Zustimmung zur Leiharbeit: Die wundersame „Läuterung“ der IG-Metall-Führung im Jahre 2018
„In einem als „Kampagne und betriebspolitische Offensive – Leiharbeit, industrienahe Dienstleistungen/Werkverträge“ überschriebenen 15 seitigen Papier stellt der IGM-Vorstand fest: „Wir sind nicht gegen Leiharbeit als vorübergehendes Flexibilisierungsinstrument, deshalb: Missbrauch verhindern – Umfang begrenzen – Bedingungen gestalten.“ (S. 4) Es wurde Betriebsräten und damit Belegschaften im April 2018 sozusagen als Direktive – mit den sich für sie daraus ergebenden Aufgaben – zugestellt. (…) Die IGM-Spitze beruft sich mit ihren Aussagen auf „Leitanträge“, „Leitbilder“ und Ausführung von Beschlüssen des 23. ordentlichen Gewerkschaftstages (…) Dieser Gewerkschaftstag hat aber gar keinen Beschluss gefasst, in dem es heißt: „Wir sind nicht gegen Leiharbeit …“ Artikel von Ludwig Jost in Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) Nr. 363 vom Juli 2018 – darin weitere, auch historische Informationen und ein Hinweis auf unsere Klage-Kampagne für equal pay – siehe mehr daraus und dazu:
- „Großes Plus“: IG Metall feiert „Erfolge in der Leiharbeit 2012-2024“, natürlich v.a. für Mitglieder – wir waren wohl in einem anderen Film…
„Mit der IG Metall gibt’s mehr Geld. Besonders deutlich ist das in der Leiharbeit. Erfolgreiche Tarifbewegungen sorgen seit Jahren für kräftige Entgeltsteigerungen, Branchenzuschläge und sogar für eine Extrazahlung für unsere Mitglieder. In den Tarifbewegungen der letzten zwölf Jahre hat die IG Metall einige Verbesserungen für Beschäftigte in Leiharbeit durchgesetzt. Dazu gehört eine deutliche Steigerung der Entgelte, auch über sogenannte Branchenzuschläge. Leiharbeitnehnerinnen und Leiharbeitnehmer erhalten zudem Sonderzahlungen wie das erhöhte Weihnachts- und Urlaubsgeld und in 2024 eine Inflationsausgleichsprämie. Nur für unsere Mitglieder gibt es zudem zweimal im Jahr mit dem Mitgliedervorteil eine Extrazahlung von jeweils bis zu 500 Euro. Der Urlaubsanspruch wurde ebenfalls erhöht, auf bis zu 30 Tage im Jahr. Das haben wir als IG Metall und DGB-Gewerkschaften geschafft, weil wir viele sind…“ Beitrag der IG Metall vom 11. März 2024 („Mitglieder haben es besser. Großes Plus: Erfolge in der Leiharbeit 2012-2024“) nicht ohne die Aufforderung zur Mitgliedschaft – siehe unsere Bilanzen und die bisherigen Tarifrunden:- Dossier von 2013: Branchenzuschlag für Leiharbeit in der Metallindustrie und branchenübergreifende Folgen
- Dossier: Tarifrunde Leiharbeit 2016/17 und v.a. das Dossier: IG Metall und die Tarifrunde Leiharbeit 2016/17
- Unsere Bilanz von 2019: (Erwartbare) Bilanz zwei Jahre nach der Reform der Leiharbeit: Wie Tarifverträge den Regelungen zu Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer die Zähne ziehen
- Dossier von 2022: Höchstüberlassungsdauer in der Metall und Elektroindustrie geknackt: IG Metall stimmt Zeitarbeit bis zu vier Jahren zu
- Dossier: Nix dazu gelernt: IG Metall startet Tarifrunde Leiharbeit 2019/2020 mit einer “aktivierenden Befragung” – wir erinnern an die Kündigungstermine der Tarifverträge
- Dossier: Tarifrunde Leiharbeit 2022/23: DGB-Tarifgemeinschaft will „deutlich mehr“ als den neuen Mindestlohn – wir immer noch keine Leiharbeit(starife)
- Dossier von 2023: IG Metall fordert auch für die Zeitarbeitnehmer*innen der AutoVision bei VW Inflationsausgleich sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld – Übernahme wäre besser
- Dossier: IG Metall startet für die DGB-Tarifgemeinschaft die Tarifrunde Leiharbeit 2024 mit der Lohnforderung von 8,5 Prozent – es fehlt noch viel zum equal pay
- Unsere Bilanz von 2023: Wenn Tarifverträge Sünde sind. Die Schlechterstellung von Leiharbeit wird künftig schwieriger, die DGB-Gewerkschaften hätten diese Praxis jedoch schon längst beenden können
- Siehe natürlich unsere Kampagne im Dossier: [Die Anstalt, Prof. Wolfgang Däubler und LabourNet Germany] Gesucht: LeiharbeiterInnen für eine Klage für gleichen Lohn und gleiche Bedingungen auch in Deutschland als bislang letzte Kampagne gegen die Leiharbeitstarife von mehreren zuvor samt offenen Briefen
- Weiterhin im Artikel von Ludwig Jost in Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) Nr. 363 vom Juli 2018 : „… Deswegen jetzt anzunehmen, der IGM-Vorstand hätte sich bei seiner o. g. Feststellung geirrt oder sei Opfer einer „vorübergehenden“ geistigen Umnachtung, eines Komas oder eines Blackouts geworden, wäre allerdings falsch. Eine solche Annahme würde ihm im Falle einer Anklage wegen Zustimmung zur Klassenspaltung und Schwächung gewerkschaftlicher Kampfkraft und/oder Verschleierung bzw. getrübter Wahrnehmung realer gesellschaftlicher Zustände, auch noch mildernde Umstände einbringen. Von einem Blackout der IGM-Führung kann aber keine Rede sein. (…) Seitdem die Arbeitskrafthändler die Arbeitskraft unserer vom Kapital auf die Straße gesetzten Kolleginnen und Kollegen zu Dumpinglöhnen verhökern, ist deren Situation als Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter bekannt. (…) Hierbei ist es gleichzeitig die Basis von zahlreichen gegen die Leiharbeit gerichteten Verbotsanträgen bei Gewerkschaftstagen. Und darum geht es der IGM-Führung. Ihre Zustimmung zum „vorübergehenden Flexiinstrument“ soll die Diskussion über die Forderungen nach Leiharbeits-Verboten endgültig beenden. Hierbei versucht sie ohne Diskussion durchzusetzen, was der 23. ordentliche IGM-Gewerkschaftstag – auf den sie sich beruft – nicht explizit beschlossen hat…“ (…) Wer mit Hilfe des IGM-Vorstands zur Meinung von Huber kommt und Leiharbeits-Verbotsdiskussionen abschwört, der landet unbelastet davon beim 15-seitigen Vorstandspapier. Mit Hinweisen auf „Infopakete, Toolbox, belastbare Vereinbarungen“, „Leiharbeit als Flexibilitätsreserve“, „Tarif ME 2018“ u. a. enthält es das Programm für die „prekär Beschäftigten“: die Verwaltung und Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen in den Betrieben der „Entleiher-Kapitalisten“, wie z. B. bei VW, AUDI, MAN, BMW, ihren „Kontraktlogistikern“ usw. Auf diesem Wege lässt sich immer behaupten, dass an der Rechtsungleichheit der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter gearbeitet wird. Dabei bleibt die Leiharbeit der Tarifpolitik als Betätigungsfeld oder auch als „Spielwiese“ der „Tarifexperten“ erhalten, ebenso die Rechtsungleichheit. Mit allem, was oben genannt ist, mit dem Heuern und Feuern, dem einfach Abmelden und Nachhauseschicken, dem Kuschen für eine Festanstellung und den sich daraus ergebenden Erpressungsmöglichkeiten bleibt sie in Wirklichkeit unverändert. Das wird z. T. verschleiert mit dem Verweis auf hochgejubelte und schöngefärbte Tarif- o. a. Vereinbarungs-Erfolge, die hier nicht bestritten werden. Dazu zählen z. B. die Erhöhung von Löhnen und/oder Branchenzuschlägen, die eine oder andere Übernahme von Leiharbeitern in ein „ordentliches Arbeitsverhältnis“ u. a. Und hierbei gibt es noch viel Arbeit für alle, die sich z. B. bei der IGM oder in der sich aus acht Einzelgewerkschaften zusammensetzenden DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit als Tarifexperten bewähren wollen. (…) Etwas Besseres als die jetzige IGM-Vorstandserklärung kann den Kapitalistenverbänden nicht passieren. Damit im Rücken, können sie sich beruhigt in ihren Sesseln zurücklehnen und die gewerkschaftliche Akzeptanz der Leiharbeit mit einem großen Schluck aus der Pulle feiern. Die IGM-Spitze nimmt ihnen ein großes Stück Arbeit ab, indem sie sich faktisch gegen alle wendet, die inner- und außerhalb der Gewerkschaften für ein Verbot der Leiharbeit sind und dafür kämpfen. Das Vorstandspapier ist ein Fall für die innergewerkschaftliche und die Diskussion in Betriebsräten und Belegschaften. Es geht weiterhin um die Organisierung des Kampfs für ein Verbot der Leiharbeit. Weder die Gewerkschaften und noch weniger Betriebsräte und Belegschaften brauchen irgendwelche „vorübergehenden Flexibilisierungsinstrumente…“