Wegen Ersparnis durch 9-Euro-Ticket: Ämter könnten Hartz-IV-Empfänger zur Kasse bitten
„… Das 9-Euro-Ticket soll eigentlich eine finanzielle Entlastung bringen. Nun stellt sich aber heraus, dass gerade diejenigen, die am meisten von dem Ticket profitieren sollten, mit versteckten Kosten überrascht werden. Für Kinder aus Hartz-IV-Haushalten, die das 9-Euro-Ticket als Schülerfahrkarte nutzen, kann das Amt nun Geld zurückverlangen. Normalerweise übernimmt das Jobcenter die Kosten für die regulären Schülertickets. Da das 9-Euro-Ticket jedoch wesentlich günstiger ist, ergibt sich eine Differenz zum Zahlbetrag. Und die könnten und würden die Ämter in den einzelnen Bundesländern nun zurückfordern, heißt es auf HARTZIV.org. Ob das zuständige Verkehrsunternehmen dabei den zu viel gezahlten Betrag nachträglich zurücküberweist oder das Entlastungspaket direkt mit den 9 Euro belastet, spielt dabei keine Rolle…“ RND-Meldung vom 13. Juni 2022 , siehe weitere Details und unseren Kommentar:
- Zur Diskussion über eine Rückforderung von BuT-Leistungen aufgrund des 9 EUR Tickets – Rechtliche Hinweise und Wertung
„Einzelne Bundesländer wollen bereits bezahlte BuT-Leistungen für Nahverkehrstickets aufgrund des 9-Euro-Tickets zurückfordern. Insgesamt ist dies durch meine Veröffentlichung der Pläne des Baden-Württembergischen Landkreistages im Thomé – Newsletter 20.2022 bekannt geworden, Nr. 5). Arbeitsminister Heil, will diese Rückforderung verhindern, kann es aber rechtlich nicht, da es sich um kommunale Leistungen handelt. Ob diese zurückgefordert werden, entscheidet das jeweilige Landesarbeits- und Sozialministerium, da kann Herr Heil ohne Bindungswirkung nur Empfehlungen herausgeben.
Allerdings wird daran der Umgang mit einkommensschwachen Menschen ziemlich deutlich: § 40 Abs. 6 Satz 3 SGB II bestimmt, dass eine Rückforderung ausschließlich von BuT – Leistungen nicht möglich ist. Dies wäre nur möglich, wenn alle gezahlten SGB II – Leistungen zurückzuerstatten wären. Dann könnten auch die BuT – Leistungen zu erstatten sein. Dass hier trotz klarer gegenteiliger Rechtslage, einzelne Bundesländer überhaupt auf eine Rückforderungsidee kommen, drückt nur den völlig verschärften Umgang mit armen Menschen aus. Es muss, sozusagen als naturgegebenen Mechanismus, jeder zu viel gezahlten Cent zurückgefordert werden, unabhängig von der Rechtslage und der Vorschrift, soziale Rechte möglichst weit und im Sinne der Leistungsberechtigten auszulegen (§ 2 Abs. 2 SGB I). Es ist allen SGB II-Leistungsberechtigten zu empfehlen, gegen eine etwaige Rückforderung Widerspruch einzulegen und zu Anwältin oder Anwalt zu gehen. Dann wird das jeweilige Jobcenter noch mit den Anwaltskosten von rd. 450 EUR pro Widerspruch belastet, sozusagen als „Lehrgeld“ dafür, dass die (Landes)Behörde überhaupt auf so einen Mist kommt. Der Pari hat das treffend auf den Punkt gebracht: „Kaltherzig, bürokratisch und empathielos“, dem ist nichts hinzuzufügen, bis auf meinen Tipp zum Umgang damit. Mehr dazu unter https://t1p.de/ikqyh und https://t1p.de/x900v ).“ Aus dem Thomé Newsletter 24/2022 vom 26.06.2022 - In der o.g. RND-Meldung vom 13. Juni 2022 heißt es dazu weiter: „… Wenn das Amt zunächst den Normalpreis eines Tickets bewilligt hat, kann es die Differenz zurückfordern. Das zuständige Ministerium in Baden-Württemberg nennt den Differenzbetrag, den der Empfänger ansonsten zusätzlich auf seinem Konto hätte, eine „ungerechtfertigte Bereicherung“ und verweist dabei auf § 29 Abs. 5 SGB II für die Erbringung von Leistungen für Bildung und Teilhabe sowie § 34a Abs. 6 S. 2 für Ersatzansprüche aufgrund von rechtswidrig erbrachten Leistungen. Was bedeutet das für die Leistungsbewilligung? In einer Antwort des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg auf die Nachfrage der „Westfälischen Allgemeinen Zeitung“ heißt es: „Die Jobcenter werden […] entweder bereits für die Zeit ab Juni die Leistungsgewährung nach dem SGB II entsprechend anpassen oder im Nachgang die bisherige Leistungsbewilligung teilweise widerrufen.“ (…) Dazu kommt, dass die Regelungen in den Bundesländern unterschiedlich ausfallen. (…) Während Rheinland-Pfalz sich noch zu keiner Handhabe der Thematik entschieden hat, sind sich Thüringen, Bayern und Niedersachsen einig. Sie halten es mit Baden-Württemberg: Auch hier müssen sich Hartz-IV-Empfänger darauf einstellen, dass Rückzahlungen angefordert werden. Man befürchtet eine „ungerechtfertigte Besserstellung gegenüber Nichtleistungsbezieher/-innen“. Am Ende entscheide jedoch die Verwaltungspraxis vor Ort, heißt es in Niedersachsen. Demnach entscheidet das Jobcenter, ob die Hartz-IV-bedürftige Familie den Differenzbetrag behalten oder zurückzahlen müsse. Was also bleibt, ist die Unsicherheit zu einem konkreten Umgang mit der Leistungsbewilligung, der nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern auch von Jobcenter zu Jobcenter variiert.“
- Hartz IV-Bezieher könnten wegen dem 9-Euro-Ticket Ärger bekommen
„Seit dem ersten Juni 2022 kann das sog. “9-Euro-Ticket” für alle Regionalzüge bundesweit genutzt werden. Gerade für Menschen mit niedrigem Einkommen ist das Ticket eine gute Möglichkeit, kostengünstig den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Fatalerweise kann dieser Umstand allerdings für Familien im Hartz IV Bezug zum finanziellem Problem werden…“ Beitrag von Sebastian Bertram vom 14.06.2022 bei gegen-hartz.de mit einigen juristischen Hinweisen - Hinweis: Bitte nicht vergessen: Wer hier hauptsächlich Klarheit schaffen kann ist der Gesetzgeber, der sich doch sonst so gerne darauf beruft, dass der Regelsatz sich aus Pauschalbeträgen zusammensetzt, die gerade kein reales Ergebnis der tatsächlich Ausgaben abbilden. So decken bereits die 8,97 % (Anteil für Verkehr) in der Regel nicht die tatsächlichen monatlichen Aufwendung. Und für all diejenigen, die sowie gewöhnlich den öffentlichen Verkehr nicht viel nutzen können (oder Schwarzfahren müssen (!)), weil sie sich das beim jetzigen verfassungswidrigen Regelsatz schlichtweg nicht leisten können, stellt jede Rückzahlung im Zusammenhang mit dem 9-Euro-Ticket, nur einen weiteren brutalen Angriff auf deren Existenzbedingungen dar.