Aktenschlamperei: Rechnungshof kritisiert offizielle Arbeitslosenstatistik
„Laut einem Medienbericht kritisiert der Rechnungshof die Aktenführung in vielen Jobcentern, betroffen seien Hunderttausende Langzeitarbeitslose. In vielen Fällen sei „die Betreuung über mehrere Monate unterbrochen“. Der Bundesrechnungshof übt offenbar in einem internen Prüfbericht Kritik an der Arbeitslosenstatistik. Demnach seien bundesweit die Akten von rund 290.000 Langzeitarbeitslosen falsch oder unvollständig geführt, kritisieren die Prüfer aus Bonn laut einer Meldung der „Bild am Sonntag“. Dabei handelt es sich allerdings um eine auf Schätzungen basierende Hochrechnung. Für die Untersuchung hatte der Rechnungshof Daten aus dem Jahr 2017 stichprobenartig untersucht. Die Zeitung geht davon aus, dass dadurch auch die offizielle Arbeitslosenstatistik um rund 115.000 Menschen zu niedrig ausfalle. Die Zahl der Arbeitslosen lag zuletzt bei 2,37 Millionen Menschen. Grund für die falschen Zahlen sind nach Ansicht des Rechnungshofs Schlampereien: So würden viele Akten falsch oder unvollständig geführt, weil sich die Jobcenter nicht ausreichend um Hartz-IV-Empfänger kümmerten…“ Beitrag vom 17.3.2019 beim Spiegel online , siehe dazu:
- Die Schummelagentur. Nach Rüge vom Rechnungshof sollen Jobcenter Erwerbslose neu zählen. Auch die tatsächliche Sanktionsquote wurde erstmals ausgewiesen
„Geschichten über Vollbeschäftigung oder »faule« Erwerbslose, die einen Tritt in den Hintern bräuchten, verkaufen sich besser mit der passenden Statistik. »Die Arbeitslosenzahl sinkt auf 2,3 Millionen«, jubelte die Bundesagentur für Arbeit (BA) zuletzt Ende März. Dass nicht alle Erwerbsfähigen ohne auskömmlichen Job in dieser Statistik auftauchen, ist kein Geheimnis mehr. Die BA begründete dies immer mit politischen Vorgaben. Doch ihre Schönfärberei wurde nun auch dem Bundesrechnungshof zuviel. Rund 290.000 Klienten erfasste die BA demnach statistisch falsch, etwa 115.000 Erwerbslose seien so nicht als solche deklariert worden, schrieben die Prüfer in einem Bericht. Sie stützten ihre Hochrechnung auf Stichproben in 770 Fällen in 219 Jobcentern. Nun hat die BA reagiert – mit einer Weisung an die Jobcenter. Das Papier mit dem Titel »Aktualisierung von Bewerberdatensätzen« trat bereits am 9. April in Kraft. Es verpflichtet die Jobcenter dazu, regelmäßig die automatischen Prüfsysteme zu nutzen, wie eine BA-Sprecherin am Montag unter anderem gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erläuterte. Ziel sei es, »unstimmig erscheinende Fälle« zu finden. Die Weisung habe die BA mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), den kommunalen Spitzenverbänden und den Bundesländern abgestimmt. Bereits Mitte März hatte die BA in einer Pressemitteilung eine bewusste Manipulation vehement bestritten. Sie schob die Unregelmäßigkeiten auf vergessliche Sachbearbeiter und die Software…“ Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 16.04.2019
- Geschönte Arbeitslosenquote: Linke und Gewerkschafter fordern Reform der Arbeitsmarkt-Statistik
„… Die deutsche Arbeitslosenquote ist zu schön, um wahr zu sein – so sieht es Matthias W. Birkwald, Vorsitzender der Linken im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales. Denn in der Statistik fehlten etwa Langzeitarbeitslose über 58, Ein-Euro-Jobber und Menschen in Weiterbildung. (…) Birkwald hat nachgerechnet. Die Zahl der Arbeitslosen, sagt er, liege um 900.000 Menschen höher als offiziell angegeben. Tatsächlich haben diverse Bundesregierungen verschiedene Gruppen aus der Statistik herausgenommen. (…) Sachsens DGB-Vorsitzendem Markus Schlimbach ist diese Zahl wiederum zu breit gefasst, um Arbeitslosigkeit realistisch abzubilden. Er plädiert dafür, die bisherige offizielle Quote um bestimmte Gruppen zu ergänzen. Schlimbach fände die Arbeitslosenzahlen zum Beispiel realistischer, wenn auch diejenigen, die Weiterbildungsmaßnahmen ergreifen, in der Statistik mitgezählt würden. Denn auch die wären auf der Suche nach Arbeit und hätten damit ein Recht, in der Arbeitslosenstatistik aufzutauchen. Für Schlimbach ist das eine Frage der Transparenz. (…) Linken-Politiker Matthias W. Birkwald würde die Arbeitslosenstatistik dagegen so breit wie möglich fassen. Zusätzlich müsse man erwähnen, wie viele Menschen unfreiwillig nur Teilzeit arbeiten…“ Beitrag von Ralf Geißler bei MDR AKTUELL vom 29. März 2019