesetze präsentiert haben, so sehr hat die Industrialisierung der Armut vielerorts Leid geschaffen, Ausgrenzung produziert und die Menschen unter erheblichen Druck gesetzt, der für eine Vielzahl von ihnen weder psychisch noch physisch erträglich ist. Inzwischen werden Menschen, die sich wie die Mitarbeiterin des Hamburger Jobcenters, Inge Hannemann, in legitimer, dem demokratischen Meinungsbildungsprinzip entsprech- ender, Weise gegen dieses staatlich organisierte System der Angst wenden, durch Po- litiker wie auch Behörden öffentlich an den Pranger gestellt…“ Offener Brief von Lutz Hausstein (Wirtschaftswissenschaftler und Publizist) vom Juni 2013 bei scharf Links
- Aus dem Text: „… Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter, beenden Sie diese Tragödie durch Ihre Menschlichkeit! Greifen Sie aktiv ein, indem sie Ihre Ermessensspielräume nutzen. Sanktionieren Sie nicht weiter, ordnen Sie keine Zwangsumzüge mehr an, die ganze Familien aus ihrem sozialen Umfeld und Kinder von geliebten Freunden wegreißen. Gerade diese Sanktionspolitik ist es, die Menschen an die Grenze ihrer Existenz treibt und eine nicht zu recht- fertigende Spirale der psychischen Gewalt in Gang setzt, welche zuletzt immer häufiger beiderseits in physische Gewalt umschlägt. Sie können vieles, was das Leben der Menschen in diesem Sozialsystem erschwert und belastet, durch einfache Instrumente und vor allem mit Menschlichkeit verhindern. Versetzen Sie sich vor solchen Entscheidungen in die Lage der Menschen, denen Sie plötzlich die Grundlage ihrer Existenz entziehen…“
- Wir erinnern in diesem Zusammenhang an diesbezügliche, schon längere Debatte im LabourNet-Archiv in den Specials:
- Arbeitsverwaltungen wehren sich – wogegen?
- AgenturSchluss – mit oder gegen AmtskollegInnen?
- und hier das Flugblatt an die Beschäftigten der Arbeitsagenturen
Aus dem Text: „… Unser Protest richtet sich gegen diejenigen, die glauben, irgend einen Job zu verrichten – obwohl von Fördern kaum noch die Rede ist und Arbeitsplätze auch nicht in Sicht und sogar Erwerbslose, verfassungswidrig, anregen aus der Gewerkschaft auszutreten. Unser Protest richtet sich NICHT gegen diejenigen Beschäftigten der Agenturen und der Ämter, die sich ebenfalls dagegen wehren, dass Menschen derart entwürdigend behandelt werden sollen – wir hoffen und bauen auf die gegenseitige Solidarität!
Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hat sich gegen Proteste vor den Arbeitsagenturen oder die Aktion Agenturschluss gewandt, weil „die Politik“ diese Gesetze verabschiedet habe, nicht die Beschäftigten. Recht hat er: die Gesetze wurden von „der Politik“ verabschiedet – leider mit teilweiser Zustimmung der Gewerkschaftszentralen, auch von ver.di, wenn auch nicht zu ALG II. Doch alle Gesetze, nicht nur diese repressiven, bleiben bedeutungsloses Papier, solange sie nicht umgesetzt werden!…“