5. Ordentlicher ver.di-Bundeskongress 2019 und Leiharbeit
Dossier
Antrag A074: „Der Bundeskongress beschließt: Der DGB und die jeweiligen Einzelgewerkschaften werden aufgefordert, die Tarifverträge zur Leiharbeit nicht zu verlängern: Begründung: Im Gesetz zur Leiharbeit steht: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Im Gesetz steht außerdem, dass per Tarifvertrag, also mit Zustimmung der Gewerkschaften, schlechtere Löhne für Leiharbeiter*innen abgeschlossen werden können. Der DGB hat seit Jahren geringere Tarife gegen die Leiharbeiter*innen mit den Leiharbeitsfirmen abgeschlossen. Das muss sofort ein Ende haben! Keine weitere Unterstützung für diese Spaltung zwischen Leiharbeiter*innen und Festbeschäftigten! Durch die Kündigung der Tarifverträge gilt dann das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Und dann gilt für die Leiharbeiter*innen der gesetzliche Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Die erheblichen Lohnverluste der Leiharbeiter*innen durch die Nichtanerkennung des Equal-Pay-Grundsatzes sind ein wesentlicher Grund für den geringen Organisationsgrad von Leiharbeiter*innen. Gewerkschaften müssen gegen die gewollte Spaltung der Belegschaft kämpfen und nicht mit Verweis auf ihre Tarifverträge jegliche wirksame Selbstorganisation verhindern. Der Gesamtschutz der Beschäftigen muss schnellstmöglich hergestellt werden und der Kampf gegen jegliche Unterlaufung der Ermächtigungsgrundlage durch gelbe Gewerkschaften muss politisch auch in der Gewerkschaft ver.di geführt werden.“ Der angesichts der neuen Tarifrunde Leiharbeit 2019/2020 wichtige Antrag beim 5. Ordentlichen ver.di-Bundeskongress 2019. Siehe dazu einen weiteren Antrag zum Verbot der Leiharbeit und deren Behandlung beim Gewerkschaftstag:
- „Verdi-Chef will Leiharbeit gerechter machen“ – „Dann wird Leiharbeit auch mehr akzeptiert und attraktiver“ – und dann erst irgendwann abschaffen
„Der neue Verdi-Vorsitzende Frank Werneke macht Druck auf die Große Koalition. Im n-tv Frühstart forderte er eine bessere Bezahlung für Leiharbeiter. „Wir wollen, dass, wenn jemand Leiharbeit in einem Betrieb macht, er oder sie ab dem ersten Tag genauso viel bekommt wie die Stammbeschäftigten“, sagte Werneke bei n-tv. „Und wie das in vielen Ländern Europas auch jetzt schon Normalität ist, soll es nochmal einen Zuschlag dafür geben, dass es ja wechselnde Beschäftigungs- oder Arbeitsplatzeinsätze gibt. Also nochmal einen Zuschlag darauf.“ Dann sei Leiharbeit ein Instrument, das nicht den Eindruck erwecke, „dass da schlechtere Konditionen durchgesetzt werden im Betrieb, sondern ein Instrument, um Flexibilität zum Beispiel bei schwankender Auftragslage zu realisieren oder da, wo es Vertretungssituationen gibt, etwa bei Elternzeiten. Dann wird Leiharbeit auch mehr akzeptiert und attraktiver“. Laut dem Verdi-Chef ist die Forderung nach besserer Bezahlung „unser erster Schritt“. Auf dem Verdi-Kongress vor wenigen Tagen hatten die Delegierten beschlossen, langfristig müsse auf eine Gesetzesänderung hingewirkt werden, die Leiharbeit abschaffe. „Es gab eine lange Diskussion auf unserem Bundeskongress, wo diese Grundskepsis, ob Leiharbeit überhaupt ein geeigneter Weg ist, zum Ausdruck kam“, erläuterte Werneke im n-tv Frühstart. „Aber wir wollen nicht morgen Leiharbeit abschaffen, sondern erst mal Leiharbeit gerechter gestalten.“ Die Regel, ab dem ersten Tag denselben Lohn wie der Stammbelegschaft zu zahlen, sei „in fast allen europäischen Ländern absoluter Standard“. Dazu werde man das einfordern, was bereits „konkret im Koalitionsvertrag verankert“ sei…“ n-tv Frühstart (mit Video) mit Frank Werneke am 04. Oktober 2019
- ver.di-Bundeskongress 2019: Viel Zeit mit falschen Heilsbringern vergeudet!
„… Dann die Forderung nach dem gesetzlichen Verbot der Leiharbeit. Schon vor 30 Jahren forderte dies die IG Metall. Heute sind dank der Leiharbeitspraxis die Arbeitsplätze der von ver.di organisierten Disponenten bei den Sklavenhändlern immer noch gesichert. Auch der Nachschub von den die Belegschaften spaltenden lohnabhängigen Leiharbeitern. Aktiv spalten allerdings vor allem diejenigen, die Verantwortung für diese Spaltung tragen. Auf dem Bundeskongress angesprochen sagte Stefan Körzell vom Bundesvorstand des DGB, dass Equal Pay und die richtige Eingruppierung der Leiharbeiter in die Entgeltgruppen vorbildlich durch die Betriebsräte z. B. bei der Firma randstad gewährleistet werden bzw. zumindest teilweise schon längst gewährleistet würden. Auf die 8,5 % mehr in der Leiharbeit als Tarifforderung und auf die in der untersten Entgeltgruppe daraus resultierende Unterlaufung der Mindestlohnforderung (12 €) angesprochen, reagierte er zunächst ausweichend unsachlich, denn ich hatte ein solidarisches Verhalten nicht nur mit Niedriglöhnern, sondern vor allem auch mit den von Leistungen und Forderungen der Jobcenter abhängigen „armen Schweinen“ gesprochen. Schuld an dem Missbrauch der Leiharbeit seien in seinen Augen offensichtlich eher diejenigen, die sich nicht in den Gewerkschaften organisieren und nicht für ihr gerechtes Entgelt kämpfen wollen. Dies erinnert an den Schuldvorwurf, dass die Prekären sich nur deshalb nicht wehren, weil sie sich nicht organisieren wollen. So sei ja dann die 8,5 % mehr durch eine neue tarifliche Regelung ein Plus für diejenigen, die Equal Pay nicht selbst durch ihre Aktion in den Leiharbeitsunternehmen und vor den Gerichten bzw. durch ihre gewerkschaftliche Organisierung erzwingen wollen und natürlich ein Plus für alle. Reiner Hoffmann, Bundesvorsitzender des DGB, verwies auf die Fehlentscheidung bei der Übernahme des britischen Modells bei der gesetzlichen Umsetzung des Equal Pay-Grundsatzes in Deutschland vor Jahrzehnten. (…) Die Leiharbeit betreffende Anträge auf dem ver.di-Bundeskongress wurden im Block mit anderen Anträgen zur „Guten Arbeit“ abgestimmt, zuvor gab es eine heiße Diskussion bezüglich des gesetzlichen Verbots der Leiharbeit. Scheinbar hoffen die Kollegen, dass eine zukünftige Koalition im Bund dies sofort umsetzt. Konkret haben sie aber dem Angebot der DGB-Tarifkommission Leiharbeit zugestimmt, dass dieses per Tarifvertrag wieder anstelle von Equal Pay die Unterlaufung des gesetzlich geforderten Grundsatzes ermöglicht…“ Bericht von W. M. Wengorz auch von der schwierigen Genese des Antrags – wir danken!
- Langfristig Leiharbeit verbieten – und kurzfristig Tarifverhandlungen führen…
- A 071: Verbot von Leiharbeit
„Der Bundeskongress beschließt: ver.di setzt sich für ein Verbot von Leiharbeit in der Bundesrepublik Deutschland aktiv ein. Bevor das Verbot der Leiharbeit in Kraft tritt, fordern wir, dass zusätzlich folgende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen vorgenommen werden: Die Kosten der Leiharbeiter*innen muss finanziell deutlich unattraktiver für die Unternehmen sein, als die Einstellung von eigenem Personal. Nach maximal einem halben Jahr müssen die Kolleg*innen in der Leiharbeit festangestellt werden, spätestens jedoch nach der zweiten Anstellung müssen sie unbefristet übernommen werden. Nach einer „wirtschaftlichen Rezension“, in der Betriebe Leiharbeiter*innen eingestellt haben, dürfen die Firmen ein Jahr lang keine neuen Leiharbeiter*innen beschäftigen. Das Verhältnis der Leiharbeiter*innen an der Belegschaft darf maximal nur 4,5 Prozent vom Anteil der gesamten Kolleg*innen betragen. ver.di soll auch intern das Thema Leiharbeit bearbeiten, sich mit den Auswirkungen und Alternativen auseinandersetzen und die eigenen Aktivenstrukturen bei Bedarf inhaltlich zum Thema weiterbilden. Begründung: In der Bundesrepublik Deutschland hat sich die Zahl der Leiharbeiter*innen innerhalb von zwölf Jahren von 1,1 Prozent auf drei Prozent erhöht. Zudem ist die Leiharbeit sehr stark konjunkturabhängig, was vor allem die Arbeitnehmer*innen zu spüren bekommen: „Sie werden im Aufschwung eingestellt und bei verschlechterter Auftragslage als erste ausgemustert.“ (Böckler Impuls 02/2017) Hinzu kommt, dass die Arbeitsverhältnisse oft nur von kurzer Dauer sind: knapp die Hälfte ist nach drei Monaten wieder beendet. Für die Unternehmen ist die Leiharbeit ein probates Mittel, um mit billigen Arbeitskräften die Produktivität zu steigern, während die Leiharbeiter*innen ausgebeutet werden und unter den prekären Arbeitsbedingungen leiden. Wir als Gewerkschaftsjugend fordern aus diesem Grund die Abschaffung dieses Arbeitsmodells.“ Antrag der Bundesjugendkonferenz- erledigt durch Ä 08 Änderungsantrag zu A 001 (Gute Arbeit und Gute Dienstleistungen zukunftsgerecht gestalten – betrieblich, tariflich und politisch):
„… Equal Pay (gleiche Bezahlung) und Equal Treatment (gleiche Behandlung) für Zeit- und Leiharbeit vom ersten Einsatztag an: Wiederherstellung des Synchronisationsverbots, ein Arbeitsplatz- anstelle eines Personenbezugs bei der Höchstüberlassungsdauer, eine Flexibilitätszulage von zehn Prozent, die Berücksichtigung von Zeit- und Leiharbeiter*innen bei allen Schwellenwerten in Arbeits- und Mitbestimmungsgesetzen, und nicht zuletzt eine Abschaffung der Privilegierung der konzerninternen Verleihung. Im Falle unzulässiger Verleihung muss klargestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis beim Entleiher unbefristet und unter Anrechnung der dortigen Vorbeschäftigung besteht;besteht. Langfristig jedoch muss auf eine Gesetzesänderung hingewirkt werden, die Leiharbeit abschafft“ – mit 85,75 Prozent angenommen
- »Das ist ein starkes politisches Zeichen«. Für die Abschaffung der Leiharbeit: Verdi-Jugend bringt auf Leipziger Bundeskongress Anträge durch
„… Einer der Gründe dafür, warum die Änderungsanträge für den Bundeskongress so hoch im Kurs stehen, ist der von uns gestaltete Diskussionsprozess im Vorfeld. Es hat eine Schreibwerkstatt mit dem damaligen Bundesjugendvorstand gegeben und in der Folge sind die Anträge gemeinsam entwickelt und auf allen Landesjugendkonferenzen diskutiert worden. So haben wir die politischen Meinungen der Jugend zusammengeführt. (…) Dass unser Änderungsantrag für die langfristige Abschaffung der Leiharbeit angenommen wurde und damit in den Leitantrag übergegangen ist, ist ein starkes politisches Zeichen aus der Jugend heraus. Ein Grund dafür ist, dass es Bereiche gibt, in denen Leiharbeit unter sehr guten Bedingungen stattfindet; in denen Unternehmen den Leiharbeitern etwas bieten, damit sie das Modell weiterführen können. Aber solange wir Beschäftigungsverhältnisse in Leiharbeit haben, werden wir nie zu identischen Bedingungen kommen – weder für die Leiharbeiter noch für die Stammbelegschaft…“ Interview von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 28.09.2019 mit Miriam Hagelstein und Kai Reinartz , Mitglieder der Verdi-Jugend - Siehe zuvor zum Antrag unseren Beitrag: ver.di Jugend fordert von der Gesamtorganisation, sich für ein Verbot von Leiharbeit und bis dahin für umfassende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen einzusetzen!
- erledigt durch Ä 08 Änderungsantrag zu A 001 (Gute Arbeit und Gute Dienstleistungen zukunftsgerecht gestalten – betrieblich, tariflich und politisch):
- A 071: Verbot von Leiharbeit
- Antrag A074: Der DGB und die jeweiligen Einzelgewerkschaften werden aufgefordert, die Tarifverträge zur Leiharbeit nicht zu verlängern (und Flugblatt zur Unterstützung des Antrags)
- Antrag A074 „Eindämmung von Leiharbeit zur Durchsetzung von Equal Pay – Kein Tarifvertrag zur Leiharbeit“ abgelehnt!
Entsprechend der Empfehlung der Antragskommission… Auch abgelehnt: A 072: Abschaffung von Leiharbeit und A 073: Werkverträge abschaffen - Antrag A074: „Der Bundeskongress beschließt: Der DGB und die jeweiligen Einzelgewerkschaften werden aufgefordert, die Tarifverträge zur Leiharbeit nicht zu verlängern
Begründung: Im Gesetz zur Leiharbeit steht: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Im Gesetz steht außerdem, dass per Tarifvertrag, also mit Zustimmung der Gewerkschaften, schlechtere Löhne für Leiharbeiter*innen abgeschlossen werden können. Der DGB hat seit Jahren geringere Tarife gegen die Leiharbeiter*innen mit den Leiharbeitsfirmen abgeschlossen. Das muss sofort ein Ende haben! Keine weitere Unterstützung für diese Spaltung zwischen Leiharbeiter*innen und Festbeschäftigten! Durch die Kündigung der Tarifverträge gilt dann das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Und dann gilt für die Leiharbeiter*innen der gesetzliche Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Die erheblichen Lohnverluste der Leiharbeiter*innen durch die Nichtanerkennung des Equal-Pay-Grundsatzes sind ein wesentlicher Grund für den geringen Organisationsgrad von Leiharbeiter*innen. Gewerkschaften müssen gegen die gewollte Spaltung der Belegschaft kämpfen und nicht mit Verweis auf ihre Tarifverträge jegliche wirksame Selbstorganisation verhindern. Der Gesamtschutz der Beschäftigen muss schnellstmöglich hergestellt werden und der Kampf gegen jegliche Unterlaufung der Ermächtigungsgrundlage durch gelbe Gewerkschaften muss politisch auch in der Gewerkschaft ver.di geführt werden.“ - Prekär Beschäftigte und Ausgegrenzte lassen sich nur schwer organisieren – Wer setzt sich für die Leiharbeiter ein?
„… Wer sitzt in den Tarifkommissionen Leiharbeit? Im Dezember 2018 gab es einen Initiativantrag von Teilnehmern der Fachbereich 13 Landesbezirkskonferenz in ver.di sat. Ziel war die Verhinderung der Besetzung der TaKo durch Kollegen die keine Leiharbeiter sind. Die Antragsberatungskommission vertreten durch einen hauptamtlichen Geschäftsführer eines CDU-Landkreises in Sachsen-Anhalt empfahl die Nichtbefassung des Antrags. Gewerkschaftliche Vertreter in TaKos sollten die Interessen der Masse der Prekären vertreten und nicht die Interessen der Union- Buster und Job-Killer des Kapitals. (…) Equal Pay statt Spaltung der Belegschaften durch einen Tarifvertrag der Equal Pay verhindert! Es darf kein Tarifvertrag abgeschlossen werden, der den gesetzlichen Equal Pay Grundsatz als Mindestes unterläuft! Notfalls müssen die Verhandlungen abgebrochen werden! Unterstützt den Antrag A 074!“ Flugblatt zur Unterstützung des Antrags A074 - siehe zum Hintergrund auch unser Dossier Nix dazu gelernt: IG Metall startet Tarifrunde Leiharbeit 2019/2020 mit einer “aktivierenden Befragung” – wir erinnern an die Kündigungstermine der Tarifverträge
- Antrag A074 „Eindämmung von Leiharbeit zur Durchsetzung von Equal Pay – Kein Tarifvertrag zur Leiharbeit“ abgelehnt!