Sie machen uns kaputt: Psychische Belastungen sind seit jeher Ergebnis struktureller Gewalt am Arbeitsplatz

Ausgebrannt. Betriebsräte als Lotsen für Burnout-Betroffene„Es ist bekannt, wie krank machend die moderne Arbeitswelt ist, und dennoch wird wenig bis gar nichts dagegen unternommen. Vor zehn Jahren erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den beruflichen Stress zu «einer der größten Gefahren des 21.Jahrhunderts». (…) Es sind Bereiche mit schlechten Arbeitsbedingungen. Und weil es die herrschenden Verhältnisse betrifft, ist es gewollte, durchstrukturierte Gewalt. (…) Für die Unternehmen stellt das kein Problem dar. Schließlich entstehen ihnen ab der sechsten Krankheitswoche keine Kosten mehr. Im Gegenteil, es zahlt sich aus, das Risiko bewusst in Kauf zu nehmen. Mit dem Einzug der indirekten Steuerung wird Burn-out mehr als billigend in Kauf genommen. (…) Daneben gibt es auch die strukturelle Gewalt am Arbeitsplatz, die sich nicht psychisch, sondern direkt körperlich auswirkt. (…) Aber nicht das Unternehmen wird bestraft, wie es mit den Körpern der Angestellten umgeht, sondern der überlastete Rücken wird gekündigt und muss sich nun vor dem Amt bücken, alles offenlegen.» (…) Gewerkschaftlicher Widerstand ist dafür die beste Therapie und zugleich Selbstverteidigung.“ Artikel von Violetta Bock in der Soz Nr. 07/2021 externer Link und dazu:

  • Toxische Jobs: Wenn die Arbeit die Seele vergiftet. Psychische Belastung am Arbeitsplatz nimmt dramatisch zu. Fast jeder Dritte leidet unter mentalen Problemen New
    „… Von „toxischen Jobs“ spricht Psychologe Rolf Schmiel. Dies soll verdeutlichen: Arbeit kann krank machen. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben im vergangenen Jahr gezeigt, wie Beschäftigte unter Druck stehen. Jeder fünfte Arbeitnehmer war mindestens einmal aufgrund von mentalen Problemen krankgeschrieben. 31 Prozent der Befragten sagen, dass sie aktuell unter Depressionen, Angststörungen oder anderen psychischen Erkrankungen leiden. Das zeigt der AXA Mental Health Report 2024. (…) Der Psychologe kritisiert das „Prinzip Zitrone“, das er branchenübergreifend beobachtet. Arbeitende fühlen sich ausgequetscht wie eine Südfrucht, etwa bei mangelhafter Personalplanung. Wenn in einer Abteilung zehn arbeiten und drei krank sind, dann wird nicht die Arbeitsmenge reduziert, sondern man geht davon aus, dass die sieben anderen das auffangen. (…) Die Folgen sind erheblich. Denn Schmiel beschreibt zwei Effekte: Burn-out und Präsentismus. – Burn-out ist ein Zustand physischer oder seelischer Erschöpfung und die Reaktion auf Beanspruchung und Belastung im Beruf. Die Konsequenzen sind Müdigkeit, Mattigkeit, Abgeschlagenheit bei gleichzeitiger innerer Unruhe, Reizbarkeit und Nervosität. Betroffene fallen dadurch lange aus, zwischen drei und sechs Monaten Arbeitsunfähigkeit ist nicht selten. Aber das realisieren Unternehmen häufig nicht, bemängelt der Psychologe Schmiel. – Noch schlimmer ist es, wenn sich betroffene Arbeitnehmer die psychischen Belastungen nicht eingestehen. Bei diesem Präsentismus genannten Phänomen arbeiten Beschäftigte trotz belastender Situation weiter, bis der Körper kollabiert. Rückenschmerzen, schwere Magen-Darm-Erkrankungen und Herzinfarkte sind dann die Folgen. Dabei dürfen Schwierigkeiten nicht als individuelles Problem abgetan werden. Dies macht der wissenschaftliche Begriff „psychische Belastungen“ deutlich. Belastungen sind äußere Einwirkungen auf den Menschen, Beanspruchungen sind die Reaktionen auf diese Belastungen. (…) Wie es anders geht, zeigt die Tarifbewegung im Pflegebereich. Mit „Tarifverträgen zur Entlastung“ wird die Personalplanung Teil kollektivrechtlicher Vereinbarungen. Die Beschäftigten der Charité in Berlin haben einen vorbildlichen Tarifvertrag zu den Arbeitsbedingungen erkämpft. Es gelten tarifliche Mindestbesetzungsstandards, es gibt Schlüssel für die Besetzung einzelner Schichten, die verbindlich durchsetzbar sind und vom Betriebsrat kontrolliert werden können. Der Arbeitskampf wurde monatelang unter starkem Einbezug der Pflegekräfte vorbereitet. In vielen Betrieben wird so gegen toxische Jobs vorgegangen, indem die Probleme an der Wurzel angepackt werden.“ Beitrag von Marcus Schwarzbach vom 23. Januar 2025 bei Telepolis externer Link
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