Bürgergeld: Erst habt ihr uns den Begriff “Reform” versaut, jetzt wollt ihr eure Scheisse (bisschen) reformieren?

Dossier

»35 Jahre Hartz IV für seine Erfinder«Mit diesem Titel kann man unsere Meinung zum aktuellen Wahlkampf-Getöse der SPD zusammenfassen, das wir daher eigentlich ignorieren wollten. Da es aber erstaunlich lange anhält und breite Kreise zieht, wollen und können wir nicht zurückstehen. Erstens hatten wir uns bereits um 2005 herum gewundert, warum die ALG1-Leistungen nicht geschickterweise stärker nach Berufsjahren gestafelt waren – allerdings hat die (auch gewerkschaftliche) Ideologie der Leistungsgerechtigkeit auch so den Protesten gegen die Agenda 2010 das Genick gebrochen… Daher empfehlen wir zweitens – als Erinnerungshilfe – unsere umfangreiche Dokumentation der Genese der Hartz-Gesetze (und der Proteste dagegen) im LabourNet-Archiv. Und dokumentieren drittens einige entlarvende Kommentare zu dieser Augenwischerei (der grüne Mittäter wendet sich nun auch ab). Siehe nun das Bürgergeld-Gesetz im Portal Sozialpolitik externer Link und hier die Debatte:

  • Musterklage gegen niedrige Regelsatzerhöhung des Bürgergeldes: Kühlschrank zehn Tage vor Monatsende leer
    „[Sie klagen in einem Musterstreitverfahren gemeinsam mit dem Sozialverband VdK gegen die Erhöhung des Regelsatzes des Bürgergeldes. Warum?]
    Es geht in diesem Verfahren nicht darum, ob ich nur trocken Brot esse oder armutsbedingt faste, sondern es geht um die symbolische Regelsatzerhöhung in den Jahren 2022 und 2023. Im Jahr 2022 ist der Regelsatz um 0,76 Prozent gestiegen. Das sind ungefähr drei Euro im Monat mehr gewesen. Die Preise allerdings sind in jenem Jahr explodiert, das konnte diese Erhöhung nicht mal im Ansatz ausgleichen. Das Geld reicht vorne und hinten nicht mehr, um zu überleben. Deshalb klage ich mit dem VdK gegen die zu niedrige Erhöhung der Regelsätze im Jahr 2022.
    [Das Verfahren wird am 25. November in Düsseldorf stattfinden. Sie sind mit Ihrer Familie gemeinsam geladen. Weshalb betrifft der Rechtsstreit auch Ihre Angehörigen?]
    Weil wir alle davon betroffen sind, jeder einzelne in der Bedarfsgemeinschaft, dass das Geld vorne und hinten nicht reicht. Aber nur meine Frau und ich sind zu dem Verfahren geladen – unsere gemeinsamen Kinder nicht. (…) Wir haben 2022 mit dem VdK begonnen, beim Sozialgericht Düsseldorf Klage einzureichen, jetzt wird darüber verhandelt. In der Zwischenzeit sind Gutachten ausgetauscht worden mit Musterberechnungen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und Experten, die wissenschaftlich belegen, dass die Erhöhung der Regelsätze in diesem Zeitraum zu niedrig war. (…)
    Die Spaltungsbemühungen der Ampel tragen Früchte: Es stört niemanden, wenn mich jemand in der Öffentlichkeit oder im Internet »Schmarotzer«, »Zecke« oder »Parasit« nennt. Rassismus wird begünstigt, Leute sagen ganz offen, dass Geflüchtete »herumsitzen und vom Bürgergeld leben würden, den Deutschen die Plätze wegnehmen«, dass »die Bimbos im Bus sitzen würden und dass die Deutschen sich da nicht mehr hinsetzen könnten«. Ich lebe mit meiner nicht weißen Frau und mit drei meiner leiblichen Kinder, die auch nicht weiß sind, hier. Der Rassismus wird unerträglich. Leute aus der sogenannten Mittelschicht, die mich wegen meiner Öffentlichkeitsarbeit kennen, geben mir ungefragt Einkaufstips im Supermarkt. Sie sagen, ich solle den Joghurt doch weglegen, wenn ich am Ende des Monats noch etwas auf dem Teller haben möchte. Das Zusammenleben von Bürgergeldbeziehenden mit Menschen, die arbeiten, ist fast nicht mehr möglich. Solidarität mit Erwerbslosen gibt es nicht mehr. Während meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die Mönchengladbacher »Suppentanten«, einer Suppenküche, sehe ich wöchentlich die Schlangen der Hungernden länger werden – deshalb klage ich!Interview von Annuschka Eckhardt in der jungen Welt vom 25.10.2024 mit Thomas Wasilewski externer Link („»Solidarität mit Erwerbslosen gibt es nicht mehr«“) – Thomas Wasilewski ist VdK-Musterkläger in Sachen Bürgergeld und Armut

    • Musterklage gegen niedrige Regelsatzerhöhung des Bürgergeldes am 25.11.2024 vor dem Sozialgericht Düsseldorf: Erwerbslosenaktivist bittet trotz 8:30 Uhr um solidarische Öffentlichkeit New
      Am 25.11.2024 hat Thomas Wasilewski, Erwerbslosenaktivist aus Mönchengladbach vor dem Sozialgericht Düsseldorf eine Verhandlung zur Höhe der SGB II-Regelleistungen während der Copronapandemie. Das ist eine der Musterklagen des VDK. Thomas bittet um solidarische Öffentlichkeit, 08:30 Uhr am Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21 (direkt neben dem Hauptbahnhof) Die Verhandlung findet in Saal 160, 1. Etage statt. Wer es einrichten kann, soll kommen. Solidarität ist gefragt!
      Das SG Düsseldorf, hatte eine ziemlich abstruse Ablehnung der Klage formuliert: „Die Inflationsrate habe zwar erheblich angezogen, so dass sich die Kaufkraft der gewährten Leistungen erheblich reduziert habe, aber „das Niveau der SGB II Leistungen, insbesondere für Familien in Großstätte [ …ist …] inzwischen so hoch, dass Geringverdiener bis Normalverdiener, die keinen entsprechenden Inflationsausgleich erhalten, nicht über wesentlich höheres Einkommen verfügen als Sozialleistungsbezieher. Damit ist die Gefahr gegeben, das breite Schichten der Bevölkerung ihre Arbeit aufgeben und von Sozialleistungen leben wollen. Dies wiederum würde den Sozialstaat gefährden …“ (SG Düsseldorf 21.2.2023 – S 40 AS 1622/22).“ Aus dem Thomé Newsletter 40/2024 vom 17.11.2024 externer Link („25.11.2024: Gerichtsverhandlung zum Thema Höhe der SGB II-Regelsätze“)
  • BMAS legt Gesetzesänderung mit monatlicher Meldepflicht von Erwerbslosen vor 
    Das BMAS hat im Rahmen einer Verbändeanhörung mit Frist von unter einem Tag einen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der FDP zur Meldepflicht von erwerbslosen SGB II-Beziehenden vorgelegt.
    Stellungnahmefrist: nicht mal ein Tag.
    Der Verein Tacheles gibt dazu keine Stellungnahme ab, denn eine Frist von unter einem Tag bei einer Verbändeanhörung ist eine Zumutung und eine Verhöhnung von demokratischen Verfahren! Stattdessen gibt es wieder einmal eine Protestnote externer Link .
    Kurzeinschätzung dazu: mit diesem Gesetz soll eine „Verfolgungsbetreuung“ installiert werden, ein derart gravierendes Gesetz bedarf einer intensiven Diskussion und darf keinesfalls in einem Schnellverfahren durchgepeitscht werden
    …“ Tacheles-Meldung vom 08.10.2024 externer Link, siehe

    • den Gesetzesentwurf externer Link
    • Geplante Änderungen im Bürgergeldgesetz – Umsetzung der „Wachstumsinitiative“
      „… Die Inhalte gehen zum größten Teil auf die „Wachstumsinitiative“ der Bundesregierung zurück (vgl. dazu: Fachinfo vom 8. Juli 2024). Der Druck auf die Leistungsberechtigten im Bürgergeld eine Beschäftigung anzunehmen, soll erhöht werden, inbesondere durch die verschärfte Androhung von Sanktionen und die Verschärfung von Vorschriften zur zumutbaren Pendelzeit oder zum Umzug. Daneben gibt es einzelne unterstützende Änderungen, wie die Anschubfinanzierung für die erfolgreiche Aufnahme von bedarfsdeckender sozialversicherungspflichtigter Erwerbsarbeit und Ergänzungen bei der Arbeitsförderung, die nicht Gegenstand der Wachstumsinitiative waren…“ Zusammenfassung des Paritätischen vom 02. Oktober 2024 externer Link
    • Die geplanten neuen Sanktionen wurden bereits behandelt im Dossier: Sanktionen nach dem BVerfG-Urteil – wie weiter? Auch beim Bürgergeld!
  • [Finanzminister Christian Lindner will das Bürgergeld kürzen] Armutsbetroffen: Für uns sind 24 Euro viel Geld 
    Finanzminister Christian Lindner will das Bürgergeld kürzen. Es würde vor allem Kinder, Kranke und Alleinerziehende treffen, meint unsere Kolumnistin
    „Einem Menschen, der Bürgergeld bezieht, stehen pro Tag knapp sechs Euro für Lebensmittel zur Verfügung. Bei einem Kind unter fünf Jahren sind es pro Tag etwa drei Euro und 80 Cent. Das ist die Lebensrealität dieser Menschen. Und dann wird Christian Lindner (FDP) von dem SPD-Abgeordneten Rolf Mützenich aufgefordert, als Finanzminister doch bitte weitere Sparvorschläge zu machen. Herr Lindner sagt daraufhin, dass das Bürgergeld 24 Euro höher sei als geboten, und dass das die Steuerzahler angeblich 1 Milliarde Euro kosten würde. Ja, lieber Herr Lindner, Sozialleistungen sind teuer. Aber notwendig, denn es geht hier um die Absicherung des Existenzminimums und die Wahrung von Menschenwürde und Menschenrechten. (…) Die Zahlen von 2023 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zeigen, dass von über fünf Millionen BürgergeldempfängerInnen rund anderthalb Millionen Kinder sind, die in Bedarfsgemeinschaften leben. (…) Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich die Regelsätze von Kindern anzusehen und zu überlegen, ob diese realistisch sind. Sie propagieren das Leistungsprinzip und verhöhnen mit ihrer Forderung von 24 Euro weniger Bürgergeld die 800.000 AufstockerInnen in Deutschland. Diese Menschen arbeiten und können trotzdem nicht von ihrem erarbeiteten Geld leben. Haben sie sich schon mal mit der Lebensrealität dieser Menschen beschäftigt? (…) Etwa 700.000 Menschen im Bürgergeldbezug sind in einer Ausbildung, betreuen und pflegen Kinder oder Angehörige. Die pflegenden Angehörigen und alleinerziehenden Elternteile sind die Menschen, die oft 24 Stunden am Tag Care-Arbeit leisten. Und diesen Menschen möchten Sie das Geld kürzen? Um die 400.000 BürgergeldempfängerInnen sind in einer Maßnahme. Damit sollen Sie besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Seitdem das Bürgergeld eingeführt wurde, war vorgesehen, den Menschen Möglichkeiten zu geben, Schulabschlüsse nachzumachen oder mehr in Umschulungen und Fortbildungen zu bringen, was Sinn machen würde bei unserem Fachkräftemangel. Leider hat sich diese Methode nicht lange etablieren können. Sparen ist wichtiger. Also wurden alle diese Fortbildungsmöglichkeiten wieder weggekürzt, trotz des Fachkräftemangels. Um die 250.000 Menschen im Bürgergeldbezug sind krank. Sie suchen Therapie- oder Rehaplätze oder versuchen eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Seltsam, dass man noch nicht einmal Kranken 24 Euro im Monat gönnen kann. Zuletzt sind es etwa 1,5 Millionen Erwerbslose, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Anzahl an Langzeitarbeitslosen beträgt etwa die Hälfte, 870.000 Menschen. Die andere Hälfte wird weder unseren Fachkräftemangel beseitigen, noch alle freien Stellen auf dem Arbeitsmarkt besetzen können. Entweder ist die Qualifizierung nicht vorhanden (Sie erinnern sich: Diese Möglichkeiten wurden weg gespart) oder andere Vermittlungshemmnisse liegen vor. Diese Menschen bekommen alle zu viel Geld, meint nicht nur die FDP. Ich kann Ihnen aus eigener langjähriger Armutserfahrung sagen, dass das Geld bei Armut nicht reicht. Auch die Sozialverbände beklagen, dass der Regelsatz zu gering bemessen ist…“ Kolumne von Janina Lütt bei ‚der Freitag‘ vom 18. September 2024 externer Link
  • Feindbild »Sozialschmarotzer«: Die Demontage des Bürgergelds 
    Im März startete die CDU eine Kampagne gegen das Bürgergeld, das sie 2022 im Bundesrat mitbeschlossen hatte. Kurz darauf verschärfte die Ampelkoalition die Bedingungen für Bürgergeldbeziehende. Die Kürzungen und die Debatte um angebliche Totalverweigerer hält Helena Steinhaus, Gründerin der Initiative Sanktionsfrei e.V., für eine Schande in einem demokratischen, den Menschenrechten verpflichteten Land.
    Innerhalb kürzester Zeit hat sich das Bürgergeld vom angeblichen Heilsbringer zum am meisten kritisierten politischen Projekt der Ampel entwickelt. Kaum war das Bürgergeld beschlossen, fingen CDU und AfD auch schon an, es zu dämonisieren (…)
    „Respekt und Augenhöhe“ wurden bei der Einführung des Bürgergeld versprochen. Aber sorry: Beides hat sehr viel mit einer ausreichenden materiellen Grundlage zu tun – und damit, dass diese unantastbar bleibt. Diese aber haben die Menschen im Bürgergeldbezug noch immer nicht. Es war nie eine echte Reform, nie eine echte Modernisierung. Das Bürgergeld blieb eine Notversorgung, ein Existenzminimum mit einem Regelsatz, der seit Jahrzehnten fernab jeder Realität errechnet wird. Aber es war ein neuer Name, um der SPD zu helfen, ihr „Hartz-Trauma“ zu überwinden.
    Es scheint vergessen, aber 2022 hat auch der CDU-dominierte Bundesrat nach zähen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss dem Bürgergeld mehrheitlich zugestimmt. Auch sie, einschließlich Carsten Linnemann, Jens Spahn und Friedrich Merz, stimmten dafür. Heute wollen sie davon nichts mehr wissen. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner war ebenfalls vom Bürgergeld begeistert. Dabei zeige sich die Erneuerung des Aufstiegsversprechens. Er sprach von „Lebenslaufsouveränität“. Auch er will davon heute nichts mehr wissen. Stattdessen behauptet er nunmehr, durch das Bürgergeld werde das „Gerechtigkeitsgefühl“ verletzt, weswegen es deutlich verschärft werden müsse. Und tatsächlich: Innerhalb kürzester Zeit hat die Ampel ihre eigene Reform jetzt quasi abgeschafft. (…)
    Weitere gravierende Verschärfungen wurden in erstaunlicher Einigkeit kurz vor dieser Sommerpause auf Regierungsebene beschlossen und der Öffentlichkeit im Rahmen des „Wachstumspakets“ – was für ein Euphemismus für ein Sparpaket! – schmackhaft gemacht. Als Finanzminister steht Lindner auf der Schuldenbremse, um seiner Partei wenigstens ein einziges Alleinstellungsmerkmal zu sichern. Durch die Verschärfungen soll angeblich Gerechtigkeit im unteren Lohnsegment hergestellt werden. Wer an dieser Stelle stolpert, weil dabei doch ein höherer Mindestlohn helfen würde, ist auf der richtigen Fährte
    . (…)
    Es ist grotesk. Wir leben in einer Zeit, in der Reiche immer reicher werden und die Politik sie dabei auch noch aktiv unterstützt oder schützt, wie bei der hochprofitablen Steuertrickserei von CumEx- und CumCum-Finanzprofis. Anstatt die Schuldenbremse zu lockern und progressive Steuermodelle zu ersinnen, müssen wie immer wieder jene herhalten, die sich ohnehin nicht wehren können: Erwerbslose und Niedriglohnschufter. Dabei ist hier noch nicht einmal nennenswertes Geld zu holen. Doch parteitaktische Manöver sind wichtiger als jede politisch seriöse Ambition. Es geht nicht um die Staatskasse, es geht um die Wahlurne
    …“ Artikel von Helena Steinhaus in den Blättern vom September 2024 externer Link
  • [Soziale Eiseskälte à la FDP] Bürgergeld-Debatte: Zwischen Hetze und Holzwegen
    Beim Bürgergeld kehrt keine Ruhe ein. Jetzt wurde von der FDP eine Kürzung der Regelsätze ins Spiel gebracht. Die ständigen Attacken auf das Existenzminimum sind zynisch, Verschärfungen fehl am Platze. Im Sinne der Beschäftigten gäbe bei anderen Themen viel mehr zu tun, meint das #schlaglicht 24/2024 aus Niedersachsen.
    Je länger die Debatte dauert, desto schriller und zynischer werden die Töne. Seit Monaten überbieten sich Konservative und Liberale bei der Verächtlichmachung des Bürgergeldes, und damit auch der Menschen, die es beziehen (müssen). Wahlweise ist dann von einem zu geringen Lohnabstandsgebot, Sozialmissbrauch und härteren Sanktionsmöglichkeiten die Rede. Mit den Fakten wird es dabei selten genau genommen, allein auf die billige Effekthascherei auf dem Rücken derjenigen, die über wenig finanzielle Mittel verfügen, kommt es an.
    Soziale Eiseskälte à la FDP
    Nun hat FDP-Fraktionschef Christian Dürr nachgelegt und eine Bürgergeld-Kürzung von monatlich 14 bis 20 Euro ins Spiel gebracht. So soll im Bundeshaushalt gespart werden. Hier geht es nicht um Frage, dass die Einsparungen gering sind oder dass die Partei selbst dem Berechnungsverfahren des Regelbedarfs zugestimmt hat und eine Änderung schwer machbar ist. Erschreckend ist, wie unverfroren erneut Verunsicherung gestiftet wird und das verfassungsrechtliche Existenzminimum als politischer Spielball herhalten muss…“ #schlaglicht 24/2024 vom 15.08.2024 beim DGB Niedersachsen externer Link, siehe zum aktuellen Hintergrund:

    • Bürgergeld Kürzung: Bis zu 20 Euro weniger für ALLE Bedürftigen
      Jetzt soll es allen Bürgergeld Bedürftigen an den Kragen oder vielmehr ans Portemonnaie gehen. Weil die Anpassung zum Jahreswechsel 2023/2024 auf zu pessimistischen Inflationswerten beruht, sollen die Regelsätze nach dem Willen der FDP wieder gekürzt werden – und zwar sofort. Das würde die Kassen entlasten und mehr Arbeitsanreize schaffen. Vorgeschlagen wird eine Kürzung um 14 bis 20 Euro pro Monat. (…) Weil die Inflation nicht so heftig ausfiel, wie von der Regierung und allen beteiligten Behörden prognostiziert wurde, soll die Anpassung zumindest teilweise zurückgenommen werden – fordert FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Aus seiner Sicht fällt das Bürgergeld aktuell um 14 bis 20 Euro zu hoch aus…“ Beitrag von André Maßmann vom 12. August 2024 in buergergeld.org externer Link
  • Ifo-Institut akzeptiert die CDU-FDP-Unterstellung, Arbeit müsse sich mehr lohnen, und macht Reformvorschläge zum Bürgergeld für mehr „Beschäftigung“
    • So könnte sich Arbeit mehr lohnen – Studie: Mehr Beschäftigung in der Grundsicherung durch Umschichtung der Leistungen möglich
      „Die Fachkräftemangel- und Bürgergelddebatte ist im Sommerloch am Kochen. Die Ampel fordert mehr Sanktionen im Bürgergeld, die CDU will es sogenannten »Arbeitsunwilligen« streichen, während Wohlfahrtsverbände Beitragserhöhungen auf 800 Euro fordern. Inmitten der Debatte liefert das Wirtschaftsforschungsinstitut ifo Arbeitsanreize der anderen Art. Maximilian Blömer, Emanuel Hansen und Andreas Peichl kalkulieren im Auftrag des grünen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, wie die Grundsicherung überarbeitet werden müsste, damit sich Arbeit für Bürgergeldbezieher*innen mehr lohnen würde. Es geht ihnen darum, Sozialleistungen besser aufeinander abzustimmen. Dafür untersuchen sie die Wechselwirkung von Bürgergeld, Kindergrundsicherung und Wohngeld und plädieren im Ergebnis für zwei mögliche Reformen. Im Zuge der größeren Reform würde das Wohngeld in die Kosten der Unterkunft im Bürgergeld integriert werden und das Bürgergeld großzügiger ausgestaltet werden. Konkret schlagen die Autoren vor, die Anrechnungsbeträge für Erwerbseinkommen im Bürgergeld auf 65 Prozent bei allen Einkommensniveaus und Haushaltstypen zu senken. Bisher wurde es bei Verdiensten ab 520 Euro zu 70 bis 100 Prozent auf die Sozialleistung angerechnet. (…) Dadurch werde auch das Budget leicht entlastet, da etwa 1,6 Millionen Haushalte mehr Bürgergeld bekommen würden, zugleich aber 1,8 Millionen Haushalte weniger Wohngeld. Jene 0,2 Millionen Haushalte, die nicht mehr Bürgergeld erhielten, würden ein höheres Bruttoeinkommen verdienen und seien somit nicht mehr auf Transfers angewiesen, ergänzt Andreas Peichl, Leiter des ifo-Zentrums für Makroökonomik, gegenüber »nd«. Durch diese Reform würden dem Arbeitsmarkt, den Berechnungen zufolge, 144 000 Vollzeitarbeitskräfte mehr zur Verfügung stehen. Warum? In der derzeitigen Ausgestaltung biete das Wohngeld höhere Erwerbsanreize als das Bürgergeld, gleichzeitig schwanken die Grenzbelastungen des Wohngelds aber stark. Grenzbelastungen geben Auskunft darüber, welcher Anteil des Wohngelds versteuert werden muss. Beim jetzigen Wohngeld ist die Steuerbelastung divers und schwer einzuschätzen, was die Erwerbsanreize senkt. Außerdem steigen die Grenzbelastungen mit dem Wohngeld mit zunehmendem Einkommen, fallen dann aber abrupt, sobald der Anspruch auf Wohngeld entzogen wird. »Aus finanzwissenschaftlicher Sicht wäre hier ein konstanter oder allmählich abfallender Verlauf günstiger«, schreiben die Autoren. Außerdem sinken Wohngeld und Kindergrundsicherung teilweise simultan, was zu Versteuerungen von 90 bis über 100 Prozent führt und dementsprechend wenig Arbeitsanreize gerade für Haushalte mit Kindern biete. (…) Ein zweiter, weniger umfangreicher Reformvorschlag zielt auf letzteres Problem ab. Um das zu beheben, könnte entweder die Anrechnung des Elterneinkommens beim Kinderzusatzbetrag gesenkt werden oder die Formel zur Berechnung des Wohngeldanspruchs angepasst werden. Die erste Option könnte 25 000 weitere Vollzeitarbeitskräfte ermöglichen, schlussfolgern die Autoren. Dies hätte, so schreiben sie, darüber hinaus nur geringe Auswirkungen auf den Haushalt. (…) Die Berechnungen des ifo-Instituts sind vorerst spekulativ, unter anderem, weil die Grundpfeiler der Kindergrundsicherung noch nicht feststehen…“ Artikel von Sarah Yolanda Koss vom 8. August 2024 in Neues Deutschland online externer Link zu:
    • Mehr Beschäftigung in der Grundsicherung möglich
      Mit einer geeigneten Reform der Grundsicherung kann sich Arbeit für Bezieher von Bürgergeld mehr lohnen. Das ist das Ergebnis einer Analyse verschiedener Optionen für eine Reform von Bürgergeld, Wohngeld und Kindergrundsicherung des ifo Instituts im Auftrag des BMWK. „Eine Integration des Wohngeldes in das Bürgergeld und eine gleichzeitige Reform der Erwerbstätigenfreibeträge könnten mehr Arbeitsanreize schaffen und das System effizienter machen“, sagt Andreas Peichl, Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen. Das Arbeitsangebot könnte gegenüber der aktuellen Situation um etwa 144.000 Vollzeitäquivalente zunehmen…“ Pressemitteilung vom 8. August 2024 des Ifo externer Link zu

      • Die Ausgestaltung des Transferentzugs in der Interdependenz mit dem Bürgergeld, der Kindergrundsicherung und dem Wohngeld
        ifo Forschungsbericht 145 von Maximilian Blömer, Emanuel Hansen und Andreas Peichl externer Link
      • Anm.: Wie wäre es statt mit Umstrukturierung bei den Sozialleistungen mit deutlich besserer Bezahlung, wobei die Sozialleistungen eher dies absichern sollten. indem NICHT jeder schlecht bezahlte Job angenommen werden müsste? Übrigens ist es gerade ein Vorteil, dass Wohngeld nicht in der Schikanemühle des Bürgergeldes angesiedelt ist. Was das ifo-Institut mit der Ermöglichung von mehr Vollzeitarbeitskräften meint, reduziert sich neben tatsächlich ungünstigen Steuern und Anrechnungsverfahren von Nebeneinkommen letztlich nur auf noch mehr Druck: Nämlich dann wenn diese 144 000 „Vollzeitarbeitskräfte“ trotzdem partout nicht schuften wollen. Es geht halt eben nicht um mehr „Beschäftigung“, sondern um ausreichende Entlohnung… Siehe dazu unser Dossier:  Wohnkostenlücke und (Wohnungsbau)Politik: Mieten von Hartz-IV-Empfängern steigen rasant, Druck der Jobcenter auch
  • Leistungen trickreich klein gerechnet und Sanktionen gleichen Prügerstrafe: Ulrich Schneider geht in die Offensive und fordert die Anhebung des Bürgergeldes um 40%
    • Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: Schneider fordert Anhebung des Bürgergeldes um 40 Prozent
      Der langjährige Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, hält eine massive Anhebung des Bürgergeldes für geboten. Was er fordert und warum. (…) Wörtlich sagte er: „Das Bürgergeld sollte also um etwas mehr als 40 Prozent erhöht werden. Das wäre eine maßvolle Anhebung.“ Einwände, dass Arbeitnehmer keine Lohnerhöhungen von 40 Prozent zu erwarten hätten, wies der frühere Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zurück: „Darum geht es überhaupt nicht. Beim Bürgergeld reden wir über das Existenzminimum. Wenn man alle Tricksereien weglässt, mit denen der Regelsatz heruntergerechnet wird, landet man nun einmal bei um die 800 Euro.“ Schneider verwies auf zahlreiche Ausgaben, die im Regelsatz nicht berücksichtigt würden, obwohl sie Kulturgut und Konsens in der Gesellschaft seien. Als Beispiele nannte er etwa Hundefutter, Schnittblumen und Zimmerpflanzen. „Ein armer Mensch soll sich auch mal einen Strauß Tulpen leisten können, auch einen Weihnachtsbaum oder Grabschmuck. Es ist hierzulande kultureller Konsens, dass auch für so etwas Geld da sein muss“, sagte Schneider. Auch fehlten im Regelsatz inzwischen Ausgaben für chemische Reinigung, also zum Beispiel für einen Anzug. Schneider hielt dem entgegen: „Es gehört doch zu unserer Kultur, dass man zum Beispiel nicht mit einem schmutzigen Anzug beim Bewerbungsgespräch auftaucht.“…“ Agenturmeldung vom 3.08.2024 in Rheinischer Post online externer Link, siehe nun auch umfangreicher:
    • Bürgergeld-Erhöhung statt Verschärfung: Sanktionen für Empfänger sind „wie Prügelstrafe in der Schule“
      Artikel von Markus Hofstetter vom 05.08.2024 in merkur.de externer Link und zuerst:
    • Soziallobbyist Ulrich Schneider über das Bürgergeld: „Was einst die Prügelstrafe war, sind heute die Sanktionen“
      Der frühere Chef des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes will den Regelsatz um 40 Prozent erhöhen. Das Geld dafür solle der Staat sich da holen, wo es ist: bei den Vermögenden…“ Interview von Karin Christmann Daniel Friedrich Sturm vom 03.08.2024 im Tagesspiegel Online externer Link aber hinter paywall. Siehe zum Hintergrund:
    • Fakenewskampagne von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zu den angeblich 100.000 Arbeitsverweigern im Bürgergeld – ein Faktencheck
      Der Tagesspiegel macht einen lobenswerten Faktencheck zur Fakenewskampagne von Linnemann und stellt dessen Falschbehauptungen und die Realität gegeneinander. So sollte Journalismus immer sein! Der Tagesspiegel zerlegt dabei die Falschbehauptung von Herrn Linnemann zu den angeblich 100.000 Arbeitsverweigern im Bürgergeld. Hier nachzulesen: https://t1p.de/wcsk6 externer Link
      Dazu noch zwei lesenswerte Stellungnahmen: ND Union schürt Stimmung gegen Arme, C-Parteien wollen Arbeitspflicht für Asylbewerber und noch mehr Strafen für Bürgergeldbezieher, mehr: https://t1p.de/j474l
      externer Link …“ Aus dem Thomé Newsletter 26/2024 vom 04.08.2024 externer Link
  • Ökonom Patrick Kaczmarczyk: „Die Reform des Bürgergeldes ist Klassenkampf von oben“
    Im Interview von Steffen Herrmann vom 29. Juli 2024 in der Frankfurter Rundschau online externer Link äußert sich der Ökonom Patrick Kaczmarczyk zum Vorwurf der Faulheit, die geplanten Änderungen beim Bürgergeld und die Orientierungslosigkeit in der Politik: „… Die Reform war kein Fehler, sondern dringend notwendig. Hartz IV war nicht mehr zeitgemäß und hat ohnehin nur funktioniert, weil Deutschland Teil der Währungsunion war und mit Hilfe von Hartz IV die Löhne gedrückt hat, um Vorteile im internationalen Wettbewerb zu haben. Es war ein plumpes: Wir müssen die Leute in Jobs prügeln, koste es, was es wolle. Mit eigener Währung hätte sich die verbesserte Wettbewerbsfähigkeit durch eine Aufwertung erledigt. In der Eurozone konnte sich Deutschland auf Kosten des europäischen Auslands sanieren. Hartz IV hat damals die Verhandlungsposition der Beschäftigten extrem geschwächt – um nichts anderes geht es auch bei den Verschärfungen beim Bürgergeld. (…) Für mich ist die Reform des Bürgergeldes einerseits Ausdruck der Verzweiflung und der ökonomischen Orientierungslosigkeit in der Politik, andererseits Klassenkampf von oben. Die Regierung adressiert damit in jedem Fall kein einziges, realwirtschaftliches Problem. Wir bräuchten massive Investitionen in die Infrastruktur, Bildung, Bahn und so weiter – und deutlich mehr dynamische Nachfrage. Das reale Konsumniveau liegt unter dem Niveau von 2019! Anstatt dem entgegenzuwirken, holt man lediglich die Peitsche raus. Inzwischen kommen wieder zwei Arbeitslose auf eine offene Stelle. Wie will man die Leute in Arbeit bringen, wenn es nicht genügend Jobs gibt? (…) Ob Faulheit toleriert wird, ist eine empirische Frage – und da zeigt die Arbeitsmarktforschung, dass es einfach nicht stimmt. Das Bürgergeld war eine Antwort auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Das Bürgergeld muss ein Existenzminimum garantieren, auch für Menschen, die nicht arbeiten. Das ist ein Gebot der Verfassung. Das Bürgergeld ist das Existenzminimum, nicht mehr und nicht weniger. Das ist der erste Punkt. Zweitens wird oft der fehlende Abstand zu den Löhnen kritisiert. Und das ist doch in erster Linie ein Problem der Lohnhöhe, nicht des Bürgergeldes. Aber auf das Lohnproblem wird nur sehr selten verwiesen. Das ist erschreckend. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass viele Menschen im Bürgergeld aufstocken – mehr als 800 000 Menschen arbeiten, aber mit ihren Löhnen kommen sie nicht über die Runden. Also: Wir müssen viel mehr über die niedrigen Löhne sprechen statt über das Bürgergeld. (…) Bei der Union unter Friedrich Merz weiß man, dass sie nichts für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen wird. Das ist dann eine konservative Regierung, von der klar ist: Sie macht Klientelpolitik für die oberen ein bis zehn Prozent und der Rest muss schauen, wo er bleibt. Das ist immerhin ehrlich, da passt das Label zum Inhalt der Packung. Die Ampel dagegen sagt, sie wolle „mehr Fortschritt wagen“, macht dann aber das genaue Gegenteil, wie beispielsweise beim Bürgergeld. Andere Themen wie die desolate Nahostpolitik und Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit haben wir noch nicht einmal angesprochen.“
  • Geplantes Bürgergeld-Ergänzungsgesetz nach dem Haushaltsbegleitgesetz wird uns wohl zu einem „heißen Herbst“ gegen „Neues Hartz IV“ bzw. „Merz 1.0“ zwingen
    • Ungefährer Zeitplan für die SGB II-Verschärfungen im Rahmen der „Wachstumsinitiative“ / Haushaltsplan
      „… Jetzt der ungefähre Zeitplan für die Vorhaben: Die geplanten SGB II-Änderungen sollen vermutlich als ein „Aufhänger-Gesetz“ im Haushaltsbegleitgesetz erfolgen. Die Diskussion um den Haushalt beginnt mit der Einbringung in den Bundestag nach der Sommerpause. Abschluss wird dann Ende des Jahres sein. Unabhängig vom Haushalt soll es ein Bürgergeld-Ergänzungsgesetz geben. Das soll auch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Die Rolle Rückwärts von Bürgergeld in Hartz IV, soll somit vermutlich zum Jahreswechsel oder kurz danach stattfinden. Vielleicht sollte die Regierung so ehrlich sein, das Ganze wieder in „Neues Hartz IV“ umzubenennen…“ Aus dem Thomé Newsletter 24/2024 vom 21.07.2024 externer Link
    • Haushaltsentwurf 2025 – Mittelausstattung für das Bürgergeld und geplante massive Kürzungen in den Rechtsanspruchsleistungen
      Gegenüber dem Haushaltsentwurf 2024 sieht der aktuelle Entwurf massive Kürzungen in Höhe von insgesamt 5,5 Mrd. Euro vor. Es sollen nicht nur die Kosten für die Eingliederungsleistungen gekürzt werden, sondern alarmierend ist die geplante Kürzung bei den Rechtsanspruchsleistungen: 4,7 Mrd. beim Lebensunterhalt und 0,6 Mrd. Euro bei KdU und Heizung = Gesamtkürzung bei den Rechtsanspruchsleistungen in Höhe von 5,3 Mrd. EUR (diese Kürzungen immer im Verhältnis zum Vorjahr). Alle Infos zum geplanten Haushalt beim Paritätischen unter: https://t1p.de/t0lgd externer Link
      In der Realität bedeutet das, die Jobcenter werden angehalten einen max. restriktiven Kurs zu fahren. Restriktive Auslegung des Gesetzes, restriktivstes Handeln in der Praxis. Entgegen der Rechtslage. Diese sagt, die Sozialbehörden „haben sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden“, so § 2 Abs. 2 SGB I. Diese Vorschrift gilt selbstverständlich auch im SGB II.
      Das Ganze wird garniert mit einem neuen in Teilen verfassungswidrigem Sanktionsrecht und Verfolgungsbetreuung. Es fehlt eigentlich nur noch, dass Herr Heil sagt: „wer nicht arbeitet, soll auch nichts zu essen bekommen“.
      Wir werden nächstes Jahr den Beginn von massiven Verteilungskämpfen erfahren, wobei der Rechtsanspruch auf Leistungen massiv zu verteidigen sein muss.
      Das Ganze, Dank Herrn Lindner, der die Rolle der FDP darin sieht „Deutschland vor Linksruck bewahren“ (https://t1p.de/9sfeu externer Link) und den Ampelparteien, die dieses Spiel mitmachen.
      Das Recht auf menschenwürdiges Dasein wird von den Beratungsstrukturen, Wohlfahrts – und Sozialverbänden, den Betroffenen auf der Straße, in den Gerichtssälen und vor und in den Sozialbehörden zu erstreiten sein!.
      ..“ Aus dem Thomé Newsletter 24/2024 vom 21.07.2024 externer Link
    • Bürgergeld: Strafe ohne Verbrechen. Jobcenter-Angestellte in NRW mit Bürgergeld unzufrieden
      Das Bürgergeld findet wenig Anklang bei Angestellten von Jobcentern. Sie sind gegen verminderte Sanktionen, für härtere Maßnahmen und empfinden die Erhöhung der Regelsätze als zu hoch. Außerdem haben sie die Wahrnehmung, dass die Reform nicht viel verändert habe. Das ergibt eine Befragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Universität Bochum, die in sieben Jobcentern in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde. Repräsentativ ist die Studie nicht. Auch die Autoren verweisen darauf, Maßnahmen nicht von ihren Ergebnissen abhängig zu machen und stattdessen eine längere Erhebung des Instituts für Arbeitsmarktforschung abzuwarten. Trotzdem liefert die Befragung Einblicke in das erste Jahr nach Einführung der Sozialreform.
      Nicht alle Veränderungen stoßen auf Ablehnung, vor allem das Coaching für Langzeitarbeitslose oder der erhöhte Regelsatz für Kinder werden wohlwollend aufgenommen. 51 Prozent der Befragten sind aber gegen die viel diskutierte Abschaffung des »Vermittlervorrangs«. Dieser stellte während Hartz IV Erwerbstätigkeit in den Fokus. Im Bürgergeld sollen dagegen Weiterbildungsmaßnahmen oder ein Berufsabschluss im Fokus stehen, um die langfristige Integration in den Arbeitsmarkt zu verbessern. Insgesamt schätzt weniger als jede fünfte befragte Person das Bürgergeld als Verbesserung ein, die Hälfte sieht in der Reform eine Verschlechterung. Was heraussticht: Die Angestellten sind der Meinung, sie seien mit den Neuerungen gut vertraut. Probleme sehen sie vor allem aufseiten der Leistungsbezieher*innen. »Die Zustimmung zu Workfare hat uns überrascht«, sagt Ko-Autor Jürgen Schupp bei einer Diskussion der Studie Mitte Juli. Workfare sind Maßnahmen, bei denen Arbeitssuchende durch Zwang und etwaige Sanktionen in den Arbeitsmarkt vermittelt werden. Während das Bürgergeld von Beginn an Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen beinhaltete, war die Idee doch, Jobvermittlung auf Augenhöhe zu ermöglichen. »Der Kulturwandel, den das Bürgergeld hätte einleiten sollen, scheint in den Jobcentern nicht angekommen zu sein«, schlussfolgert Schupp
      …“ Artikel von Sarah Yolanda Koss vom 19.07.2024 in ND online externer Link mit unterschiedlichen Interpretationen
    • Der Ampel-Kurs forciert Armut und Militarisierung
      Die Ampel plant härtere Sanktionen beim Bürgergeld und gleichzeitig eine Erhöhung des Rüstungsetats. Daran zeigt sich: Die breite Bevölkerung soll ökonomisch entmachtet werden, damit sie soziale Einschnitte williger akzeptiert. (…) Nur ein Bruchteil der Menschen, die Bürgergeld beziehen, könnten arbeiten gehen – und den meisten von ihnen fehlt ein Berufsabschluss. Was sie brauchen, sind Löhne, von denen sie leben können, und eine Qualifizierung, die ihnen eine Perspektive gibt. Was sie nicht brauchen, sind Gängelei und Sanktionierung. Vor allen Dingen tut die Ampel gerade der CDU einen großen Gefallen. Denn die Regierung verwirklicht, was die Christdemokraten schon lange fordern: die Abschaffung des Bürgergelds – in anderen Worten die Rückkehr zu Hartz IV. Die Union macht seit Monaten keinen Hehl daraus, genau das umsetzen zu wollen, wenn sie in einer zukünftigen Regierung beteiligt ist…“ Artikel von Astrid Zimmermann vom 16. Juli 2024 in Jacobin.de externer Link
  • Rückabwicklung des Bürgergeldes mit der “Wachstumsinitative”: Zurück in die Zukunft mit “Bürger-Hartz 5” oder „Rolle rückwärts in die schlimmsten Zeiten von Hartz IV“? 
    • Bürgergeld: Zurück in die Zukunft mit “Bürger-Hartz 5”
      Wenn die “Wachstumsinitative” als Teil des Haushalts 2025 kommt, bleibt vom Bürgergeld fast nix übrig und es gibt das neue “Bürger-Hartz5”
      Hier ein Überblick über die das Bürgergeld betreffenden Maßnahmen, die vorgesehen sind
      …“ Beitrag von Sozi Simon vom 11.07.2024 in gegen-hartz.de externer Link siehe fast gleich und zuerst:

      • Zurück in die Zukunft mit Bürger-Hartz 5
        Wenn die „Wachstumsinitative“ als Teil des Haushalts 2025 kommt, bleibt vom Bürgergeld fast nix übrig und es gibt das neue „Bürger-Hartz5“ @spdbt und @GrueneBundestag haben sich damit den Populisten & der @fdp gebeugt. Gehen wir die Maßnahmen mal eine nach der anderen durch und vergleichen sie mit Hartz4 und dem aktuellen Bürgergeld…“ 10teiliger Post von Sozi Simon vom 10.7.24 auf bsky externer Link
    • Ursula Engelen-Kefer: „Eine Rolle rückwärts in die schlimmsten Zeiten von Hartz IV“
      Härtere Sanktionen und mehr Druck auf Arbeitslose sind eine verrückte Idee, kritisiert die frühere DGB-Vizin Ursula Engelen-Kefer. Dem Arbeitsmarkt schadeten sie sogar. (…)
      Ja. Das ist doch eine Rolle rückwärts in die schlimmsten Zeiten von Hartz IV und dem Arbeitslosengeld II. Arbeitslose sollen drei Stunden für den Weg zur Arbeit pendeln, Sanktionen kommen zurück, schon bei kleinsten Meldeverstößen sollen wieder 30 Prozent vom Existenzminimum gestrichen werden. Ich habe Arbeitsminister Hubertus Heil noch im Ohr: Das alles wollte er doch abschaffen. Jahrelang hat er gefordert, dass Arbeitslose in den Jobcentern auf Augenhöhe und mit Respekt behandelt werden. Dass der einzelne gestärkt werden soll. Ich konnte es am Ende schon nicht mehr hören. Und nicht einmal anderthalb Jahre nach Einführung des Bürgergelds sollen Arbeitslose zu jedweder Arbeit gezwungen werden. Das macht mich wütend!
      …“ Interview von Tina Groll vom 10. Juli 2024 in der Zeit online externer Link
    • Klammheimlich zurück zu Hartz IV – Wie die “Wachstumsinitiative” das Bürgergeld verstümmelt
      In der vergangenen Woche kündigte die CDU an, das Bürgergeld zum Wahlkampfthema zu machen. In ihrem Wahlprogramm will sie es ganz abschaffen. Nun prescht die Ampel vor und kehrt in der „Wachstumsinitiative“ klammheimlich zu den Bedingungen von Hartz IV zurück. Bürgergeld war nie eine Revolution, jetzt werden auch die letzten Errungenschaften wieder abgeschafft. (…)
      Ein-Euro-Jobs feiern ein Comeback. Sie sollen vor allem als Mittel genutzt werden, die Integration sogenannten „Totalverweigerer“ in den Arbeitsmarkt zu fördern. Auch hier sehen wir, dass das Regierungspapier auf relativ klassische Vorurteile gegen Arbeitslose setzt. Denn in der Realität wurde bereits mehrmals festgestellt, dass „Totalverweigerer“ ein Mythos sind. Noch im März teilte ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage von tagesschau.de mit, dass es ihm nicht möglich sei, genaue Zahlen dazu zu nennen. Über 80 Prozent der Minderungsfälle hängen mit Meldeversäumnissen zusammen und haben nichts mit der Ablehnung eines Arbeitsangebotes zu tun
      …“ Kommentar von  Tabea Karlo vom 10.07.2024 in  perspektive-online externer Link hier insbesondere zu Zwangs-1€-Jobs für “Verweigerer”
    • Haushaltsplanungen – Auswirkungen auf das Bürgergeld
      Am 5. Juli haben die drei federführenden Männer der Ampelkoalition ihre Vorstellungen für den Haushalt 2025 und die weitere Regierungsarbeit vorgestellt. Unter der Überschrift „Wachstumsinitiative“ – „Dynamisierung durch bessere Arbeitsanreize und mehr Fachkräfte“ – verbergen sich deutliche Einschränkungen für Bürgergeldbeziehende. Wesentliche Anliegen der Bürgergeldreform – vertrauensvoller Umgang mit den Leistungsberechtigten und Stärkung der Förderung und Qualifizierung für eine nachhaltige Integration in Erwerbsarbeit – werden nunmehr wieder zurückgenommen. So werden Sanktionen wieder deutlich verschärft, die Zumutbarkeit in Bezug auf Pendelzeiten verändert und die Karenzzeiten beim Schonvermögen wieder reduziert. Zudem drohen durch die Haushaltsplanungen massive Einschnitte bei der Arbeitsförderung…“ Zusammenstellung und Stellungnahme des Pari vom 8. Juli 2024 externer Link
    • Soziologe Sell kritisiert „verengte Diskussion“ zu Bürgergeld – „Rückabwicklung des ursprünglichen Bürgergeld-Plans“
      Die Diskussionen der vergangenen Monate rund um das Thema „Bürgergeld“ hat der Sozialwissenschaftler Stefan Sell als „äußerst verengt“ kritisiert. Es seien seit der Einführung zwar in der Tat weniger Menschen aus der Grundsicherung in Arbeitsverhältnisse gekommen, dies sei jedoch kein ausschließlicher „Bürgergeld-Effekt“. Verstärkt auf Sanktionen zu setzen, hält er zudem für einen Fehler.
      Man müsse bei der schlechten Vermittlungsquote aber auch die schwierigere gesamtwirtschaftliche Situation berücksichtigen, sagte der Wissenschaftler von der Hochschule Koblenz im Deutschlandfunk. Hinzu komme, dass von den rund fünfeinhalb Millionen Empfängern von Bürgergeld nur etwa ein Drittel tatsächlich arbeitslos sei. Hunderttausende seien pflegende Angehörige und Alleinerziehende, die sehr intensiv arbeiteten, betonte Sell. Denen könne kein Vorwurf gemacht werden, dass sie zu faul zum Arbeiten seien. Bürgergeldbezieher seien zudem nicht selten Langzeitarbeitslose mit zahlreichen sogenannten Vermittlungshemmnissen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer hätten. Viele Menschen seien gesundheitlich beeinträchtigt oder hätten mangelhafte Sprachkenntnisse. Als weiteres großes Problem nannte Sell, dass zwei Drittel aller Langzeitarbeitslosen keinen Berufsabschluss haben.
      „Rückabwicklung des ursprünglichen Bürgergeld-Plans“
      Zwar sollte die Bürgergeld-Reform durch eine verstärkte Förderung die Empfänger fitter machen für die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt, aber nun werde vieles rückabgewickelt. Statt Anreize zu geben werde nun wieder verstärkt auf Sanktionen gesetzt wie beim früheren Hartz-IV-System, erklärte Sell. Im Zuge ihrer Einigung auf den Bundeshaushalt 2025 hatten die Spitzen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP eine sogenannte Wachstumsinitiative beschlossen, die auch Änderungen beim Bezug von Bürgergeld vorsieht. Sanktionen beim Ablehnen einer Arbeits- oder Ausbildungsstelle sollen verschärft und die Annahme einer Arbeitsstelle auch bei langen Arbeitswegen verlangt werden können. Auch soll Schwarzarbeit von Bürgergeldbeziehern künftig stärker geahndet werden…“ Beitrag vom 10.07.2024 im Deutschlandfunk externer Link
  • [Haushaltseinigung will finanziert werden] Was die Regierung beim Bürgergeld plant: Weitere Arbeitswege, schnellere Strafen, geringere Schonfristen 
    Weitere Arbeitswege, schnellere Strafen, geringere Schonfristen – die Bundesregierung plant drastische Verschärfungen für Bürgergeld-Empfänger. Sie hofft so, mehr Menschen in Arbeit zu bringen.
    Die Bundesregierung will mit schärferen Regeln mehr Bezieher von Bürgergeld zur Aufnahme einer Arbeit bewegen. Diese und weitere Maßnahmen sind Bestandteil der sogenannten Wachstumsinitiative der Ampelkoalition, die vor allem dazu dienen soll, die lahmende deutsche Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. „Um die Akzeptanz der Leistungen zu erhalten und um mehr Betroffene in Arbeit zu bringen, ist es erforderlich, das Prinzip der Gegenleistung wieder zu stärken“, heißt es in dem Papier, das das Finanzministerium veröffentlichte externer Link .
    Arbeitsweg
    So soll künftig bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden eine Pendelzeit von zweieinhalb Stunden zumutbar sein, bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden sollen sogar drei Stunden Hin- und Rückfahrt in Kauf genommen werden müssen. Die Jobcenter sollen in einem Umkreis von 50 Kilometern nach einem Arbeitsplatz suchen.
    Sanktionen
    Verschärfen wollen SPD, Grüne und FDP auch die Strafen für Menschen, die sich weigern Jobs anzunehmen. „Wer eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme ohne triftigen Grund ablehnt, wird mit erhöhten Kürzungen des Bürgergeldes rechnen müssen“, heißt es in dem Papier. Die Bundesregierung plant in dem Falle Kürzungen von 30 Prozent für drei Monate.
    Schwarzarbeit
    Schwarzarbeit von Bürgergeld-Empfängern soll künftig als Pflichtverletzung geahndet werden – wer bei Schwarzarbeit erwischt wird, dem sollen für drei Monate die Bürgergeld-Bezüge um 30 Prozent gekürzt werden. Leistungsbezieher sollen sich zudem „monatlich in Präsenz bei der zuständigen Behörde melden müssen“.
    Schonvermögen
    Bevor Bürgergeld beansprucht werden kann, sollen Betroffene erst einmal vorhandenes eigenes Vermögen aufbrauchen. Eine Karenzzeit beim sogenannten Schonvermögen – also die Zeit, in der das Geld nicht angetastet werden darf – soll von zwölf auf sechs Monate halbiert werden. Der Betrag für das Schonvermögen liegt derzeit bei 40.000 Euro, für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft sind es weitere 15.000 Euro. „Das Bürgergeld dient als existenzsichernde Leistung und ist nicht dafür da, das Vermögen einzelner abzusichern“, heißt es in der Vereinbarung. Die Altersvorsorge bleibt davon aber ausgenommen…“ Beitrag vom 07.07.2024 in tagesschau.de externer Link („Was die Regierung beim Bürgergeld plant“) – siehe besser:

    • Pläne der Ampel zur Änderung des SGB II und natürlich vieler anderer Dinge
      Im Rahmen des „Haushaltsgesetzes 2025“ sind wieder eine Reihe von Änderungen im SGB II geplant, die ein oder andere ist schon medial thematisiert worden. So heißt es:  »Um die Akzeptanz der Leistungen zu erhalten und um mehr Betroffene in Arbeit zu bringen, ist es erforderlich, das Prinzip der Gegenleistung wieder zu stärken«. Laut dem Papier „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“ sollen im SGB II folgende Punkte geändert werden:
      – Zumutbarkeit von angebotener Arbeit, soll angehoben werden, so eine tägliche Pendelzeit von 2 ½ Stunden bei einer Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden und von drei Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden
      – Das Jobcenter soll in einem Umkreis von 50 Kilometern nach einem Arbeitsplatz suchen.
      – Wer zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme »ohne einen triftigen Grund ablehnt«, soll mit 30 % der Regelleistung für drei Monate sanktioniert werden.
      – Bei Meldeversäumnis soll eine 30 % Sanktion der Regelleistung für einen Monat erfolgen
      –  Monatliche Meldepflicht beim Jobcenter
      –  Ahndung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung als Pflichtverletzung mit 30 % Sanktion für drei Monate
      – Verkürzung der Karenzzeit für Vermögen von 12 auf 6 Monate
      – Verstärkter Einsatz von 1 Euro Jobs
      –  Höhere Erwerbstätigenfreibeträge im SGB II, KiZ und Wohngeld, um die Aufnahme und Ausweitung von Erwerbsarbeit zu stärken (Alle Punkte unter Punkt 22 und 23 zu finden). Das Papier „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“ gibt es hier zum Download:  https://t1p.de/tjtd2 externer Link
      Bemerkung: Ich habe die geplanten Änderungen schon mehrfach kommentiert, im Kern soll hier das Sozialrecht in ein Strafrecht umgewandelt werden. Es ist für diese Regierung tatsächlich armselig, dass sie sich von der FDP, CDU bis zur AfD derart vor sich hertreiben lässt. Ja, dann soll es noch eine Kindergelderhöhung um 5 EUR geben, diese „immense“ Kindergelderhöhung wird, wie das Kindergeld überhaupt, in allen Existenzsicherungssystemen sowieso als Einkommen angerechnet, d.h, übrig bleibt für Leistungsbeziehende davon nichts. Alle realen Probleme für Leistungsbeziehende werden nicht angepackt…“ Aus dem Thomé Newsletter 22/2024 vom 08.07.2024 externer Link
    • Bürgergeld-Bezieher sollen künftig Jobs mit einem täglichen Arbeitsweg von bis zu drei Stunden annehmen müssen, sagt die Wachstumsinitiative, auf die man sich neulich geeinigt hat. Eigentlich sollte man das Ding Gängelungsinitiative nennen.“ Post von Volker Dohr vom 7.7.24 auf bsky externer Link
  • Ampel plant im Bürgergeld Kürzungen von fast 3 Milliarden € bei den Leistungen zur Arbeitsmarktintegration, wohl wg. Fachkräftemangel…
    • Ampel plant Kürzungen bei den Eingliederungsleistungen im Bürgergeld
      Im letzten Newsletter hatte ich über geplante Kürzungen in Höhe von fast drei Milliarden EURO beim Bürgergeld berichtet. Hierzu muss etwas klargestellt werden. Es handelt sich nicht um Kürzungen bei den Existenzsicherungsleistungen, sondern bei den Leistungen zur Arbeitsmarktintegration.
      ich möchte nun zu den offenen Briefen, die diese Problematik aufgreifen direkt verlinken, zunächst zum Offenen Brief des Bundesnetzwerk für Arbeit und soziale Teilhabe vom 21.06.2024: https://t1p.de/21l9w externer Link
      Offener Brief der LAG Arbeit Schleswig-Holstein vom 10.06.2024: https://t1p.de/cc91f externer Link
      Dazu gibt es auch eine Pressemitteilung der BA vom 25.06.2024: https://t1p.de/i2421
      externer Link.“ Aus dem Thomé Newsletter 21/2024 vom 30.06.2024 externer Link
    • Siehe zuvor im Thomé Newsletter 20/2024 vom 25.06.2024 externer Link: „Ampel plant wohl Bürgergeld-Kürzungen von fast drei Milliarden Euro“ und dazu seinen Kommentar: „es ist gruselig, zuzusehen, wie Stück für Stück der Sozialstaat und damit die Demokratie durch die Verbohrtheit einzelner Politiker und die Akzeptanz der anderen Koalitionspartner zugrunde gerichtet werden. Genauso gruselig ist, dass so wenig dagegen passiert. Wieder einmal zeigt sich, dass Arme wenig Lobby haben.“
    • Siehe auch: Jobcenter 2025: Ein warnender Ausblick auf geplante Mittelkürzungen
      BIAJ-Beitrag vom 01. Juli 2024 externer Link
    • Ebenfalls aktuell: Sozialchauvinismus ist, wenn selbst drei Bier zur EM „unverdient“ sind…  Hetzkampagne gegen Bürgergeldbeziehende einstellen!
  • [Tacheles] Faktencheck und Stellungnahme zur Stimmungsmache mit Falschinformationen gegen das Bürgergeld „… In dem Artikel „Wuppertaler Arbeitgeber klagen: Höheres Bürgergeld macht Arbeit unattraktiv“, der am 8. Februar 2024 von Katharina Rüth in der Westdeutschen Zeitung (WZ) erschienen ist, wird Stimmung gegen das vermeintlich zu hohe Bürgergeld gemacht. In einem Infokasten wird Bezug genommen auf Aussagen, die Thomas Lenz, Vorstandsvorsitzender des Jobcenter Wuppertal gegenüber der Zeitung gemacht hätte. Demzufolge würde eine vierköpfige Familie 3100 Euro plus Kosten der Unterkunft und Heizung erhalten. Diese Angaben sind nicht plausibel und kommen aus dem Reich der Phantasie. (…) Auf Nachfrage unseres Vereins bei der WZ wurde Herr Lenz um eine nachvollziehbare Rechnung gebeten, die nach unserem aktuellen Wissensstand (14:30, 12.02.24) nicht vorliegt. Um Falschinformationen entgegenzuwirken, haben wir den Anspruch auf Bürgergeld in einer eigenen Grafik, die wir unter dem Dokument anhängen, dargestellt. Die Grundlage für den Artikel bildet neben dem Gespräch mit Thomas Lenz, noch eine „Umfrage“ von der „Vereinigung Bergischer Unternehmerverbände“, in denen wohl 34 Prozent (bzw. 17 Unternehmen in absoluten Zahlen) angaben, sie befürchten, dass Arbeitnehmende ihren Job kündigen würden, weil das Bürgergeld so hoch sei. (…) Das sind alles Probleme der Unternehmer. Aber Probleme sind laut Christian Lindner nur „dornige Chancen“. Wir schlagen vor die Arbeitsplätze arbeitnehmerfreundlicher zu gestalten. Die Unternehmen könnten z.B. mit Lohnerhöhungen anfangen, mit Arbeitszeitverkürzungen fortfahren und anständige Nachtzuschläge zahlen.
    Schließlich subventioniert der Staat seit Jahren durch das SGB II-System Löhne, von denen man nicht überleben kann. Wir erkennen in der Wuppertaler Zeitung Falschinformationen zum Bürgergeld, die sich seit der Einführung von Hartz IV hartnäckig halten und Sozialneid auf Arbeitslose schüren. Für uns ist es auch eine Form von Verrohung des demokratischen Diskurses, wenn konservative Kreise sich den rechtspopulistischen Strategien von Fakenews und Halbwahrheiten bedienen, um Stimmung gegen die da unten zu machen. Arbeitnehmer sollen offensichtlich ihre Gegner nicht in Unternehmer*innen sehen, die ihnen Löhne zahlen, welche zum Leben nicht reichen, sondern in Menschen, die erwerbslos sind oder – aus welchen Gründen auch immer – gar nicht arbeiten können. Dieser Spaltung der Gesellschaft wollen wir entgegentreten.“ Stellungnahme von und bei Tacheles e.V. vom 12. Februar 2024 externer Link
  • Bürgergeld abschaffen – Söder will Rückkehr zur Sozialhilfe 
    Die Ampelregierung ist angeschlagen. Das nutzt die Union aus, um ihre eigene Zukunftsmusik zu komponieren. Im Refrain hat der Begriff Bürgergeld dann keinen Platz mehr. Denn eines ist klar: Sollten CDU und CSU die Regierungsverantwortung übernehmen, hat der Hartz-IV-Nachfolger ausgedient und wird direkt ins Archiv verfrachtet. CSU-Chef Markus Söder schlägt als neuen Weg ein altes System vor: die Sozialhilfe. (…) Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist einer der größten Bürgergeld Kritiker. Mal spricht er bierselig von der sozialen Hängematte. Ende 2023 wiederholte er seine Forderung, das Bürgergeld grundsätzlich zu überarbeiten. Mehr noch: Die Fortschreibung der Regelsätze sollte um ein Jahr verschoben werden, um die Balance zwischen Fördern und Fordern wiederherzustellen. (…) Die Prämisse für die CSU: Arbeitnehmer sollen spürbar mehr haben als arbeitslose Leistungsempfänger. Damit reitet die Partei weiter auf dem Lohnabstand herum und übersieht, dass inzwischen etliche – korrekt ausgeführte – Rechenbeispiele belegen, dass man mit Arbeit immer mehr Geld im Portemonnaie hat. Nichtsdestotrotz bleibt die CSU bei ihrem Standpunkt und betont: „Deshalb werden wir das Bürgergeld in dieser Form abschaffen und die Sozialhilfe wieder einführen.“  Konkrete Zahlen, Daten und Leistungen nennt Markus Söder nicht. Gleiches gilt für die CDU, deren Generalsekretär Carsten Linnemann für die Zukunft nur noch von der Grundsicherung spricht.“ Beitrag von André Maßmann vom 5. Februar 2024 in buergergeld.org externer Link
  • [max. Rollback als Ziel] CDU will bei Regierungswechsel die Bürgergeldreform kippen / FDP die Regelleistung einfrieren
    CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat erneut bekräftigt: „wenn wir an der Regierung sind, werden wir als erstes großes Reformpaket das Bürgergeld in der jetzigen Form abschaffen“. Die Sanktionen müssen „deutlich verschärft“, die Karenzzeit abgeschafft, die Vermögensprüfung ab dem ersten Tag wieder eingeführt werden. Und FDP Chef Lindner fordert wegen „überproportional gestiegenen Regelleistung“, dass es zum 1. Januar 2025 eine Nullrunde geben werde, „um die überproportionale Erhöhung wieder einzuarbeiten.“ Das Ganze in der Welt zum Nachlesen: https://t1p.de/gvzyb externer Link
    Bemerkung: CDU und FDP führt einen schmutzigen Klassenkampf gegen Arme. Mit dieser Diffamierung und Stigmatisierung wird die Gesellschaft weiter auseinandergerissen und nach rechts getrieben. CDU und FDP sind Teil des Problems und damit sollten sie in der nächsten Zeit immer wieder konfrontiert werden. So z.B. bei unserer Protestaktion zum Neujahresempfang der FDP in Wuppertal: https://t1p.de/4focz externer Link, dann Nr. 7.
    Diese Aussagen von Linnemann und Lindner sind Kampfansagen gegen jedwede Veränderung der letzten Jahre. Hier soll ein max. Rollback erfolgen. Regelleistungen an der Unterkante der Verfassungskonformität, so weit wie möglich Wiedereinführung des Sanktionsregimes und nicht mehr Fördern, sondern Verfolgungsbetreuung. Es ist daher sinnvoll und notwendig, in den gesellschaftlichen Aufbruch für Demokratie, Menschenrecht und -würde, die soziale Frage einzubeziehen. Ein Auseinanderdriften der Gesellschaft wird verhindert, wenn diese nach innen zu sozialbenachteiligten Gruppen solidarisch ist. Damit sollten die Spalter der Gesellschaft regelmäßig konfrontiert werden
    .“ Aus dem Thomé Newsletter 04/2024 vom 28.01.2024 externer Link
  • [Bürgergeld-Bingo : Wie würden Sie von 563 Euro leben?] Wir sagen: Das Bürgergeld reicht nicht!
    Bürgergeld-Bingo ist ein Spiel mit ernstem Hintergrund. Wer es spielt und wirklich alle Ausgaben des täglichen Lebens berücksichtigt, merkt schnell, wie knapp das Monatsbudget von 563 Euro bemessen ist. Wie ernährt man sich ausgewogen von 6,50 Euro am Tag? Wie bleibt man mobil, wenn das Bürgergeld kaum für das Deutschlandticket reicht, geschweige denn für den Unterhalt eines Autos? Wie stemmt man nötige Zusatzausgaben, sei es für eine Brille, für eine medizinische Therapie oder eine Stromnachzahlung? In der Debatte um die richtige Höhe des Bürgergeldes, geht es um eine der verantwortungsvollsten Aufgaben des Staates. Die Grundsicherung soll allen Menschen ein Leben in Würde ermöglichen. Sie muss die physische Existenz, aber auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe garantieren. Deshalb sind die Anforderungen an die Berechnung des Bürgergeldes hoch. Das Bundesverfassungsgericht fordert, dass das Existenzminimum transparent, sachgerecht und realitätsgerecht ermittelt wird. Leider ist das Gegenteil der Fall. Die Höhe des Bürgergeldes wurde in Teilen willkürlich, fehlerhaft und lebensfern berechnet…“ Bingo und Petition externer Link von Diakonie Deutschland, Evangelischer Verband Kirche Wirtschaft Arbeitswelt (KWA), Armutsnetzwerk e.V., Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern (kda)
  • Bürgergeld: Rentner und Erwerbsgeminderte benachteiligt
    Gleiches Recht für alle? Davon ist man bei der Grundsicherung weit entfernt. Zwar gelten die gleichen Regelsätze für Bürgergeld Bedürftige und Betroffene, die auf Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung angewiesen sind. Die Rahmenbedingungen unterscheiden sich jedoch deutlich. Konkret: Hinsichtlich des Schonvermögens und des eigenen Fahrzeugs werden Rentner und Erwerbsgeminderte spürbar benachteiligt – ebenso bei selbst genutzten Immobilien…“ Beitrag von André Maßmann vom 20. Januar 2024 bei hartziv.org externer Link
  • Bürgergeld und Wohngeld: Kürzungen ab 2024: Bonus wird gestrichen und Sanktionen verschärft 
    Das waren gute Ansätze, die jetzt wieder gestrichen werden sollen. (…) Zum 1. Juli 2023 wurden das Weiterbildungsgeld und der Bürgergeld-Bonus eingeführt. Wer sich weiterbildet, sollte dafür einen zusätzlichen Bonus zum Regelsatz erhalten. Damit soll nun Schluss sein, obwohl die Förderung erst vor knapp einem halben Jahr eingeführt wurde. Bisher eindeutig: Der Weiterbildungsbonus in Höhe von 75 Euro soll nach §16j SGB II soll gestrichen werden. Ob damit auch das Weiterbildungsgeld nach §87a SGB III gestrichen wird, ist noch unklar. Denn derzeit haben rund 1,2 Millionen Bezieherinnen und Bezieher des Bürgergeldes keine abgeschlossene Ausbildung. Mit der Einführung des Bürgergeldbonus und des Weiterbildungsgeldes wollte die Bundesregierung neue Anreize für die Aufnahme einer Ausbildung, Umschulung oder Weiterbildung schaffen. Der Bonus in Höhe von 75 Euro monatlich sollte zusätzlich zum Regelbedarf gezahlt werden, wenn man sich für die Teilnahme an einer Maßnahme entscheidet, die langfristig z.B. die Beschäftigungschancen erhöht. Dieser Bonus sollte für die Teilnahme an Maßnahmen der Jobcenter gewährt werden, die eine nachhaltige Integration unterstützen. (…) Damit einhergehend sollte auch der Vermittlungsdruck “in jeden Job” wegfallen. Der Druck auf Leistungsbezieher hatte vor allem den Niedriglohnsektor und die Leiharbeit gestärkt. Die Folge war aber, dass die Betroffenen entweder bereits nach wenigen Monaten wieder arbeitslos waren oder aufgrund der niedrigen Löhne zusätzlich mit Bürgergeld aufstocken mussten. Ob dieses Versprechen im Zusammenhang mit der Ankündigung, die Sanktionen für “Arbeitsverweigerer” zu verschärfen, eingehalten wird, bleibt abzuwarten. (…) Die Bundesregierung plant zudem eine Verschärfung der Sanktionen für Bezieher des Bürgergeldes. Bei Pflichtverletzungen und Meldeversäumnissen soll es zu Leistungskürzungen kommen. Bei erstmaliger Pflichtverletzung soll der Bürgergeld-Regelsatz für einen Monat um zehn Prozent gekürzt werden, bei wiederholter Pflichtverletzung steigt die Kürzung auf 20 Prozent für zwei Monate und 30 Prozent für drei Monate. Meldeversäumnisse werden mit einer Leistungskürzung von zehn Prozent für einen Monat geahndet. (…) Besonders spannend wird die Frage der Verfassungskonformität der geplanten härteren Sanktionen für Bürgergeld-Beziehende im Zusammenhang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 (Az.: 1 BvL 7/16 -, Rn. 1-225). Die Entscheidung des Gerichts unterstrich die Notwendigkeit der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch im Kontext des Bürgergeldes. Es bleibt abzuwarten, wie die neuen Sanktionen mit diesen Vorgaben in Einklang gebracht werden können.“ Beitrag von Carolin-Jana Klose vom 14. Dezember 2023 bei gegen-hartz.de externer Link. Siehe zum aktuellen Hintergrund:

  • Tagung „Praxis und Perspektiven des Bürgergeldes“ spricht sich u.a. für  deutliche Anhebung des Regelsatzes aus 
    Am 2.11. und am 3.11.2023 hat in Berlin die von der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt geförderte Tagung „Praxis und Perspektiven des Bürgergeldes“ stattgefunden. An der Tagung nahmen 26 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teil, die ganz überwiegend im Koordinierungsausschuss gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOA) vertreten sind. Die Teilnehmenden arbeiten in gewerkschaftlichen Erwerbsloseninitiativen, Beratungsstellen für Erwerbslose und prekär Beschäftigte sowie unabhängigen, aber gewerkschaftsnahen Erwerbsloseninitiativen mit.
    Im Mittelpunkt der Tagung stand das Thema „Praxis und Perspektiven des Bürgergeldes“. Einleitend referierte dazu Annika Klose, SPD (MdB und Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales) des Deutschen Bundestags. An dieses Impulsreferat schloss sich eine engagierte Diskussion um aktuelle Probleme des Bürgergeldes und seiner Verwaltung durch die Jobcenter an, aus der auch Forderungen für dringend notwendige Verbesserungen ableitbar sind. (…) Die Anwesenden kritisieren ebenso die weiter unzureichende Höhe der Regelleistung. Die ist für sie viel zu niedrig, um gegen Armut wirksam zu schützen. Ohne bedarfsdeckende Regelsätze könne man „Hartz IV“ nicht überwinden. Es bräuchte dringend eine deutliche sofortige Erhöhung der Regelleistung. Des weiteren sollten Stromkosten, die bisher nur aufgrund unrealistisch niedriger Verbrauchsmengen berücksichtigt werden, aus der Regelleistung herausgenommen und in Zukunft als Bestandteil der Kosten der Unterkunft in angemessenem Umfang übernommen werden. Die Art und Weise, wie die Höhe des Regelsatzes statistisch abgeleitet wird, sei zudem weiter kritikwürdig, nicht zuletzt, weil dabei bestimmte Bedarfspositionen im Rahmen des Statistikmodells einfachkleingerechnet oder gleich ganz gestrichen werden.
    Bei den Kosten der Unterkunft hat es zwar zunächst eine deutliche Entspannung der Situation durch Einführung einer einjährigen Karenzzeit für alle Betroffenen gegeben, in der die Kosten der Unterkunft für alle Betroffenen in voller Höhe übernommen werden, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Doch läuft diese Karenzzeit für viele Betroffene schon zum 31.12.2023 aus, sofern sie bis dahin ihre Erwerbslosigkeit und/ oder Einkommensarmut nicht überwunden haben und weiter Leistungen nach dem SGB II beziehen müssen. Ab Anfang des kommenden Jahres droht für einen Teil der Betroffenen erneut die Gefahr einer so genannten „Wohnkostenlücke“.
    Zudem gebe es nach wie vor viele prekäre Arbeitsverhältnisse. Die dort Beschäftigten seien dringend auf aufstockende Sozialleistungen angewiesen. Doch die Stigmatisierung von Menschen, die eigentlich anspruchsberechtigt wären, greife nach wie vor. Viele Leute, die eigentlich Anspruch hätten, würden nach wie vor nicht zum Amt bzw. Jobcenter gehen. (…) Die Teilnehmer*innen der Tagung halten insgesamt außerdem weitere Verbesserungen beim Bürgergeld für unbedingt geboten, insbesondere auch eine deutliche Anhebung des Regelsatzes
    .“ Dokumentation der Tagung bei der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen externer Link
  • [Aus dem Buch „KlassenLos“] In neuem Gewand: Hartz IV heißt seit Beginn des Jahres Bürgergeld. An der sozialstaatlichen Verarmungspolitik ändert das wenig 
    „… Im November 2022 verabschiedete der Bundestag das neue Bürgergeldgesetz. Arbeitsminister Heil sprach von der »größte(n) Sozialstaatsreform seit 20 Jahren«. Sie solle es Menschen ermöglichen, auch nach langer Zeit der Arbeitslosigkeit wieder eine berufliche Perspektive zu finden. Es sei hier bereits darauf hingewiesen, dass das Sozialgesetzbuch II, also das System »Hartz IV«, nicht abgeschafft wurde, sondern nur an einigen Stellen »reformiert« und die Namen der Leistungen des SGB II (ALG II und Sozialgeld) in den Namen »Bürgergeld« geändert wurden. (…) Auffallend ist, dass trotz umfangreich organisierter staatlicher Hilfen Armut und soziale Ungleichheit merklich zunehmen. Alle bisherigen sozialen Unterstützungen haben keinen grundlegenden Wandel in der Armutsfrage bewirkt. Tatsächlich hat dies etwas mit der kapitalistischen Lebens- und Produktionsweise zu tun, in der Reichtum ohne Armut nicht denkbar ist. (…) Der »moderne« Sozialstaat entledigt sich so bestimmter Bedeutungsweisen, die an die Ursprünge der staatlichen Fürsorge erinnern. Mit einem historischen Blick betrachtet wird erkennbar, dass »eine Trennung von einem helfenden Sozialstaat und einem strafenden Rechtsstaat« nicht existiert und die Entstehungsgeschichte der Fürsorge in der bürgerlichen Gesellschaft als Armenpolizei beschrieben werden kann. Hintergrund dieser Entwicklungen waren die von Karl Marx beschriebene »ursprüngliche Akkumulation« sowie die Angst vor unkontrollierten revolutionären Umtrieben der in die Armut gestoßenen Menschen. »Die Einführung der Kapitalismus in Deutschland beginnt insofern mit der Zerstörung der hergebrachten Subsistenzgrundlagen auf dem Lande und mit der Ruinierung des Handwerks in den Städten.« Der daran anschließende industrielle Fortschritt ist von Massenarmut geprägt, da der produzierte Reichtum aufgrund der Eigentumsverhältnisse in Händen weniger Personen bleibt. (…) Von ihren Gegnern wurden die revoltierenden Armen als Pöbel verschrien. (…) Dieses Prinzip der Buße des Einzelnen, als Verschulder seiner misslichen Situation, gegenüber der Gesellschaft durchdrang die damalige Epoche und spielt auch in der neueren Zeit eine wesentliche Rolle. Damals wie heute wird in Politik und Teilen der Öffentlichkeit zwischen »würdigen« und »unwürdigen« Armen unterschieden. Erstere galten, aufgrund von Alter, Krankheit, Invalidität etc., als nicht arbeitsfähig, ihr Anliegen gilt als unterstützenswert, während arbeitsfähige Menschen, ohne Einkommen und Arbeit, als unwürdig galten, um soziale Hilfen zu erhalten. Sie landeten früher im Zucht- bzw. Arbeitshaus (erst 1969 in der BRD abgeschafft!), während sie heute zu »unwürdiger« Arbeit in Form von Arbeitsgelegenheiten oder Niedriglohnarbeiten gezwungen werden.  In einem Interview mit dem Vorwärts im November 2022 sprach Arbeitsminister Hubertus Heil im Zusammenhang mit dem kommenden Bürgergeld von einem »echten Paradigmenwechsel«. Dass daran erhebliche Zweifel anzumelden sind, zeigt sich bereits beim Vergleich mit den zentralen Kritikpunkten an Hartz IV: Einschränkung sozialer Rechte, Sanktionspraxis, Regelsatzhöhe und Zumutbarkeit von Arbeit. (…) Auch wenn die Leistungen des 2. Sozialgesetzbuches nun Bürgergeld heißen, so bleiben die sozialen Rechte doch weiterhin eingeschränkt. Das Recht auf freie Wohnungswahl und das Recht auf freie Berufswahl sind beschnitten. Die Zumutbarkeit, jede erdenkliche Arbeit annehmen zu müssen, wurde nicht angetastet, die Sanktionsregelungen wirken weiter, und an der Art und Weise der Bestimmung der Regelsatzhöhe hat sich nichts verändert. Das Bürgergeld ist damit Teil einer sozialstaatlich beeinflussten Verarmungsstrategie.“ Artikel von Harald Rein in der jungen Welt vom 28. September 2023 externer Link – es ist der leicht gekürzte Beitrag aus dem von Anne Seeck, Peter Nowak, Gerhard Hanloser und Harald Rein herausgegebenen Sammelband „KlassenLos – Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den Teuerungsprotesten“ – siehe unser Dossier zum Buch mit weiteren Leseproben, auch einem weiteren Artikel von Harald Rein
  • Das „Bürgergeld“-System in Theorie und (monetärer) Praxis 
    Die Jobcenter und das Geld von oben: Auf dem Papier werden 500 Millionen Euro für 2024 gestrichen, 2025 sollen es sogar 900 Millionen Euro sein. Das „Bürgergeld“-System in Theorie und (monetärer) Praxis
    Seit dem 1. Januar 2023 ist das „Hartz IV“-System beseitigt. Also auf alle Fälle semantisch wurde es liquidiert. Es ist zum „Bürgergeld“ weiterentwickelt bzw. umetikettiert worden. Mit dem Umbau des alten Hartz IV- zum neuen Bürgergeld-System einher gingen keine fundamentalen Veränderungen bei den so oft im Mittelpunkt der öffentlichen Debatten stehenden Regelleistungen, also dem Geld, das die „Regelleistungsberechtigten“ monatlich ausgezahlt bekommen. (…) Eine substanzielle Anhebung der Regelleistungen darüber hinaus, wie von vielen Sozialverbänden gefordert, hat es nicht gegeben und auch der (angebliche) Inflationsausgleich wurde als nicht ausreichend gelungen kritisiert (…)
    Die seit Jahren anhaltende strukturelle Unterfinanzierung der Jobcenter wird in der neuen Bürgergeld-Welt vorangetrieben und potenziert
    Schon seit vielen Jahren wird immer wieder kritisiert, dass die Mittelzuteilung an die Jobcenter, was deren Verwaltungskosten angeht, im Abgleich mit den tatsächlichen Ausgaben zu niedrig angesetzt waren und sind – mit einer arbeitsmarktpolitisch fatalen Folge: den „Umschichtungen“ von Geldern, die eigentlich für die Eingliederung der erwerbsfähigen Hartz IV- bzw. nunmehr „Bürgergeld“-Empfänger/innen in den Arbeitsmarkt vorgesehen waren/sind, in den Haushaltstopf für die Verwaltungskosten der Jobcenter. Das wird ermöglicht über die Tatsache, dass die in den Haushaltsplänen eingestellten Mittel für Eingliederungsleistungen und für Verwaltungskosten „gegenseitig deckungsfähig“ sind. Wobei die Umschichtungen von dem einen in den anderen Topf in praxis immer nur eine Richtung gekannt haben. Also von den Eingliederungsleistungen zu den Verwaltungskosten. (…)
    Auch im kommenden Jahr geht es weiter mit der absehbaren Umschichterei
    Die absehbare Differenz zwischen den im Bundeshaushalt 2023 angesetzten Mitteln für die Verwaltungskosten der Jobcenter und den tatsächlichen Ausgaben wird auch im kommenden Jahr fortgeschrieben. Hinzu kommt jetzt auf der Ebene der Haushaltsplanung eine massive Kürzung der (sowieso schon zu niedrig angesetzten) Mittel. Und zwar sowohl für die Eingliederungsleistungen wie auch für die Verwaltungskosten. Der Vergleich zwischen den Mittelansätzen im Haushalt für 2023 mit dem Regierungsentwurf für den Haushalt 2024 zeigt, dass man offensichtlich 500 Millionen Euro „einsparen“ will…“ Beitrag vom 31. Juli 2023 von und bei Stefan Sell externer Link

  • Ab 1. Juli tritt Teil II des Bürgergelds in Kraft: 75 Euro Bürgergeld-Bonus und 150 Euro Weiterbildungsgeld – und dann mit Wertschätzung ab in Billigjobs
    • Was Teil II des Bürgergelds bringen soll
      Das Bürgergeld, das seit Januar Hartz IV ersetzt, tritt in die nächste Phase: Sie soll fast vier Millionen Menschen in der Grundsicherung durch Aus-und Weiterbildung den Weg in Jobs ebnen. Ein Wort fällt oft, wenn es um die zweite Stufe des neuen Bürgergeldes geht: „Augenhöhe“. Nachdem die erste Stufe vor einem halben Jahr das von vielen ungeliebte Hartz IV abgelöst hat, treten zum 1. Juli weitere Regelungen in Kraft. Sie sollen das Leben von Menschen in der Grundsicherung verbessern – sie aber vor allem zurück in den Arbeitsalltag holen. Auch das Image der Jobcenter als eine Behörde, bei der Menschen als Bittsteller kommen, soll durch das Bürgergeld besser werden. Durch Wertschätzung, Kooperation und einfachere Sprache. Was sich schon mit dem Bürgergeld geändert hat und was kommt jetzt dazukommt – ein Überblick. (…) Bei der ersten Stufe zum Jahreswechsel ging es, grob gesagt, vor allem ums Geld. Die Regelsätze wurden angehoben, um 53 Euro auf nun 502 Euro für Alleinstehende ohne Kind. In der zweiten Stufe geht es jetzt um Leistungen, die helfen, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Das ist nach 17 Jahren einer der größten Weiterentwicklungsschritte“, sagt Daniel Terzenbach, Vorstand bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Es gehe darum, Anreize zu schaffen, Bildungsangebote anzunehmen. So kann etwa auch die Weiterbildung bezahlt werden – sogar mit Erfolgsprämien…“ Überblick vom 01.07.2023 bei tagesschau.de externer Link
    • 75 Euro Bürgergeld-Bonus und 150 Euro Weiterbildungsgeld ab 01.07.2023
      Die Ziele für das Bürgergeld hat die Ampel klar abgesteckt. Dabei musste sie zwar das eine oder andere Zugeständnis machen. Hinsichtlich einer der tragenden Säulen der „größten Sozialreform seit 20 Jahren“, der Qualifizierung und Weiterbildung Bürgergeld Bedürftiger, hat man sich jedoch durchsetzen können. Dieser Baustein der Reform tritt am 1. Juli in Kraft und soll Betroffenen die Chance geben, die eigenen Potenziale optimal auszuschöpfen – gefördert und unterstützt vom Staat…“ Beitrag von André Maßmann vom 29. Juni 2023 bei hartziv.org externer Link mit umfangreicher Darstellung der Elemente
  • Betriebsgeräusche in der Bürgergeld-Ära. Eine erste Zwischenbilanz – von der Berliner Erwerbsloseninitiative Basta
    Die Regierung ist zufrieden, sie hatte damit geworben, dass mit dem Bürgergeld alles einfacher wird. Auch die Tagesschau und die Bildzeitung haben das bestätigt. Jetzt scheint alles gut, Hartz IV wurde überwunden. Allerdings hat die SPD zurecht darüber ihre Wählerschaft verloren, denn sie ist keine (und es gibt derzeit auch keine) sozialdemokratische Partei. Der Politikrahmen, in dem gehandelt wird, ist zentralistisch, liberal und nationalistisch. Die FDP hat sich in diese Regierung begeben, um ihre linksliberale Wählerschaft zurückzugewinnen, die sie an die Grünen verloren hatte. Und gäbe es eine linke parlamentarische Kraft, wäre für sie eine sozialdemokratische Politik derzeit nicht umsetzbar, sie würde blockiert. Dabei wäre sozialdemokratische Politik ein Fortschritt zu jetzigen Verhältnissen, wie z.B. der Berliner Mietenstopp gezeigt hat. Nach Einführung des Mietenstopps wurde dem Land Berlin von der Bundesregierung die Gesetzgebungskompetenz entzogen. Für Berliner Mieter:innen war das eine Katastrophe. (…) Mit dem Bürgergeld scheinen nun Regularien zu greifen, die keine Skandale heraufbeschwören, wie mit Hartz IV immer wieder. Die Regularien scheinen geschmeidiger. Rund sechs Wochen mit dem neuen Bürgergeld sind ins Land gezogen. Doch in dieser kurzen Zeit haben wir so viele Klagen begleiten müssen wie nie zuvor. Das neue (und alte) Zauberwort heißt »Mitwirkungspflichten ‒ und raus bist du«. An den Mitwirkungspflichten hat sich auch mit dem neuen Bürgergeld erstmal nichts geändert. Die altbekannte Antragsverschleppung scheint nach unseren Erfahrungen nun ersetzt worden zu sein durch umgehende Antragsablehnungen. (…) An entscheidenden Punkten steht das Bürgergeld in der Kontinuität von Hartz IV. Auch mit dem Bürgergeld wird dafür gesorgt, einem wie auch immer gearteten Arbeitsmarkt die Leute vor die Füße zu werfen, zu allen Konditionen und mit harten Konsequenzen für die Vielen, deren Aufenthalt oder Arbeitnehmereigenschaft daran hängt.“ Zwischenbilanz von Basta erschienen in express 2/2023 externer Link
  • Die ersten Rechtsfehler im Bürgergeld korrigiert / weitere Probleme in Bezug auf die Karenzzeit
    Ich habe hier schon mehrfach über Rechtsfehler im Bürgergeldgesetz berichtet und deren Korrektur eingefordert. Erste Änderungen wurden durch Änderung der Bürgergeld-V vorgenommen: Die Regelungslücke zur Anrechnung von Einkünften aus Ferienjobs wurde korrigiert. Bis zum Inkrafttreten der Neureglungen zum 01   .07.2023 in § 11a Abs. 7 SGB II wurde zum Übergang in § 1 Abs. 1 Nr. 16 Bürgergeld-V die Anrechnungsfreiheit von Einkünften aus Ferienjobs in Höhe von 2.400 EUR geregelt; die Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich Firmung, Kommunion, Konfirmation sowie Jugendweihe und vergleichbarer religiöser Feste wurden bis zu einer Höchstgrenze 3.100 EUR anrechnungsfrei gestellt (§ 1 Abs. 1 Nr. 12 Bürgergeld-V). Soweit so gut, nur müssten die anderen Rechtsfehler auch noch korrigiert werden. Die Änderungen sind perfekt in Buzer ersichtlich: https://t1p.de/1lag6 externer Link
    Weitere Probleme im Bürgergeld: die Karenzzeit.
    Besonders die Karenzeit im SGB II und SGB XII wirft so einige Probleme auf. So stellt sich die Frage, was ist, wenn ein Kind in eine BG reingeboren wird oder in einen Nichtkarenzhaushalt eine Person mit individuellem Karenzanspruch einzieht. In den genannten Fällen müssten KdU oder auch Vermögen getrennt voneinander berechnet und berücksichtigt werden. Fragen über Fragen…“ Beitrag im Thomé Newsletter 07/2023 vom 20.02.2023 externer Link
  • Bürgergeld-Anspruch online berechnen
    Das Bürgergeld löste zum Jahreswechsel 2023 Hartz IV ab. Der Eckregelsatz (Single-Haushalt) liegt bei aktuell 502 Euro im Monat. Der individuelle Bedarf hängt von der persönlichen Lebenssituation ab. Zusätzlich können Mehr- und Sonderbedarfe geltend gemacht werden. Ein neuer Online-Rechner hilft bei der Berechung. Von der Berechnung der Regelleistungen hängt auch ab, ob ein Anspruchsberechtigter in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und wie alt er oder sie ist. Hier die Regelleistungen im Bürgergeld in der Übersicht…“ Beitrag von Sebastian Bertram vom 19.02.2023 bei gegen-hartz.de externer Link

  • Klassenkampf und Kulturkampf: Was haben die Debatte um Bürgergeld und Staatsbürgerschaft gemeinsam? / Gesetzestext Lesefassung
    • SGB II – Gesetzestext Lesefassung zu den Änderungen im sog. „Bürgergeldgesetz“
      Auf Nachfrage beim Bundesministerium für Arbeit (BMAS) und der Bundesagentur für Arbeit (BA) seien dort keine Lesefassungen der SGB II – Änderungen vorhanden. Was wir ehrlich gesagt für entweder unrichtig oder ungeheuerlich halten. Da aber Lesetexte der SGB II – Änderungen rund um das sog. „Bürgergeldgesetz“ unabdingbar notwendig sind, um sich mit den kommenden Rechtsänderungen im Detail auseinanderzusetzen zu können, und weil wir keine Lust haben uns stetig durch vier Gesetzestextänderungen durchwühlen zu müssen, haben wir nun eine Lesefassung des SGB II – Gesetzestextes als Mini-NGO selbst erstellt, sozusagen als „Arbeitsfutter“. Das Ergebnis wollen wir selbstverständlich für alle zur Verfügung stellen. Eine Fassung zum SGB XII ist auch in Arbeit, diese kommt in den nächsten Tagen auf die Tacheles Website. Warum machen wir das, was eigentlich die Verwaltung machen müsste: die Änderungen müssen bekannt werden. Alle müssen die Möglichkeit haben, sich im Detail und nachvollziehbar mit den Änderungen auseinandersetzen zu können. Und nur wer seine Rechte kennt, kann dafür eintreten!“ Hinweis im Thomé Newsletter 48/2022 vom 04.12.2022 externer Link zu

    • Klassenkampf und Kulturkampf: Was haben die Debatte um Bürgergeld und Staatsbürgerschaft gemeinsam? Beide sind so etwas wie der ideologische Kern des radikalisierten Konservatismus
      „Gerade erst klingen die Debatten um das Bürgergeld, das Hartz IV ersetzen soll, ab – da geht es schon weiter mit Diskussionen um das neue Staatsbürgerschaftsgesetz. Diese beiden Debatten hängen zusammen. Sie sind so etwas wie der ideologische Kern des radikalisierten Konservatismus, da er beide Stoßrichtungen vereint. Einerseits gegen das Sozialsystem, andererseits gegen »Ausländer«. Klassenkampf verbunden mit Kulturkampf. In der Hartz-IV-Debatte stellt sich die CDU als »Anwalt der Fleißigen« dar. Fleiß wird in dieser Deutung direkt mit Lohneinkommen gleich gesetzt. Demnach ist dann auch Care-Arbeit offenbar keine »fleißige Arbeit«. CSU-Chef Markus Söder schiebt nach, dass das Bürgergeld »ungerecht und unfair ist«. Die ausgemachte Ungerechtigkeit: 50 Euro mehr pro Monat. Die große Unfairness: weniger Sanktionen. Der Hauptvorwurf lautet, dass sich dann das Arbeiten nicht mehr lohnt. Es ist beachtlich, wie freimütig dies gesagt wird, ohne die Selbstdemaskierung dieser Aussage zu verstehen. Wenn 50 Euro für das unterste soziale Netz so enorm viel Geld sind, dass sich arbeiten nicht mehr lohnt, wie furchtbar müssen denn dann die Löhne sein? (…) Statt Menschen solidarische Räume zum Durchschnaufen zu schaffen, sie sich sortieren und zur Ruhe kommen zu lassen, soll der Druck auf jene erhöht werden, die sich am wenigsten wehren können. Weil man ihnen nicht vertraut und sie pauschal im Verdacht stehen, die Gemeinschaft – zu der sie offenbar nur noch halb oder gar nicht mehr zählen – auszunutzen. Generalverdacht nach unten, Generalamnestie nach oben. Klassenkampf eben. Dieser Klassenkampf verschränkt sich im radikalisierten Konservatismus mit dem Kulturkampf der extremen Rechten. Diese »schöne« ideologische Kreuzung war die Paradedisziplin von Sebastian Kurz, dem ehemaligen Bundeskanzler Österreichs. Die Mindestsicherung ist das allerletzte soziale Netz in Österreich. Kurz propagierte, sie bei mangelnden Deutschkenntnissen unter das Existenzniveau zu kürzen. Außerdem wurden zusätzliche Zahlungen für kinderreiche Familien gestrichen. Beides wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Da war der Schaden aber schon angerichtet, denn die betroffenen Personen mussten schon ein Dreivierteljahr mit bis zu 300 Euro weniger im Monat auskommen. Ohne jede Verklausulierungen waren diese Maßnahmen gegen Migrant*innen gerichtet. (…) So erklärte er als Bundeskanzler, dass in Wien in vielen Familien nur die Kinder in der Früh aufstehen würden. Der Subtext ist klar: Die faulen, migrantischen, arbeitslosen Eltern kümmern sich nicht mal um ihre Kinder. Das ist eine Dämonisierung von Arbeitslosen und Migrant*innen gleichermaßen, die so quasi synonym gesetzt werden. Genau diese Sprache erhält jetzt auch in der CDU Einzug, wenn vom »Zuzug ins Sozialsystem« fabuliert wird. Ein Mythos, für den es keine Belege gibt. Ein Mythos, der von der extremen Rechten seit Jahren getrommelt wird, um Sozialkürzungen zu legitimieren. Am Ende ist es aber eben mit Kulturkampf vermengter Klassenkampf.“ Kommentar von Natascha Strobl vom 30. November 2022 in Neues Deutschland online externer Link
  • Bürgergeldgesetz verabschiedet: Armut, Sanktion und Drangsalierung per Gesetz bleibt Realität 
    Regelsatz 2023 in ÜbersichtAuch wenn sich die SPD das Ende von Hartz IV gerne herbeisehnt, das jetzt verabschiedete Gesetz bleibt eine Modifikation vom bisherigen Hartz IV – System. Das Bürgergeldgesetz ist weiterhin Armut, Drangsalierung und Sanktion per Gesetz. Ich fasse die Eckpunkte nachfolgend zusammen.
    Zu geringe Regelleistungen: Mit den neu festgesetzten Regelleistungen wird noch nicht einmal die Inflationsrate kompensiert. Mit den Regelleistungen ist ein Leben in Würde und in gesellschaftlicher Teilhabe nicht ausreichend sicherzustellen, daher ist das Bürgergeldgesetz weiterhin „Armut per Gesetz“.
    Wohnkostenlücke: an den Regeln zur „Wohnkostenlücke“, also Unterfinanzierung durch Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten wegen „Unangemessenheit“ und/oder „fehlender Umzugserfordernis“ wurde nichts geändert (https://t1p.de/ymhro). 400.000 SGB II – Haushalte müssen durchschnittlich 91 € der Unterkunftskosten im Monat selbst aufbringen. Grade in der schwersten je dagewesenen Wirtschaftskrise und bei akuter Wohnungsnot wären hier Änderungen zwingend notwendig gewesen.
    Kein Aufrechnungsmoratorium: Die Möglichkeit der Aufrechnung von behördlichen Ansprüchen bis unter das Existenzminimum ist eigentlich nach § 51 SGB I grundsätzlich nicht zulässig. Durch Grundsicherungssonderrecht ist es aber im SGB II und SGB XII doch jederzeit möglich, das „Existenzminimum“ durch Aufrechnung von Behördenansprüchen zu unterschreiten. Diese Sonderregelung wurde nicht ausgesetzt, obwohl die Preissteigerungen durch Inflation dies dringend gebieten würde. Immerhin wurde die Höhe von Aufrechnungen bei Darlehen auf 5 %, in anderen Fällen auf 20 % des Regelsatzes reduziert.
    Sanktionsrecht 
    Die Sanktionen gehen weiter. Das war ein Herzensanliegen der Union, mit Sicherheit auch der FDP und weiten Teilen der SPD. Die ursprünglich geplante Vertrauenszeit wurde gestrichen, das Sanktionsmoratorium nach § 84 SGB II wurde auf ein halbes Jahr verkürzt. Das Sanktionssystem geht weiter, wenn auch modifiziert und jetzt auf gesetzlicher Grundlage und nicht durch Anordnung des BVerfG.
    100 % Sanktionen durch vorläufige Leistungseinstellung und Entsagungs- und Entziehungsbescheide wegen fehlender Mitwirkung
    Die 100 % – Sanktionen durch vorläufige Leistungsversagungen und Entsagungs- und Entziehungsbescheide wegen fehlender Mitwirkung wurde im Bürgergeldgesetz nicht angepackt. Die hier stattfindenden Sanktionen sind nicht auf 30 % begrenzt, sondern regelmäßig und sehr häufig rechtswidrig 100 % Sanktionen, dh. komplette Leistungseinstellungen, keine Regelleistung, keine Miete, keine Krankenkasse. Auf diesen Missstand wurde im Gesetzgebungsverfahren intensiv hingewiesen, geändert wurde nichts. Daher bleibt das Bürgergeld ein Drangsalierungssystem.
    Alte, kranke und behinderte Menschen werden sich selbst überlassen
    Im Bürgergeldgesetz wurden auch Änderungen im SGB XII, der „Grundsicherung im Alter und voller Erwerbsminderung“ durchgeführt. Hier hat Bundesregierung, selbstredend auch die christliche Opposition, komplett versagt. In einer Vielzahl von Fällen sind im SGB XII die gesetzlichen Regeln viel schärfer als im SGB II. Hier sind Reformen für die alten-, kranken- und behindertenspezifischen Bedarfe überfällig. Das SGB XII ist im Verhältnis zum SGB II ein diskriminierendes Gesetz. Die Regierung hätte im Gesetzgebungsverfahren hier die überfälligen und notwendigen Änderungen vorzunehmen. Tacheles hat diese in 30 Seiten seiner Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren aufgezeigt. Der Umgang der Regierung mit den alten, kranken und behinderten Menschen in diesem Gesetzgebungsverfahren ist erbärmlich.
    In der Gesamtheit ist das Bürgergeldgesetz eine Fortsetzung von Armut, Sanktion und Diskriminierung per Gesetz, daher ist die Bezeichnung „Bürgerhartz“ richtig.
    Natürlich gibt es auch einige positive Änderungen. Am wichtigsten ist die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs und vielmehr die Förderung von Aus- und Weiterbildung. Aber das Gesetz ist weiterhin als ein Gesetz aufgebaut und konzeptioniert, das die Leistungsbeziehenden in bittere Armut bringt und ein menschenwürdiges Leben nicht ermöglicht. Besonders bitter dabei ist der Nichtumgang mit den SGB XII’ern, die damit ein „lebenslang in bitterer Armut“ bekommen…“ Aus dem Thomé Newsletter 47/2022 vom 27.11.2022 externer Link

    • Siehe auch – stellvertretend für viele – den Tweet von Karen A. Plüschfaust vom 23.11. externer Link: „Die neue #Torte ist da. Endlich: 5,80 für 3 Mahlzeiten + Getränke pro Tag. 42,55 für Strom, obwohl ich 81,- zahlen muss. 45,02 für Verkehr. Ich kauf mir das #49EuroTicket trotzdem. Esse ich halt weniger. (4,31/Tag)…“
  • Kritik am Bürgergeld-Kompromiss: Armutsforscher entsetzt über „Reformruine“ 
    „… Währenddessen Bundeskanzler Olaf Scholz in der Generaldebatte „froh“ über die Einigung mit der Union zeigt, beschreibt Armutsforscher Christoph Butterwegge den Bürgergeld-Kompromiss zwischen Regierung und Opposition als „Reformruine“. (…) Der Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge hält die Bürgergeld-Reform durch den Kompromiss mit der Union für gescheitert. Zwar gäbe es nach dem Kompromiss einige Verbesserungen und Erleichterungen für Transferleistungsempfänger, diese würden allerdings nur den „Neukunden der Jobcenter“ zu Gute kommen. „Weit über zwei Drittel der jetzigen Hartz-IV-Bezieher“ würden davon aber nichts spüren, da sie „viel zu lange im Bezug“ seien, so Butterwegge. „Hartz IV wird mit Einführung des Bürgergeldes nicht, wie von SPD und Grünen versprochen, überwunden, sondern nur etwas abgeschwächt. (…) Außerdem haben Gutqualifizierte einen Vorteil, die ich zur Laufkundschaft der Jobcenter zähle“, so der Armutsforscher. Er ist der Meinung, für Langzeitarbeitslose werde durch die Einführung des Bürgergeldes nur wenig getan. Sein Fazit: „Aus der ‚größten Sozialreform seit 20 Jahren‘ (Hubertus Heil) wurde eine Reformruine, die Betroffene ‚Bürgerhartz‘ nennen.“ (…) Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigt die Einigung zwischen den Ampel-Parteien und der Union zum Bürgergeld hingegen. In der Generaldebatte im Bundestag sagte er: „Ich bin froh, dass wir hierzu eine einvernehmliche Lösung gefunden haben – eine gute übrigens.“…“ Meldung vom 23. November 2022 bei tagesschau.de externer Link

  • [Keine neue Schlagzeile!] Die Union adoptiert das Fordern im Fördern und SPD/Grüne scheinen dankbar dafür
    • Hartz IV heißt jetzt Twix. Ansonsten ändert sich nix: Ampel und CDU/CSU finden Bürgergeld-Kompromiss
      „… Das Sanktionsregime soll unverändert bestehen bleiben. Die geplante »Vertrauenszeit« von einem halben Jahr, in der »nur« Terminverstöße mit zehn Prozent Kürzung bestraft werden sollten, ist vom Tisch, erklärten Regierungs- und Unionsparteien am Dienstag. Wer seine Mitwirkungspflichten verletzt, sich also nach Einschätzung des Fallmanagers im Jobcenter nicht eifrig genug um den nächstliegenden Drecksjob bemüht, soll vom ersten Tag an mit zehn Prozent Kürzung bestraft werden. Im zweiten Monat sollen ihm 20 Prozent, ab dem dritten Monat 30 Prozent gestrichen werden. Von einem Existenzminimum wohlgemerkt, das zu tief angesetzt ist. 725 Euro wären das absolute Minimum, zeigen nachprüfbare Berechnungen des Paritätischen Sozialverbands; mit dem Bürgergeld ist eine Erhöhung um 53 auf 502 Euro geplant.
      Für reihenweise Hartz-IV-Bezieher wird die Einführung des Bürgergelds sogar eine Verschlechterung bedeuten. In der Coronakrise beschloss die Regierung Merkel (CDU/CSU und SPD) eine Karenzzeit für Hartz-IV-Neuankömmlinge, die zum Jahresende ausläuft. Wer Hartz IV bezieht, muss dank dieser Regelung zwei Jahre lang keinen Zwangsumzug fürchten und kann in dieser Zeit bis zu 60.000 Euro Vermögen behalten. Die Verstetigung der Karenzzeit wäre die zweite Säule des mickrigen Bürgergeld-Gesetzes gewesen, sie wurde in den Verhandlungen mit CDU/CSU noch mal auf halbe Höhe gestutzt. Bürgergeld-Bezieher werden nun also schon nach zwölf Monaten aus Wohnungen fliegen, die für unangemessen erachtet werden. Und sie dürfen auch nicht mehr zwei Jahre lang 60.000 Euro Vermögen behalten, sondern nur ein Jahr lang die Hälfte. Die Unionsparteien waren es am Dienstag zufrieden. CDU-Chef Friedrich Merz zeigte sich überrascht, zu welch weitgehenden Kompromissen die Ampelregierung bereit gewesen sei…“ Artikel von Alexander Reich in der jungen Welt vom 23.11.2022 externer Link
    • Bürgergeld-Kritik der Union: „Völlig falsch und widerlegt“
      „„Sanktionsfrei“-Gründerin Helena Steinhaus setzt sich gegen verhängte Sanktionen der Jobcenter ein. Im Interview erklärt sie, wie ihr Wunschmodell aussähe…“ Interview von Moritz Serif vom 22.11.2022 in der FR online externer Link
    • Ganzheitlich betreut
      Von der hohen Kunst, die Vereinbarkeit von Existenzsicherung und Zwang zur Arbeit »zukunftsweisend« und »respektvoll« zu gestalten. Über das »Bürgergeld« (…)
      Offenbar ein sehr komplexes Gesetzesvorhaben! In ihm soll es sowohl um die Würde und den Respekt gehen – wie der Name schon sagt, ist der Bürger angesprochen – als auch darum, den Betreffenden so nahezutreten, dass der Zwang zur Arbeit(saufnahme) ganz zielgerichtet als Anreiz wirkt. Die ausführlichen Begründungen des Gesetzentwurfs geben aber Auskunft darüber, wie sich die Regierung zur Armut im Lande ins Verhältnis setzt.
      Mit dem Gesetzentwurf wird das Zweite Buch SGB (SGB II) verändert. Das Sozialgesetzbuch (SGB) umfasst inzwischen 13 Bücher und dokumentiert allein schon mit seinem Umfang, dass das Leben in Deutschland umfangreicher staatlicher Interventionen bedarf, damit die Bürger über die Runden kommen können. Das Leben im Kapitalismus scheint also keine einfache Angelegenheit zu sein, wenn es für Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter, Unfall, Behinderung oder Pflege und allerlei sonstige Notlagen Unterstützungsleistungen braucht, damit das schiere Überleben gelingt. Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland ist eben in erster Linie ein Armutszeugnis über die materielle Lebenslage der Lohnabhängigen. (…)
      Die Leistung für Millionen Menschen, die in der Begründung des Gesetzes angesprochen wird, betrifft Arbeitssuchende. Damit ist klargestellt, warum diese Menschen hilfsbedürftig sind: Sie sind darauf angewiesen, dass sie jemanden finden, der sie als Arbeitskraft benutzen will, weil sich deren Anwendung für ihn lohnt. Es handelt sich also um Menschen, die über nichts verfügen als über sich selbst, was oft als Freiheit der Person gefeiert wird, im Klartext aber heißt: Sie sind darauf angewiesen, sich als Arbeitskraft zu verkaufen, damit sie an das Geld fürs Lebensnotwendige gelangen. (…)
      Die Leistungen, die der Sozialstaat erbringt, zielen nicht darauf, diesen Menschen das Leben angenehm, sondern sie wieder tauglich zu machen, nämlich für besagte Benutzung. Wer von seiner Arbeitskraft leben muss, steht also in einer doppelten Abhängigkeit: Er muss jemanden finden, der ihn benutzen will, und diese unsichere Angelegenheit kann er nicht mit eigenen Mitteln durchstehen, so dass er abhängig von staatlich organisierten Leistungen ist. (…)
      Die kümmerliche Erhöhung macht deutlich, dass die Ampelkoalition auch weiter darauf achten will, dass der Zwang zur Arbeit für die Sozialleistungsbezieher erhalten bleibt. Dabei gesteht die Regierung zudem ein, dass sie nicht einfach an eine Verbesserung gedacht hat, sondern gerichtlichen Vorgaben folgt (…)
      Ein Skandal und eine Gemeinheit gegenüber den Betroffenen ist es offenbar nicht, wenn Regierungen acht Jahre lang ein Verfassungsgerichtsurteil ignorieren. Dass sie es jetzt zur Kenntnis nehmen bzw. als Begründung für ihr Handeln heranziehen, soll offenbar für sie sprechen. Mit der Anpassung der Regelsätze wollen sie aber nicht nur die Not der Leistungsbezieher abmildern, sondern verfolgen gleich höhere Ziele: »Es geht darum, mehr Respekt, mehr Chancen auf neue Perspektiven und mehr soziale Sicherheit in einer modernen Arbeitswelt zu verankern und unnötige bürokratische Belastungen abzubauen.« Wie alles in dieser Gesellschaft hat offenbar auch der Respekt seinen Preis und ist in dem Fall billig zu haben…“ Artikel von Suitbert Cechura in der jungen Welt vom 22.11.2022 externer Link – eine lesenswerte Erinnerung an unser Reden nicht erst seit 2004…
  • „Bürgergeld – Verhöhnung der Arbeit?“ 
    „… Das im Bundesrat am vergangenen Montag (14.11. 2022) vorerst gescheiterte Bürgergeldgesetz hat mal wieder das dümmliche Geschwätz vom Sozialstaat als sozialer Hängematte für Arbeitsscheue in die Öffentlichkeit gespült. Der leitende Spiegel-Redakteur Alexander Neubacher wittert eine „Verhöhnung der Arbeit“, der CSU-Chef Markus Söder drischt die Phrase vom „Schlag ins Gesicht aller Arbeitnehmer“ und der CDU-Generalsekretär Mario Czaja behauptet, das Bürgergeldgesetz schädige „die Motivation der Arbeitslosen“, sich eine Arbeit zu suchen. Doch die vom stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Carsten Linnemann bei Maybrit Illner verbreitete Behauptung, das Bürgergeld liege in vielen Fällen über dem Mindestlohn, ist falsch. Sie beruht auf einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die mittlerweile wegen ihrer offenkundigen Faktenverdrehungen aus dem Verkehr gezogen wurde. Es werden Vorurteile bedient, anstatt zu fragen, wie man eine soziale Grundsicherung nach dem im Grundgesetz (Artikel 20) festgelegten Grundsatz organisieren kann, so dass die Bundesrepublik Deutschland ein sozialer Rechtsstaat ist. (…) Das mit großzügiger Geste verkündete Angebot des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, die Erhöhungen der Leistungen zur sozialen Grundsicherung mitzutragen, ist lächerlich. Sie entsprechen den gesetzlichen Vorgaben zur Orientierung der Grundsicherung an den Lebenshaltungskosten und würden bei deren Nichtbefolgen zu erfolgsversprechenden Klagen beim Bundesverfassungsgericht führen. (…) Das vorliegende Bürgergeldgesetz bringt zwar keinen substanziellen Fortschritt in der Lebenslage der meisten Arbeitsuchenden, Rentner und Migranten. Aber er verbessert bei konsequenter Umsetzung das Verhältnis von Jobcentern und Sozialbehörden zu ihrer Klientel. Genau die darauf abzielenden Maßnahmen wie die Ausweitung des Schonvermögens und der sanktionsfreien Fristen werden von der CDU/CSU bekämpft. Die mit CDU/CSU-Beteiligung gebildeten Landesregierungen haben im Bundesrat das Bürgergeldgesetz abgelehnt oder ihm nicht zugestimmt, was auf das Gleiche hinausläuft, weil im Bundesrat Enthaltungen wie Nein-Stimmen wirken. Der Bundesrat muss dem Bürgergeldgesetz mit der Mehrheit seiner 69 Sitze zustimmen, weil es auch die Länderhaushalte betrifft. Die durch das Gesetz verursachten Mehrausgaben werden für 2023 auf knapp fünf Milliarden Euro geschätzt. Davon trägt der Bund mit 87,7 Prozent den Löwenanteil. Die Länder und Kommunen sind zu 9,4 Prozent und die Sozialversicherungsträger zu 2,9 Prozent beteiligt. Die Bundesregierung hat den Vermittlungsausschuss (VA) angerufen, der aus jeweils 16 Vertretern des Bundestages und der Landesregierungen besteht. Ein Kompromiss wäre nur dann akzeptabel, wenn er die Fortschritte beim Schonvermögen, den sanktionsfreien Fristen und den Verbesserungen bei der Jobsuche nicht torpediert.“ Beitrag von Hartmut Reiners vom 18. November 2022 bei Markroskop externer Link
  • Bürgergeld-Ablehnung im Bundesrat: Das passiert jetzt mit dem Hartz IV Regelsatz 
    „Heute stand die sogenannte Bürgergeld-Reform zur Abstimmung im Bundesrat. Die Unions-geführten Länder, allen voran Bayern, lehnen die Reformen in einigen Punkten ab. Insbesondere die Schonvermögen-Regelungen stehen zur Disposition. Was aber passiert jetzt, weil das Bürgergeld heute nicht verabschiedet wurde? Bleibt es dann bei den derzeitigen Regelsätzen? (…) Würde der Regelsatz ohne statistische Tricks berechnet werden, so müsste dieser laut einer Erhebung des Paritätischen Gesamtverbands mindestens 725 Euro plus Stromkostenübernahme betragen. Die Ampel-Koalition plant allerdings die Regelleistungen auf 502 Euro (Eckregelsatz, Single-Haushalt) zum Jahresbeginn 2023 anzuheben. (…) Zwar haben sich CDU und CSU mit den höheren Regelleistungen einverstanden gezeigt. Wenn allerdings die Reform in Gänze im Bundesrat abgelehnt wird, können auch die Regelleistungen nicht angepasst werden.  Eine Einigung muss spätestens im November 2022 erfolgen, weil ansonsten rein aus strukturellen Gegebenheiten eine Erhöhung der Regelleistungen nicht möglich ist. Welche Szenarien sind also denkbar? (…) Im schlimmsten Fall bliebe es vorerst auch im Januar 2023 bei dem derzeitigem Eck-Regelsatz von 449 Euro. Das wäre der Worst-Case für die meisten Hartz-IV-Haushalte, weil die Menschen aufgrund gestiegener Preise bereits am Limit sind. (…) Laut der derzeitig noch gültigen Vorschriften für die Anpassungen der Regelleistungen wäre es auch denkbar, dass diese Berechnungsgrundlagen zunächst Anwendung finden. Das würde bedeuten, dass der Regelsatz im Januar 2023 auf 469 Euro angepasst wird. Diese Berechnung entspricht den alten Hartz-IV-Richtlinien und bildet die Lohn- und Preisentwicklung in einem Mischindex ab. (…) Stimmen die Länder heute für die Bürgergeld-Reformen oder kann der Vermittlungsausschuss doch noch eine Einigung zwischen Union und Ampel-Koalition erzielen, kann der Regelsatz von 502 Euro pünktlich ausgezahlt werden. Denn dann würde zur der Basisfortschreibung die ergänzende Fortschreibung angewendet werden.“ Hinweise von Sebastian Bertram vom 14. November 2022 bei gegen-hartz.de externer Link
  • Liebe Union, Bürgergeld ist nicht der Grund, dass Arbeiten sich nicht lohnt
    „Die Umwandlung von Hartz IV ins Bürgergeld liegt erstmal auf Eis. Nachdem eine Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag dafür gestimmt hatte, stoppten die CDU/CSU-geführten Bundesländer im Bundesrat das Gesetzesvorhaben. Das übrigens teilweise, wie in Sachsen, ohne sich wie üblich mit ihren Koalitionspartner:innen in den Ländern abzustimmen. Gerade jetzt, wo wir uns mindestens in einer vierfachen Krise befinden (Energiepreise, Ukrainekrieg, Corona-Pandemie, Klimakatastrophe), wäre es doch angebracht, die Schwächsten der Gesellschaft zu entlasten und sich für eine gerechte Umverteilung einzusetzen. Doch die Union scheint stattdessen dieses Bild von der Bevölkerung zu haben: Die Argumente der CDU/CSU gegen das Bürgergeld ähneln Stammtischparolen. Emotional, platt, aber auf den ersten Blick nicht ganz falsch klingt es, wenn Markus Söder schreibt „Wer arbeitet, muss mehr Geld haben als jemand, der nicht arbeitet“. Interessant, denn dieser Grundsatz gilt offenbar nicht, wenn es beispielsweise um Millionenerben geht, denn eine höhere Erbschaftsteuer lehnte die CDU im Wahlkampf ab. Dasselbe gilt auch für die Vermögensteuer. Der CDU geht es also gar nicht um die „hart arbeitende Bevölkerung“, das Gequatsche von „Arbeit muss sich lohnen“ ist ein einziger Bluff. (…) Wenn einem wirklich so viel an der hart arbeitenden Bevölkerungsschicht gelegen ist, dann sollte man in der Zeit der Krise vielleicht mal die zur Kasse bitten, die mehr Geld haben, als sie ausgeben können und nicht die angreifen, die ohnehin schon unter der Inflation leiden (denn das gilt sowohl für Hartz-IV/Bürgergeld-Empfangende als auch für Arbeitende). Dann sollte man sich vielleicht mit den Pflegenden solidarisieren, die zum Beispiel in NRW wochenlang streikten, ohne dass ihnen ernsthafte Verbesserungen in Aussicht gestellt werden. Oder auch den Angestellten von Teigwaren Riesa, die momentan für bessere Arbeitsbedingungen streiken (…) Und vor allem: Wenn Arbeit sich wieder lohnen soll, dann sollte man vielleicht etwas dagegen tun, dass zwei Drittel der reichsten Deutschen einfach nur durch Erbe so reich geworden sind und sich auf ihrem Vermögen ausruhen. Denn die meisten, die jetzt so reich sind, haben NICHT dafür gearbeitet. Im Vergleich zu denen lohnt es sich nicht zu arbeiten, weil man in der Regel nicht durch Arbeit reich wird. Der verlässlichste Weg, um in Deutschland reich zu werden, ist weder Arbeit noch Arbeitslosigkeit: Es ist erben. Wenn man Glück hat…“ Beitrag von Frederik Mallon vom 15. November 2022 beim Volksverpetzer externer Link
  • Zum Bürgergeld und der angekündigten Blockade durch die Union
    Am 10. Nov. 2022 hat der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung für ein Bürgergeld-Gesetz verabschiedet. Darin sind einige wichtige Änderungen enthalten, siehe Nr. 2 dieses Newsletters.
    Am 14. Nov. 2022 wird der Bundesrat sich mit dem Bürgergeldgesetz befassen, die CSU und CDU drohen dort mit einer Blockade. Sollte das Bürgergeldgesetz durch die Union im Bundesrat blockiert werden, muss das Gesetz in den Vermittlungsausschuss. Ziel der Union ist über eine parteipolitisch motivierte Blockade im Bundesrat, das Bürgergeldgesetz im Vermittlungsausschuss zu verändern. Mit dem Bürgergeldgesetz gekoppelt ist die Regelleistungserhöhung von 449 € auf 502 €. Wird das Bürgergeldgesetz von der Union weiter blockiert, wird es zum 1. Januar 2023 keine dergestalt höheren Regelleistungen für Millionen von SGB II/SGB XII-Leistungsbeziehenden geben. Diese Menschen werden von der CDU/CSU im Bundestag in Geiselhaft genommen. Die gezielte Unterdeckung der Existenz von Millionen von SGB II/SGB XII-Leistungsbeziehenden mitten in der größten Krise der Bundesrepublik ist dann das Ergebnis der Blockade der Union.
    Dazu ist anzumerken: Kommt es Anfang Januar 2023 durch die machtpolitischen Spielchen der CDU und CSU nicht zu der anvisierten Erhöhung der Regelleistungen, sind die Regelleistungen spätestens dann offen verfassungswidrig zu niedrig. Für diesen Fall würde Tacheles in Kooperation mit weiteren sozialpolitischen Akteur*innen eine breit angelegte juristische Kampagne zum Einklagen höherer Regelleistungen starten. Auf dem Deutschen Sozialgerichtstages im November wurde von den Sozialrichtern signalisiert, dass sie geneigt sind, im Falle einer fortgesetzten Unterdeckung durch die Regelleistungen in Zukunft Klagen auf höhere Regelleistungen stattzugeben. Sollte eine solche Kampagne notwendig sein, ist es durchaus vorstellbar, dass dann die Gerichte angesichts der Preisentwicklung höheren Regelleistungen als 502 € für alleinstehende Menschen zustimmen.
    Weiter ist anzumerken: Im geplanten Bürgergeldgesetz sind viele sinnvolle Regelungen enthalten, aber es ist immer noch Armut per Gesetz, so lange die Regelleistungen nicht deutlich angehoben werden. Der Paritätische hat jetzt erarbeitet, dass zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums ein Regelsatz von 725 € notwendig ist (siehe Punkt 4). Ebenso muss die Haushaltsenergie aus den Regelleistungen rausgenommen werden und alle Sanktionen sind aufzugeben. Solange diese Kernpunkte nicht erfüllt sind bleibt das sog. „Bürgergeld“ weiterhin ein Bürgerhartzgeld.“ Aus dem Thomé Newsletter 45/2022 vom 13.11.2022 externer Link, siehe dazu:

  • Bürgergeld zu niedrig: Paritätischer fordert armutsfesten Regelsatz von 725 Euro 
    Laut einer aktuellen Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist die zum Januar 2023 geplante Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf 502 Euro, über die der Deutsche Bundestag am morgigen Donnerstag im Zusammenhang mit einer Reform von Hartz IV und der Einführung eines sogenannten “Bürgergeldes” berät, viel zu niedrig. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müssten die Leistungen auf mindestens 725 Euro angehoben werden, um wirksam vor Armut zu schützen. Der Verband fordert eine entsprechende Erhöhung des Regelsatzes um 276 Euro plus die vollständige Übernahme der Stromkosten und mahnt die Politik zur Eile: Angesichts der Notlage der Betroffenen sei keine Zeit zu verlieren. Der Paritätische kritisiert die regierungsamtliche Berechnungsmethode trotz der neuen Fortschreibungsmethodik als nicht geeignet, das verfassungsrechtlich gebotene soziokulturelle Existenzminimum abzusichern. “Ob Hartz IV oder Bürgergeld, an der eigentlichen Berechnungsmethode hat sich nichts geändert, die Leistungen bleiben trickreich kleingerechnet, reichen vorne und hinten nicht und gehen an der Lebensrealität der Menschen vorbei”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Angesichts der rasant steigenden Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel stelle die geplante Erhöhung zum 1. Januar keine Verbesserung des Lebensstandards dar, sondern lediglich eine Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten 12 Monate…“ Pressemitteilung vom 09. November 2022 externer Link zur Expertise der Paritätischen Forschungsstelle zur Regelsatzhöhe 2023 externer Link

  • Fünf Mythen der rechten Bürgergeld-Hetze
    CDU, CSU und AfD greifen die geplante Reform der Grundsicherung an – mit Fake News. Helena Steinhaus von Sanktionsfrei klärt auf. Im Streit übers Bürgergeld haben Konservative und Rechte eine Sozialneid-Debatte entfacht, die zynischer kaum sein könnte. Ausgetragen wird sie auf dem Rücken der Schwächsten, die derzeit ohnehin nicht viel zu lachen haben. Im Netz kursieren grob vereinfachte Berechnungen, die das rechte Blatt Junge Freiheit produziert hat und die zuerst von AfD-Kreisverbänden, dann auch von Union und Arbeitgeberverbänden verbreitet wurden. Sie legen nahe, dass Arbeit sich nicht mehr lohnen würde und das Bürgergeld die Rundum-sorglos-Arbeitslosigkeit erlaube. Das sind Fake News. Schauen wir einmal genauer hin…“ Artikel von Helena Steinhaus im Freitag 45/2022 am 8.11.2022 online externer Link
  • Bürger(hartz)geld-Gesetz I: Blockade des Gesetzes durch die Union 
    Die Union droht zwei Monate vor der geplanten Einführung des Bürger(hartz)geldes am 1. Januar mit einer Blockade im Bundesrat. So bekommen die gesamten Desinformations- und Hetzkampagnen von Unionspolitiker*innen, Arbeitgeber*innen und deren Medien auf Trump – Niveau nun ihren Sinn. Damit wird die Blockade vorbereitet und propagandistisch untermauert. Ziel ist es natürlich, eigene Positionen maximal durchzudrücken oder sogar die Ampel ein paar Monate zappeln zu lassen, um dann eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Am Bürgergeldgesetz hängen auch die neuen Regelleistungen, blockiert die Union das Gesetz gibt es diese nicht. Das wäre dramatisch für die Betroffenen. Johannes Steffen hat diese gezielte Desinformationskampagne in einem Interview herausgearbeitet externer Link , auf der Tacheleswebseite haben wir auch die Desinformationen deutlich widerlegt externer Link. Was möchte denn eigentlich die Union? Eine der schärfsten gewünschten Änderungen ist:  Es soll ein neuer “§ 8a Mitwirkungsbereitschaft” eingefügt werden, der einen vollständigen Entzug der Leistungen nach dem SGB II ermöglichen soll. Abs. 2 des Entwurfs: “Wer durch ausdrückliche Erklärung oder durch sein Verhalten eindeutig zu erkennen gibt, nachhaltig nicht bereit zu sein, den Verpflichtungen zur Annahme zumutbarer und existenzsichernder Arbeit nachzukommen (…) hat keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetzbuch;” Quelle: https://t1p.de/mq27s externer Link
    Damit möchte die Union ein neues verschärftes Sanktionsrecht einführen, entgegen dem Urteil des BVerfG soll hier wieder die 100 % Sanktionen bis zur Obdachlosigkeit, Existenzvernichtung und bis zur kompletten Unterwerfung eingeführt werden. Getreu dem Motto: wer nicht arbeitet, soll auch nichts zu essen bekommen.
    Fazit: kommt das Bürgergeldgesetz nicht und damit auch nicht die Regelleistungen für 2023, haben wir spätestens dann verfassungswidrige Regelleistungen. Bei einer derartigen Blockade durch die Union, könnten dann höhere Regelleistungen gerichtlich erstritten werden. Es ist davon auszugehen, dass für diesen Fall des parteipolitischen Gezänks das ein oder andere Sozialgericht die Messer wetzen wird.
    Klagen gegen diese offen verfassungswidrigen Regelleistungen, dürften bei einer (voraussichtlichen) Inflationsrate von 10,4 % im Oktober 2022 ohne Probleme begründbar sein (Quelle Destatis: https://t1p.de/t4d6p externer Link). Das Bundesamt hat eine wertvolles Begründungsinstrument für solche Klagen entwickelt, nämlich einen persönlichen Inflationsrechner, mit dem diese sich auf einfach und konkret begründen ließen: https://service.destatis.de/inflationsrechner/ externer Link .“ Aus dem Thomé Newsletter 43/2022 vom 06.11.2022 externer Link
  • Das Narrativ von der nicht lohnenden Arbeit. Daten und Erläuterungen vor dem Hintergrund des geplanten Bürgergeld-Gesetzes 
    „… Die seitherige Kritik am Entwurf lässt sich vereinfachend in zwei Lager aufteilen: Den Betroffenen-Organisationen, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden wie auch Gewerkschaften geht v.a. die Fortschreibung der Regelsätze zum 01.01.2023 (laut SGB XII Regelbedarfsstufen) nicht weit genug; gefordert wird eine deutlich stärkere Anhebung. – Ein anderes, recht bunt und argumentativ »turbulent« bestücktes Lager, sieht das genau anders und beklagt zudem, dass Hilfebedürftige den Planungen zufolge kaum noch gefordert seien; es fehle die »harte Hand« des fördernden Sozialstaats (Stichwort: Sanktionen). Seine Zuspitzung findet die Argumentation dieses Lagers häufig in der seither wieder verstärkt vorgetragenen Behauptung, dass sich Arbeit vor dem Hintergrund des neuen Bürgergeldes nicht mehr lohne. Vor allem in den »Sozialen Medien« kursieren diverse Beispiele, die dies belegen oder nahelegen sollen. Das Narrativ von der nicht lohnenden Arbeit ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. (…) Das Narrativ von der nicht lohnenden Arbeit wird durchgängig mit unkorrekten Vergleichen »belegt«. Völlig ignoriert werden dabei die derzeit noch geltenden wie auch die künftig neu gestalteten Regelungen zum Erwerbstätigen-Freibetrag. Alleine deren Berücksichtigung ließe das Narrativ bereits im Ansatz in sich zusammenfallen…“ Hintergrund von Johannes Steffen vom 17. Oktober 2022 externer Link
  • Brandbrief an Bundesminister Hubert Heil zu dringendstem Handlungsbedarf, die Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums SOFORT wieder herzustellen! 
    „… diesen Brandbrief sende ich Ihnen auch stellvertretend an ALLE, die an gesetzgeberischen Prozessen beteiligt werden müssen. Ich darf mich zunächst der Höflichkeit halber vorstellen als ein Hartz 4 Empfänger aus Baden Württemberg, der vom Sozialverband VDK innerhalb des laufenden Musterverfahrens zur Verfassungswidrigkeit des Regelsatzes 2022 vor dem Sozialgericht vertreten wird. Die volkswirtschaftliche Lage am Markt, allen voran für den konsumierenden Teil der Haushalte ist nicht erst seit gestern in Schieflage. Die Lebenshaltungskosten steigen seit Juli 2021 immer mehr überproportional zur Zeitspanne davor. Und das immer steilerohne absehbares Ende! Bereits mit der Berechnung des Regelsatzes für 2022 war klar absehbar, dass durch diese unvermittelt auftretenden Preissteigerungen nicht auszuschließen war, dass sich das menschenwürdige Existenzminimum in eine verfassungswidrige Unterdeckung dreht. (…) Die Berechnungsgrundlage für die Sicherung des Existenzminimums ist dahingehend zu ändern, dass die Inflation nicht nur rückblickend, sondern auch vorausschauend berücksichtigt wird. Der Gesetzgeber hat das grundlegende Problem daher nicht gelöst. Hartz IV und das Bürgergeld gehen schlichtweg an der (Preis)Realität vorbei…“ Brandbrief von Herbert G. vom 13.10.2022 
  • “Bürgergeld”-Gesetz wurde am 13.10. im Bundestag erstmals beraten: AfD fordert Zwangsarbeit, Sachleistungen und verschärfte Residenzpflicht bei Bürgerhartz-Beziehenden 
    Das Vorhaben der Bundesregierung, aus der Grundsicherung „Bürgergeld“ zu machen, beriet der Bundestag. Der dazu vorgelegte „Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes“ (Bürgergeld-Gesetz, 20/3873 externer Link ) wird erstmals beraten und soll im Anschluss an die knapp 70-minütige Debatte an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales zur weiteren Beratung überwiesen werden. Ebenfalls an den Sozialausschuss überwiesen werden sollen ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Sozialen Arbeitsmarkt ausbauen – 150.000 Langzeitarbeitslose in Erwerbsarbeit bringen“ (20/3901 externer Link ) sowie ein Antrag der AfD, der die „Einführung von Bürgerarbeit“ (20/3943 externer Link ) vorsieht. Weitere Infos: https://t1p.de/7mfsa externer Link (…) Man kann der AfD für diese klaren Positionen eigentlich nur danken, denn sie machen klar, dass im Vordergrund die kapitalistische Verwertung der SGB II-Beziehenden als billige Lohnarbeiter*innen steht und die AfD dies mit Sanktionen, Zwangsarbeit und Sachleistungsdiskriminierung durchsetzen will. Dadurch wird klar, dass diese Partei nicht im Entferntesten die Interessen der Armen, Einkommensschwachen oder Rentner*innen vertritt und dadurch für diesen Personenkreis, und natürlich auch generell, nicht wählbar ist.“ Aus dem Thomé Newsletter 40/2022 vom 16.10.2022 externer Link – siehe den Antrag der AfD externer Link
  • [„AufRecht bestehen“] Dezentraler Aktionstag am 14.10.202: Wir fordern eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung! 
    Die Existenzangst wächst – es droht massive Verarmung. Ob bei den Lebensmitteln, den Energiekosten, der Miete oder anderen Ausgabeposten: Die Preise steigen in hohem Tempo. Besonders für diejenigen, die schon vor der Krise finanziell nicht über die Runden gekommen sind, prekär Beschäftigte, arme Rentner*innen und Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen, ist die Aussicht auf Herbst und Winter äußerst düster. Viele Menschen fürchten, bald ganz ohne Heizung und Strom dazustehen oder am Ende des Monats hungern zu müssen. Die bisher von der Bundesregierung geplanten Entlastungen ändern daran wenig, sie sind völlig unzureichend. Den größten Anteil beim jüngsten Entlastungspaket hat zudem die geplante Steuerentlastung, von der der Chefarzt achtmal so stark profitiert wie die Kassiererin. Wir fordern eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung. Das geplante „Bürgergeld“ setzt trotz kleiner Verbesserungen Hartz IV als System der Verarmung und der Angst weiter fort. Daran ändert auch die zum 1.1.2023 angekündigte Anpassung der Regelsätze an die Inflation der letzten Monate wenig. 502 statt 449 Euro für eine alleinstehende Person sollen die Menschen in der Grundsicherung über den Monat bringen. Doch das ist bei weitem nicht genug. Die Anpassung kommt viel zu spät und geht von einem kleingerechneten Ausgangswert aus, der schon jetzt nicht zum Leben reicht…“ Pressemitteilung des Bündnisses „AufRecht bestehen“ vom 11.10.2022 externer Link (docx)

  • Sozialneid nach unten. Medien spielen unrühmliche Rolle. Warum sich für Leistungsempfänger die Lage sogar verschlechtern könnte 
    „Armut ist nicht ansteckend, davon Betroffene werden in einer so wohlhabenden, wenn nicht reichen Gesellschaft wie der unseren dennoch oft wie Aussätzige behandelt. Von großen Teilen der Mehrheitsbevölkerung verachtet und von den Massenmedien verächtlich gemacht zu werden, trifft sie manchmal härter, als wenig Geld zu haben, und ist mitverantwortlich für ihre gesundheitlichen, psychischen und Suchtprobleme. Besonders häufig instrumentalisieren die Boulevardpresse und private Fernsehsender das Thema „Sozialmissbrauch“, um die Transferleistungsbezieher in Verruf zu bringen. (…) Seit die Ampel-Koalition ihr „Bürgergeld“, mit dem sie Hartz IV am 1. Januar 2023 ablösen will, auf den parlamentarischen Instanzenweg gebracht hat, geistert erneut das Gespenst paradiesischer Zustände für Sozialleistungsbezieher:innen durch die (Medien-)Öffentlichkeit der Bundesrepublik. (…) So etwas wie Hartz IV light ist das Bürgergeld nur für materiell relativ gut gestellte und hoch qualifizierte Transferleistungsbezieher:innen, aber nicht für Menschen, denen man gemeinhin Faulheit oder Sozialbetrug unterstellt. Hartz-IV-Abhängige im Langzeit- oder Dauerbezug, also die vermeintlich Arbeitsscheuen, haben von der Bürgergeld-Reform am wenigsten. (…) Für die „Laufkundschaft“ der Jobcenter, also Menschen, die aufgrund ihrer Qualifikation oder nach einer beruflichen Weiterbildung leicht vermittelbar sind und das Grundsicherungssystem schnell wieder verlassen, stellt das Bürgergeld gleichfalls so etwas wie Hartz IV light dar. (…) Die beim Bürgergeld steigenden, früher „Regelsätze“ genannten Regelbedarfe basieren nicht etwa auf besonderer Großzügigkeit der Ampel-Koalition, sondern auf der vom Bundesverfassungsgericht geforderten zeitnahen Anpassung der Regelbedarfe an die Inflation, bleiben aber hinter anderen Vorgaben der Karlsruher Richter:innen zurück, die eine Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums sowie ein transparentes, sachgerechtes und schlüssiges Verfahren zur Ermittlung der Regelbedarfe gefordert hat. Sanktionen werden – einem anderen Urteil dieses Gerichts folgend – bei Pflichtverletzungen auf den Abzug vom 30 Prozent des Regelbedarfs begrenzt. Trotzdem gibt es beim Bürgergeld wieder härtere Strafen, als sie das derzeitige Sanktionsmoratorium erlaubt. Dieses beschränkt sich nämlich auf einen zehnprozentigen Abzug von der Regelleistung bei Meldeversäumnissen. Weder bei Hartz IV, noch beim Bürgergeld gilt ein Berufs- und Qualifikationsschutz. Leistungsbezieher:innen dürfen kein Jobangebot ausschlagen, ganz egal, welche Ausbildung oder welches Studium sie abgeschlossen und welchen Beruf sie vielleicht jahrzehntelang ausgeübt haben. Die strengen Zumutbarkeitsregeln bleiben gleichfalls erhalten: Leistungsbezieher:innen müssen auch künftig Jobs annehmen, die weder nach Tarif noch ortsüblich entlohnt werden. Man kann im Hinblick auf das Bürgergeld nicht von einem neuen oder gar neuartigen Leistungssystem sprechen, weil zwar mehr prozedurale Fairness praktiziert, allerdings keine Lohnersatzleistung nach Art der mit Hartz IV abgeschafften Arbeitslosenhilfe eingeführt wird. Trotz seines wohlklingenden Namens ist auch das Bürgergeld als Lohnergänzungsleistung konzipiert, folglich nicht dazu gedacht, den laufenden Lebensunterhalt seiner Bezieher:innen und ihrer Familien auf einem akzeptablen Niveau zu sichern.“ Beitrag von Christoph Butterwegge vom 28. September 2022 bei Telepolis externer Link – Ja, wie wär es mit einem BGE? Das wäre nämlich keine „Lohnersatzleistung“ mehr…
  • Hartz IV Nachfolge: Bürgergeld soll 502 Euro betragen – Regelsatz 2023 in Übersicht 
    Regelsatz 2023 in ÜbersichtHartz IV wird zum 01.01.2023 durch das Bürgergeld ersetzt. Einen genauen Betrag hatte man in den vergangenen Wochen für den Eck-.Regelsatz nicht genannt und dabei auf das neue Gesetz verwiesen. Nun liegt ein neuer Gesetzesentwurf vor, der auch konkrete Beträge für das Bürgergeld vorsieht. Diese Zahlen hatte eine Ministeriumssprecherin bestätigt, verwies aber noch auf die laufende Ressortabstimmung innerhalb der Ampel-Regierung. (…) Rein rechnerisch entspricht das Plus von 53 Euro einem Anstieg um 11,8 Prozent. Das klingt nach einem satten Aufschlag. Unter dem Strich bleibt davon aber wenig über, weil allein schon der Strom massiv teurer geworden ist. Damit wird der „schlechte Witz“ wahr, von dem Ulrich Schneider (Paritätischer Wohlfahrtsverband) nach der Vorstellung des Entlastungspakets gesprochen hatte. Die 53 Euro mehr glichen – wenn überhaupt – nur die Inflation aus. Damit sei das Bürgergeld keine „soziale, innovative Errungenschaft“. Nötig wären fast 700 Euro…“ Beitrag von André Maßmann vom 26. September 2022 bei hartziv.org externer Link mit dem neuen Tortendiagramm. Siehe auch

  • #Bürgerhartz: Mit 50 Euro, „mehr Respekt und mehr Achtung“ (Heil) in die Sanktionen nach der »Vertrauenszeit«
    • Wesentliche Änderungen im Bürgerhartz-Gesetz der Regierungsentwurf
      Die Bundesregierung hat nun ihren Gesetzesentwurf zum Bürgergeldgesetz verabschiedet. Da dies aber weiterhin Armut per Gesetz bedeutet, ist es nur richtig und konsequent das sog. Bürgergeld treffend Bürgerhartz zu nennen. Den Regierungsentwurf gibt es hier: https://t1p.de/4grm6 externer Link. Ich habe mal die wesentlichen Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf zusammengefasst:

      1. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 11 c) (Seite 14): Einführung einer weiteren Stufe bei den Erwerbstätigenfreibeträgen, für den Bereich von 520 EUR auf 1000 EUR nunmehr 30 % Erwerbstätigenfreibetrag, vorher 20 % (Praxis: max. 48 € anrechenbares Einkommen mehr als vorher)
      2. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 12 (Seite 14): nur noch ein „angemessenes“ Kfz geschont, vorher jedes Kfz. (Praxis: bedeutet weiterhin Kfz im Wert von 7.500 €, so wie im alten Recht)
      3. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 13 (Seite 16): Aufgabe der Zwangsverrentung nur bis zum 31.Dez. 2026, danach wieder wie jetzt. Im Referentenentwurf stand die Aufgabe jeder Zwangsverrentung ohne Laufzeit
      4. Änderung SGB II: Art. 1 Nr. 23 (Seite 21): Minderung bei erster Pflichtverletzung um 20 %, bei weiterer Pflichtverletzung um 30 %, insgesamt aber nicht höher als 30%.
      5. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 36 (Seite 23): Streichung der ursprünglich geplanten Sippenhaftgemeinschaft bei fehlender Mitwirkung anderer BG-Mitglieder (im Referentenentwurf unter Art. 1 Nr. 37 b), wegen offensichtlicher Verfassungswidrigkeit.
      6. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 38 (Seite 23): Begrenzung der Aufrechnung von 30 % auf 20 %, wenn eine Aufrechnung aus § 42a und 43 SGB II kombiniert wird. Vorher waren hier 30 % möglich
      7. Änderung SGB II/SG B XII: Art 5 Nr. 5 + 15 (Seite 33/38 ff): Regelungen zur Fortschreibung der Regelbedarfe und Höhe der Regelleistungen und Festsetzung des persönlichen Schulbedarfes im Rahmen von BuT auf 116 € und 58 € = 174 € gesamt für das Jahr.
      8. Änderung SGB XII: Art 5 Nr. 6, Änderung im SGB XII in § 35 Abs. 5 SGB XII (Seite 35): Berücksichtigung von „Alter und Gesundheitszustand“ bei den KdU.
      9. Änderung SGB XII: Art 5 Nr. 13 a. (Seite 38): Ehrenamt und Übungsleitereinkünften als Jahrespauschalen, vorher Monatsbeträge

      Bewertung: Insgesamt sind das lediglich kleine Änderungen, hier wäre nach der Kritik der Wohlfahrtsverbände von der Regierung mehr zu erwarten gewesen! Bei der Anpassung der Regelleistungen wurde lediglich der Inflationsausgleich berücksichtigt und das erst ab Januar 2023. Die Kosten sind aber schon seit Längerem immens gestiegen. Qualitativ bewegen sich die Änderungen nur auf dem Niveau, die Regelleistungen nicht offen verfassungswidrig werden zu lassen. Mit „mehr Respekt“ oder  „mehr Zusammenhalt“, wie Herr Heil das versucht in der Öffentlichkeit zu verkaufen haben diese Änderungen nichts zu tun.
      Was notwendig ist, dazu liegen Vorschläge zuhauf auf dem Tisch: Regelleistungen auf 678 € anheben, Herausnahme der Haushaltsenergie aus den Regelleistungen, Aufrechungs- und Kürzungsmoratorien in der Zeit der Krise. Die Ungleichbehandlung der Menschen im Bezug von SGB XII Leistungen gegenüber den im SGB II hat mitnichten etwas mit „mehr Respekt“ zu tun, es handelt sich hier vielmehr um massivste Alten-, Kranken- und Behindertendiskriminierung.“ Aus dem Thomé Newsletter 36/2022 vom 18.09.2022 externer Link, siehe auch:

    • Alle Infos zum Bürgergeld-Gesetz externer Link im Portal Sozialpolitik
    • Bürgergeld: Etikettenschwindel zulasten der Ärmsten?
      Ein Ende von „Hartz IV“ und eine große Reform verspricht die Bundesregierung mit der Einführung des neuen Bürgergeldes ab Januar 2023: mehr Würde, mehr Anerkennung, mehr Geld. Tatsächlich steigt der Satz für Alleinstehende um 53 Euro. Doch ist dies nur ein Inflationsausgleich und kommt lediglich einer Auflage des Bundesverfassungsgerichts nach, während die Betroffenen unter den hohen Preissteigerungen bei Strom und Lebensmitteln besonders zu leiden haben.“ Text und Video des Beitrags in der Sendung Monitor am 15.09.2022 externer Link
  • 500 Euro Bürgergeld – eine „signifikante Erhöhung über die Inflation hinaus“?
    Im Rahmen der Pressekonferenz zum dritten Entlastungspaket externer Link sagt der Grünen-Chef Omid Nouripour in Minute 22:52, dass es ein Bürgergeld in Höhe von ungefähr 500 Euro[2] geben werde und vor allem, dass es eine „signifikante Erhöhung über den Inflationsausgleich hinaus“ sei. Dann wollen wir mal rechnen:
    Seit Januar 2022 stiegen die Preise bis Juli um 6,188341 % (im Folgenden um 6,2%) Möchte ich den Regelsatz von 449 dementsprechend erhöhen, komme ich auf 476,838 Euro. Damit gäbe es eine signifikante Erhöhung von Bürgergeld zu Hartz 4 in Höhe von 23,16 Euro. (Nicht alles auf einmal ausgeben!)
    So oberflächlich betrachtet, könnten wir uns über das Wort signifikant streiten. Aber wenn wir uns die Inflation und die Lebensrealität der Leistungsbeziehenden ansehen, müssen wir zu anderen Schlüssen kommen: Für SGB-II-Beziehende sind aktuell 155,82 Euro monatlich für Lebensmittel veranschlagt. Gehen wir davon aus, dass das Bürgergeld von 500 Euro monatlich genauso aufgeteilt ist wie Hartz-4, kommen wir bei 173,50 Euro für Lebensmittel raus. Diese Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sind seit Jahresbeginn bis Juli um 10,72% gestiegen. Bei den Lebensmitteln gibt es also eine 57,84% höhere Steigerung als bei allen Gütern. Damit steht der Inflation bei Nahrungsmitteln seit Jahresbeginn von 10,72% eine Regelsatzerhöhung Anfang nächsten Jahres von 11,35% entgegen. (…) Das Bürgergeld soll zu Beginn 2023 kommen. Hier wurde immer mit den Inflationswerten aus Juli 2022 gerechnet. Wie stark die Preise weiter steigen ist unklar, aber angesichts höherer Energiekosten, die nahezu jedes Produkt betreffen, ist von einer weiteren Steigung auszugehen. Bis 2023 ist es also möglich, dass es sich nicht einmal mehr um einen Inflationsausgleich handelt…“ Bewertung von Bastian Wessels am 05.09.2022 bei Tacheles externer Link
  • „AufRecht bestehen“ zum Gesetzesentwurf –  50 Euro ein Hohn! „Bürgergeld: Für eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung
    Das bundesweite Bündnis „AufRecht bestehen“ widerspricht der Darstellung der Bundesregierung, mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zum „Bürgergeld“ Hartz IV zu überwinden. Hartz IV bedeutet für viele Menschen Armut, Ausgrenzung und Angst sowie einen verschärften Druck auf die Löhne. Durch massive Preissteigerungen in wesentlichen Bereichen der existenziellen Grundversorgung, wie z. B. bei Energie und Lebensmitteln, wird eine tatsächliche Überwindung von Hartz IV dringlicher denn je, damit nicht noch größere Teile der Bevölkerung weiter verarmen. Das Bündnis begrüßt, dass die Wohnkosten (inklusive Heizkosten) in tatsächlicher Höhe übernommen werden sollen. Es darf jedoch keine Befristung geben. Auch Kautionen bzw. Genossenschaftsanteile gehören zu den Wohnkosten und müssen ohne Leistungskürzungen übernommen werden. Wenn es sich aber beim geplanten „Bürgergeld“ nicht bloß um eine Namensänderung mit einigen Verbesserungen handeln soll, müssen folgende Grundvoraussetzungen erfüllt werden…“ Stellungnahme vom 19.08.2022 externer Link

  • [DGB: „der silberne Streif am Horizont] Bürgergeld: Soziale Sicherheit in Krisenzeiten
    „Zur Kritik des Hauptgeschäftsführers der BDA Steffen Kampeter am geplanten Bürgergeld sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, am Mittwoch in Berlin: „Wer in der Krise mehr soziale Sicherheit ablehnt, sitzt im Elfenbeinturm ganz weit oben und dem ist offenbar der soziale Frieden in Deutschland vollkommen egal. Der Gesetzentwurf aus dem Arbeitsministerium ist für Millionen Menschen in Deutschland der silberne Streif am Horizont: Das Bürgergeld könnte das Ende ihrer fest zementierten Armut bedeuten. Die vorgestellten Eckpunkte wecken Hoffnung, dass das alte Hartz-IV-Unwesen damit weitgehend zu überwinden ist. Wer seine Arbeit verliert, muss mit dem Bürgergeld deutlich weniger Angst vor sozialem Abstieg haben: Ersparnisse wären besser geschützt und Wohnkosten würden voll erstattet. (…) Menschen in Armut zu lassen sorgt auch nicht für mehr Fachkräfte, das dürfte auch Herrn Kampeter klar sein. Für mehr Fachkräfte sorgen hingegen gute, tarifliche Löhne, gute Arbeitsbedingungen, mehr Aus- und Weiterbildung, und die bessere Vereinbarkeit von Leben, Familie und Arbeit. Mehr junge Menschen brauchen passgenaue Ausbildungsplätze. Wer im Berufsleben steht, benötigt Weiterbildung und Qualifizierung, um fit für sich verändernde Arbeitswelten zu werden. Der DGB fordert deshalb seit Jahren ein Recht auf Weiterbildung. Fachkräftepotential gibt es übrigens auch unter Älteren und Frauen. Viele Frauen hängen aber in Minijobs fest. Was dem Bürgergeld-Entwurf noch fehlt, ist ein neues Verfahren zur gerechteren Herleitung der Regelsätze für eine spürbare Erhöhung. Hier muss die Koalition sich zügig verständigen. Anderenfalls bleibt ein handwerklicher Fehler des alten Hartz-IV-Systems unrepariert, der schlimme Folgen hatte – das künftige Leistungsniveau des Bürgergelds muss wirksam vor Armut schützen und soziale Teilhabe bieten.“ DGB-Pressemitteilung vom 24. August 2022 externer Link
  • „… sonst ändert sich nix!“ – Hartz IV heißt bald Bürgergeld, aber die Vergötzung der Arbeit wird fortgesetzt
    „Wir sind es, die expandierenden Arbeitslosen, Unterbeschäftigten und prekär Beschäftigten von Basta! Der Erwerbsloseninitiative aus Berlin. Dieses Mal treibt uns die Sorge um, dass schon lange nicht alle Leute jeden Tag zu essen haben. Grund genug, sich die „Reformvorhaben“ der Bundesregierung im Bereich Grundsicherung genauer anzuschauen. Zwei Veränderungen wurden hier großspurig angekündigt: Ein Bürgergeld soll Hartz IV ersetzen und eine Kindergrundsicherung eingeführt werden. Das Bürgergeld wird kommen, wie auch immer. In der Kabinettsvorlage für den Haushalt 2023 sind für das ALG II und die Kosten der Unterkunft/Heizung insgesamt 31,3 Mrd. Euro angesetzt. Doch die Kindergrundsicherung zur Bekämpfung von Kinderarmut kostet die Regierung offensichtlich zu viel. So deutet Familienministerin Lisa Paus bereits an: „Mein Zeitplan ist ehrgeizig, sieht eine Auszahlung aber frühestens 2025 vor.“ (taz, 16. Juni 2022). (…) Denn sowohl für die Berliner Regierung als auch in der Zielvereinbarung von Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Bundesagentur für Arbeit 2022 steht fest, dass gesellschaftliche Teilhabe nur durch Lohnarbeit erreicht werden kann. Teil der Gesellschaft zu sein und Teilnehmen an Gesellschaft setze Eigenverantwortung (in der ‚alten‘ Sozialhilfe: „Hilfe zur Selbsthilfe“) voraus, die aber wiederum nur eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt kennt. Dazu werden weiterhin Maßnahmen wie 1-Euro-Jobs, Coaching und das Ehrenamt angeboten. Ein individuelles Recht, Arbeitsangebote und Maßnahmen abzulehnen, besteht auch künftig nicht. Erreicht werden soll, wie es etwa der „Qualifizierungsplan 2022 der Berliner Agentur für Arbeit“ exemplarisch formuliert, dass „der Arbeitskräftebedarf der Unternehmen bedient“ wird ‒ unter anderem des Flughafens Berlin-Brandenburg, der Produktionsstätte von Tesla in Grünheide und „im unteren Qualifikationsbereich der Betreuungsassistenz und der Pflegehilfe“. Es sind die Parteien der Agenda 2010 ‒ SPD und Grüne ‒, die nun aus Hartz IV, dem Unerträglichen, das Bürgergeld, die Schweinerei, machen werden. Beide Parteien haben ein Interesse, Hartz IV „offiziell“ zu beenden. Denn es wird von sehr vielen Leuten gleichgesetzt mit sozialem Abstieg, Demütigung, Armut und Zwang. Die Agenda 2010 war ein Paradigmenwechsel für die SPD, ein Weg hin zum schlanken Staat und zum Ausbau des europaweit größten Niedriglohnsektors. Diesen Niedriglohnsektor weiter auszubauen ist wohl gemeinsames Bestreben von SPD, FDP und Grünen. (…) Jobcenter bleiben also Orte, in denen minimale demokratische Gepflogenheiten und Regeln nicht gültig sind. Hartz IV muss weg.“ Kommentar von Basta! Berlin am 28. August 2022 dokumentiert beim gewerkschaftsforum.de externer Link
  • Tacheles-Stellungnahme zum Bürgergeldgesetz 
    Vorab möchten wir klarstellen, dass es unverzüglich zu einer Erhöhung in den Regelbedarfen und/oder sonstigen Lösungen angesichts der Preis- und Energiepreissteigerungen kommen muss! Mit den jetzigen Regelbedarfen ist ein menschenwürdiges Leben nicht mehr sicherstellbar. Sie waren schon seit Langem zu gering, wurden extra kleingerechnet. In der Inflations- und Energiekrise sind sie das erst recht. Insbesondere für die Menschen, die schon länger im  Sozialleistungsbezug sind, seien es die Alleinerziehenden, die Pflegenden oder die Menschen, die aufgrund gesundheitlicher oder sonstiger Einschränkungenschon seit Jahren SGB II-/SGB XII- oder AsylbLG – Leistungen erhalten und ein „Lebenslang“ dieser Leistungen vor sich haben. Denn diese Menschen haben schon lange keinerlei Reserven mehr. Die Vorschläge des Paritätischen zur Höhe der Regelbedarfe  erscheinen aus unserer Sicht geeignet. Wir bekommen in unserer Beratung und Arbeit die Lebenslage der Menschen, die SGB II-, SGB XII oder AsylbLG – Leistungen beziehen, mit. Wir erleben täglich die unmittelbare Not der sozialleistungsbeziehenden Menschen und können nur sagen: das Geld reicht nicht. Die Regelleistungen decken nicht im Geringsten die gestiegenen Kosten. Mit größter Sorge schauen wir auch auf die explodierenden Strompreise. Strom war für Sozialleistungsbeziehende schon vor dem Krieg in der Ukraine nicht bezahlbar und ist es jetzt erst recht nicht. Am 16.02.2022 hatte die LAG aller Jobcenter in NRW bereits einen Hilferuf in einem offenen Brief an Arbeitsminister Heil herausgegeben und aufgrund der enormen Preissteigerung vor einer „Energiekrise ungeahnten Ausmaßes“ gewarnt. Die LAG weist in ihrer Sorge auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hin, nach der der Gesetzgeber aufgefordert ist, bei massiven Preissteigerungen die Regelbedarfe auch außerhalb der turnusmäßigen Anhebung der Regelbedarfe anzupassen hat (BVerfG vom 23.07.2014, 1 BvL10/12, unter Rn. 144), dazu müssen und wollen wir ebenfalls auffordern. Konkret bedeutet das, dass es einen laufenden Sofortzuschlag von mind. 100 EUR pro Monat geben muss, um überhaupt die Preissteigerungen kompensieren zu können. Dauerhaft muss der Regelsatz dann weiter angepasst werden. Das bedeutet weiter, dass alle Regeln, die zur Kürzung bzw. Nicht-Auszahlung der vollen Regelleistungen führen, sofort auszusetzen sind. (…) Hier ist der Gesetzgeber gefragt, jetzt und sofort aktiv zu werden. Wo und wie führen wir in den einzelnen Punkten unserer Stellungnahme aus.
    Soweit dies in der kurzen Zeit der Möglichkeit zur Stellungnahme für uns als Klein-NGO möglich war, haben wir diese Punkte begründet und auch konkrete Änderungen vorgeschlagen. Unsere Änderungsvorschläge arbeiten wir immer an den jeweiligen Stellen in der Reihenfolge des Gesetzes ein. Auch sind wir regelrecht erschrocken darüber, dass es im SGB XII nicht zu relevanten Änderungen kommen soll. Daher haben wir uns insbesondere mit dem Bereich der dringend notwendigen Änderungen im SGB XII beschäftigt. Vieles ist nur eine Angleichung an die Regelungen im SGB II. Das dies von einer NGO kommen muss und nicht vom Ministerium, ist nicht nachvollziehbar…“ Die Tacheles-Stellungnahme vom 22.8.2022 externer Link
  • Bürgergeld statt Hartz IV: Das steht im Gesetzesentwurf 
    Der Bundesarbeitsminister Hubertus Scholz (SPD) hat begräftigt, dass das “neue” Bürgergeld zum Jahreswechsel 2023 umgesetzt wird. Damit solle die Ära “Hartz IV” enden. Ein erster Gesetzes-Referentenentwurf externer Link wurde nun veröffentlicht. Zu den Regelleistungen schweigt sich der Entwurf weiterhin aus. Vorweg: Einige Vorhaben sind in dem Gesetzesentwurf zu begrüßen, anderes bleibt wie es ist. Eines steht allerdings jetzt schon fest: An den Sanktionen will auch die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP festhalten. Zu den Regelleistungen schweigt sich der Entwurf aus…“ Überblick von Jan Heinemann vom 09.08.2022 bei gegen-hartz.de externer Link – siehe auch das Bürgergeld-Gesetz externer Link im Portal Sozialpolitik
  • Eckpunkte der Bürgergeldreform und erste – zwiespältige – Bewertungen: Höhe der Regelsätze zentral, aber ausgeklammert

    • Eckpunkte der Bürgergeldreform am 20.07.2022 bei Tacheles externer Link
    • Diakonie: Bürgergeld kein großer Wurf, aber ein Schritt in die richtige Richtung
      Bei den heute von Hubertus Heil vorgestellten Plänen zum Bürgergeld sind die zentralen Probleme noch nicht gelöst. (…) „Bei den Plänen für das Bürgergeld wurde die zentrale Frage nach der Höhe der Regelsätze ausgeklammert. Nach Berechnungen der Diakonie ist der Regelsatz für Alleinlebende schon ohne die Inflation um mindestens 180 Euro zu niedrig. Die unzureichenden Sozialleistungen bereiten den Menschen Sorgen, ohne eine Erhöhung geraten sie in existenzbedrohende Notlagen. Hier muss die Bundesregierung dringend nachbessern. Trotzdem ist das geplante Bürgergeld ein Schritt in die richtige Richtung. Wir begrüßen, dass Langzeitarbeitslose besser unterstützt werden, indem der Vermittlungsvorrang wegfällt und sie nicht mehr gezwungen werden, jede Arbeitsstelle anzunehmen. Auch das begleitende aufsuchende Coaching für die Arbeitsuchenden ist sinnvoll.““ Meldung vom 20. Juli 2022 externer Link
    • Erhöhung Hartz IV: Paritätischer unterstützt Vorstoß von Hubertus Heil zur Neuberechnung der Regelsätze
      Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müsste eine armutsfeste Grundsicherung derzeit mindestens 678 Euro betragen. Als richtig und überfällig bewertet der Paritätische Wohlfahrtsverband die Pläne von Bundessozialminister Hubertus Heil, die Berechnung der Regelsätze in der Grundsicherung zu reformieren, die Leistungen deutlich anzuheben und Kaufkraftverluste künftig verlässlich auszugleichen. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müsste eine armutsfeste Grundsicherung derzeit mindestens 678 Euro betragen und damit um 50 Prozent höher liegen als die geltenden Regelsätze. Angesichts der akuten Kaufkraftverluste durch die Inflation fordert der Verband sofortige finanzielle monatliche Zuschüsse für Grundsicherungsbeziehende, bis die Leistungen neu geregelt sind…“ Pressemitteilung vom 15. Juli 2022 externer Link
    • Anmerkungen zu den Bürgergeldreformen an Politik und Betroffene
      Ich kann und möchte mir ein paar Anmerkungen zur Bürgergeldreform nicht verkneifen. Natürlich sind viele Regelungen in die richtige Richtung gehend. Tatsächlich befindet sich das Arbeitslosensicherungssystem mit der Abschaffung des Vermittlungsvorranges zur Förderung der Aus- und Weiterbildung im Umbruch, vom Überfordern zum Fördern. Bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts waren noch 100 % Sanktionen bis zur absoluten Existenzvernichtung möglich, derzeit haben wir das Sanktionsmoratorium, später dann Sanktionen, die, im Verhältnis zu vorher, moderater sind. Aber es soll noch Sanktionen geben und die Regelleistungen absolut unzureichend bleiben. Millionen von Menschen, wie die Hartz IV-Beziehenden, die Altersrentner*innen und die Geflüchteten können ihre Existenz durch Inflation und Preissteigerungen nicht mehr sicherstellen. Wir haben eine Situation die offen verfassungswidrig ist (…) Diese Situation ist nicht ausreichend mit der Einmalzahlung abgedeckt, hier muss jetzt deutlich mehr passieren. Politik und Verwaltung wissen, dass die Musterverfahren vom VDK und SOVD zum BVerfG Jahre dauern bis sie zur Entscheidung gebracht werden. Es nützt jetzt und in den nächsten Monaten den Menschen nichts, wenn das BVerfG in im besten Fall zwei Jahren feststellt, dass die Hilfepakete zu gering und verfassungswidrig waren. Sollte die FDP weiter blocken, könnten trotzdem jetzt sofort verschiedene Punkte getan werden. Diese voran stellen möchte ich aber die konkrete Forderung um Anhebung der Regelleistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens um 200 EUR monatlich!…“ aus dem Thomé Newsletter 28/2022 vom 24.07.2022 externer Link mit weitergehenden Forderungen
    • Bürgergeld: Ist bald Schluss mit Hartz IV? DGB begrüßt Pläne des Bundesarbeitsministers
      Als neue Grundsicherung will die Ampel das sogenannte Bürgergeld einführen. Die von Bundesarbeitsminister Heil vorgestellten Pläne könnten bei richtiger Umsetzung zum arbeitsmarktpolitischen Quantensprung werden – vorausgesetzt die Regelsätze werden erhöht. „Die von Hubertus Heil vorgestellten Eckpunkte zum Bürgergeld haben das Zeug, dass alte Hartz-IV-System weitgehend zu überwinden. Wer seine Arbeit verliert, ist substanziell besser abgesichert und muss mit dem Bürgergeld keine großen Ängste mehr vor sozialem Abstieg haben: Ersparnisse werden besser geschützt und Wohnkosten voll erstattet,“ sagte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. Auch die neue kooperative Arbeitsweise der Jobcenter, bei der Integrationsziele und -schritte einvernehmlich ausgehandelt werden, könne bei richtiger Umsetzung zum arbeitsmarktpolitischen Quantensprung werden. „Die heute von vielen als Gängelung erlebte Betreuung durch die Jobcenter kann zugunsten von mehr Augenhöhe überwunden werden. Es erhöht auch die Chancen auf eine Arbeitsmarktintegration erheblich, wenn Teilnehmende vom Sinn einer Fördermaßnahme überzeugt und entsprechend motiviert sind,“ kommentiert Fahimi. „Ein neues Verfahren zur verbesserten Herleitung und deutlichen Erhöhung der Regelsätze muss noch konkretisiert werden. Ohne Regelsatzerhöhung bliebe die Reform halbherzig und verlöre den Charakter eines Fortschrittsprojekts. Notwendig ist ein reales Plus über den Inflationsausgleich hinaus…“ DGB-Meldung vom 21.07.2022 externer Link
    • Auf die Blockade durch FDP-Lindner gehen wir lieber nicht ein…
  • [Petition] Echtes Bürgergeld statt Bürger-Hartz! 
    „Sehr geehrter Herr Heil, die Bundesregierung will nach 17 Jahren endlich das hoch umstrittene ALG II (Hartz IV) reformieren. Es ist höchste Zeit! Aber aktuell sieht es so aus, als wenn die neue Reform “Bürgergeld” bloß Kosmetik an einem maroden System sein wird und die Probleme von Hartz IV im Kern nicht angeht. Denn: Sanktionen soll es weiterhin geben; durch sie kann der mickrige Regelsatz noch mehr gekürzt werden. Außerdem ist bisher keine Regelsatzerhöhung geplant. So bleibt das immense Machtungleichgewicht zwischen Mensch und Behörde bestehen und auch Bürgergeld heißt dann Armut per Gesetz. Ein neuer Name für die Erwerbslosenhilfe ist noch lange keine Lösung. Was wir brauchen, ist ein ECHTES Bürgergeld: Die Bürgergeldreform ist nach all den Jahren Ihre Möglichkeit, Millionen von Menschen endlich ein Leben in Würde zu ermöglichen. Dafür müssen die Sanktionen abgeschafft, der Regelsatz deutlich erhöht und die Wohn- und Energiekosten realistisch angepasst werden!…“ Petition von Sanktionsfrei e.V. vom Juli 2022 bei WeAct Campact externer Link
  • “Aus Raider wird Twix, sonst ändert sich Nix” – auf Grundsicherungsniveau. Ein Statement zum Bürgergeld der Arbeitslosen AG der FAU Heidelberg 
    „… Und dass sich abgesehen vom Namen substanziell wohl nichts Gravierendes ändern wird, tritt aus dem neuen Koalitionsvertrag leider deutlich zutage. Der Fokus liegt immer noch auf der Aktivierung für den Arbeitsmarkt, an Mitwirkungspflichten und folglich wird weiterhin an Sanktionen festgehalten, auch wenn diese bis zur geplanten Neuregelung des Gesetzes für ein Jahr ausgesetzt werden sollen. Das geplante Moratorium dürfte jedoch mehr dem Umstand geschuldet sein, dass die Vorgängerregierung nach dem Verfassungsgerichtsurteil von 2019 eine gesetzliche Neuregelung der Sanktionen bislang verschlafen hat, diese aktuell also rechtlich auf tönernen Füßen stehen. Wer hofft, dass die frischgebackene Ampelkoalition sich grundsätzlich von der menschenverachtenden Praktik verabschiedet, das ohnehin kleingerechnete Existenzminimum bei Ungehorsam zu beschneiden, könnte im nächsten Jahr negativ überrascht werden. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Zwang sich für schlecht bezahlte Jobs unter widrigen Arbeitsbedingungen zu bewerben oder an sinnlosen Beschäftigungsmaßnahmen teilzunehmen, fortbestehen bleibt. Nur die Details der Umsetzung werden sich dem Grundsatzurteil aus Karlsruhe anpassen.
    Auch am zu niedrigen Leistungssatz selbst, der seit Jahren an der Verfassungswidrigkeit entlang schlittert, wird sich nichts Grundsätzliches ändern. (…) Das Einzige, worauf sich Empfänger:innen zumindest etwas freuen können, ist die geplante Verbesserung für Zuverdienste. Mussten bislang alle Einkommen über 100 € mit den Regelleistungen verrechnet werden, sollen höhere Freibeträge und ihre Individualisierung innerhalb von Bedarfsgemeinschaften künftig einen Zuverdienst und somit die Annahme eines (Neben-)Jobs attraktiver machen. Doch auch wenn die geplante Erweiterung von Verdienstmöglichkeiten die akute Situation vieler Erwerbsloser verbessern könnte, bleibt die besorgniserregende Kehrseite einer breit angelegten Quasi-Subvention für niedrig entlohnte Jobs und irreguläre Beschäftigungsverhältnisse. Diese wird den seit der Einführung der Hartz-Reformen stetig wachsenden Anteil jener Beschäftigungen im Arbeitsmarkt zementieren, die für sich genommen keine Existenzsicherung gewährleisten können. Anders ausgedrückt, die Jobs, von denen man nicht leben kann, werden für immer mehr Menschen zur Regel, als dass sie die Ausnahme bilden würden. Ob es das ist, was Olaf Scholz und die SPD mit dem „Respekt“ gemeint haben, den die Menschen „verdienen“ würden? (…) Das Fazit fällt entsprechend ernüchternd aus. Die einzig vernünftige Reaktion auf diese „Reform“ lautet wie auch schon bei ihrer Vorgängerin Hartz IV: Widerstand und Solidarität mit allen Betroffenen! Gegen Leistungszwang, entfremdete Arbeit und Entsolidarisierung! Für wahre Berufsfreiheit, eine tatsächlich unantastbare Würde aller Menschen und das gute Leben für alle!…“ Beitrag von Simon ´Ekke´ Trimpin vom 5. Januar 2022 dei Direkte Aktion externer Link (Betrieb & Gesellschaft)Siehe dazu:
  • Unser Zitat zum Thema: „Aufstocker
    Jeder fünfte Leistungsbezieher geht inzwischen einer Erwerbstätigkeit nach, weil die Sozialleistungen zu gering sind. – Seit dem Regierungswechsel hat sich das radikal geändert: da heißen die  Leistungsbezieher jetzt Bürger.“ Aus: Deutsche Einheit(z)-Textdienst 1/22
  • „Beim Bürgergeld bleibt die Armut politisch gewollt“ 
    Der Sozialberater Ulrich Franz fürchtet im Interview von Elsa Koester am 5. Dezember 2021 in der Freitag 48/2021 externer Link, „dass die Ampel-Reform von Hartz IV reiner Etikettenschwindel ist. (…) Die Frage ist: Was ändert sich überhaupt konkret? Im Koalitionsvertrag ist vieles sehr nebulös formuliert. Aber kleinere Verbesserungen gibt es schon: In den ersten beiden Jahren sollen die Bürgergeld-Beziehenden weniger belastet werden, weil ihr Vermögen in dieser Zeit unangetastet bleibt und die Kosten der Wohnung, in der sie gerade leben, ohne Verfahren zur Kostensenkung übernommen werden. (…) Unklar ist ja: Wie werden die Sanktionen dann neu geregelt? Immerhin soll es bis dahin ein Moratorium geben, auch hier herrschte Verwirrung: Werden hier tatsächlich die Sanktionen bis zu 30 Prozent des Regelsatzes ausgesetzt, oder gilt das nur für die vom Bundesverfassungsgericht bemängelten Sanktionen der Wohnkosten? (…) Wenn es dabei bleibt, dass eine Sanktion droht, wenn eine Beziehende von Bürgergeld eine Maßnahme ablehnt, dann gibt es diese Augenhöhe, von der im Koalitionsvertrag die Rede ist, sowieso nicht. Das ist eines der Hauptprobleme von Hartz-IV-Beziehenden: dass sie zu der Person, die für sie verantwortlich ist, kein Vertrauen haben. Wenn es mir nicht gut geht, ich gerade durch den Wind bin, reagiert der Angestellte dann verständnisvoll – oder haut er mir die nächste Maßnahme rein? Lässt er mich für ein paar Tage wegfahren, oder zwingt er mich, zu Hause zu bleiben, aufgrund der Aufenthaltsanordnung? Diese Abhängigkeit von einem fremden Angestellten löst massive Ängste aus. (…) Die Erwerbslosen sind voll damit beschäftigt, ihren Alltag zu bewältigen! Die haben einen Regelsatz, mit dem sie sich kaum ernähren, geschweige denn am gesellschaftlichen oder politischen Leben teilhaben können. Man muss auch einfach sagen: Viele sind dafür schlicht viel zu müde! Durch die Kämpfe des Alltags. Und dennoch, es gibt immer wieder bundesweit dezentrale Aktionen von Erwerbslosen, die allerdings in den Medien wenig Niederschlag finden. (…) Es gibt viele Aufstocker, und auch durch die Pandemie mussten Kulturschaffende und andere Hartz IV beantragen. Die Angst, in Hartz IV steckenzubleiben, ist nach wie vor sehr groß. Die Bereitschaft, unter prekären Verhältnissen weiterzuarbeiten, bleibt daher ebenso groß. Hartz IV bleibt ein Damoklesschwert, auch wenn es Bürgergeld heißt – solange die Sanktionen und die niedrigen Regelsätze so bleiben, wie sie sind. Armut bleibt leider politisch gewollt.“
  • [Koalitionsverhandlungen] Keine Sanktionen bis Ende 2022 – Abschied von Hartz IV – jetzt kommt das Bürgergeld: Der Regelsatz beim neuen Bürgergeld steigt nicht stärker als geplant  
    „… Die Ampel-Koalition will die Sanktionen bei Hartz IV für die Dauer von einem Jahr aussetzen. Auf ein entsprechendes Moratorium verständigten sich die drei Parteien in den Koalitionsverhandlungen. Das Moratorium soll bis zur gesetzlichen Neuregelung der Sanktionen gelten, die das Bundesverfassungsgericht bis Ende 2022 verlangt hatte. Wer das neue Bürgergeld beantragt, kann außerdem vom Jobcenter nicht mehr so schnell zum Umzug gezwungen werden. „Wir gewähren in den ersten beiden Jahren des Bürgergeldbezugs die Leistung ohne Anrechnung des Vermögens und anerkennen die Angemessenheit der Wohnung“, heißt es im Koalitionsvertrag. Für die Zeit danach soll das Schonvermögen erhöht werden. Der Regelsatz wird allerdings nicht stärker angehoben: Es bleibt bei der Erhöhung um drei Euro zum Januar 2022 auf dann 449 Euro im Monat für einen alleinstehenden Erwachsenen. Es soll aber einen Bonus geben, wenn jemand an einer „der Eingliederung dienenden Förder- und Unterstützungsmaßnahme“ teilnimmt. Das kann beispielsweise eine Sucht- oder Schuldnerberatung sein. Eine konkrete Höhe beziffert der Koalitionsvertrag allerdings nicht. Wer eine Weiterbildung macht, erhält 150 Euro im Monat auf den Regelsatz drauf…“ Meldung vom 24. November 2021 beim Tagesspiegel online externer Link, siehe dazu:

    • Koalitionsvertrag: Bürgergeld bleibt Hartz IV
      Der Koalitionsvertrag der Ampel liegt auf dem Tisch. Das, was in Bezug auf die Grundsicherung darinsteht, ist in Teilen katastrophal. Das System „Hartz IV“ soll nun in Bürgergeld umbenannt werden. Die beiden für die AGENDA 2010 verantwortlichen Parteien möchten diesen Volksmundbegriff unbedingt in einen neuen neoliberal klingenden und wirkenden umfirmieren und sich so aus der Verantwortung stehlen. Allerdings Bürgergeld bleibt Hartz IV: denn es soll keine höheren Regelleistungen geben, die Sanktionen bleiben bestehen und es gibt keine Lösung zur Wohnkostenlücke…“ Bewertung im Thomé Newsletter 44/2021 vom 29.11.2021 externer Link
    • Bürgergeld statt Hartz IV – 15 Änderungen aus dem Koalitionsvertrag im Überblick
      Beitrag von Peter Piekarz vom 25. November 2021 bei hartziv.org externer Link
  • „Bürgergeld bleibt Hartz IV. Hartz IV ist erst dann abgeschafft, wenn die Sanktionen abgeschafft wurden“ (Harald Thomé hat Recht!) 
    • Drei Euro zum Verfressen – Quo vadis Hartz IV
      „„Wer arbeitet, muss was zu essen haben, wer nicht arbeitet, braucht nichts essen.“ Ich denke, es gibt nur wenige, die diesen Ausspruch des damaligen Arbeitsministers Franz Müntefering (SPD) von 2006 nicht kennen. In vielen Facetten zitiert, rückt er an die heutige Moderne heran, wenn ich die Erhöhung der Sozialleistung für 2022 in der Grundsicherung und bei Hartz IV um drei Euro bzw. bei Kindern und Jugendlichen um ganze zwei Euro betrachte. Damit erhält eine erwachsene alleinstehende Person nun 449 Euro monatlich. In Anbetracht der steigenden Inflation um rund vier Prozent haben das SPD geführte Finanzministerium und das Bundesarbeitsministerium offensichtlich den Matheunterricht geschwänzt. (…) Nun wird das Bundesarbeitsministerium dagegen argumentieren, dass – bedingt durch die Corona-Pandemie – die Mehrwertsteuer im letzten Jahr vorübergehend gesenkt wurde. Das ist korrekt. Dadurch sank der Wert des Warenkorbs, aus dem sich 70 Prozent des Bedarfs der Grundsicherungs-Regelsätze errechnet. Die restlichen 30 Prozent ergeben sich aus der Netto-Lohnentwicklung. Schön und gut, mag nun mancher denken. Allerdings kam im Nachhinein heraus, dass die Preisentwicklung und die Inflation von 3,8 Prozent des Sommers erst zu 2023 im Warenkorb berücksichtigt werden soll. Wie diese Differenz von den Betroffenen ausgeglichen werden soll: Den Ministerien scheint das egal zu sein. Und es soll ja Menschen geben, die es für richtig halten, dass Erwerbslose, Armuts-, und Erwerbsminderungsrentner:innen, die mit Grundsicherung ihre Rente aufstocken müssen, möglichst wenig Geld bekommen, um ihnen zu zeigen, dass sie Sozialschmarotzer sind. Dahinter steckt Menschenverachtung, Misstrauen und Hochmut. Die drei und die zwei Euro sind zunächst zementiert…“ Kommentar von Inge Hannemann vom 13. November 2021 beim gewerkschaftsforum.de externer Link
    • [Petition] “Bürgergeld” muss mehr sein als ein anderes Wort für Hartz IV! 
      „Unsere Forderung: Bei den Ampel-Sondierungen haben SPD, Grüne und FDP beschlossen, Hartz IV zu überwinden und stattdessen ein „Bürgergeld“ einzuführen. Doch die Gefahr ist groß, dass es sich dabei nur um einen Etikettenschwindel handelt und die eigentlichen Probleme bleiben: Sanktionen sollen nun „Mitwirkungspflichten“ genannt werden und so kann die niedrige Grundsicherung weiterhin für kleinste “Vergehen” gekürzt werden; das Machtungleichgewicht zwischen Mensch und Behörde wird dadurch zementiert. Auch mit einem neuen Namen reicht Hartz IV nicht für eine gesunde Ernährung, es reicht häufig auch nicht, um die Wohn- und Energiekosten zu decken und es reicht erst recht nicht für kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe. Auch rund 2 Mio. Kinder und Jugendliche leben so in Armut an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Werden Sie Ihrem Auftrag gerecht und sorgen dafür, dass Ihr Bürgergeld ein Leben in Würde ermöglicht und nicht bloß eine Umbenennung ist! Dafür gehören die Sanktionen abgeschafft, der Regelsatz spürbar erhöht und die Wohn- und Energiekosten müssen gedeckt sein…“ Petition vom Oktober 2021 bei WeAct! externer Link
    • Es geht ums Geld: Das Bürgergeld soll Hartz IV ersetzen. Trotz Streit um das soziale Kernversprechen der neuen Koalition zeichnet sich allmählich ab, was geplant ist 
      „… [Es] gibt im Moment zwei Arten von Antworten, wenn es um die wichtigen Themen geht. Die einen sind so verschwurbelt, dass man sie sehr genau interpretieren muss. Die anderen sind: vielsagendes Schweigen. Beim Bürgergeld, das Hartz IV ersetzen soll und ein soziales Kernversprechen der neuen Koalition ist, zeichnet sich aber in Umrissen ab, was geplant ist. (…) Klar ist: Das Ampelbündnis will die Sätze für das neue Bürgergeld anheben und die Sanktionen für Arbeitslose abschwächen. (…) Der Knackpunkt sind die Finanzen. (…) Eine ernst gemeinte Hartz-IV-Reform würde einen zweistelligen Milliardenbetrag im Jahr kosten. Der Paritätische Wohlfahrtsverband schätzte die jährlichen Kosten für einen armutsfesten Hartz-IV-Regelsatz 2020 auf 14,5 Milliarden Euro. (…) Ein höheres Bürgergeld würde aus zwei Gründen gut in die Systematik der Ampel passen. Erstens hat sich die Koalition in spe bereits auf einen Mindestlohn von 12 Euro verständigt. Ein höheres Existenzminimum wäre also möglich, ohne dass das sogenannte Lohnabstandsgebot verletzt würde. (…) Zweitens gibt es auch für die skeptische FDP ein gutes Argument, eine Regelsatzerhöhung mitzutragen. Das Existenzminimum, das das neue Bürgergeld markieren würde, darf nicht besteuert werden. Durch einen Aufschlag würde deshalb automatisch der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer angehoben. (…) Auch bei den Sanktionen für Arbeitslose wird es Veränderungen geben. (…) Im Sondierungspapier des Bündnisses steht, dass an den „Mitwirkungspflichten“ von Arbeitslosen festgehalten werde. Jene sind vielfältig, Arbeitslose müssen fürs Jobcenter erreichbar sein, ihre Vermögensverhältnisse offenlegen, Termine wahrnehmen und so weiter. Und: Was passiert, wenn die Pflichten nicht eingehalten werden, bleibt im Papier offen…“ Einschätzung von Ulrich Schulte vom 27. Oktober 2021 in der taz online externer Link
    • Hartz IV vor dem Ende? Transformation in alter Richtung, am Beispiel der SPD und der Grünen
      „Hartz IV, seit Jahren in der Kritik insbesondere durch Betroffenenorganisationen und Wohlfahrtsverbände, steht seit einiger Zeit auf der Veränderungsagenda von SPD und Grünen. (…) Ausgerechnet die beiden Parteien, die maßgeblich die Agenda 2010, inklusive der Hartz-Gesetze, formuliert und durchgesetzt haben, wenden sich nun von diesen Maßnahmen ab. Oder ist es möglicherweise gar keine Wendung, sondern nur ein Strategiewechsel mit differenzierteren Ergebnissen als bisher? (…) Man kann es aber auch anders ausdrücken: Die Grobarbeit ist getan, jetzt schauen wir, was wir angerichtet haben, und räumen auf, ohne grundlegend etwas zu verändern. Meine These lautet: im sozialpolitischen Bereich wird es, egal wer die Regierungsmehrheit bildet, keine wesentlichen Veränderungen geben. Und zwar aus zwei Gründen: weil die wirtschaftlich und politisch Verantwortlichen nicht wollen und weil sie nicht können! (…) Denn die Kleinrechnung des Existenzminimums hat nicht nur ideologische Gründe (du bist erst etwas wert, wenn du wieder in Erwerbsarbeit bist), sondern auch ökonomische. Unter kapitalistischen Bedingungen braucht es die klassische industrielle Reservearmee, eine variable Schicht von einsetzbaren Arbeitnehmer:innen, die zeitlich begrenzt in bestimmten wirtschaftlichen Situationen Tätigkeiten übernehmen können, für die es nur eine kurze Einarbeitungszeit benötigt. Ihr Einkommen liegt nur knapp über der Sozialhilfegrenze, sie tauchen als Leiharbeiter:innen auf, firmieren auch als Selbstständige, erhalten nicht selten noch ergänzende Grundsicherung und sind Teil­eines Wirtschafts­systems, das nicht auf sie verzichten kann. Zudem sei darauf hingewiesen, dass der Hartz IV-Satz den Freibetrag aller Einkommens­steuerzahler bestimmt (2021 beträgt dieser 9.744 Euro im Jahr). Das heißt, je geringer die Steigerung des Hartz IV-Satzes ausfällt, desto mehr Steuern für Arbeitende fallen an. Aufgrund stagnierender Nettolöhne in der Corona-Krise steigt der Hartz IV-Satz 2022 nur um wenige Euro. Es existiert somit auf der politischen Zielebene von vermehrten Steuereinnahmen staatlicherseits ein Interesse, den Regelsatz zu drücken. (…) Eine andere Idee, Sozialpolitik zu gestalten, weg von der Arbeitszentriertheit und der damit verbundenen Sinnhaftigkeit des Lebens, ist nicht gewollt und entspräche auch nicht den Grundsätzen kapitalistischer Notwendigkeiten. Armut wird gebraucht und eingesetzt, um soziale Ungleichheiten zu zementieren und die Solidarität zwischen Armen und Arbeitenden zu schwächen. Diesem scheinbar unaufhörlichen Kreislauf etwas entgegenzusetzen benötigt eine antikapitalistische Agenda, deren Kern eine egalitäre Forderung für alle, etwa in Form eines ausreichenden Existenzgeldes, enthalten muss.“ Beitrag von Harald Rein vom 22. Oktober 2021 beim gewerkschaftsforum.de externer Link
    • Bürgergeld: Abschaffung von Hartz IV oder Etikettenschwindel?
      „… Folgende neun Regelungen müssten zurückgenommen, abgeschafft oder geändert werden, um Hartz IV tatsächlich »hinter sich zu lassen«, was zumindest SPD und Bündnisgrüne versprechen. (…) Erstens wurde die Höchstbezugsdauer des Arbeitslosengeldes (ALG I) auf 18 Monate verringert. (…) Deshalb müssten die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes (ALG I) und die Rahmenfrist über die seit 1. Januar 2020 geltenden 30 Monate verlängert werden. Die Anwartschaftszeit von zwölf (bzw. unter bestimmten Voraussetzungen sechs Monaten) sollte verkürzt werden, um bei einer größeren Zahl der Erwerbslosen zu verhindern, dass sie direkt in Hartz IV rutschen. Zweitens forderte Gerhard Schröder in seiner Rede zur Agenda 2010 am 14. März 2003 eine » Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe«. (…) Will man nicht zurück zu einer Lohnersatzleistung wie der Arbeitslosenhilfe aus den Zeiten vor der Einführung von Hartz IV, kann man den Lebensstandard von Langzeiterwerbslosen auch durch ein im Extremfall bis zur Rente gezahltes Arbeitslosengeld (ALG I) sichern, dessen Höhe sich gleichfalls nach dem letzten Nettoentgelt richtet. Wie bei der früheren Anschluss-Arbeitslosenhilfe müssten im Prinzip all jene unbefristet anspruchsberechtigt sein, die nicht ein höheres Lebensalter, sondern nur eine bestimmte Mindestversicherungsdauer aufweisen. (…) Einerseits müssten die Regelbedarfe deutlich erhöht, andererseits jene Beihilfen wieder eingeführt werden, die bedürftige Eltern und ihre Kinder in besonderen Fällen unterstützen. (…) Viertens gibt es bei Hartz IV keinen Berufs- und Qualifikationsschutz mehr (…) Daher muss der Berufs- und Qualifikationsschutz wieder im Sozialgesetzbuch verankert werden. (…) Fünftens ist Hartz IV mit verschärften Zumutbarkeitsregeln für die Arbeitsaufnahme verbunden. (…) Die Zumutbarkeitsregelungen müssen deshalb entschärft werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Staat Hungerlöhne nicht länger subventioniert und die Kosten dafür sozialisiert. (…) Sanktionen sind nicht bloß inhuman, sondern auch kontraproduktiv, weshalb sie von den politisch Verantwortlichen beseitigt werden müssen. (…) Siebtens übernahm Hartz IV das aus der Weimarer Republik stammende Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft – damals hieß es noch » Familiennotgemeinschaft« – aus dem Fürsorgerecht. (…) Eine ausgeweitete Sippenhaft darf es nicht geben, weshalb die Bedarfsgemeinschaft aus dem Sozialgesetzbuch zu tilgen ist. (…) Achtens wurden mit den ersten Hartz-Gesetzen die Hürden der Bedürftigkeitsprüfung schrittweise erhöht, der sich alle Transferleistungsempfängerinnen und -empfänger unterziehen müssen. (…) Im Zuge der Covid-19-Pandemie wurde der Zugang zu Hartz IV erleichtert. (…) Dies erscheint [dauerhaft] zweckmäßig, obwohl davon eher besser situierte Leistungsberechtigte profitieren (…) Das Ziel muss eine soziale Grundsicherung sein, die den Namen im Unterschied zu Hartz IV wirklich verdient, weil sie allen Bedürftigen zugutekommt, aber auch armutsfest, bedarfsdeckend und repressionsfrei ist…“ Beitrag von Christoph Butterwegge vom 22. Oktober 2021 bei Jacobin externer Link – Etwas fragwürdig ist der letzte Satz des Beitrags, der lautet: „Schließlich sollte die soziale Mindestsicherung ohne Sanktionen auskommen, wenngleich eine moralische Verpflichtung fortbesteht, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit sicherzustellen, sofern man dazu gesundheitlich, psychisch und aufgrund seiner beruflichen Qualifikation in der Lage ist.“ Wirklich konsequent waren da nur Marx und Engels, die so etwas auch von denen forderten, die von der Ausbeutung der Arbeit anderer lebten.
    • Bürgergeld statt Hartz IV ist ein Etikettenschwindel“: Hartz IV wird nicht abgeschafft, so lange die Sanktionen nicht abgeschafft werden.“
      Im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP wurde die Abschaffung von Hartz IV angekündigt. Stattdessen soll es ein Bürgergeld geben. Ob die Nachricht für Erwerbslose wirklich so gut ist wie sie klingt, darüber haben wir mit Harald Thomé, Referent für Arbeitslosen- und Sozialhilferecht vom Verein Tacheles, gesprochen. Er kritisiert besonders die zu geringe Höhe der Leistungen und macht klar, dass u.a. auch an Asylbewerberleistungsgesetzempfänger*innen und SGB XII Empfänger*innen zu denken ist.“ Interview vom 21.10.21 bei Radio Dreyeckland externer Link Audio Datei
    • Wird Hartz IV abgeschafft? Das soll sich mit dem Bürgergeld ändern
      Die künftige Ampelkoaltion aus SPD, Grüne und FDP will Hartz IV abschaffen. Stattdessen soll ein Bürgergeld geschaffen werden. Sind wir nach Jahrzehnten am Ziel, eine sanktionfreie Grundsicherungerung oder gar ein bedingungsloses Grundeinkommen endlich durchgesetzt zu haben? Wir haben uns das Sondierungspapier zum Thema Sozialstaat genau angeschaut. Wir erinnern uns: Die Agenda 2010 und damit Hartz IV wurde durch die damaligen Koalition aus SPD und Grünen und mit den Stimmen der Union umgesetzt. Nun soll nach ersten Verlautbarungen Hartz IV durch ein sogenanntes Bürgergeld ersetzt werden. Aber was heißt das konkret? (…) Dürftig sind die Passagen durchaus. Ersteinmal ist nur zu lesen, was die künftige Bundesregierung nicht umsetzen will.
      Bürgergeld ist kein Grundeinkommen: Demnach will die Bundesregierung kein Grundeinkommen einführen. Das soll schon gar nicht “bedingungslos” sein. Denn das würde bedeuten, dass alle Bürger, ungeachtet ihres Einkommen, eine Grundversorgung erhalten, egal wie hoch ihr Einkommen ist. Aber auch ein bedarfsorientiertes Grundeinkommen, also ein Grundeinkommen, dass einen Betrag vorsieht, der für alle Berechtigten gezahlt wird, damit der Lebensunterhalt plus Wohnkosten ohne bürokratische Hürden bezahlt wird, ist augenscheinlich ebenfalls nicht vorgesehen. (…)  Regelleistungen plus extra berechnete Wohnkosten: Demnach sollen auch weiterhin die Wohnkosten von den pauschalen Regelleistungen abgekoppelt bleiben. Denn anders ergäbe die Ankündigung in dem Sondierungspapier keinen Sinn, man wolle die Corona-Sonderregelungen genau überprüfen, welche man davon behalten wolle. Wer also künftig ein Bürgergeld bezieht, muss auch weiterhin nachweisen, ob die Wohnungskosten “angemessen” sind. Das bedeutet, dass die Betroffenen auch weiterhin gezwungen werden, sich billige Wohnungen suchen zu müssen, die als “angemessen” gelten.
      Weiterhin aufwendige Überprüfung der Bedürftigkeit: Somit würden auch Bedürftgkeitsprüfungen nicht wegfallen. Jeder Antragsteller muss auch weiterhin nachweisen, wie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind. Die Leistungsberechtigten müssten dem Staat also alles offen legen, um nachzuweisen, dass eine Bedürftigkeit bestehe. Die Kontrolle, also die ständigen Überprüfungen, würden bei einem “Bürgergeld” keineswegs entfallen. (…)
      Kein Wort zu möglichen Erhöhungen der Regelleistungen. Stattdessen sind nur blumige Worte wie, das Bürgergeld wolle “zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen” und die “Würde des oder der Einzelnen achten” zu lesen. Demnach ist weiterhin nicht sicher, ob die Tricksereien bei der Bedarfsermittlung aufhören.
      Werden die Sanktionen abgeschafft? Zum zweiten Hauptkritikpunkt bei Hartz IV, den Sanktionen, wird sich sehr wahrscheinlich nichts ändern. Es steht ganz eindeutig geschrieben: “An Mitwirkungspflichten halten wir fest”. Man wolle lediglich prüfen, Bürokratie hierbei abzubauen. Wenn man also an den Mitwirkungspflichten festhalten will, kann das nur bedeuten, dass man an dem Instrument “Strafe” festhalten will. (…)
      Erwerbslose sollen noch immer an ihrer Erwerbslosigkeit selbst Schuld sein: Nicht anders als bei Hartz IV wird das Bürgergeld darauf ausgerichtet sein, die Bezieher und Bezieherinnen schnell wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Darauf weist auch folgender Satz hin: “Wir stehen für einen verlässlichen und aktivierenden Sozialstaat”. Demnach bleibt es bei der diskriminierenden Grundstoßrichtung, Erwerbslose seien selbst für ihrer Lage Schuld und müssten nur von außen “aktiviert” werden…“ Beitrag von Sebastian Bertram vom 17.10.2021 bei gegen-hartz.de externer Link, siehe auch:
    • Zur Ampelkoalition / Sondierungspapier von SPD, Grüne und FDP
      Die Ampel konstituiert sich, sie haben ein erstes Sondierungspapier externer Link rausgegeben, in dem die Ziele der neuen Ziele formuliert werden. Darin heißt es: „»Abschaffung« von Hartz IV. Anstelle der bisherigen Grundsicherung werden wir ein Bürgergeld einführen. Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein. Es soll Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellen.
      Während der Coronakrise galten großzügige Regelungen zu Schonvermögen und zur Überprüfung der Wohnungsgröße. Wir prüfen, welche dieser Regeln wir fortsetzen wollen. An Mitwirkungspflichten halten wir fest und prüfen, wie wir hier entbürokratisieren können. Die Zuverdienstmöglichkeiten wollen wir verbessern, mit dem Ziel, Anreize für Erwerbstätigkeit zu erhöhen“.
      Der Spiegel hat das ganz gut rausgearbeitet: Neues Bürgergeld: Die Ampel will Hartz IV abschaffen – oder doch nicht? externer Link
      Dazu ein paar Anmerkungen: Bürgergeld bleibt Hartz IV. Hartz IV ist erst dann abgeschafft, wenn die Sanktionen abgeschafft wurden. Alles andere ist Etikettenschwindel.  
      Nicht enthalten ist die Frage der Höhe der Regelbedarfe, diese müssen aus 1000 Gründen deutlich erhöht werden, für alle Leistungsbeziehenden. Besonders aber für die Menschen, die auf lange Sicht auf SGB II-/SGB XII- und AsylbLG-Leistungen angewiesen sind.  500.000 Haushalte bekommen alleine im SGB II nicht die vollen KdU, hier muss sich deutlich etwas ändern. Die Energiekosten gehen durch die Decke, diese müssen aus den Regelbedarfen rausgenommen und den KdU zugeordnet werden. Die Rückkehr in den Arbeitsmarkt muss wirklich im Mittelpunkt stehen und nicht die Erfüllung von „Integrationsquoten“ der Jobcenter und das Bedienen von Beschäftigungsträgern. Unter Achtung der Würde eines jeden Einzelnen fällt mir ein, das die Grundsätze des „Europäische Kodex für gute Verwaltungspraxis“ in Kombination der „Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern“ (AGO), in Verbindung einer drei wöchigen Genehmigungsfiktion eingeführt werden könnte.  Dann sind X Änderungen im SGB XII nötig: höhere Regelbedarfe, höheres Schonvermögen, höhere Anrechnungsfreibeträge bei Zuverdienst, Berücksichtigung von alters-, krankheits- und behindertenspezifischen Besonderheiten bei den Unterkunftskosten. Schaffung einer Anspruchsgrundlage für laufende und einmalige Bedarfe. Geplant ist ein „Neustart der Familienförderung und Kindergrundsicherung“. Dies ist gewiss erfreulich, hier wäre auf jeden Fall wünschenswert, dass das Kindergeld der Förderung der Familie zugutekommt und nicht im Sozialleistungsbezug wieder angerechnet wird. Die Ausbildungsförderungssysteme und das BAföG sollen reformiert werden, auch ein gutes Vorhaben, der erste Schritt sollte sein, deutliche Änderungen an den Anspruchsvorraussetzungen und eine deutliche Erhöhung vorzunehmen. Das sind ein paar spontan rausgegriffene notwendige Änderungen. Hier hat die Ampelkoalition einiges zu tun, um ihre Versprechungen aus dem Sondierungspapier umzusetzen…“ Aus dem Thomé Newsletter 38/2021 vom 17.10.2021 externer Link
  • [Gesetzentwurf zur Reform des SGB II] Hartz IV-Pläne: DGB unterstützt „sozialpolitischen Meilenstein“
    Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann begrüßt Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), das Hartz IV-System zu reformieren. Laut einem Gesetzentwurf soll Vermögen von Hartz IV-BezieherInnen bis 60.000 Euro nicht angerechnet werden. Mehr als 15 Jahre nach Inkrafttreten will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) das Hartz IV-System reformieren. In einem entsprechenden Gesetzentwurf schlägt Heil unter anderem vor, dass Vermögen bis zu 60.000 Euro nicht auf die Leistungen angerechnet werden. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagt dazu: „Das ist ein sozialpolitischer Meilenstein. Damit kann der jahrelang schwelende Konflikt um das Hartz-IV-System, das von vielen als diskriminierend erlebt wird, endlich entschärft werden.“ (…) „Diese wichtige Sozialstaatsreform muss zügig umgesetzt werden. Denn die erwerbslosen und einkommensschwachen Menschen, die heute Hartz IV beziehen müssen, sind dringend auf die geplanten Verbesserungen angewiesen.“ Mit den Reformplänen würden die richtigen Lehren aus der Corona-Krise gezogen. „Die befristeten Sonderregelungen, die den Zugang zu Leistungen deutlich einfacher gemacht und die Stigmatisierungen deutlich abgemildert haben, sollen nun verstetigt und verallgemeinert werden“, so Hoffmann…“ DGB-Meldung vom 11.01.2021 externer Link
  • Heil plant halbe Milliarde Euro für Hartz-IV-Reform
    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil reagiert mit der weitreichenden Reform auch auf ein Bundesverfassungsurteil. Die Hartz-IV-Leistungskürzungen seinen teilweise verfassungswidrig. Mehr als 15 Jahre nach Inkrafttreten der Hartz-IV-Reform will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Regeln für Langzeitarbeitslose mit einem Gesetz deutlich entschärfen. So sollen den Beziehern der Grundsicherung künftig keine außergewöhnlichen Härten mehr durch Sanktionen bei Pflichtverletzungen drohen. Ein bereits als Reaktion auf die Corona-Pandemie eingeführter vereinfachter Zugang zur Grundsicherung für Arbeitsuchende soll „verstetigt“ werden, wie es in einem der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegenden Gesetzentwurf heißt. Der „Spiegel“ hatte dazu am Vortag bereits ein Interview mit Heil verbreitet. Dort kündigte Heil an: „Die Grundsicherung soll ein soziales Bürgergeld werden, für das sich niemand schämen muss, der es braucht.“ (…) Seit dem Urteil wurde die alte Sanktionspraxis bereits durch Weisungen des Arbeitsministeriums und der Bundesagentur entschärft. Durch die Coronapandemie gab es zudem ohnehin immer weniger Sanktionen. Nun will Heil dauerhaft gesetzlich regeln, dass monatliche Minderungen 30 Prozent des Regelbedarfs nicht überschreiten. Dies soll laut dem Entwurf gelten, wenn Leistungsberechtigte ohne wichtigen Grund wiederholt ihre Pflichten verletzt oder persönliche Meldetermine nicht wahrgenommen haben. In keinem Fall soll laut den Plänen Heils jemand befürchten müssen, dass die Wohnkosten von Leistungsminderungen betroffen sind. (…) Erleichterten Zugang zur Grundsicherung in der Coronakrise soll es durch das geplante Gesetz außerdem dauerhaft geben. Ausgesetzt ist in der Krise eine Prüfung der Jobcenter zu Wohnung und Vermögen – nämlich wie groß die Wohnung der Betroffenen ist und ob diese Ersparnisse bis zu 60.000 Euro haben. Während einer Karenzzeit von zwei Jahren sollen nun dem Entwurf zufolge Vermögen bis zu der genannten Summe geschützt und Mietkosten nicht auf ihre Angemessenheit geprüft werden…“ Beitrag vom 09. Januar 2021 in der WiWo online externer Link

  • Wer keine Arbeit hat, soll zumindest gut essen! Die SPD will Hartz IV überwinden – und diskriminiert weiter große Teile der Armen 
    „Wenn es um Stimmungsmache gegen Erwerbslose und Armutsbetroffene geht, waren und sind Sozialdemokrat_innen an erster Stelle mit dabei. Der frühere Arbeitsminister Wolfgang Clement zum Beispiel prangerte das »parasitäre Verhalten« von Erwerbslosen an. Und für seinen Nachfolger Franz Müntefering war klar: »Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen«. (…) Wenn die SPD nun darüber diskutiert, Hartz IV »hinter sich zu lassen«, so sollte geprüft werden, ob die vorgeschlagenen Änderungen wirklich zu einer Verbesserung der sozialen Situation der Betroffenen beitragen. Auffallend ist: Bis heute hat sich kaum einer der beteiligten Politiker_innen für das menschenverachtende System Hartz IV entschuldigt. Stattdessen reden sie von »nicht mehr zeitgemäß« und stellen lediglich soziale Stellschrauben zur Diskussion, ohne aber das System zu verändern. Hinzu kommt: Der SPD bleibt angesichts miserabler Wahlergebnisse und Umfragewerte kaum etwas anderes übrig, als ihr »soziales Profil« zu schärfen. Zudem ist die Debatte vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Bundesverfassungsgericht ohnehin vermutlich demnächst willkürliche Sanktionspraktiken streichen wird. (…) Zu Recht kritisiert der Sozialwissenschaftler Stefan Sell den Vorstoß der SPD als »semantische Neu-Etikettierung«. Im Falle einer ohnehin fraglichen Umsetzung der Pläne würde nur eine kleine Gruppe von älteren Erwerbslosen profitieren: jene, die eine längere Zeit beitragspflichtig gearbeitet haben. Doch selbst dann müsste ihre Grundlohn so hoch gewesen sein, dass es für den/die Einzelne_n möglich ist, vom Arbeitslosengeld I zu leben. Zudem wird aktuell jede_r vierte Erwerbslose direkt zum Hartz IV-Beziehenden, und von den rund sechs Millionen Menschen im Hartz IV-Bezug sind nur 1,5 Millionen als Erwerbslose registriert. Somit privilegieren die Vorschläge der SPD die Gruppe der dauerhaft Erwerbsarbeitenden. Und sie diskriminieren große Teile der Armutsbevölkerung, indem die Regelsätze nicht angemessen erhöht werden, die Bedürftigkeitsprüfung unverändert zur Anwendung kommt und der Wohnraum durch politisch bestimmte Mietobergrenzen für Hartz IV-Bezieher_innen nicht geschützt ist…“ Diskussionsbeitrag von Harald Rein aus ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis  Nr. 647 vom 19. März 2019 externer Link
  • Hartz IV für Anfänger: Die Reformvorschläge der SPD gehen an der Lebensrealität vorbei 
    „SPD, FDP, Grüne und Linke wollen das Sozialsystem reformieren; die CDU findet indes, dass vor allem Eigenverantwortung gefragt ist. Dabei fällt immer wieder auf, dass diese Überlegungen weit an der Lebensrealität vorbei gehen. Die Zahl der Sozialleistungen ist groß; die Zahl der Bundes- und Landesministerien, die dafür zuständig sind, ist ebenso riesig. Die wichtigsten Leistungen sind: Kindergeld, Wohngeld, Krankengeld, Bafög Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II, volle/halbe Erwerbsminderungsrente, Sozialgeld und Sozialhilfe, Rente, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. (…) Sicher ist jedoch, dass das Sozialsystem, so wie es ist, heute nicht mehr funktioniert: Die Vielzahl der zuständigen Träger, der Bundes- und Landesministerien lässt leicht vergessen, dass es sich um extrem kompliziertes System handelt, das kaum noch jemand durchschaut: So mancher lebt von viel zu wenig Geld, weil ihm gar nicht bewusst ist, dass Ansprüche bestehen. Es ist aber auch ein System, dass in seiner derzeitigen Form Fragen aufwirft…“ Beitrag von Oliver Eberhardt vom 14. Februar 2019 bei Telepolis externer Link – siehe dazu aktuell:

    • „Im Grundgesetz festschreiben“: Altmaier fordert im stern Obergrenze für Sozialabgaben
      „Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat sich dafür ausgesprochen, die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge per Verfassung zu begrenzen. „Wir müssen die magische Marke von 40 Prozent unbedingt einhalten“, sagte der CDU-Politiker dem stern „Vor acht Jahren haben wir eine Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen. Wenn es nach mir geht, werden wir in den nächsten Jahren auch die Quote für Sozialabgaben im Grundgesetz festschreiben.“ So könne sichergestellt werden, dass die Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht untergraben werde…“ Meldung vom 13. Februar 2019 zu dem Interview von Andreas Hoidn-Borchers und Axel Vornbäumen mit Peter Altmaier im Stern online externer Link
  • [Zukunft von Hartz IV] Die SPD will weiter strafen 
    „… »Weg mit Hartz IV« lautete jahrelang die Parole von Erwerbslosengruppen und sozialen Initiativen. Ausgerechnet Politiker der beiden Parteien, die das meist nur Hartz IV genannte Arbeits­losengeld II (ALG II) einst beschlossen, machen sich diese Forderung nun zu eigen. In den vergangenen Wochen versuchten vor allem Spitzenpolitiker von SPD und Grünen, sich als Kritiker des bestehenden Systems der Grundsicherung zu profilieren. (…) Sieht man sich genauer an, wie die neuen Hartz-IV-Kritiker argumentieren, wird deutlich, dass die meisten von ­ihnen die Grundsicherung lediglich ­reformieren wollen. Hartz IV soll nicht abgeschafft, sondern den veränderten ökonomischen und politischen Bedingungen angepasst werden. (…) Der außerparlamentarische Widerstand gegen das Hartz-IV-System war nie besonders groß und ist in den vergangenen Jahren noch kleiner geworden. Einige Jahre lang hatten Erwerbslosengruppen mit Aktionen vor und in den Jobcentern die Institution ins Zentrum ihres Protests gerückt, die für die Sanktionen zuständig ist. Solidarische Aktionen wie die Zahltage, an denen Erwerbslose gemeinsam Jobcenter aufsuchten, um die Bearbeitung von teilweise monatelang ignorierten Anträgen oder die Auszahlung von zurückgehaltenen Geldern zu fordern, sollten der Vereinzelung der Leistungsempfänger entgegenwirken. Solche Aktionen sind selten geworden. Im Oktober 2010 hatte die Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) unter dem Motto »Krach schlagen statt Kohldampf schieben« zu einer bundesweiten Demonstration von Erwerbslosen aufgerufen. Dass man von Lohnarbeit leben können müsse, ohne aber auch, war damals eine der wichtigsten Forderungen. Seit rechte Gruppen wieder vermehrt auf der Straße präsent sind, hört man solche Parolen nur noch selten. Gesellschaftliche Durchschlagskraft hatten sie nie. Allenfalls die Forderung nach einem »Sanktionsmoratorium«, die Politiker von SPD, Linkspartei und Grünen sowie Gewerkschafter vor fast zehn Jahren ­erhoben, schaffte es in die »Tagesschau«. Würden die Politiker, die derzeit über eine Reform der Grundsicherung diskutieren, die Sanktionspraxis der Jobcenter aussetzen, könnten sie dem Hartz-IV-System zumindest etwas von seinem Schrecken nehmen.“ Beitrag von Peter Nowak vom 29. November 2018 bei der Jungle World 2018/48 externer Link
  • Grundeinkommen frisst Hartz IV 
    „Die deutschen Parteien überbieten sich derzeit mit Vorschlägen für eine Reform von Hartz IV. Dabei sickern immer mehr Ideen des Grundeinkommens in ihre Konzepte ein. (…) Keine andere Sozialleistung ist so umstritten wie das Arbeitslosengeld II, im Volksmund auch Hartz IV genannt. 13 Jahre nach seiner Einführung beschäftigt es nicht nur deutsche Sozialgerichte, sondern auch die Parteien. Sowohl die Grünen als auch die SPD wollen die unbeliebte Grundsicherung hinter sich lassen. Aber auch FDP und Linkspartei fordern schon lange, Hartz IV abzuschaffen oder grundlegend zu reformieren. Doch was kommt stattdessen? Das Konzept des Grundeinkommens wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert, zunehmend selbst unter etablierten Volkswirten. Und es ist populär in der Bevölkerung. Zwar traut sich bisher nicht einmal die Linke, das Grundeinkommen für alle zu fordern. Aber einzelne Ideen des Konzepts fließen in die Entwürfe mehrere Parteien ein…“ Analyse von Katharina Schuler und Tina Groll vom 18. November 2018 bei der Zeit online externer Link
  • Verdi-Chef Bsirske lobt Nahles’ Bürgergeld-Pläne 
    In der Debatte über die Zukunft von Hartz IV erhält SPD-Chefin Andrea Nahles für ihre Bürgergeld-Pläne Unterstützung von den Gewerkschaften . „Die Überlegungen der SPD-Vorsitzenden weisen in die richtige Richtung. Denn wenn Hartz IV bei Bedürftigkeit die Existenz sichern soll, dann lassen sich Sanktionen nicht rechtfertigen“, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es muss zu einer Arbeitslosenhilfe oberhalb eines aufzustockenden Hartz-IV-Niveaus zurückgekehrt werden, das sinnvollerweise um einen verlängerten Bezugsanspruch beim Arbeitslosengeld I ergänzt werden müsste.“ Bsirske sprach sich für ein soziales Sicherungssystem aus, „das vom Kopf auf die Füße gestellt und am realen Leben der Arbeitnehmer orientiert ist“…“ Artikel von Rasmus Buchsteiner/RND vom 19.11.2018 bei der Leipziger Volkszeitung online externer Link
  • Zu viel zum Sterben. Lotte Laloire über die SPD, Hartz IV und Arbeit als Fetisch 
    „… Für die SPD ist Hartz IV – das Sahnehäubchen auf dem neoliberalen Gebräu, das sie seit Jahren verzapft – neuerdings die Wurzel allen Übels, also der Grund für ihre Wahlschlappen. Die Einsicht ist politisch gut, wenn auch analytisch falsch. Denn die SPD hat das System der Knechtung damals nicht alleine eingeführt, mit dabei war die grüne Partei. Der Erfolg der Grünen zeigt, dass die düstere Hartz-IV-Vergangenheit einer Partei nicht unbedingt schadet. Das liegt nicht nur daran, dass ihr Klientel oft gut verdient, sondern auch daran, dass viele Menschen – ob arbeitslos oder arbeitend, ob Arbeiter oder Akademiker – einen krassen Arbeitsfetisch pflegen. Ein Hinweis für die übersteigerte Identifikation mit der eigenen Ausbeutung ist die Skepsis vieler, gegenüber Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Kein Wunder nach Jahren der Arbeit-ist-geil-und-wer-nicht-arbeitet-ist-nichts-wert-Propaganda. So sagt Nahles auch: »Wir müssen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren.« Es ist also zu befürchten: Selbst ihr erster sinnvoller Vorstoß seit langem wird die SPD als Volkspartei nicht wiederbeleben. Denn nicht nur die Partei ist krank, sondern auch das arbeitende Volk.“ Kommentar von Lotte Laloire vom 18.11.2018 beim ND online externer Link
  • Hartz IV-Reform oder Bruch mit dem Hartz IV-System? Über Nebelkerzen bei der aktuellen Debatte über eine Überwindung von Hartz IV
    „… Hartz IV am Ende? Diese Fragen stellen sich in den letzten Tagen einige Zeitungen. Sowohl Robert Habeck von den Grünen als auch Andrea Nahles von der SPD ist mit Konzepten an die Öffentlichkeit getreten, die angeblich das Ende von Hartz IV bedeuten. Nur sollte man dann schon genauer hingucken, was damit gemeint ist. (…) Wenn man sich heute anguckt, wie der grüne Hartz IV-Kritiker Habeck und seine Unterstützer argumentieren, darf man bezweifeln, ob da heute mehr als Retusche rauskommt. (…) Die SPD bringt auch das Kunststück fertig, dass zeitgleich der Hartz IV-Verantwortliche Gerhard Schröder vor der Friedrich-Ebert-Stiftung vor 650 wohl vorwiegend sozialdemokratischen Gästen seine Regierung feiern konnte, ohne dass die Armut durch das Gesetz in Frage gestellt wurde. Dass die SPD noch immer Probleme mit Hartz IV hat, kann der Altkanzler und Wirtschaftslobbiest bis heute nicht verstehen. Die Konsequenz aus der Debatte um die Hartz IV-Reform müsste sein, dass die grundsätzlichen Gegner einen Bruch mit dem Hartz IV-System fordern müssen. Das heißt anzuerkennen, dass Menschen grundsätzlich soziale Rechte haben, die nicht daran gebunden sind, was sie angeblich arbeiten. Zudem sollten sie SPD und Grüne auffordern, in den Bundesländern, in denen sie noch Einfluss haben, ein sofortiges Sanktionsmoratorium im Hartz IV-System durchzusetzen und damit eine Forderung umzusetzen, die ein Bündnis seit Jahren fordert.“ Überblick von Peter Nowak vom 16. November 2018 bei Telepolis externer Link
  • Vorsicht: Hartz-IV-Falle! Wie eine echte Sozialstaatsreform möglich wäre.
    „Jahrelang wurde sie gefordert, nun scheint sie näher gerückt zu sein: die Abkehr von Hartz IV. Ausgelöst hat die Debatte SPD-Chefin Andrea Nahles mit einer Rede am vorigen Wochenende. Die Grünen legten daraufhin flugs ein eigenes Konzept vor. Doch greift die Konzentration auf Hartz IV zu kurz. Eine bessere Grundsicherung ist zwar nötig. »Wer jedoch die sozialpolitische Diskussion auf das Arbeitslosengeld II verengt, läuft in eine Falle«, warnt der Sozialwissenschaftler Stefan Sell von der Hochschule Koblenz. (…) Auch der Sozialforscher Sell hält höhere Leistungen und eine massive Einschränkung der Sanktionen für angemessen. (…) Eine komplette Abschaffung der Sanktionen – genauer: den Ausschluss von Grundsicherungsleistungen – hält Sell für unmöglich, so lange nur bedürftige Menschen Hartz IV bekommen sollen. (…) Sell fürchtet sogar, dass »die SPD in eine Falle läuft, wenn sie ihre Pläne für eine Sozialstaatsreform auf Hartz IV einengt«. Dann bestehe die Gefahr, dass wieder einmal die Mehrheitsgesellschaft gegen angeblich faule Hartz-IV-Empfänger in Stellung gebracht werde. »Damit wäre eine große Sozialstaatsreform erst recht nicht mehr möglich.« Dabei wäre genau dies – eine neues Sozialstaatsmodell – dringend nötig, betont er, damit der Staat den Pflegenotstand beheben, alten Menschen auskömmliche Renten garantieren und Erwerbslosen länger Arbeitslosengeld gewähren kann. All dies sei bezahlbar, wenn der Sozialstaat stärker über Steuern finanziert würde. Die Beiträge aus sozialversicherungspflichtigen Jobs reichten nicht mehr aus, weil immer mehr Firmen mit wenig Beschäftigten hohe Umsätze und Gewinne erwirtschaften, etwa Internetkonzerne…“ Beitrag von Eva Roth bei neues Deutschland vom 17. November 2018 externer Link
  • Nahles fordert Reformen: „Grundsicherung“ statt Hartz IV
    SPD-Chefin Nahles fordert eine grundlegende Reform des Hartz-IV-Systems. Die neue Grundsicherung müsse stattdessen ein Bürgergeld sein. CDU-Wirtschaftsminister Altmaier spricht sich dagegen aus.
    Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat sich für eine tiefgreifende Reform der sozialen Sicherungssysteme ausgesprochen. „Die neue Grundsicherung muss ein Bürgergeld sein“, schreibt sie in einem Gastbeitrag für die „FAZ“. Im Gegensatz zu Hartz IV müssten die Leistungen klar und auskömmlich sein und Sanktionen weitgehend entfallen. Das stärke den sozialen Zusammenhalt. Nahles hatte vor einer Woche bei einem Debattencamp der SPD eine „Sozialstaatsreform 2025“ angekündigt externer Link und betont: „Wir werden Hartz IV hinter uns lassen.“ Mit höheren Mindestlöhnen, Zuschüssen zu Sozialabgaben und Steuerboni würden viel weniger Menschen auf Grundsicherung angewiesen sein
    …“ Beitrag vom 17.11.2018 bei tagesschau.de externer Link
  • Zwei Lieblingszitate zum Thema aus Deutscher Einheit(z)-Textdienst von Werner Lutz Nr. 4/17:
    • Rückführung
      SPD-Kanzlerkandidat Schulz will als neuer sozialer Reformkämpfer Hartz IV-Empfängern ihr (damals von der SPD durch die Agenda 2010 geklautes) Vermögen zum Teil zurückgeben, wenn er gewählt wird. Und zwar soll der Freibetrag für das Anlage(n)kapital verdoppelt werden. Das bedeutet, daß auf den Anlagenbänken, auf denen jetzt viele Hartz IVEmpfänger übernachten, für die Aufbewahrung von Schlafsäcken, Taschen, Klamotten, Zahnseide und Rasierklingen mehr Platz zur Verfügung steht. Außerdem werden ihre Wertdepots in ihren privaten Schließfächern (Pfandflaschensammlungen unter Brücken) ebenfalls aufgestockt.“
    • Achtung! Warnung vor ALQ
      Nach neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen muß dringend vor der Einnahme des neuen Medikaments ALQ gewarnt werden. ALQ stammt aus dem Hause „Schulz und Co.“ und gehört zu einer neu entwickelten Medikamentenart, die Halluzinationen bei Arbeitslosen fördert und den   Verstand vernebelt. So soll ALQ bei den Betroffenen die Hoffnung schaffen, daß sie mit Hilfe von Qualifizierungsmaßnahmen nicht länger arbeitslos sind, sondern eine qualifizierte Arbeit finden. – Die Wirkung des Medikaments ist allerdings nur bis 19. September – den Tag der Bundestagswahl – begrenzt. Gleichzeitig vermittelt ALQ den Betroffenen Illusionen über die Ursachen der Agenda 2010 und ihrer daraus resultierenden Armut, die bekanntlich vor über einem Dutzend Jahren vom Hersteller „Schulz und Co.“ selbst verursacht wurden.“
  • Unser Reden: Die Ideologie der Leistungsgerechtigkeit ist schuld: „… Die Vorstellung der Leistungsgerechtigkeit war mal etwas Fortschrittliches. Das Bürgertum richtete ihn gegen den unproduktiven Adel. Auch die frühe Arbeiterbewegung hat ihre Forderungen noch mit der Leistung begründet, gemäß der Parole: Ein gerechter Lohn für ein gerechtes Tagewerk. In den vergangenen Jahren ist der Leistungsbegriff jedoch benutzt worden, um die Arbeitenden gegen die Nicht-Arbeitenden auszuspielen, also gegen die Arbeitslosen, die als faul denunziert wurden. „Kein Recht auf Faulheit“, damit leitete SPD-Kanzler Gerhard Schröder die Agenda 2010 ein. Daran sieht man, wie flexibel verwendbar der Gerechtigkeitsbegriff ist: Aus einer emanzipatorischen Forderung an die da oben wurde eine Abgrenzung gegen die noch weiter unten…“ Der Soziologe Oliver Nachtwey im Interview von Stephan Kaufmann vom 10.3.2017 in der FR online externer Link
  • Agenda 2010: Der bessere Arbeitslose
    „SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will die Agenda 2010 korrigieren. Das ist prinzipiell richtig, doch was der designierte Parteivorsitzende vorschlägt, greift zu kurz. Denn so würden die zwei Klassen von Arbeitslosen weiter zementiert. Soziale Gerechtigkeit geht anders. (…) Schulz plant, das Arbeitslosengeld für Erwerbslose zu verlängern, die sich weiter qualifizieren. Gut daran ist: Sie rutschen dann nicht mehr so schnell in Hartz IV. Das größte Problem ist damit allerdings nicht gelöst. Fördern und Fordern, hieß einst die Devise der Reformer. Doch das Fördern funktioniert noch immer nicht gut. (…) Der größte Schwachpunkt in dem SPD-Konzept ist aber, dass es sich überwiegend an die erste Klasse der Arbeitslosen richtet. Wer Arbeitslosengeld erhält, darf zur Arbeitsagentur. Wer als Langzeitarbeitsloser auf Hartz IV angewiesen ist, muss zum Jobcenter. Die Ersteren bekommen mehr Geld, werden besser betreut und haben mehr Chancen, zurück ins Berufsleben zu finden. Erwerbslose Hartz-IV-Empfänger gehören hingegen zur unteren Klasse der Arbeitslosen – und häufig bleiben sie das auch. Eine Million Menschen haben von 2005 bis 2014 ununterbrochen Hartz IV bezogen, zeigt eine neue Studie. Für sie hat Schulz bisher nicht viel geboten, außer der alten Idee, dass sie von ihrem Ersparten ein bisschen mehr behalten dürfen…“ Beitrag von Thomas Öchsner vom 6. März 2017 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Offener Brief an Herrn Martin Schulz
    „… Besonders auffallend an Ihren Reden ist, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung,  nämlich diejenigen, die infolge der Agenda 2010 abgehängt, zwangsbetreut sowie ständig von Sanktionen bedroht und zusätzlich durch politische und mediale Hetze stigmatisiert wurden, überhaupt nicht vorkommen! Dass diese in die Jubelarien einstimmen, dürften Sie auch selbst kaum erwarten. Sie loben Andrea Nahles für die Einführung eines Mindestlohns, der völlig unzureichend ist, um vor Altersarmut zu schützen. Von den vielen Initiativen für gute und sichere Arbeit, die sie vorangebracht hat, sehe ich ebenso wenig wie davon, dass sie die Rente gerechter gemacht habe. War doch die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors, der prekären Beschäftigung, der Leiharbeit (mithin auch die Spaltung der Beschäftigten in Kern- und Leiharbeitsbeschäftigte) Lockerung des Kündigungsschutzes, Kürzung des Arbeitslosengeldes auf 12 Monate samt sachgrundlosen Befristungen etc. genau der Zweck der Übung „Agenda 2010“ (…) Am Besten fangen Sie gleich mal an mit der Einübung in Empathie: bei den Hartz-IV-EmpfängerINNEn, bei den prekär Beschäftigten, AufstockerINNEn; bei den Menschen, deren Rente zum Leben nicht reicht, bei den Flüchtlingen, Obdachlosen u. v. a. m. Begleiten Sie Menschen zum Jobcenter. Nehmen Sie mal teil an einer verordneten Maßnahme wie Bewerbungstraining. Es gibt Leute, die das schon 3-4  mal absolvieren durften… Und damit die Bedingungen auch realistisch sind: Verschenken Sie vorher Ihre Millionen! Suchen Sie sich eine bezahlbare Bleibe in Frankfurt oder München und dann einen Job!...“ Offener Brief von Ursula Mathern vom 03.03.2017 
  • [Martin Schulz und die Agenda 2010] DGB: „Die SPD korrigiert einen Kardinalfehler“
    „DGB-Chef Hoffmann lobt SPD-Kandidaten Schulz für die Nachbesserung der Agenda 2010. Am Montag stellt Arbeitsministerin Nahles die neuen Pläne vor. Die CDU wendet sich gegen das „Arbeitslosengeld Q“ Wenn Arbeitsministerin Andrea Nahles an diesem Montag im Willy-Brandt-Haus die Pläne der SPD für eine längere Zahlung des Arbeitslosengelds I vorstellt, kann sie sich der Kritik aus dem Lager von Union und Arbeitgebern ebenso sicher sein wie des Beifalls der Gewerkschaften. Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist das Konzept, das Nahles im Auftrag von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz erstellt hat, ein „wichtiger Beitrag für mehr Sicherheit der Arbeitnehmer“. Die SPD korrigiere damit „einen Kardinalfehler der Agenda 2010, bei der die Arbeitslosen immer nur gefordert, aber nie ausreichend gefördert wurden“, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann dem Tagesspiegel…“ Artikel von Stephan Haselberger, Heike Jahberg und Armin Lehmann beim Tagesspiegel online vom 5. März 2017 externer Link
  • Operation Wechselbalg
    „… Die Rede von der »hart arbeitenden Mitte«, die sich »an die Regeln halte« bedient diese Klientel jedenfalls optimal, wie auch der Plan einer partiellen Abkehr von der Agenda 2010. Denn Schulz stellte zwar längere Fristen für das Arbeitslosengeld in Aussicht, also einen größeren Puffer für die von Abstiegssorgen gequälte sogenannte Mitte, kritisierte aber explizit nicht das Repressionssystem Hartz IV. Was mit den bereits Abgestiegenen geschieht, interessiert nämlich weder die kleinbürgerliche Masse noch die Parteistrategen. Die Mehrzahl der Hartz IV-Empfänger geht ohnehin nicht zur Wahl…“ Artikel von Markus Liske in der Jungle World vom 2. März 2017 externer Link
  • Hartz IV, die namenlose Hölle
    „SPD-Kandidat Schulz will ALG I ein bisschen reformieren. Der wahre Skandal ist aber weiterhin das ALG II, auch „Hartz IV“ genannt. (…) Um ALG II drückt sich Schulz. Er spricht nur implizit von jener namenlosen Hölle, in die jene ALG-I-ler nicht abrutschen dürfen. Aber die heiligen drei Säulen der Agenda 2010 treffen vor allem die ALG-II-Bezieher: 1. die Gängelung von Arbeitslosen durch Kürzungen und Strafmaßnahmen, 2. die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und Senkung der Löhne und 3. die durch das Schröder’sche Paradigma der Eigenverantwortung vorangetriebene Entsolidarisierung. Wer arm ist, ist seither selbst schuld. ALG II ist eine kafkaesk durchbürokratisierte Armutsmaschine. (…) Warum interessiert sich kaum jemand für diesen staatlich verordneten Ausschluss? Über Hartz IV und Armut schweigt man lieber. Da ist Schulz nicht der Einzige.“ Kolumne von Sonja Vogel vom 28. Februar 2017 bei der taz online externer Link
  • DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann zur Agenda 2010: „Da muss vieles korrigiert werden“
    „… Martin Schulz habe auf „Webfehler in der Agenda 2010 hingewiesen“, so Hoffmann. „Da muss vieles korrigiert werden. Erste Schritte sind getan mit dem Mindestlohn und der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren. Schulz hat weitere Punkte benannt, wie die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. (…) Schulz‘ Ansatz, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I zu verlängern, nannte Hoffmann „richtig“. Es müssten „Schutzlücken geschlossen werden“. Insbesondere Ältere, „die weiterhin schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, müssen davor bewahrt werden, in Hartz IV zu rutschen“, so Hoffmann. (…) Schulz habe bei seiner Bielefelder Rede am 20. Februar „zentrale Themen sehr deutlich angesprochen“, so Hoffmann…“ DGB-Stellungnahme vom 21. Februar 2017 externer Link. Siehe dazu:

    • Anmerkung des  Lesers A.L. der Nachdenkseiten in den Hinweise des Tages II vom 24. Februar 2017 externer Link: „Im Text wird die Einführung von „Hartz IV“ als Verhängnis für die SPD beschrieben. Es ist aber erst Recht ein „Verhängnis“ für die Menschen, die von „Hartz IV“ leben müssen. Warum fordert der/die Autor/-in nicht die Abschaffung von „Hartz IV“, wenn es ein Verhängnis ist? Und die Lohnabschlüsse der letzten Verhandlungsrunden als „gut“ zu bewerten, ist für viele der Betroffenen in der Realität und gedanklich schwer nachvollziehbar.
    • Wir würden zudem vom Verhängnis für die DGB-Gewerkschaften sprechen… Wie sagte Gerhard Schröder auf dem SPD-Parteitag 2002? »Wie sehr die deutschen Gewerkschaften in der Lage sind, eine gemeinwohlorientierte Politik auch dann zu unterstützen, wenn sie an Details Kritik haben, das verdient Respekt«. Siehe dazu die Rubrik im LabourNet-Archiv: Umdenken der Gewerkschaften?
    • Und: Bei aller Beteiligung am Wahlkampf sollte der DGB nicht vergessen, dass das Hauptinstrument zur Durchsetzung der Interessen der Lohnabhängigen mit und ohne Job der gewerkschaftliche Kampf ist…
  • Offener Brief an Martin Schulz: Butterwegge fordert Politikwechsel von Rot-Rot-Grün
    „… „In Wirklichkeit war die Agenda 2010 aber selbst der entscheidende Fehler und ihre Konzeption des »aktivierenden« Sozialstaates grundfalsch.“ Faul seien nicht die Arbeitslosen, „sondern das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, in dem sie leben“. Wenn Schulz es ernst meine mit Idealen wie Solidarität und sozialer Gerechtigkeit, müsste er daher „mit Hartz IV auch den Kern des Reformwerks in Frage stellen“. Dagegen sei nutzlos, was Schulz bisher an Korrekturen vorgeschlagen habe. Eine verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I etwa erreiche die Mehrheit der Arbeitslosen gar nicht.“ Artikel von Joachim Frank vom 26.02.17 beim Kölner Stadtanzeiger online externer Link
  • Korrekturen an der Agenda 2010: „Wenn lange Bezugszeiten da sind, ist der Druck aus dem Kessel“
    „In der Diskussion über die Agenda 2010 warnt der Arbeitsmarktforscher Joachim Möller im DLF davor, die Bezugszeiten von Arbeitslosengeld zu verlängern. Zur Befristung von Verträgen sagt er nicht grundsätzlich nein – kritisch aber sieht er, dass Arbeitnehmer oft kurzfristige Kettenverträge erhalten….“ Joachim Möller im Gespräch mit Mario Dobovisek beim Deutschlandfunk vom 21. Februar 2017 externer Link. Joachim Möller, der das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, das zur Bundesagentur für Arbeit gehört, leitet, vertritt u.a. dazu: „… Ich würde einmal generell sagen, dass das Thema Ungerechtigkeit oder, sagen wir mal, Fairness im Arbeitsleben zurecht von Schulz thematisiert wird. Es geht um Zusammenhalt in der Gesellschaft, um den Kitt der Gesellschaft. Das finde ich grundsätzlich richtig. Die Frage ist, ob jetzt an den Bezugsdauern von Arbeitslosigkeit gedreht werden sollte. Das würden wir aus wissenschaftlicher Sicht eher kritisch sehen. Wir haben Forschungsergebnisse, die sagen, dass je länger die Bezugsdauer ist, je höher die Arbeitslosigkeit oder die Länge der Arbeitslosigkeit ist, und diese Ergebnisse sind sehr eindeutig. (…) Die Möglichkeit auch einer sachgrundlosen Befristung für einen gewissen Zeitraum, für maximal zwei Jahre, ist ein Mittel auch des Austestens von Mitarbeitern. (…) Ich denke, ein wichtiger Schritt war ja die Einführung des Mindestlohns, und ich glaube, das ist tatsächlich ein Fehler gewesen, dass das nicht zusammen mit der Agenda 2010 gekommen ist…“
  • Die wirkliche Schande für die Bundesrepublik. Roberto J. de Lapuente über das Wahlverhalten von Arbeitslosen und Schulz‘ Kampfansage an die AfD
    „134.390 Sanktionen sprachen die Jobcenter 2016 monatlich aus. Das ergab eine Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der LINKEN. Im Vergleich zu 2015 stellt die Zahl einen Anstieg dar. (…) Wie viele im Widerspruchsverfahren zurückgezogen werden, wie viele resignierte Sanktionierte erst gar nicht den Weg des Widerspruchs in Anspruch nehmen: Darüber weiß man wenig bis nichts. Wie viele Arbeitslose aber bei den letzten Landtagswahlen die AfD gewählt haben: Darüber gibt es ausgeklügelte Zahlen. Bei wählenden Arbeitslosen konnte so gut wie keine Partei mit der AfD mithalten. Oftmals war die AfD sogar die Partei, die die größten Stimmanteile bei den Arbeitslosen vorzeigen konnte. (…) Nein, das soll keine billige Schelte an Arbeitslosen und ihrer Wahlmoral sein. Aber zu glauben, dass die Zahlen zur Sanktionspraxis und jene bei den Zugewinnen der AfD nichts miteinander zu tun haben, das könnte man nett gesprochen als naiv bezeichnen. (…) Eigentlich sollten sich diese Zeilen an Herrn Schulz, diesen Kanzler in Lauerstellung, richten. In seiner mittlerweile berühmten Rede, die er vor einigen Wochen in Berlin hielt, nannte er die AfD eine »Schande für die Bundesrepublik«. Die wirkliche Schande für dieses Land ist aber, dass arbeitslose Menschen mehrheitlich in die Fänge einer Partei getrieben werden, die für sie nicht gut sein kann. (…) Wer der AfD den Kampf ansagen möchte, so wie Schulz es angekündigt hat, der kann dieses Prestigeobjekt der Agenda 2010, Hartz IV und seine Jobcenter, so nicht aufrechterhalten und als richtigen Weg loben. Möchte man die AfD schwächen, so muss man die Agenda 2010 schwächen und das Hartz-IV-System entspannen. Bloß an der Bezugsdauer zu schrauben: Das reicht nicht.“ Blog von Roberto J. de Lapuente bei neues Deutschland vom 23. Februar 2017 externer Link
  • Das Märchen vom Martin und der Hartz-IV-Reform
    „… Zu einem Heldenmythos gehört oft ein Erweckungsmoment. Jener Moment, in dem der Held sein bisher falsches Tun und seinen neuen Weg erkennt oder eine Erleuchtung hat, sich dem „Guten“ anschließt. Ein solcher Erweckungsmoment ist entweder just Martin Schulz passiert – oder ein recht begabter Scriptschreiber hat für ihn diesen Moment erfunden: Ein 50jähriger Arbeitnehmer, der seit 36 Jahren im selben Betrieb arbeitet, hätte ihm seine Angst davor, bei einem Jobverlust in den Arbeitslosengeld-II-Bezug abzurutschen, klar gemacht: „Wenn der seinen Job verliert, bekommt er 15 Monate Arbeitslosengeld und dann geht es an seine Existenz, das darf nicht sein“ wird Martin Schulz zitiert. Diese neue Erkenntnis führt dazu, dass sich Martin Schulz, der neue Kanzlerkandidat der SPD, nunmehr in den Medien als Mann präsentiert wird, der die Reform Hartz-IV-„Reformen“ angehen will, der Hartz IV korrigieren will oder wenigstens Änderungen verspricht. Unabhängig von der Frage, inwiefern Wahl“versprechen“ überhaupt Versprechen sein können (oder nicht doch eher vage Absichtserklärungen bzw. Ankündigungen von Geschehnissen, die ggf. nach einer erfolgreichen Wahl stattfinden könnten) ist die Berichterstattung um das, was Herr Schulz „versprochen“ hat, zumindest stark tendenziell. (…) 2005 kokettierte schon jemand damit, dass bei der Agenda 2010 wohl Fehler gemacht worden waren, sie aber dennoch sein musste. Einer der „großen Politiker“, wie Martin Schulz ihn nennt: Gerhard Schröder.“ Beitrag von Alexander und Bettina Hammer vom 22. Februar 2017 bei Telepolis externer Link
  • [Vorsicht: Satire] SPD läutet traditionelles linkes Halbjahr vor wichtigen Wahlen ein
    „… Es ist wieder soweit: Die Führungsspitze der SPD hat heute Morgen bei einem Treffen im Willy-Brandt-Haus in Berlin den Beginn des traditionellen linken Halbjahres vor den nächsten Bundestagswahlen eingeläutet. In dieser Zeit ist das Spitzenpersonal darum bemüht, die SPD wie eine Partei wirken zu lassen, die Politik für Arbeiter und Geringverdiener macht. „Liebe Genossinnen und Genossen, das traditionelle linke Halbjahr vor der Bundestagswahl ist hiermit feierlich eröffnet“, verkündete der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann und klingelte laut hörbar mit der sogenannten „Glocke des kleinen Mannes“. Nachdem der Applaus abebbte, erklärte er: „Jetzt ist die Zeit gekommen, in der wir uns für einige Monate auf unsere sozialdemokratischen Wurzeln zurückbesinnen“. (…) „Aber bitte beachtet, liebe Genossen: Am Montag nach der Wahl werde ich diese Glocke noch einmal läuten. Und ab diesem Zeitpunkt muss das alles wieder vergessen sein.“…“ Beitrag vom 21. Februar 2017 bei der Postillon externer Link
  • Und wollen in unserer damaligen Rubrik „Hartz-Kommission: Lieblingszitate des LabourNet Germany“ eines der besten nicht vorenthalten: Zitat der 49. KW 2002:
    Für Langzeitarbeitslose wird es günstigere Einstiegstarife geben. Da haben wir eine moralische Verpflichtung.“
    DGB-Chef Michael Sommer im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 29.11.2002
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=112450
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