10 Jahre Agenda 2010
Dossier
Unser Dossier in dieser unsäglichen Reihe an „Feierlichkeiten“
- Zehn Jahre Agenda 2010: Auf dem Weg nach unten
„Hartz IV brachte die Armut in die Mitte der Gesellschaft und vertiefte die Spaltung zwischen Arm und Reich. Die Agenda 2010 hat letztlich nur gezeigt, wie schnell es für Menschen abwärts gehen kann – auch wenn sie zum Jubiläum wochenlang gefeiert wurde….“ Gastbeitrag von Christoph Butterwegge in Süddeutsche online vom 3. April 2013
- Sozialrichter Jürgen Borchert: „Warum die Agenda 2010 als Erfolg begriffen wird, ist mir ein Rätsel“
„Die Agenda 2010 hat Deutschland verändert, Ökonomen sagen: zum Guten. Doch sie hat Millionen Menschen vom normalen Leben ausgeschlossen. Hat die Bundesrepublik überhaupt noch eine soziale Marktwirtschaft? Wir haben Jürgen Borchert gefragt, der beim Verfassungsgericht eine Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze durchsetzte…“ Interview von Hans von der Hagen in Süddeutsche Zeitung online vom 14. März 2013 - Vorwärts in die Vergangenheit – Gerhard Schröders „Agenda 2010“ – Blaupause für eine unsolidarische Gesellschaft
Artikel von Christoph Butterwegge vom 13. März 2013 bei Wirtschaft und Gesellschaft
- Das neue Elend: Zehn Jahre Hartz-Reformen
„Hartz war die größte Arbeitsmarkt- und Sozialreform der Nachkriegszeit und überaus erfolgreich. Dabei geht es nicht um einzelne Bausteine der vier Gesetze, sondern darum, dass Peter Hartz und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder die Ersten waren, die offen gesagt haben, dass es mit dem ausufernden Sozialstaat so nicht weitergehen kann. Die Hartz-Gesetze bedeuteten das Ende der alten Bundesrepublik.“ Zehn Jahre nachdem Gerhard Schröder seine Agenda 2010 in Gang setzte, lautet so die Bilanz von Peter Straubhaar, dem Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Diese Einschätzung ist für den Elitendiskurs in Deutschland und Europa symptomatisch: Die Arbeitsmarktreformen mögen für die Betroffenen hart und schmerzlich gewesen sein, der Gesellschaft haben sie gut getan und ökonomisch waren sie ohnehin alternativlos…“ Artikel von Klaus Dörre in Blätter für deutsche und internationale Politik vom März 2013
- Gratulation, Schweinestaat!
„Ökonomie. Die Funktionseliten aus Kapital und Staat haben allen Grund, das zehnjährige Jubiläum der Agenda 2010 zu feiern. Für die Lohnabhängigen der Bundesrepublik ist es der Jahrestag einer historischen Niederlage…“ Artikel von und bei Tomasz Konicz, zuerst erschienen in junge Welt vom 14.03.2013 . Aus dem Text: „… Diese mit der Agenda 2010 eingeführte Vernichtungsdrohung – die in Gestalt beständiger Abstiegsängste wie ein Alp auf der gesamten deutschen Arbeitsgesellschaft liegt – bildete somit auch den wichtigsten Faktor, der die Agenda 2010 zu solch einem gigantischen Erfolg für deren Initiatoren in Politik und Wirtschaft werden ließ. (…) Diese eindeutigen Zahlen vermögen es aber nicht, die tiefreichenden autoritären und erzreaktionären Transformationsprozesse innerhalb der deutschen Gesellschaft widerzuspiegeln, deren Katalysator Agenda 2010 mitsamt Hartz IV waren. Insbesondere die Hartz-Arbeitsgesetze stellen ein Unterwerfungssystem dar, das auf die Produktion und Untertanen, auf die Eliminierung aller Widerstandspotentiale der Lohnabhängigen und deren totale Entsolidarisierung abzielt. (…) Die mit der Agenda 2010 eingeführte Scharfmacherei gegen die Opfer der kapitalistischen Systemkrise, die in einer ideologischen Personifizierung der Krisenursachen zu deren Verursachern halluziniert werden, ist seitdem zu einem beständigen Moment öffentlichen Diskurses in der Bundesrepublik geworden. (…) Der blindwütige Reflex dieser wutbebenden und angstschwitzenden »Mitte« besteht schlicht in dem Bedürfnis, sich von den »Krisenverlierern« möglichst stark abzugrenzen – und gerade dadurch konnten diese Lohnabhängigen dazu gebracht werden, entgegen ihren ureigensten Interessen zu handeln. (…) Diese irrsinnigen Tendenzen zur Arbeitshetze und Arbeitsverdichtung haben aber bekanntlich keine effektive Oppositionsbewegung entfacht, sondern sie tragen zu der Verfestigung eines »autoritären Kreislaufs« unter all jenen Lohnabhängigen bei, die sich eine Alternative zur kapitalistischen Dauerkrise nicht vorstellen können…“
- Zehn Jahre Agenda 2010: Wie stellen sich Experten eine „Agenda 2020“ vor?
„Vor zehn Jahren präsentierte Gerhard Schröder die „Agenda 2010“. Das Reformprogramm setzte weitgehende Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik, im Gesundheitswesen und dem Rentensystem in Gang. Wir haben Experten gefragt, welche drei Reformen sie heute wichtig fänden…“ Artikel im Tagesspiegel online vom 14. März 2013
- Zum zehn-jährigen Jubiläum der Agenda 2010: Ein Ende für die Alternativlosigkeit?
Ein Ende der „Alternativlosigkeit“? Es tut sich ´was in unserem Lande – es kann doch wieder diskutiert werden (am Beispiel der Süddeutschen vom 9.März 2013). Kommentar von Volker Bahl vom 11.3.2013
- Altkanzler Schröder: „Wer sich vorm Arbeiten drückt, muss mit Sanktionen rechnen”
„10 Jahre nach der Agenda 2010 macht Schröder in einem Interview mit der Bild-Zeitung noch einmal in aller Klarheit deutlich, welcher geradezu absurden Gedankenwelt er aufgesessen ist. Schröder hat sich rückwärts auf ein Pferd setzen lassen, das vom Schwanz her aufgezäumt war und er hat bis heute nicht gemerkt, dass sich der Gaul nicht vorwärts sondern rückwärts bewegt. Nach dem Motto, „was nicht wahr sein darf, nicht wahr sein kann“, verfälscht er Tatsachen und biegt sein Bild in der Geschichte zurecht…“ Artikel von Wolfgang Lieb vom 12. März 2013 bei den Nachdenkseiten
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Die Konstruktionsfehler der Agenda 2010 wirken bis heute. Die Würde steckt in den Details
„Es ist schon ziemlich frech von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, zehn Jahre nach der Vorstellung der Agenda 2010 durch die Regierung Schröder zu behaupten, auch den Hartz-Gesetzen sei es zu verdanken, dass Deutschland jetzt in der EU-Krise wirtschaftlich viel besser dastehe als Italien, Frankreich und Spanien. Solch politische Instrumentalisierung der Hartz-Gesetze ist typisch für deren Historie. Mit den Betroffenen hat sie wenig zu tun…“ Kommentar von Barbara Dribbuschin der taz vom 12.03.2013
- DER STAAT ALS ZUHÄLTER. Hartz Vier hat Geburtstag: „Spreizung hat zugenommen“
„Im zehnten Jahr der von Rot-Grün als Reform ausgegebenen Hartz-Vier-Gesetze war es die Augsburger Agentur für Arbeit, die für Klarheit gesorgt hat: Sie bot einer 19-jährigen arbeitslosen Frau einen Job im Bordell an. Voraussetzung für den Job sei ein „ansprechendes Auftreten“, schrieb ihr das Amt. Und als die Frau sich empörte und mit dem unsittlichen Angebot an die Öffentlichkeit ging, redete der Amtsleiter Klartext: Vor dem Angebot hätte die Frau gefragt werden müssen, ob ihr der Job im Puff zusagen würde. Dann allerdings hätte einer Vermittlung nichts im Wege gestanden. Rein zufällig diskutiert die schwarz-gelbe Koalition zeitgleich über den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Da heißt es in einer ersten Fassung, „die Einkommensspreizung hat zugenommen“. Das soll jetzt wieder raus. Aber nicht, weil der Begriff „Spreizung“ eine schwüle Nähe zu den Sex-Jobs der Agentur hätte, sondern weil die Regierung jetzt lieber wahrheitswidrig behauptet, „die Ungleichheit der Einkommen nimmt derzeit ab.“…“ Artikel von Ulrich Gellermann vom 07.03.2013 in der RATIONALGALERIE
- Die Agenda 2010 – Begründung und Legitimationsbasis für eine unsoziale Politik. Eine kritische Bilanz zum 10. Jahrestag von Gerhard Schröders Regierungserklärung
„In einem Großteil der Massenmedien wird die Agenda 2010 zu ihrem 10. Jahrestag am 14. März 2013 geradezu überschwänglich gelobt. Während sie das Handelsblatt (v. 6.3.2013) als „Geburtsstunde des deutschen Jobwunders“ würdigte, bescheinigte ihr die Welt (v. 7.3.2013) schon in der Überschrift eines Artikels, „keine Armut“ bewirkt zu haben. Klaus F. Zimmermann fragte in einem Gastbeitrag für den Kölner Stadt-Anzeiger (v. 8.3.2013) ungeduldig: „Wo bleibt die Agenda 2020?“ Was der Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) übersah: Angela Merkel, die heute vor ihrer erneuten Wiederwahl als Bundeskanzlerin steht, liebt keine „Blut-, Schweiß- und Tränenreden“, sondern bevorzugt ein möglichst geräuschloses Durchregieren ohne unnötiges Pathos und „Basta!“-Gehabe. Mit ihr wird es deshalb zwar keine „Agenda 2020“, wohl aber die von neoliberalen Ökonomen wie Zimmermann erhoffte Fortsetzung der neoliberalen Reformpolitik à la Schröder/Fischer geben, sei es weiterhin in einer Koalition der Unionsparteien mit der FDP oder wieder in einer Großen Koalition mit der SPD, die keineswegs von den „Agenda“-Reformen lassen möchte, aber in ihrem Wahlprogramm vorsichtig „Teilkorrekturen“ anmahnt, ohne dafür nach der Bundestagswahl eine Durchsetzungschance zu haben…“ Artikel von Christoph Butterwegge vom 13. März 2013 bei den Nachdenkseiten
- Angriff auf die Reste des Sozialstaats
„Es ist erstaunlich, mit welcher Wucht eine gesteuerte PR-Kampagne der von den Arbeitgebern finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mal wieder eingeschlagen hat. Da heißt es bei Spiegel Online, “Top-Ökonomen beklagen Reformstau in Deutschland” und die Tagesschau-Redaktion fragt dümmlich “Kommt jetzt die “Agenda 2020”? Zehn Jahre Agenda 2010 locken die Voodoo-Ökonomen erneut hinter dem Ofen hervor. Gemeinsam blasen sie zum Angriff auf die Reste des Sozialstaats…“ Artikel vom 10.3.2013 von André Tautenhahn in seinem Blog
- Schröder fordert „Agenda 2020“. Ist der Altkanzler von allen guten Geistern verlassen?
„Die Wunden, die Gerhard Schröder mit seiner „Agenda 2010“ geschlagen hat sind noch nicht verheilt, da fordert der Altkanzler zum 10-Jahres-Jubiläum auch noch eine Zugabe, und die nennt er allen Ernstes „Agenda 2020“. Ist der Mann von allen guten Geistern verlassen? Hat denn Schröder seine Partei, die SPD, nicht fast um ihre Identität und an den Rand ihrer Existenz gebracht? Schröder ist persönlich mitverantwortlich für das, was die SPD heute lautstark und zu Recht beklagt, nämlich die Entwertung und Entwürdigung ehrlicher Arbeit…“ Kommentar (Text und Audio) von Claus Heinrich, ARD-Hauptstadtstudio, vom 11.03.2013 bei Tagesschau.de
- Arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Bilanz der Agenda 2010-Politik
„Am 14. März 2003 kündigte der damalige Bundeskanzler Schröder (SPD) in einer Regierungserklärung eine Agenda 2010 mit „weitreichenden Strukturreformen“ an, insbesondere für den Arbeitsmarkt. Jede darauffolgende Bundesregierung hat an der Agenda 2010-Politik festgehalten mit dem Verweis, es sei so gelungen neue Jobs zu schaffen. DIE LINKE fragt nach, ob tatsächlich neue Beschäftigung entstanden ist oder nicht nur bestehende gut entlohnte Vollzeitarbeitsplätze durch Billigjobs verdrängt wurde…“ KLEINE ANFRAGE – Drucksache Nr. 17/12359 – vom 22.02.2013
- 10 JAHRE HARTZ IV: KEIN GRUND ZUM FEIERN
Es ist nun genau zehn Jahre her, seit in Deutschland Hartz IV gilt. Gebessert hat sich hier seither wenig. Im Gegenteil: Vieles hat sich verschärft. Das Infoblatt Jobcenter beim ver.di-FB Gemeinden
- Rückblick auf die Agenda 2010 und ihre Folgen. Dossier im Portal Sozialpolitik
- Arm aber Sexy
Volker Pispers am 12.3.2013 (Audio-Datei) in der Reihe „Jetzt sagen Sie nicht, es ist schon wieder Dienstag“ im WDR 2 Kabarett
siehe auch:
- Im LabourNet-Archiv Agenda 2010: „moderner Sozialstaat“
- Und dort u.a. „Agenda 2010“ – Zitate
- Hieraus hochaktuell unser Zitat der 24. Woche 2003
„Agenda 2010 „Plus plus plus“
Statt der Erfindung immer neuer verlockender Bezeichnungen für den sozialen Kahlschlag sollte die Bundesregierung lieber in einem einzigen Satz wenigstens mitteilen, was künftig noch erhalten bleibt.“
Aus: Deutscher Einheit(z)-Textdienst von Werner Lutz, 6/03