Kosten für Brillen bei Hartz IV und Sozialhilfe: Im Anteil für Gesundheitspflege (16,42 Euro) „vergolten“!
„Vorbemerkung der Fragesteller: Wenn Menschen Hartz IV oder Sozialhilfe beziehen und eine Brille brauchen, ist nach Ansicht der Fragesteller die Finanzierung nicht gesichert. Laut § 24 Absatz 3 Nummer 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) sind Einmalleistungen für Sonderbedarfe nur für die Reparatur von Brillen, aber nicht für die Anschaffung von Brillen vorgesehen. (…) Im Jahr 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angemahnt, dass bei seltenen Ausgaben in existenzsichernden Bereichen darauf geachtet werden muss, ob diese Bedarfe im Einzelfall wirklich gedeckt werden können (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – BvL 10/12, Rz. 119). Das BVerfG hatte insbesondere auf eine mögliche Unterdeckung hingewiesen, „wenn Gesundheitsleistungen wie Sehhilfen weder im Rahmen des Regelbedarfs gedeckt werden können noch anderweitig gesichert sind“ (ebd., Rz. 120).Die Regelung wurde jedoch nicht geändert. (…) [Aus der Antwort der Bundesregierung]: Anträge auf Kostenübernahme für die Neuanschaffung einer Sehhilfe sind in Form eines Antrags auf ein ergänzendes Darlehen nach § 24 Absatz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) möglich. Die Kostenübernahme von Aufwendungen für die Reparatur von Sehhilfen sind hingegen als einmaliger Bedarf nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 SGB II zu beantragen. (…) Anträge auf Kostenübernahme für die Neuanschaffung einer Sehhilfe sind in Form eines Antrags auf ein ergänzendes Darlehen nach § 37 Absatz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) möglich. Die Aufwendungen für die Reparatur von Sehhilfen fallen unter die einmaligen Bedarfe nach § 31 Absatz 1 Nummer 3 SGB XII, weshalb bei Anfall solcher Kosten ein entsprechender Antrag gestellt werden kann. (…) Soweit die Krankenkassen Kosten für Sehhilfen nicht übernehmen, ist ein entsprechender Bedarf aus den pauschalierten Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs zu bestreiten… “ zitiert aus BT-Drucksache 19/19519 vom 27. Mai 2020 , der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion – und eine Anmerkung von uns:
Anm.: Deutlicher kann die Bundesregierung es nicht ausdrücken, dass sie sich hier außerhalb verfassungsrechtlicher Verpflichtungen bewegt. So ist ein Darlehen nicht das, was das Bundesverfassungsgericht beim einmaligen Mehrbedarf 2014 gefordert hat (vgl. oben). Entweder die Krankenkasse übernimmt im Falle eines Leistungsbezuges nach SGB II und SGB XII komplett alle Kosten für eine Brille oder der Sozialleistungsträger nach SGB II und SGB XII. Wenn aktuell der Anteil für Gesundheitspflege 3,8 %, gleich 16,42 Euro (100 % = 432 %) beträgt, ist eigentlich für jeden, der lesen kann, offensichtlich, dass eine Anschaffung einer Brille aus dem Regelsatz nicht zu bestreiten ist, ohne auf andere lebenswichtige Bedarfe zu verzichten. Für die Rückzahlung eines (zinslosen) Darlehens oder für die Bildung von Rücklagen (ein Posten, den der Regelsatz gar nicht enthält) ist der aktuelle Regelsatz eindeutig zu gering und muss endlich verfassungskonform aufgestockt oder zumindest die Kosten für so etwas wie eine Brille komplett als im Regelsatz nicht enthaltener Mehrbedarf übernommen werden. Dem Versuch der Demontage des Sozialstaates muss auch durch Solidarität begegnet werden.