Deutscher Bundestag berät über die Bedingungen bei der Leiharbeit und den Antrag Tariföffnungsklauseln im AÜG abzuschaffen
„Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. März 2023, über die Bedingungen bei der Leiharbeit beraten. Der Debatte lagen zwei Anträge zugrunde. Die Fraktion Die Linke brachte einen Antrag mit dem Titel „Leiharbeit – Gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchsetzen“ (20/5978
) ein. Die AfD-Fraktion legte einen Antrag mit dem Titel „Mehr Redlichkeit in der Paketbranche und faire Löhne für Leiharbeiter“ (20/6003
) vor. Beide Vorlagen wurden im Anschluss an die Beratung an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen…“ Bundestagsmeldung mit Video der Beratung
– siehe ausführlich den Antrag der Fraktion DIE LINKE:
- Leiharbeit – Gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchsetzen
„… Leiharbeitsbeschäftigte müssen mindestens die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen erhalten, die ihnen bei einer Direktanstellung im Entleihunternehmen gewährt würden („equal pay“ und „equal treatment“). Dieser Gleichstellungsgrundsatz ist durch die EU-Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit vorgegeben und auch im Arbeitsnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verankert – so die Theorie. In der Praxis wird dieser Grundsatz jedoch seit Jahren durchsogenannte Tariföffnungsklauseln im AÜG unterlaufen. In der Folge existierengleiche Bezahlung und eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten hierzulande nur auf dem Papier. (…) Ein Gesetz, das solch eine Schlechterstellung durch Tarifverträge bewirkt, muss geändert werden. Auch ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 – C-311/21) stellt klar, dass Nachteile bei der Vergütung konkret durch Ausgleichsvorteile bei der Arbeitszeit (etwa durch Urlaub) ausgeglichen werden müssen. Doch trotz des Urteils sind Tarifverträge in Kraft und werden weitere ausgehandelt, die diesen Gesamtschutz mutmaßlich nicht sicherstellen. Die Möglichkeit der Ungleichbehandlung ist gesetzlich auszuschließen: Die Tariföffnungsklauseln im AÜG sind zu streichen. Gesetzliche Änderungen mit Verweis auf die Tarifautonomie abzulehnen oder dem einzelnen Leiharbeitsbeschäftigten den individuellen Klageweg aufzubürden, dürfen keine Option sein. Das wird die gravierenden Missstände in der Praxis nicht beseitigen.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den – bis zu einem baldmöglichsten Verbot von Leiharbeit – die Tariföffnungsklausel in § 8 AÜG gestrichen wird, sodass Leiharbeitsbeschäftigte zwingend gleichgestellt werden und ausnahmslos ab dem ersten Einsatztag die gleiche Vergütung und die gleichen Ar-beitsbedingungen wie Festangestellte erhalten. Darüber hinaus ist ihnen ein Flexibilitätszuschlag von 10 Prozent auf den Lohn zu gewähren…“ Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, Gökay Akbulut, Christian Görke, Ates Gürpinar, Susanne Hennig-Wellsow, Jan Korte, Ina Latendorf, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Pascal Meiser, Sören Pellmann, Heidi Reichinnek, Bernd Riexinger, Dr. Petra Sitte, Jessica Tatti, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE als Drucksache 20/5978 vom 14.03.2023
Siehe auch im LabourNet (von sehr vielen):
- Dossier: Gesetz zur Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen 2016
- (Erwartbare) Bilanz zwei Jahre nach der Reform der Leiharbeit: Wie Tarifverträge den Regelungen zu Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer die Zähne ziehen
- zum Thema Tariföffnungsklauseln v.a. unsere gesamte Rubrik Tarif(verhandlungen) zur Leiharbeit