Gefahr anderer Scheingewerkschaften

Die Leiharbeitstarife der »christlichen« CGZP gelten nicht. Ver.di fürchtet weitere Dumpingversuche. Artikel von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in junge Welt vom 26.01.2013

Das Bundesarbeitsgericht hat die »Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen« (CGZP) im Dezember 2010 für »tarifunfähig« erklärt. Seither sind es nur noch die DGB-Tarifverträge mit den Zeitarbeitsverbänden, die das Equal-Pay-Gebot – gleiche Bezahlung von Leih- und Stammbeschäftigten – im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) unterlaufen. Dennoch streben die DGB-Spitzen keine Kündigung der Vereinbarung an, die Ende Oktober dieses Jahres erstmals auslaufen könnte. »Es besteht die Möglichkeit, daß andere Scheingewerkschaften in die Bresche springen und Dumpingtarife für die Leiharbeit abschließen«, warnt ver.di-Sprecher Christoph Schmitz im jW-Gespräch. »Wenn wir das verhindern wollen, brauchen wir den ­DGB-Vertrag.« Noch bedrohlicher sei die Aussicht, daß ausländische Tarifverträge für in Deutschland eingesetzte Leiharbeiter zur Anwendung kommen und Equal Pay damit verhindern. »Es ist eine realistische Gefahr, daß beispielsweise eine polnische Leiharbeitsfirma Beschäftigte auf Basis eines polnischen Tarifvertrags entsendet. Das wäre dann ein Tarifvertrag im Sinne des AÜG.« Schmitz’ Schlußfolgerung: »Solange wir keine verbindliche gesetzliche Regelung zu Equal Pay und zu einem allgemeinen Mindestlohn haben, brauchen wir den DGB-Tarifvertrag.«

Ganz aus der Luft gegriffen ist die Möglichkeit weiterer Dumpingverträge nicht – ganz im Gegenteil. Noch immer besteht nach Angaben des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP) eine mit den »christlichen Gewerkschaften« CGZP, CGM, DHV, BIGD, ALEB und medsonet geschlossene Vereinbarung, die angeblich ähnliche Bedingungen festschreibt wie der DGB-Tarif. Die Legalität dieses Kontrakts darf allerdings bezweifelt werden, denn neben der CGZP haben auch andere der beteiligten Organisationen Schwierigkeiten, ihre Tariffähigkeit zu beweisen. So stellte beispielsweise das Hamburger Landesarbeitsgericht im März 2012 fest, daß die in der Gesundheitsbranche tätige medsonet nicht tariffähig ist.

Der Bremer Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler hält es für »höchst zweifelhaft«, daß andere Scheingewerkschaften die von der CGZP hinterlassene Lücke so einfach füllen könnten. »Gegebenenfalls müßte man dann eben ein neues Verfahren wegen Tarifunfähigkeit führen«, meint der Wissenschaftler im jW-Gespräch. Auch die Gefahr ausländischer Dumpingverträge sollte die DGB-Gewerkschaften seiner Ansicht nach nicht von der Kündigung der Leiharbeitstarife abhalten. Für Leiharbeiter aus dem EU-Ausland gelte in vielen Branchen der über das Entsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärte Mindestlohntarif. Dieser allein rechtfertige aber kein Unterlaufen des Equal-Pay-Grundsatzes im AÜG. Außerdem betont Däubler: »Auch ein DGB-Tarif kann keinen Verleiher daran hindern, auf polnische Leiharbeiter zurückzugreifen.«

Der Jurist argumentiert aber auch grundsätzlich: »Nur weil andere Organisationen miese Tarifverträge abschließen, zwingt das den DGB ja nicht, ebenfalls schlechte Verträge zu unterschreiben.« Manchmal frage man sich, ob die Gewerkschaftsspitzen die volle Gleichstellung von Leih- und Stammbeschäftigten überhaupt ernsthaft anstrebten.

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