Jobcentern ausgeliefert – Chaos während Coronakrise: Ämter handeln von Ort zu Ort nach anderen Regeln. Bundesagentur für Arbeit weist Verantwortung von sich

Illustration zu Hartz IV: Ten Years after - Sechsteilige Bilanz von Rudolf Stumberger bei telepolis„Zuerst lauscht sie einer minutenlangen Ansage zum eingeschränkten Betrieb der Jobcenter wegen der Coronapandemie, dann hängt sie in der Warteschleife fest. Schließlich ertönt das Besetztzeichen – schon wieder ist sie herausgeflogen. Katja Müller (Name geändert) versucht seit Tagen, das Jobcenter Börde zu erreichen. Sie steckt in akuter Geldnot und hofft auf schnelle Hilfe. Ihr Jobcenter ist wie viele andere Ämter in diesen Tagen trotz der Lockerungen weiter geschlossen. Obwohl die Bundesagentur für Arbeit (BA) zu Beginn der Pandemie viel versprochen hatte, von vereinfachten Antragsverfahren bis hin zu Notfallschaltern, wird ihr Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Amt zu einem Marathonlauf. Andernorts sind viele Betroffene offenbar eher erleichtert. In Wuppertal beispielsweise gebe es eine direkte Durchwahlnummer. Auch seien Termine vor Ort in der nordrhein-westfälischen Stadt wieder möglich. (…) Was auffällt: Jedes Jobcenter scheint in der Coronapandemie nach eigenen Regeln zu agieren. Viele haben weiterhin geschlossen, andere sind teilweise geöffnet. Manche verschicken schon wieder Vorladungen, andere nur Stellenangebote. Die einen sind gut, andere sehr schwer erreichbar. In einigen Behörden ist es möglich, Unterlagen an einem Notfallschalter abzugeben und sich den Eingang absegnen zu lassen, in anderen nicht. Dabei ist gerade ein solcher Nachweis für Betroffene wichtig. Denn Jobcenter sind dafür bekannt, dass viele Dokumente verschwinden. Gibt es kein bundesweites Konzept, welches die Öffnung, den Kundenverkehr und den Umgang mit Notfällen in Jobcentern regelt? Nein, meint BA-Sprecherin Susanne Eikemeier auf Nachfrage von jW und ergänzt: »Jedes Jobcenter entscheidet nach seinen eigenen regionalen Gegebenheiten und in eigener Verantwortung.« Denn die BA sei nämlich gar nicht weisungsbefugt gegenüber den Hartz-IV-Behörden. Daher könne man aus Nürnberg keine Anweisungen erteilen, sondern »nur Empfehlungen aussprechen«. Das verwundert, denn erstens sind Jobcenter sogenannte gemeinsame Einrichtungen von Kommunen und Bundesagentur, zweitens handeln sie nach Bundesgesetzen, und drittens gibt die BA regelmäßig »fachliche Weisungen« an sie heraus. Für den Kontakt mit Hilfesuchenden während der Coronapandemie spielt das offenbar keine Rolle…“ Artikel von Susan Bonath bei der jungen Welt vom 4. Juli 2020 externer Link

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