Abstruse Berechnungen, die dann auch noch viele übernehmen. Ein schräger Vergleich zwischen Hartz IV und Arbeitseinkommen
„Jens Spahn, der neue Bundesgesundheitsminister, tobt durch die Medien mit Kommentierungen zur angeblichen Lage der Nation, die sämtlichen Lehrbuchempfehlungen der Aufmerksamkeitsökonomie entsprechen und damit auch ihre beabsichtigte Wirkung entfalten. Er ist im Gespräch und über ihn wird gesprochen und gestritten. Das folgt dem Muster einer durchaus erfolgreichen medialen Inszenierung, bei der es, wir kennen das, oftmals überhaupt nicht um die Inhalte, geschweige denn um die betroffenen Menschen geht, sondern darum, das eigene Lager zu bedienen. Das macht er gut. Aber weniger gut machen andere ihren Job, beispielsweise Medien, die gar von sich behaupten, hinter ihnen würden sich die klugen Köpfe versammeln. (…) Nun weiß eigentlich jeder, der sich ein wenig mit der Materie beschäftigt, dass da irgendwas nicht stimmen kann, denn im Grunde gilt das einfache Prinzip, dass jemand, der Einkommen aus Erwerbsarbeit hat, immer besser gestellt ist als die, bei denen ausschließlich Grundsicherungsleistungen zur Verfügung stehen. Es geht hier ausdrücklich nicht um den seit langen und von vielen kritisierten Tatbestand, dass die Differenz aufgrund von prohibitiv hohen Entzugsraten beklagenswert gering sei und die daraus abgeleitete Forderung, dass die arbeitenden Menschen mehr haben sollten – aber dass sie weniger haben, das kann eigentlich nicht sein. Sonst würde es beispielsweise nicht hunderttausende Hartz IV-Empfänger geben, die einem Minijob nachgehen, aus dem sie bis zu 160 Euro zusätzlich behalten dürfen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 19. März 2018 bei Aktuelle Sozialpolitik – wir erinnern an unsere Rubrik im LabourNet-Archiv zum unsäglichen Lohnabstandsgebot – aber auch die damalige Kampagne: LohnAnstandsGebot – sollte wohl wieder aufgelegt werden… Siehe auch dazu:
- »Wer mehr arbeitet, hat weniger Geld«. Mit vermeintlich lebensnahem Beispiel gegen den Sozialstaat
„Nachdem der Nachweis, Hartz IV lohne sich oft mehr als Arbeit, kläglich gescheitert war mehr, versuchte es die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am vergangenen Wochenende anders herum: »Wer mehr arbeitet, hat weniger Geld: Genau so funktioniert heute leider oft unser Sozialstaat.« – Zum Beleg wartet Dietrich Creutzburg diesmal mit einem nach eigenem Dafürhalten lebensnahen Beispiel auf – und liegt doch wieder daneben…“ Info-Grafik von Johannes Steffen vom 29. März 2018 im Portal Sozialpolitik
- »Hartz IV lohnt sich oft mehr als Arbeit« – Dietrich Creuzburgs Kreuzzug gegen die Grundsicherung
„… Um dem neuen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in dessen verfahrener Hartz-IV-Positionierung zur Seite zu springen, war Dietrich Creutzburg offenbar auf der Suche nach einfach zu kommunizierenden Beispielen für die Belastung der Steuerzahler durch den Sozialstaat. Dabei stieß er auf Berechnungen des Arbeitsministeriums (BMAS) zum durchschnittlichen Hartz-IV-Bedarf (…) Aus dem ermittelten Bruttolohn und einer unterstellten Arbeitszeit von 38 Stunden pro Woche errechnete er einen Stundenlohn von 15,40 bzw. 20 Euro. Diese Lohnhöhe ist erforderlich, um mit eigener Hände Arbeit auf ein verfügbares Einkommen zu gelangen, das Hartz-IV-Empfänger bei gleicher familiärer Konstellation vom Staat »geschenkt« bekommen? – So jedenfalls der (gezielt) erweckte Eindruck. Hartz IV wird von hart arbeitenden Steuerzahlern finanziert, deren eigenes Einkommen kaum diese Sphären erreicht. Damit hatte die ganze Sache das Zeug für einen medialer Selbstläufer. Die Zahlen wurden von Presse, Funk und Fernsehen ungeprüft übernommen und zweckgerichtet weiterverbreitet. (…) Beginnen wir beim letzten Punkt, der zugleich das Ausgangs-Credo ad absurdum führt: Wer einer Erwerbsarbeit nachgeht und auf die ihm zustehenden Sozialleistungen nicht verzichtet hat stets mehr auf dem Konto als derjenige Hartz-IV-Empfänger, der nicht erwerbstätig ist. Hierfür sorgen die Absetzbeträge nach § 11b SGB II (Erwerbstätigenfreibetrag). (…) Ausgehend von den Beispielrechnungen des BMAS lassen sich die im Folgenden dargestellten Bruttoschwellen ermittelt, die ein Alleinverdiener im Bundesdurchschnitt erreichen muss, damit der Haushalt gerade keine (aufstockenden) SGB-II-Leistungen mehr beanspruchen kann. Je nach Konstellation sind neben Nettolohn und Kindergeld weitere Sozialleistungen zu berücksichtigen. Neben dem Wohngeld sind dies ein eventueller Kinderzuschlag sowie – bei Alleinerziehenden – Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz…“ Beitrag von Johannes Steffen beim Portal Sozialpolitik vom 26. März 2018