Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung vorläufiger Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung
„Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben in einstweiligen Rechtsschutzverfahren anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob tatsächlich die notwendige Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Leistungsgewährung vorliegt. Sie können die Eilbedürftigkeit von vorläufigen Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung deshalb nicht nur pauschal darauf beziehen, ob schon eine Räumungsklage erhoben worden ist. Dies hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und einer Verfassungsbeschwerde teilweise stattgegeben. (…) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen gerichtlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die Fachgerichte müssen vorläufigen Rechtsschutz gewähren, wenn Antragstellern sonst eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung ihrer Rechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Je schwerer die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Erfolgs in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Entscheidung zurückgestellt werden. Die Fachgerichte dürfen den Anspruch auf Durchsetzung des materiellen Rechts nicht dadurch unzumutbar verkürzen, dass sie Verfahrensrecht übermäßig streng handhaben. Diese Anforderungen gelten auch im sozialrechtlichen Eilrechtsschutz…“ BVerfG-Pressemitteilung Nr. 72/2017 vom 22. August 2017 zum Beschluss 1 BvR 1910/12 vom 1. August 2017
und ein Kommentar:
- Zur Bedeutung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für ALG II-Empfänger siehe den ausführlichen Kommentar von Alexander und Bettina Hammer vom 22. August 2017 bei Telepolis
: Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte von ALG II-Empfängern