Psychische Probleme im Kapitalismus: Arbeit und Depression
„Angesichts der sich seit Jahrzehnten vollziehenden globalen Umbrüche und der weltweiten Zunahme (diagnostizierter) psychischer Störungen stehen arbeitsbedingte psychosoziale Belastungen bereits seit geraumer Zeit auf der Agenda institutioneller Akteure, die sich für menschenwürdige Arbeit sowie Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz einsetzen. Dabei stehen insbesondere arbeitsbedingter Stress sowie weitere psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz, die langfristig zu psychischen Störungen (u. a. Depressionen) führen können, im Fokus des Interesses. (…) Weltweit ist eine Zunahme psychischer Störungen, insbesondere von Depressionen, zu beobachten. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden derzeit mehr als 300 Millionen Menschen unter einer depressiven Störung, dicht gefolgt von Angststörungen. (…) Einige sozialwissenschaftliche Erklärungsansätze – insbesondere in den Gesellschaften des globalen Nordens – deuten wiederum psychische Störungen, die vorwiegend mit dem Arbeitsleben in Verbindung gebracht werden, als Erschöpfungsphänomene, als »Leiterkrankungen des subjektivierten Kapitalismus«, als Folge des Aufbrechens traditioneller Familien- und Arbeitsmarktstrukturen, der Subjektivierung, Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeit, als Folge von wachsender Autonomie, des technologischen Wandels sowie von (verinnerlichten) Vermarktungsprozessen. Sie liefern damit Erklärungsansätze für eine »spätmoderne Version eines Unbehagens an der Kultur«. (…) Vor dem Hintergrund der dargestellten Erklärungsansätze ist die Frage, welchen Anteil die Arbeitswelt tatsächlich an der Zunahme von (diagnostizierten) psychischen Störungen hat bzw. haben kann, Inhalt (nicht nur) arbeitspolitischer Diskurse weltweit. Es gibt Studien, die Zusammenhänge nachweisen konnten, insbesondere zwischen objektiv bestehender Arbeitsintensität und dem Risiko für das Auftreten einer depressiven Störung. (…) Allen kontroversen Debatten um allgemeine Ursachen und konkrete Zusammenhänge zum Trotz bilden Depressionen weltweit die häufigste Ursache für Erwerbsunfähigkeit…“ Vorabdruck eines redaktionell gekürzten Aufsatzes von Christina Meyn bei der jungen Welt vom 7. Mai 2020 „In den Sozialwissenschaften findet eine intensive Debatte zu psychosozialen Risiken in der Arbeitswelt statt. Mittlerweile ist sie auch in der Politik angekommen“ (aus dem beim VSA-Verlag erscheinenden Sammelband »Humanisierung der Arbeit 4.0. Prävention und Demokratie in der digitalisierten Arbeitsgesellschaft«)