Gesundheitsschutz und Corona: „Arbeitgeber und Betriebsärzte schützen Beschäftigte zu wenig“
Dossier
„Keine Menschenmengen, Abstand halten: Zum Schutz vor Corona gelten klare Regeln. Doch in den Betrieben sieht es oft anders aus. Arbeitgeber und Betriebsärzte kommen ihrer Verantwortung nicht nach, kritisiert der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Leer-Papenburg, Thomas Gelder. (…) Es gibt eine deutliche Diskrepanz zwischen den öffentlichen Verhaltensvorschriften und der Wirklichkeit in den Betrieben. Das zeigen Stichproben, die wir in den Betrieben gemacht haben. Die Corona-Krise macht deutlich, auf welchem jeweiligen Niveau sich der betriebliche Arbeitsschutz und insbesondere der Gesundheitsschutz befindet. Oft arbeiten Beschäftigte weiter Schulter an Schulter…“ Interview vom 8. April 2020 bei der IG Metall . Siehe dazu auch:
- Covid-19 wird zur Privatsache, Durchseuchung zur Staatsdoktrin. Privatisierung des Schutzes, Sozialisierung der Gefahr
„Über die neue Form des Sozialdarwinismus, verleugnete Gefahren, linke Beteiligung an der Verharmlosung der Pandemie und den Nährboden für Verschwörungstheorien. (…) Das Pandemieende offiziell erklären könnte die UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO), die dies allerdings nicht tut, sondern weiter zu Schutzmaßnahmen rät und nur den »internationalen Gesundheitsnotstand« für überwunden befindet. Letzteres könnte man so übersetzen, dass von Covid-19 keine Gefahr mehr für die Wirtschaftsabläufe ausgeht und die Gesundheitssysteme nicht akut vor dem Kollaps stehen. Die langsame Verschlechterung der Gesundheitsversorgung, das Schließen ganzer Abteilungen in den Krankenhäusern oder der Pflegenotstand fallen freilich nicht in diese Kategorie. An der durch Sars-CoV-2 verursachten akuten Erkrankung sterben nach wie vor viele Menschen. (…) Wir befinden uns im dritten Jahr der Durchseuchung, und schon jetzt sind die Folgen von Übersterblichkeit, sinkender Lebenserwartung, Verschlechterung der Gesundheit von Kindern sichtbar. Das zu frühe Sterben von Kranken und Alten ließe sich beim gegenwärtigen Stand der Verrohung wohl noch als neue Normalität akzeptieren. Doch die Mehrfachdurchseuchung von Kindern mit einem Virus zu begrüßen, das das Gehirn schädigen kann, verlangt nach Ideologieproduktion auf Hochtouren. Auch Linke beteiligten sich daran. Rob Wallace, ein US-amerikanischer marxistischer Epidemiologe, hatte durch seine Kenntnis der sich immer weiter ausdehnenden industrialisierten Landwirtschaft eine Zoonose-Pandemie vorhergesagt. Zu Pandemiebeginn waren in der Linken für kurze Zeit fast alle »Wallaceianer«. Doch bald zeigte sich ein Phänomen, dass Wallace selbst antizipiert hatte: Sich mit der materialistischen Analyse der Entstehung von Seuchen beschäftigt zu haben, wurde für manche zum Ausgangspunkt für eine Verharmlosung der Pandemie. (…) Die beschriebenen medizinischen Fakten sind kein Geheimwissen, und so handeln die, die es sich leisten können, demgemäß. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos Anfang des Jahres galten strenge Schutzmaßnahmen: PCR-Tests für alle Beteiligten, Luftfilter, FFP2-Maskenpflicht für Taxifahrer. In den USA spezialisiert sich das Unternehmen Event Scan auf die Organisation von Covid-sicheren Veranstaltungen für Reiche. Schutzmaßnahmen werden privatisiert. Frei verfügbare PCR-Tests, Luftfilter, gratis FFP2-Masken für den verpflichtenden Gebrauch in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Bereichen des Gesundheitswesens zu fordern, ist kein revolutionäres Programm. Die relative Sicherheit, die derlei gewährleisten könnte, wäre aber gesamtgesellschaftlich schon viel und bedeutete für manche buchstäblich den Unterschied zwischen Leben und Tod.“ Hintergrund von Paul Schuberth in der Jungle World vom 23.11.2023 - Anwesenheit im Krankheitsfall vor Gesundheitsschutz: Statt „müssen Corona-Infizierte im Betrieb arbeiten?“ heißt es nun, ob sie es dürfen…
„Auch ohne eine Quarantänepflicht für Corona-Infizierte ergeben sich für Arbeitgeber und Beschäftigte arbeitsrechtliche Fragen. Der Arbeitsrechtsexperte Peter Wedde nimmt dazu Stellung.
Seit dem Frühjahr 2023 ist die Absonderungspflicht bei einer Corona-Infektion in allen 16 Bundesländern aufgehoben. Müssen Nicht-Infizierte und Infizierte jetzt zwingend bei der Arbeit zusammenkommen? »Dass infizierte Beschäftigte jetzt nicht mehr zur häuslichen Isolierung verpflichtet sind, heißt ja nicht, dass sie in den Betrieb kommen müssen«, sagt der emeritierte Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS).
Was aber ist, wenn sie vor Ort im Betrieb arbeiten wollen?
»Corona-infiziert zu sein heißt, krank zu sein. Beschäftigte, die von einem Arzt wegen der Infektion krankgeschrieben sind, dürfen nicht arbeiten. Dieser Fall ist eigentlich klar«, so Wedde. Daran haben sich Arbeitgeber zu halten, auch wenn manche bislang gern hingenommen haben, dass an SARS-CoV-2 erkrankte Personen von zuhause weiter gearbeitet haben, obwohl sie krank waren. »Wer aber trotz einer festgestellten Corona-Infektion symptomfrei ist und sich fit fühlt, darf nun wieder zur Arbeit gehen. «, erläutert Wedde. Aktuell empfehlen Bundesgesundheitsministerium und Robert-Koch-Institut, zum Schutz insbesondere von vulnerablen Personen notwendige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen wie das strikte Befolgen der AHA+L-Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten, (Atemschutz-)Masken tragen, richtig Lüften), auch in Pausenzeiten (BMAS, 2.2.2023)...“ Meldung vom 7. November 2023 beim Bund-Verlag („Dürfen Corona-Infizierte im Betrieb arbeiten?“) mit weiteren arbeitsrechtlichen Hinweisen. Corona ist nicht vorbei! - Corona, Long- & Post-Covid: Infos für Beschäftigte: Wissenswertes für Arbeitnehmer*innen von Arbeitsschutz bis Zulagen
„Seit April 2023 sind jegliche Corona-Regeln ausgelaufen. Das heißt, dass alle Schutzmaßnahmen, wie das Tragen einer FFP2-Maske in einer medizinischen Einrichtung, weggefallen sind. Jetzt gilt es, dass Politik, Ärzt*innen, Krankenkassen und pharmazeutische Unternehmen den Kampf gegen Long- und Post-Covid gemeinsam aufnehmen. Hier findest du Informationen zu Long-Covid, Post-Covid und Corona…“ Aktualisierte DGB-Info vom 23.08.2023 - März 2023: Fast alle Test- und Maskenpflichten fallen aus, ohne Symptome keine Krankschrebung – und in Köln sind nach dem Karneval die Selbsttests ausverkauft…
- „Dank erfolgreicher Corona-Politik: Test-und Maskenpflicht fallen bereits zum 1. März“
„Aufgrund der stabilen Infektionslage laufen zum 1. März fast alle Test- und Maskenpflichten aus. Darauf haben sich die Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Länder verständigt. Lediglich für Arzt-, Krankenhaus- und Pflegeheimbesucher/innen soll weiterhin Maskenpflicht gelten. (…) Nur beim Besuch von medizinischen Einrichtungen sollten wir weiterhin vorsichtig sein. Deshalb werden wir hier die Maskenpflicht noch ein paar Wochen aufrechterhalten. Wer Patienten oder Heimbewohner besucht, wer Arzttermine wahrnimmt, muss weiterhin Maske tragen. Das sollte uns der Schutz vulnerabler Gruppen wert sein…“ Pressemitteilung vom 14. Februar 2023 beim Bundesgesundheitsministerium - Neue Corona-Regel: Ab jetzt müssen Sie selbst mit positivem Test zur Arbeit
„… Formal gilt ab dem 1. März: Werden Beschäftigte durch einen Schnelltest, Selbsttest oder PCR positiv getestet, müssen sie ab dem 1. März zur Arbeit erscheinen. Voraussetzung ist, dass sie frei von Symptomen sind. Betroffene können dann entweder ein Einzelbüro am Arbeitsplatz beziehen oder ins Homeoffice ausweichen. Sie müssen lediglich am Arbeitsplatz einen Mundschutz tragen. Bei einem symptomlosen positiven Corona-Test kann der Arbeitgeber den Betroffenen auch vorschlagen, Überstunden abzubauen oder Resturlaub zu nehmen. Ab 1. März gilt: Ohne Symptome dürfen Arztpraxen positiv getestete Personen nicht mehr krankschreiben. Gleichzeitig besteht keine Isolationspflicht. Das heißt, die Betroffenen müssen zur Arbeit erscheinen. Wenn Symptome auftreten und sich positiv getestete Personen krank fühlen, sollten sie so schnell wie möglich ihren Hausarzt aufsuchen. In diesem Fall kann es zu einer Krankschreibung kommen. Wichtig zu wissen: Die Krankschreibung erfolgt nicht wegen des positiven Corona-Tests, sondern weil sich die Person arbeitsunfähig fühlt…“ Artikel vom 28.2.2023 im Focus online (ausnahmsweise) - Infektionswelle nach Karneval: Corona-Tests in Köln werden knapp
„Die aktuelle Corona-Infektionswelle und eine steigende Test-Nachfrage treffen auf ein reduziertes Angebot. Gleichzeitig schließen immer mehr Testzentren. Die Karnevalszeit hat die Corona-Zahlen in Köln noch einmal in die Höhe getrieben. Die 7-Tage-Inzidenz lag am Montag bei 290, eine Woche vorher waren es noch 173 gewesen. Köln gehört damit zum Wochenbeginn zu den Spitzenreitern in Deutschland und belegt den 7. Platz im Inzidenz-Ranking des RKI. Die steigenden Corona-Zahlen lassen auch die Nachfrage nach Selbsttests wieder ansteigen. Und die sind gar nicht mehr so leicht zu bekommen: Sowohl bei Drogeriemärkten als auch in Apotheken schauen Kunden oft in die Röhre oder können nur noch teure Spezialtests, wie beispielsweise die sogenannten Lolli-Tests, bekommen…“ Meldung vom 28.02.2023 bei t-online
- „Dank erfolgreicher Corona-Politik: Test-und Maskenpflicht fallen bereits zum 1. März“
- [Nicht in Davos] SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung läuft zwei Monate früher als geplant aus
„Anfang Februar soll die Corona-Arbeitsschutzverordnung auslaufen. Zwei Monate früher als geplant beendet Arbeitsminister Hubertus Heil damit die Sonderregeln etwa zu Hygienevorkehrungen in den Betrieben. (…) „Ich werde per Ministerverordnung die Corona-Arbeitsschutzverordnung zum 2. Februar 2023 aufheben“, sagte der Bundesarbeitsminister der Nachrichtenagentur Reuters. Die besonderen Hygienevorkehrungen hätten vor allem in den Hochphasen der Pandemie wichtige Dienste geleistet. „Dank der umfangreichen Schutzmaßnahmen konnten Ansteckungen im Betrieb verhindert und Arbeits- und Produktionsausfälle vermieden werden“, sagte Heil. Wegen der zunehmenden Immunität in der Bevölkerung gehe die Zahl der Neuerkrankungen nun aber stark zurück…“ Meldung vom 19.01.2023 in tagesschau.de („Hygiene am Arbeitsplatz Heil beendet Corona-Sonderregeln früher“)- Unter Corona-ArbSchV des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales heißt es noch: „Die Verordnung trat am 1. Oktober 2022 in Kraft und wird mit Ablauf des 7. April 2023 außer Kraft treten.“
- Wie es besser geht zeigt das WEF in Davos:
- Luftfilter und Tests: Für die Mächtigen in Davos ist Corona nicht vorbei
Beitrag von Lars Wienand vom 20.01.2023 bei t-online - Und schöne Kommentare zu dieser Form von Klassenkampf unter #DavosStandard
- Luftfilter und Tests: Für die Mächtigen in Davos ist Corona nicht vorbei
- Arbeitsschutz: Dürfen Corona-Infizierte im Betrieb arbeiten? – und Anmerkung von Armin Kammrad dazu
„Dass infizierte Beschäftigte jetzt nicht mehr zur häuslichen Isolierung verpflichtet sind, heißt ja nicht, dass sie in den Betrieb kommen müssen“, sagt der emeritierte Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), Peter Wedde, beim Bund Verlag am 8. Dezember 2022 . „»Corona-infiziert zu sein heißt, krank zu sein. Beschäftigte, die von einem Arzt wegen der Infektion krankgeschrieben sind, dürfen nicht arbeiten. Dieser Fall ist eigentlich klar«, so Wedde. Daran haben sich Arbeitgeber zu halten, auch wenn manche bislang gern hingenommen haben, dass an SARS-CoV-2 erkrankte Personen von zuhause weiter gearbeitet haben, obwohl sie krank waren. »Wer aber trotz einer festgestellten Corona-Infektion symptomfrei ist und sich fit fühlt, darf nun wieder zur Arbeit gehen (mit Ausnahme bestimmter Berufsgruppen, u.a. Beschäftigte in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen). Er oder sie ist lediglich verpflichtet, fünf Tage lang in Innenräumen eine FFP-2-Maske zu tragen und notwendige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen wie Abstand halten«, erläutert Wedde. (…) »Unabhängig hiervon gilt, dass Arbeitgeber die Beschäftigten in dieser Situation bitten können, nicht in den Betrieb zu kommen und stattdessen übergangsweise von zuhause zu arbeiten. Das setzt allerdings Einvernehmen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten voraus. Wer daheim keine räumliche Möglichkeit hat oder von dort aus nicht arbeiten will oder kann, den kann ein Arbeitgeber nicht zwingen.« (…) Wollen Arbeitgeber – auch wegen ihrer Fürsorgepflicht gegenüber nicht-infizierten Beschäftigten – generell verhindern, dass positiv auf Corona getestete Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den Betrieb kommen, können sie ein zeitlich befristetes Betretungsverbot aussprechen. Wedde verweist aber zugleich darauf, dass Arbeitgeber, die arbeitswillige Beschäftigte am Betreten ihres Arbeitsplatzes hindern, diesen das Gehalt weiterzahlen müssen. (…) Und noch ein Punkt ist Wedde wichtig: »Arbeiten mit dem Corona-Virus infizierte Beschäftigte im Betrieb, müssen Arbeitgeber dort notwendige Schutzmaßnahmen treffen wie etwa eine räumliche Trennung. Gibt es wirksame Schutzmaßnahmen, können sich andere Beschäftigte aus Angst vor Ansteckung im Regelfall nicht weigern, am Arbeitsplatz zu erscheinen.«“, siehe dazu:- Anmerkung von Armin Kammrad vom 13. Dezember 2022
„Die obigen Hinweise sind leider beim zentralen rechtlichen Streitpunkt etwas unklar. Zwar soll der AG bei Lohnfortzahlung einerseits ein Betretungsverbot aussprechen können – obwohl laut Verordnungsgeber keine Quarantänepflicht für Corona-Infizierte (mehr) besteht. Andererseits soll der AG trotz Infizierung arbeiten lassen dürfen – auch gegen den Willen der anderen, gesunden abhängig Beschäftigten. Einzige Voraussetzung – laut Wedde – nur eine räumliche Trennung. Faktisch müsste diese allerdings umfassend sein, d.h. bezüglich Zugang zum Betrieb, Pausen- und Toilettenräume usw. ebenfalls. Damit liegt jedoch die Nachweispflicht für eine nicht ausreichende Fürsorgepflicht des AG bei den abhängig Beschäftigten bzw. bei deren Vertretung (Betriebs- oder Personalrat). Denn um keine Abmahnung oder gar Kündigung zu riskieren, müsste mensch auch dann bei Gefahr durch Infizierte arbeiten, wenn diese Gefahr zu wenig eindeutig, ja, strittig ist. Natürlich ist genau das gewollt: Der AG darf seine gesetzliche Fürsorgepflicht vernachlässigen, sofern diese Vernachlässigung nicht zu offensichtlich ist; Arbeit vor Gesundheit also wiedereinmal. Die sehr entscheidende Rolle von Betriebsrat- und Personalrat klärt im obigen Interview Wedde leider nicht. Sie ist aber erheblich. Arbeiten überhaupt Infizierte im Betrieb? Wenn ja, wo? Besteht entsprechend der AG-seitigen Fürsorgepflicht ausreichende Trennung? Mitbestimmen darf hier Betriebs- und Personalrat wohl eher nicht, wie sich aus Weddes Ausführung ergibt. Schließlich darf der AG sowohl aussperren als auch arbeiten lassen. Das schließt jedoch keine Überprüfungen der AG-Entscheidungen aus, inklusive einer Ablehnung von unzureichenden Schutzmaßnahmen durch Betriebs- bzw. Personalrat. Übrigens auch für abhängig Beschäftigte ohne Vertretung besteht zumindest das Recht, nachzufragen, wie der AG mit möglicherweise Corona-Infizierte umgeht und ggf. auf Kritik und Mund-zu-Mund-Mobilisierung im Betrieb. Wer Infiziert arbeitet benötigt nämlich keine Solidarität, den er kann aus Solidarität mit seinen Kollegen und Kolleginnen sich krankschreiben lassen. Arbeiten trotz Infektionen ist auch bei „normaler“ Erkältung Blödsinn.“
- Anmerkung von Armin Kammrad vom 13. Dezember 2022
- Ende der Isolationspflicht: Bald wieder krank zur Arbeit – oder nach wie vor? Das Ende der Isolationspflicht in manchen Bundesländern sehen Gewerkschaften kritisch
„… Dabei drohten bis zum 16. November bundesweit Schadenersatzforderungen oder Kündigung bei Verstößen gegen die Covid-19-Isolationspflicht. Diese wurde nun für Corona-Infizierte in Baden-Württemberg, Bayern und Schleswig-Holstein aufgehoben. Auch Hessens Landesgesundheitsminister Kai Klose (Grüne) geht davon aus, dass der „vergleichsweise schweren Grundrechtseingriff einer Isolationspflicht“ angesichts der Lage „nicht mehr zu rechtfertigen“ sei. Unterdessen sollen bei Atemwegsinfekten bundesweit bis zum 31. März telefonische Krankschreibungen möglich bleiben – auch um die Ansteckungsgefahr mit Corona und Grippe in den Arztpraxen zu reduzieren. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken beschloss am Donnerstag, die zunächst bis Monatsende angedachte Sonderregelung bis Ende März zu verlängern. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen leichter Atemwegserkrankungen sind so weiter für bis zu sieben Tage nach telefonischer Rücksprache mit Ärztinnen und Ärzten zu haben und können für bis zu sieben weitere Kalendertage verlängert werden. (…) Gewerkschaften befürchten dennoch durch den Wegfall der Isolationspflicht altbekannten Druck auf Beschäftigte, krank zur Arbeit zu gehen. Bereits vor den Covid-19-Infektionswellen hatte eine Befragung zum DGB-Index Gute Arbeit ergeben, dass etwa zwei Drittel der Beschäftigten krank zur Arbeit gingen – und dass Arbeitsverdichtung dazu beitrage, während ein gutes Betriebsklima dafür sorge, dass Erkrankte sich auskurieren. (…) Fast die Hälfte der Beschäftigten (46 Prozent) gingen vor der Pandemie länger als eine Woche krank zur Arbeit. Bei 13 Prozent war dies drei Wochen und länger der Fall. Wer von zu Hause aus arbeitet, fällt ohnehin seltener krankheitsbedingt aus. Dies teilte das Bundesarbeitsministerium im vergangenen Monat auf Anfrage der Linksfraktion mit. Demnach hatten Beschäftigte im Homeoffice im Durchschnitt 7,9 krankheitsbedingte Fehltage in den vergangenen zwölf Monaten, bei Beschäftigten ohne Homeoffice-Option waren es 12,9 Tage.“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 18. November 2022 bei Telepolis - Corona infiziert zur Arbeit: Keine Isolationspflicht mehr in vier Bundesländern
„Wer sich in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein mit Corona infiziert, muss künftig nicht mehr zu Hause bleiben. Die Isolationspflicht wird aufgehoben. Außerhalb der Wohnung – also auch am Arbeitsplatz – gilt für Infizierte die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske. Für medizinisches Personal besteht das Arbeitsverbot im Falle einer Corona-Infektion fort. (…) Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kritisierte die Entscheidung der Bundesländer. (…) Die vier Bundesländer setzen dagegen auf mehr Eigenverantwortung der Bürger. Wer an Corona erkranke, solle weiterhin zu Hause bleiben. Wer »nur noch« positiv sei, aber keine Symptome mehr habe, könne mit einer FFP2 Maske das Haus verlassen und auch zur Arbeit gehen. Die Gesundheitsminister der Länder schließen sich der Einschätzung von Virologen an, nach der die Pandemie in eine Endemie übergegangen sei. Das würden auch die Erfahrungen aus Österreich zeigen, wo die Vorschriften zur Absonderung im Sommer gelockert worden seien. Weitere Gründe, die Isolationspflicht aufzuheben, seien: – zurückgehende Infektionszahlen, – eine wirksame Schutzimpfung, – eine Basisimmunität innerhalb der Bevölkerung von mehr als 90 Prozent, – in der Regel keine schweren Krankheitsverläufe, – wirksame antivirale Medikamente. (…) Für medizinisches Personal besteht das Arbeitsverbot im Falle einer Infektion mit Corona weiter fort. Das stößt bei einigen Kliniken auf Kritik: »Die neuen Empfehlungen zur Absonderung Corona-Infizierter gehen in die richtige Richtung. Allerdings wäre es für uns enorm wichtig, dass auch Mitarbeitende in Gesundheitseinrichtungen nicht mehr unter das grundsätzliche Tätigkeitsverbot fallen«, so Michael Bamberg, Chef des Tübinger Universitätsklinikums, im Gespräch mit der F.A.Z. Positiv getestete, symptomfreie Mitarbeiter sollten ihrer Tätigkeit mit einer FFP2-Maske nachgehen dürfen, forderte Bamberg…“ Meldung vom 14. November 2022 beim Bund-Verlag online - Pflegeheime und Werkstätten: Erste Länder kippen FFP2-Maskenpflicht
„… Der Bundesrat hat sich in einer Stellungnahme dafür ausgesprochen, dass die Bundesregierung die FFP2-Maskenpflicht für Bewohner und Bewohnerinnen von Pflegeeinrichtungen und in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung wieder aufhebt. Sie gilt seit Anfang Oktober. Nötig sei eine erneute Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Das sieht vor, dass alle Menschen, die sich in Krankenhäusern und Rehakliniken sowie Pflege- und Behinderteneinrichtungen aufhalten, durchgehend eine FFP2-Maske tragen. Eine von wenigen Ausnahmen ist der Fall, wenn sich ein Patient oder Bewohner in seinem eigenen Zimmer aufhält – in Gemeinschaftsräumen hingegen gilt die Maskenpflicht. Von ihr betroffen sind auch Menschen mit Behinderung, die in einer Werkstatt arbeiten. (…) Baden-Württemberg kippte die Regel nun auf eigene Faust. Gesundheitsminister Manne Lucha von den Grünen sagte, man habe die Einrichtungen per Brief darüber informiert, dass sie ebenso wie die Einrichtungen der Behindertenhilfe ab sofort selbst entscheiden könnten, ob sie an der Maskenpflicht in Gemeinschaftsräumen festhalten wollten. (…) Auch in Hessen müssen Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen in Gemeinschaftsräumen keine Maske tragen, wie das Sozialministerium mitteilte. Verwiesen wurde auf den im Grundgesetz verankerten Schutz der Wohnung. (…) Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso) kritisiert einen „erheblichen Einschnitt“ in die Lebensqualität von Pflegebedürftigen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat sich dem angeschlossen. Sie wies darauf hin, dass die Maskenpflicht von einer Mehrzahl der 12.000 Pflegeheime nicht konsequent durchgesetzt werde. Die Ampel-Regierung dürfe nicht an der „absurden“ Regelung festhalten. Stattdessen wäre es „menschenwürdig“, tägliche Schnelltests für Beschäftigte mit PCR-Tests zweimal die Woche zu kombinieren. „So kann das Virus effizient gestoppt werden, bevor es die hochbetagten Menschen erreicht“, sagte Vorstand Eugen Brysch. (…) Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Vertreter der Pflegebranche und Krankenkassen hatten die Regeln dagegen verteidigt…“ Meldung vom 28. Oktober 2022 bei tagesschau.de – sprachlos, ausgerechnet… - Infektionsschutzgesetz: „Rückkehr in Schul- und Kitabetrieb und Kinderheime vereinfacht“ – Lehrkräfte und Pflegepersonal werden auch ohne negativen Test gebraucht
„… Lehr-, Erziehungs- und Pflegepersonal in Schulen, Kitas oder Kinderheimen können damit nach einer Corona-Infektion künftig ihre Arbeit wieder ohne negatives Testergebnis oder ärztliche Bescheinigung aufnehmen. An der bisherigen Regelung hatte es im Bundesrat deutliche Kritik gegeben. Der neue Passus war kurzfristig an den ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum EU-Sanktionsrecht angefügt…“ Meldung vom 07.10.2022 beim Bundesrat zur Änderung am Infektionsschutzgesetz, der der Bundesrat zugestimmt hat - Corona und Arbeitsschutz: Corona-Maßnahmen ab Oktober 2022
„Um auf eine neue Corona-Welle vorbereitet zu sein, haben Bundestag und Bundesrat für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 7. April 2023 neue Regelungen im Infektionsschutz-Gesetz (IfSG-) verabschiedet. (…) Im [folgenden Info] werden die für alle Menschen unabhängig von den Bedingungen des Arbeitslebens geltenden neuen Regelungen (A) sowie im zweiten Teil die speziell für das Arbeitsleben geschaffenen Regelungen (B) dargestellt. (…) [Bei gilt u.a., nach der neuen] SARS-CoV-2-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV;) , die für die Zeit vom 1. Oktober 2022 bis einschl. 7. April 2023 gilt, (…) das Ziel (§ 1 der VO), das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei der Arbeit zu minimieren [!] und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Der Arbeitgeber (§ 2 Abs. 1 der VO) hat auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung (nach den §§ 5 und 6 des Arbeitsschutzgesetzes) in einem betrieblichen Hygienekonzept die erforderlichen Schutzmaßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz festzulegen und umzusetzen. Das betriebliche Hygienekonzept ist auch in den Pausenbereichen und während der Pausenzeiten umzusetzen. In der ArbSchVO werden allerdings nur, aber zwingend, Prüfungsschritte vorgegeben, die bei Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zu beachten sind. Ist die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen zwei Personen gewährleistet? Ist die Handhygiene sichergestellt? Wird über die Hust- und Niesetikette, das infektionsschutzgerechte Lüften von Innenräumen, die Verminderung von betriebsbedingten Personenkontakten informiert und sind die daraus folgenden Maßnahmen umsetzbar? Kann Beschäftigten angeboten werden – oder ist es wegen Nichteinhaltungsmöglichkeit o.a. Maßnahmen notwendig –, geeignete Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen? Zu beachten ist hierbei, dass es sich dann um ein Angebot des Arbeitgebers handelt, welches von den Beschäftigten angenommen werden kann, nicht aber muss. Können Beschäftigte, die nicht ausschließlich von zuhause arbeiten, zur Minderung des betrieblichen SARS-CoV-2-Infektionsrisikos sich regelmäßig kostenfrei durch In-vitro-Diagnostika testen? (…) Eine wichtige Neuregelung enthält § 59 Abs. 1 IfSG. Nun ist gesetzlich festgeschrieben, dass Arbeitnehmer*innen, die während des Urlaubs einer Absonderung nach § 56 Absatz 1 Satz 2 IfSG (Quarantäneanordnung) unterliegen, die entsprechenden Quarantäne-Tage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen. Die Regelungen für die Inanspruchnahme von Kinderkrankengeld im Falle von Betreuungsbedarf auch bei nicht erkrankten Kindern infolge von Coronaauswirkungen (z.B- Schließung der KiTa) – gesetzlich krankenversicherte Eltern haben pro gesetzlich krankenversichertem Kind Anspruch auf bis zu 30 Arbeitstage, Alleinerziehende auf bis zu 60 Arbeitstage, bei mehreren Kindern je Elternteil und Kalenderjahr auf bis zu 65 Arbeitstage, Alleinerziehende auf bis zu 130 Arbeitstage – werden ebenfalls bis zum 7. April 2023 verlängert. (…) Sowohl das Recht, der Arbeit zur Bewältigung einer pandemiebedingten akuten Pflegesituation bis zu 20 Arbeitstage pro Pflegefall fernbleiben zu können als auch die Verkürzung der Ankündigungsfrist einer Familienpflegezeit, auch per Email, wird bis zum 30. April 2023 verlängert. (…) Speziell für den Bereich der Pflege gilt in der Zeit vom 1. Oktober 2022 bis zum 7. April 2023 gilt [u.a.] , dass die Arbeitgeber in den entsprechenden Einrichtungen dazu ermächtigt sind, personenbezogene Daten über den Impf- und Serostatus zu verarbeiten, „um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung“ zu entscheiden, sofern es zur Erfüllung der Verpflichtungen des § 35 Abs. 1 IfSG n.F. erforderlich ist. Ausgenommen davon sind „übertragbare Krankheiten, die im Rahmen einer leitliniengerechten Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr übertragen werden können“…“ DGB-Info vom 27. September 2022 inklusiv der, hier nicht wiedergegeben, unabhängig vom Arbeitsleben geltenden gesetzlichen Regelungen - 5 Fragen zu Corona in den Betrieben
„Auch im Sommer 2022 ist Corona noch nicht vorbei. Die Länder haben sich auf einen „Basisschutz“ verständigt, aber die strengeren Schutzvorschriften sind ausgelaufen. Nun sind die Arbeitgeber in der Verantwortung. Doch was darf der Chef eigentlich anordnen, und wann greift die Mitbestimmung? Ein Überblick über die aktuelle Gesetzeslage…“ FAQ vom 13. Juni 2022 beim Bund-Verlag - [Petition von #WirWerdenLaut] #IfSGnachbessern, denn solidarischer Corona-Infektionsschutz bedeutet mehr Freiheit für alle!
„Am 18. März 2022 hat der Bundestag mit der Ampel-Mehrheit eine Neufassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verabschiedet, gegen großen Widerstand der Bundesländer, denen nun kaum noch Möglichkeiten für Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie bleibt. Zum 2. April sind auch die von den Bundesländern angewandten Übergangsregeln ausgelaufen. Das neue Gesetz gilt jetzt bundesweit – effektive Maßnahmen gegen die Corona-Neuinfektionen auf Rekord-Niveau und die starke Belastung der Krankenhäuser durch hohe Patient:innenzahlen und coronabedingte Personalausfälle sind kaum noch möglich. Größter Kritikpunkt an der Neufassung des IfSG ist die Aufhebung der Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen, wie etwa im Einzelhandel oder in Schulen. Gerade Menschen aus Risikogruppen sind aber in ihrem Alltag auf diesen solidarischen Corona-Basisschutz angewiesen. Wir fordern den Bundestag deshalb auf, das Infektionsschutzgesetz mit Vernunft und ohne Parteitaktik entsprechend wissenschaftlicher Expertise zügig so nachzubessern, dass der Corona-Infektionsschutz für die gesamte Bevölkerung einschließlich der Menschen aus Risikogruppen wieder gewährleistet ist…“ Petition von Max Tischberger an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages bei campact.de von #WirWerdenLaut und weiteren Intitiativen, u.a. ZeroCovid - Neue Corona-Arbeitsschutzverordnung verabschiedet – sie verlagert die Verantwortung in die Betriebe
„Für Betriebe ändert sich einiges. Die 3-G-Regel und die Homeoffice-Pflicht entfallen. Ab sofort müssen Arbeitgeber entscheiden, was für den Infektionsschutz nötig ist. Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung, verabschiedet am 16.3.2022, verlagert die Verantwortung in die Betriebe. Ohne Betriebs- oder Personalrat geht es nicht. Arbeitgeber müssen nun vor Ort in einer Gefährdungsbeurteilung (§ 4 und 5 ArbSchG) prüfen und festlegen, welche Basisschutzmaßnahmen für den Schutz der Belegschaft zu ergreifen sind. Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung gibt nur noch Empfehlungen für mögliche Maßnahmen der Arbeitgeber: (…) Die Änderungen der neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung treten am 20. März 2022 in Kraft und gelten bis einschließlich 25. Mai 2022. Während die Arbeitgeber begrüßten, dass jetzt die Betriebe vor Ort über Infektionsschutzmaßnahmen entscheiden können, sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund die Verlagerung der Verantwortlichkeit auf die Betriebe kritisch. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel warnte davor, den Infektionsschutz am Arbeitsplatz zu vernachlässigen. Arbeitsschutz dürfe nicht »zur Privatsache der Beschäftigten werden„…“ Überblick vom 17. März 2022 beim Bund-Verlag , siehe auch:- Arbeits- und Gesundheitsschutz: 5 Fragen zum Ende der Corona-Regeln
FAQ vom 18. März 2022 beim Bund-Verlag
- Arbeits- und Gesundheitsschutz: 5 Fragen zum Ende der Corona-Regeln
- Ab 20.03.: Veränderte Corona-ArbSchV soll “Basisschutz” sichern
„Viele Coronaschutz-Maßnahmen laufen mit dem 19.03.2022 (erst einmal) aus. Nach dem Willen des Bundesarbeitsministerium sollen in Betrieben aber weiterhin “Basisschutzmaßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz” gelten. Das geht aus einem Referentenentwurf für eine Neufassung der Corona-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) hervor, die bis Mai gelten soll. Wie es in dem Papier heißt, haben Arbeitgeber weiterhin – auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung “in einem Hygienekonzept die weiterhin noch erforderlichen Schutzmaßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz festzulegen und umzusetzen” (§ 2 Abs. 1 Corona-ArbSchV(E)) – ihren Beschäftigten das betriebliche Hygienekonzept “in geeigneter Weise in der Arbeitsstätte zugänglich zu machen” (§ 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV(E)) – zu prüfen, “welche geeigneten Maßnahmen getroffen werden können, um die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen zu reduzieren” (§ 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV(E)) – allen Beschäftigten, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, “zweimal pro Kalenderwoche kostenfrei” einen Corona-Test anzubieten (§ 3 Abs. 1 Corona-ArbSchV(E)) – ihren Mitarbeitern “zu ermöglichen, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen” (§ 4 Abs. 1 Corona-ArbSchV(E)). (…) Dort, wo “technische und organisatorische Schutzmaßnahmen nicht ausreichend” sind, soll im Betrieb weiterhin auch das Tragen von Masken verlangt werden können. Wird das nötig, muss der Arbeitgeber den Mund-Nasen-Schutz bereitstellen, sprich: bezahlen. Nicht mehr vorgesehen ist – zumindest außerhalb des Gesundheitswesens – demgegenüber, dass Arbeitgeber den Impfstatus Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten berücksichtigen können. Die novellierte Verordnung soll – einmal beschlossen – laut § 6 des Entwurfes “mit Ablauf des 25.05.2022 außer Kraft” treten.“ Info von Frank Strankmann vom 8. März 2022 bei BetriebsratsPraxis24.de - Im Januar 2022 waren knapp 40 Prozent der Betriebe von Corona-bedingten Arbeitsausfällen betroffen
„Die deutsche Wirtschaft leidet unter den Folgen der aktuellen Corona-Welle. Ein Drittel der Betriebe meldet Personalausfälle in erheblichem bis kritischem Umfang. Besonders betroffen seien ausgerechnet der Transport und der Gesundheitssektor, so diese Meldung von Anfang Februar 2022: Omikron-Welle: Ein Drittel der Unternehmen klagt über massive Personalausfälle. Wo kommen die Zahlen her? »In einer branchenübergreifenden Blitzabfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter 370 Unternehmen bewertete jeder vierte Betrieb seine aktuellen Personalausfälle als „erheblich“. Weitere 4 Prozent stufen ihre personelle Unterbesetzung sogar als „kritisch“ für die Aufrechterhaltung ihrer Angebote ein.« Die größten Personalengpässe melden Betriebe aus der Gesundheitsversorgung sowie dem Sektor Transport und Logistik. Von den Unternehmen aus der Gesundheitsversorgung melden aktuell 31 Prozent „erhebliche“ und weitere 16 Prozent sogar „kritische, umfassende“ Auswirkungen auf ihre Dienstleistungen mit leicht steigender Tendenz. Aus dem Gesundheitswesen werden weitere Warnmeldungen bekannt: Omikron: Krankenhäuser in NRW kämpfen mit Personalausfällen, so eine Meldung vom 11.02.2022. In „einer Reihe von Krankenhäusern“ komme es auch zu „kurzfristigen Einschränkungen in der Versorgung“, so das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium. Beispiel Uniklinikum Düsseldorf: »Über 200 Beschäftigte aus Ärzteschaft und Pflegebereich seien derzeit wegen einer Covid-Infektion oder wegen Quarantäne nicht verfügbar, zusätzlich zur dem ohnehin in dieser Jahreszeit üblichen erhöhten Krankenstand.« Auch am Uniklinikum Essen ist die Lage derzeit wegen hohen Krankenstands beim Personal „sehr sehr angespannt“. Man hole derzeit auch Mitarbeiter zurück in den Dienst, die noch Corona-positiv getestet seien, sofern sie laut CTR-Wert nicht mehr infektiös sind. Verbunden mit hohen Hygienevorkehrungen bei diesen Kräften sei der Einsatz vertreten, jedoch auch notwendig: „Wir sind auf diese Mitarbeiter angewiesen, um den Betrieb am Laufen zu halten“. Der Krankenstand liege „nicht nur pandemiebedingt“ in der Uniklinik Essen in diesem Januar doppelt so hoch wie im Januar 2021. (…) Auch das Verarbeitende Gewerbe, also die Industrie, ist bei den negativen Auswirkungen durch Corona-bedingte Arbeitsausfälle überdurchschnittlich stark betroffen – dort werden jetzt viele Betriebe offensichtlich konfrontiert mit einer „doppelten Mangellage“, also neben dem Mangel an Material und Vorprodukten nun auch noch ein erheblicher Personalmangel. (…) Darüber hinaus mussten Betriebe insbesondere im Bildungs-, Gesundheits-, und Sozialwesen unerwartete Arbeitsausfälle hinnehmen: Der Bereich ist die einzige Branche, in der mit 56 Prozent eine Mehrheit aller Betriebe von unerwarteten, Corona-bedingten Beschäftigtenausfällen betroffen ist.«“ Beitrag von Stefan Sell vom 17. Februar 2022 auf seiner Homepage - [IG BAU] Bankrotterklärung der Länder beim Arbeitsschutz: Ein Beamter für 25 000 Beschäftigte zuständig
„… „Die Arbeitsschutzbehörden in den Ländern haben nicht die nötigen Kapazitäten, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz für die Beschäftigten wirksam zu kontrollieren“, kritisiert Robert Feiger. Der IG BAU-Bundesvorsitzende spricht von einem „eklatanten Überwachungsdefizit“ in den zuständigen Landesbehörden. Durch die Corona-Pandemie habe sich die Situation weiter verschärft – weil die ohnehin unterbesetzten Ämter zusätzliche Aufgaben wie die Kontrolle der Homeoffice-Verordnung und der 3G-Vorschriften am Arbeitsplatz bekommen hätten. Feiger beruft sich auf den aktuellen Bericht „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ des Bundesarbeitsministeriums, der ein erhebliches Personaldefizit aufzeige. Danach kümmern sich, so der Gewerkschaftschef unter Berufung auf die Zahlen, insgesamt nur 1490 Aufsichtsbeamte in den Bundesländern um die Einhaltung der betrieblichen Arbeitsschutzvorschriften. Damit sei rein rechnerisch ein Kontrolleur für rund 25 400 Beschäftige in Deutschland zuständig. „Die Zahlen sind alarmierend. Mit einer solchen Quote ist ein effektiver staatlicher Arbeitsschutz nicht möglich. Um den Arbeitsschutz ist es in den Bundesländern alles andere als gut bestellt“, so Robert Feiger. Mit Blick auf Kontrolltätigkeit der vergangenen Jahre spreche der Bericht selbst von einem „keinesfalls zufriedenstellenden Arbeitsschutzniveau“. Aufsichtsdienste müssten „gestärkt“ und mehr „aktive Betriebsbesichtigungen“ angestrebt werden, heißt es darin. „Deutlicher und eindringlicher kann man die Bundesländer eigentlich nicht ermahnen“, betont Feiger. (…) Der Gewerkschafter warnt davor, den Arbeitsschutz jetzt stärker auf die Berufsgenossenschaften abzuwälzen: „Die Kontrolle der Vorschriften ist ausdrücklich gemeinsame Sache der Länder und der Berufsgenossenschaften. Aus gutem Grund gibt es hier ein duales System.“ So prüfe die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) auch in der Pandemie intensiv, ob Schutzvorschriften eingehalten würden. Doch die bundesweit 373 Aufsichtsbeamten bei der Berufsgenossenschaft stießen an ihre Grenzen und könnten das staatliche Kontrolldefizit nicht wettmachen. Burckhardt: „Es geht um die Gesundheit der Beschäftigten. Hier müssen die Landesbehörden ihre Hausaufgaben machen – und lieber einmal mehr hinschauen als einmal zu wenig.“ Laut Regierungsbericht ging die Zahl der staatlichen Arbeitsschutzkontrollen zuletzt deutlich zurück – auf bundesweit nur noch 128 000 Prüfungen im Jahr 2020. Zwei Jahre zuvor hatte es noch 167 000 Kontrollen gegeben…“ Pressemitteilung der IG Bau vom 25. Januar 2022 - Warum Gesundheit gar nicht unser „teuerstes Gut“ ist
„In der Pandemie scheint der Schutz des Lebens oberstes Gebot. Blickt man auf den Umgang mit dem menschlichen Wohlbefinden im Kapitalismus, relativiert sich dieses Postulat (…) Weil die zum Leben notwendigen Güter, damit auch die „Lebensmittel“ im engeren Sinn als Waren produziert und kalkuliert werden, sind nicht Gesundheit, Geschmack und Genuss der Konsumenten maßgeblich, sondern das Geschäft, das die Anbieter damit machen können. Die Herstellung verträglicher und gesunder Konsumtionsmittel ist nicht der wesentliche Gesichtspunkt, wenn es darum geht, mit der Herstellung und dem Verkauf von Produkten Gewinn zu erzielen. Kosten müssen gering gehalten, die hergestellten Waren möglichst vielversprechend angeboten werden – das sind die entscheidenden Mittel des Geschäftserfolgs. (…) Lohnarbeit macht krank. Weil sie dem Zweck dient, fremden Reichtum zu vermehren, ist sie rücksichtslos gegenüber den Bedürfnissen von Körper und Geist der Arbeitenden, dauert sie allem technischen Fortschritt zum Trotz oft bis zur Erschöpfung und Verblödung, ist sie oft gefährlich, belastend und fast immer vereinseitigend und „stressig“. Die Arbeitskraft ist im auf Gewinn angelegten Produktionsprozess ein Kostenfaktor, aus dem möglichst viel herausgeholt werden muss. Der Einsatz von Arbeit für Gewinn kann an Arbeitsplätzen passieren, an denen die Arbeit schwer, giftig, einseitig, physisch anstrengend ist. (…) Auch die „Umwelt“ – Luft, Gewässer, Böden usw. – machen zunehmend krank. Dies ist der Fall, weil sie als Rohstofflager der Produktion ausgebeutet und als kostengünstiges Endlager für die Rückstände der Profiterwirtschaftung genutzt und damit vergiftet werden. Der ständig zunehmende Verkehr einer Arbeitsbevölkerung, die flexibel und mobil sein soll, und einer Produktion just in time sorgt für krank machenden Lärm, schlechte Luft und jede Menge Stress. Weil das so ist, fällt auch die Freizeit entsprechend aus. Was eigentlich der immer propagierte Zweck des Gelderwerbs sein sollte – das Leben nach eigenen Interessen gestalten und genießen – gerät für die große Mehrheit zu einer Veranstaltung, die von vielen Notwendigkeiten diktiert ist. (…) Die Gesundheit wird in dieser Gesellschaft weit über das Maß hinaus strapaziert, das angesichts der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und der erreichten Produktivität der Arbeit nötig wäre…“ Beitrag von Renate Dillmann vom 23. Januar 2022 bei Telepolis - Auswertung vom November 2021: Sorge vor Ansteckung mit Corona am Arbeitsplatz nimmt wieder zu
„Unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nimmt die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus am Arbeitsplatz wieder zu. Gegenüber den Vormonaten gab es einen deutlichen Anstieg, so eine Auswertung vom November 2021. Angesichts von vermehrten Impfdurchbrüchen und dramatisch gestiegenen Fallzahlen nimmt unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus am Arbeitsplatz wieder zu. Im Verlauf des Novembers gaben 30 Prozent der Befragten an, sich darüber Sorgen zu machen. Dies ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vormonaten, als dies nur auf etwas mehr als 20 Prozent zutraf. Besonders betroffen sind Beschäftigte in den Verkaufsberufen sowie den Bereichen Gesundheit und Pflege sowie Soziales, Bildung und Erziehung, die am Arbeitsplatz täglich direkten Kontakt zu anderen Menschen haben. Weitgehend unbesorgt ist hingegen eine Gruppe: die Impfverweigerer. Von diesen hatten im November nur 15 Prozent Ansteckungssorgen. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Portals Lohnspiegel.de, an der sich seit Beginn der Pandemie über 82.500 Beschäftigte beteiligt haben. Lohnspiegel.de wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wissenschaftlich betreut.
„Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Corona-Pandemie wieder mit voller Wucht in den Betrieben angekommen ist“, sagt Dr. Elke Ahlers, Expertin für Arbeit und Gesundheit am WSI. „Es ist deswegen richtig, dass seit der vergangenen Woche wieder schärfere Arbeitsschutzrichtlinien gelten.“ Homeoffice-Regelungen hätten sich zur Kontaktreduktion bewährt und seien in den Betrieben mittlerweile gut eingespielt – bei allen psychischen Belastungen, die das Homeoffice für die Beschäftigten mit sich bringen kann. Auch die 3G-Regelung am Arbeitsplatz hält die Expertin in der aktuellen Lage für sinnvoll. „Wenn die Ungeimpften sich tagesaktuell testen lassen, trägt dies zum Schutz der anderen Beschäftigten bei und kann helfen, Konflikte am Arbeitsplatz zu befrieden“, so Ahlers. „Die Omikron-Variante führt jetzt in einer ohnehin schon zugespitzten Lage zu neuer Verunsicherung. Arbeitgeber sollten deshalb gemeinsam mit dem Betriebsrat rasch und umsichtig handeln und dem Schutz aller Beschäftigten absolute Priorität einräumen.“ (…)
Auch in der 4. Welle der Corona-Pandemie sind Beschäftigte in bestimmten Berufsfeldern besonderen Belastungen ausgesetzt. Hierzu zählen Beschäftigte im Berufsfeld Soziales, Bildung und Erziehung, von denen im November 62 Prozent angaben, sich Sorge vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz zu machen (siehe Abbildung 3). Ebenfalls überdurchschnittlich betroffen sind Beschäftigte im Bereich Gesundheit und Pflege (51 Prozent) sowie in den Verkaufsberufen (46 Prozent). Über alle Berufe lag der Anteil der Beschäftigten mit Sorge vor einer Ansteckung in diesem Zeitraum bei 30 Prozent…“ Meldung ohne Datum in Lohnspiegel.de der Hans-Böckler-Stiftung - Wirtschaft macht Druck. Mittelstand beklagt 3G-Regel als aufwendig und teuer. Gewerkschaften zweifeln an Nutzen von Impfpflicht und plädieren für tägliche Tests
„Die Debatte um die Coronaimpfpflicht in Deutschland nimmt Fahrt auf. (…) In den Gewerkschaften wird das Thema kontrovers diskutiert. (…) Unterdessen machen Wirtschaftsverbände Druck und fordern vehement eine allgemeine Impfpflicht. Ihnen geht es dabei vor allem um Aufwand und Kosten des Gesundheitsschutzes in den Betrieben – und um ihre Umsätze. Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbandes »Die Familienunternehmer«, sagte laut Welt vom Freitag: »Gerade ungeimpfte Beschäftigte machen bei der Überprüfung für Firmen den größten Aufwand«. Die Nachweise von Genesenen und Geimpften seien schnell kontrolliert, dagegen brauche es für die Durchführung und Kontrolle von Tests für Ungeimpfte viel Zeit. »Das sorgt bei Vorgesetzten für Aufwand und Verdruss.« Das Handeslsblatt vom 25. November zitierte ihn so: »Unsere Pflicht als Unternehmer ist es, die Wirtschaft am Laufen zu halten – und das geht nur mit gesunden und vollständig geimpften Mitarbeitern«. Mit anderen Worten: Ungeimpfte Beschäftigte bringen die Gewinne in Gefahr. Wenn man zwischen Lockdown und Impfpflicht entscheiden müsste, dann sei letzteres der kleinere Eingriff in die Freiheit. Natürlich meinte er damit nur die Freiheit der Unternehmen. Um einen neuen Lockdown zu verhindern, sei die Impfpflicht angemessen, heißt es auch vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des Verbandes, erklärte gegenüber Welt: Die 3G-Regel sei für die unternehmerische Praxis ungeeignet. Damit seien hohe Test- und Dokumentationskosten verbunden. Deshalb plädiert er für die 2G-Regel am Arbeitsplatz, was einer faktischen Impfpflicht entspreche. Die Wirtschaft fürchtet nicht nur die Kosten und das Dickicht an verschiedenen Regelungen; viele Unternehmen sehen rechtliche Unsicherheiten, die vor Gericht landen könnten…“ Artikel von Bernd Müller in der jungen Welt vom 07.12.2021 - Das Virus auf Arbeit: „Das Coronavirus macht am Betriebstor nicht halt, nur weil darüber zu wenig gesprochen wird“
„… Genau vor einem Jahr ging man von maximal 45 Prozent der Beschäftigen aus, die ganz oder teilweise im Homeoffice arbeiteten. Eine Mehrheit konnte oder kann das bis heute nicht. Verständlich, dass hier Unternehmen in die Pflicht genommen werden, was Infektionsschutzmaßnahmen betrifft. Wie eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, steigt jetzt jedoch der Anteil derer deutlich, die sich Sorgen wegen einer Ansteckung am Arbeitsplatz machen. Im November waren es 30 Prozent, in den Vormonaten kaum über 20 Prozent. Besonders hoch waren die Sorgen in Verkaufsberufen sowie den Bereichen Gesundheit und Pflege sowie Soziales, Bildung und Erziehung. Nur ein Teil dieser Beschäftigten kann einfach ausweichen, zum Beispiel ins Homeschooling oder andere Onlinevarianten. Hinter der wachsenden Sorge dürfte nicht nur Unverständnis für impfunwillige Zeitgenossen stehen, sondern eben auch fehlendes Vertrauen in betriebliche Schutzkonzepte. Die mangelnde Zuversicht hat mehrere Ursachen: Zum einen wurden mögliche Ansteckungen am Arbeitsplatz in der Pandemie eher selten thematisiert. Vor allem das »produzierende Gewerbe« mit acht Millionen Beschäftigten hierzulande blieb meist ausgespart, von einigen Ausreißern abgesehen, etwa den Schlachthöfen. Zum anderen lag und liegt der Schwerpunkt der Appelle (neben der Impfaufforderung) wieder bei Aufrufen an Individuen, ihre Kontakte zu reduzieren. Damit sind eher Familie und Freizeit gemeint. Es gibt aber hierzulande jede Menge Arbeitsplätze, an denen Kontakte unvermeidlich sind. Dort verbringen Menschen acht Stunden am Tag und mehr. Auch sie haben ein Recht darauf, gesund zu bleiben. Vernünftiges Verhalten einzelner ist notwendig zur Eindämmung der Ansteckungen – Lohnarbeit darf pandemiepolitisch aber kein blinder Fleck sein. Das Coronavirus macht am Betriebstor nicht halt, nur weil darüber zu wenig gesprochen wird.“ Kommentar von Ulrike Henning vom 3. Dezember 2021 in neues Deutschland online , siehe auch:- Sorge vor Corona-Infektion nimmt unter Beschäftigten wieder zu – auch Geimpfte brauchen Schutz vor Ansteckung am Arbeitsplatz. Pressemitteilung vom 3. Dezember 2021 der Hans-Böckler-Stiftung – allerdings sehr unkritisch auf einen möglichst reibungslos laufenden Betrieb orientiert…
- Siehe lieber die neue Zero-Covid-Kampagne: Beendet das Sterben – keine COVID-19-Toten mehr! Solidarische Notbremse jetzt: für eine nachhaltige Strategie zur Bekämpfung der Pandemie
- Corona-Ausbrüche in den Betrieben mehren sich
„Seit Mittwoch gilt das neue Infektionsschutzgesetz. Es sieht unter anderem vor, dass Beschäftigte nur noch gemäß der 3G-Regel Zugang zu ihren Betrieben erhalten. Das heißt, sie müssen nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder negativ getestet sind. Regierungen und Konzerne behaupten, damit Beschäftigte schützen zu wollen. Doch das entspricht nicht der Wahrheit. Das Infektionsschutzgesetz ist von der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nicht geändert worden, um Gesundheit und Leben der Bevölkerung zu schützen, sondern um in einer außer Kontrolle geratenen Pandemie alle Wirtschaftstätigkeiten aufrecht zu erhalten. (…) Neben den Schulen sind Arbeitsstätten ein wichtiger Hotspot von Infektionen. Doch die Fakten und Zahlen werden sorgfältig vertuscht und verheimlicht. Die Herrschenden interessieren sich nicht dafür, wie viele tausend Arbeiter sich in den Betrieben infiziert oder das Virus von ihren infizierten Kindern in die Betriebe getragen haben. Auch die Zahl der an Covid-19 gestorbenen Arbeiter wird unterdrückt. Selbst die Zahl der Todesopfer unter den Beschäftigten des Gesundheitssystems wird nicht mehr veröffentlicht. Nirgendwo erfahren die Belegschaften die Corona-Zahlen in ihrem Betrieb. Es findet noch nicht einmal eine zentrale Erfassung und Auswertung der Zahlen statt, aus der konkrete Schutzmaßnahmen abgeleitet werden könnten. Selbst aus der Lokalpresse verschwinden nach und nach die Berichte über Corona-Ausbrüche in Betrieben. Die Unternehmen sind ohnehin daran interessiert, die Zahlen zu vertuschen, weil sie Proteste und wirtschaftliche Verluste befürchten. Die Gesundheitsämter schaffen es entweder nicht, Kontakte zu verfolgen, oder sind von den politisch Verantwortlichen aufgefordert worden, dies einzustellen. Anfang des Jahres ergaben Nachfragen von Report-Mainz und BuzzFeed News bei Arbeitsschutzbehörden in ganz Deutschland, dass 90 Prozent von ihnen Betriebe zwar auf Verstöße gegen die Corona-Verordnungen angesprochen, aber fast keine Bußgelder verhängt und kaum einen Betrieb geschlossen hatten, obwohl dies notwendig gewesen wäre. Im besten Fall wurden die Betriebe mündlich oder schriftlich verwarnt. Trotz der Unterdrückung der Zahlen lassen die explodierenden Inzidenzen und gelegentliche Berichte in der Lokalpresse erahnen, welche tödliche Gefahr sich in den Betrieben zusammenbraut…“ Beitrag von Dietmar Gaisenkersting vom 27. November 2021 bei wsws.org - [Video] Corona am Arbeitsplatz
„Obwohl es Millionen betraf und betrifft: Von Schutzmaßnahmen für Beschäftigte am Arbeitsplatz war bisher in der Öffentlichkeit kaum die Rede. Man überließ den Unternehmen die Eindämmung der Pandemie weitgehend „nach eigenem Ermessen“. Was dabei herauskommt, wenn sich der Staat mit seiner Kontrolle in den Betrieben heraushält, konnten wir seit dem Ausbruch der Pandemie hinlänglich beobachten.
Betriebsrisko und Corona: Doch auch in anderer Hinsicht blieben die Unternehmen weitgehend von Maßnahmen zum Schutze der Arbeitnehmer verschont. So galt bislang als gesichert, daß eine Pandemie grundsätzlich zum „Betriebsrisiko“ des Unternehmers gehört. § 615 BGB bestimmt nämlich eindeutig, daß der Arbeitgeber den Lohn fortzuzahlen hat, wenn er mit der „Annahme der Arbeitskraft in Verzug gerät“. Er trägt das Risiko, daß die Arbeitskraft – aus welchen Gründen auch immer – nicht eingesetzt werden kann. Davon machte das Reichsgericht dann eine Ausnahme, wenn der Produktionsausfall in der „Sphäre der Arbeitnehmer lag“, also zB bei einem Streik in einem Zulieferbetrieb. So ein Ereignis wurde einfach der „Arbeiterschaft“ insgesamt zugeschrieben. Kein Geringerer als der Arbeitsrechtler und Politiker Kurt Georg Biedenkopf sah darin eine Art Klassenjustiz, für die es im Gesetz keine Rechtfertigung gab. Doch das BAG übernahm diese Rechtsprechung. N u n hat das BAG ausgerechnet aus Anlaß der Corona-Pandemie diese „Betriebsrisiko-Rechtsprechung“ auf die Spitze getrieben: Es hat in einer Entscheidung vom 13.10.2021 entgegen dem § 615 BGB den Unternehmer für den Fall einer corona-bedingten Schließung des Betriebes von jeglichen Lohnfortzahlungen entlastet und sieht plötzlich den Staat in der Verantwortung. (…)
Die verantwortlichen Politiker hatten es von Anfang an versäumt, konsequent a u c h durch repressive Maßnahmen den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung in den Vordergrund zu stellen. Dieser Schutz wäre vor allem in den Betrieben und Verwaltungen notwendig gewesen. Viel zu lange aber wurde um die Betriebe eine Art „Schutzkordon“ gelegt, der die Unternehmer entlasten sollte und „Betriebsunterbrechungen“ durch einen offensiven Infektionsschutz verhindern sollte. Jetzt ist durch das Infektionsschutzgesetz ein winziger (möglicherweise zu später) Schritt in die richtige Richtung getan worden: Die Einführung der 3 G-Regel am Arbeitsplatz. Durch den indirekten Zwang zu täglichen Tests für Ungeimpfte sollen mehr Menschen veranlaßt werden, sich impfen zu lassen. Noch ist unklar, was mit Testverweigerern passiert. Sie müssen mit einer Abmahnung bis hin zur Kündigung rechnen. Im schlimmsten Fall droht ihnen Lohnausfall. Viel einfacher wäre es gewesen, eine generelle oder zumindest eine Impflicht im Zusammenhang mit Corona zu beschließen. Das hätte zwar auch zu Diskussionen um die juristische „Zulässigkeit“ und Ähnlichem geführt, aber es wäre eine klare Entscheidung gewesen, die im übrigen auch in Nachbarländern Deutschlands bereits praktiziert wird. Jetzt führt das ständige Testen nicht nur zum Verdruß der ungeimpften Beschäftigten sondern es belastet sie zudem auch noch mit den dabei entstehenden Kosten. Schon fordern die Unternehmer, daß der Staat flächendeckend die Kosten übernimmt. Das jedoch kann keine Lösung sein, da damit jeder Anreiz zum Impfen aufgehoben würde. Würde das Risiko der Pandemie auch nur halbwegs „gerecht“ verteilt werden, müßten die Unternehmer die Kosten tragen.
Etwas anderes kommt hinzu: Nicht ganz zu Unrecht monieren die Unternehmer, daß die 3 G-Regel nur dann Sinn mache, wenn die Arbeitnehmer eine Auskunftspflicht über den Impfstatus träfe. Man könnte auch weiter gehen: Hat nicht der Kollege oder die Kollegin, die mit dem Getesteten zusammenarbeitet, auch einen Auskunftsanspruch ? Gegenwärtig ist all dies noch offen. Das Gesetz ist auf dem besten Weg, wieder eine Art „soft-law“ zu schaffen, das Verpflichtungen normiert, aber die Verpflichtungen doch nur als unverbindliche Forderungen statuiert und nicht als klare Verbote und Gebote. Einfacher wäre es, die 2 G-Regel auch in den Betrieben einzuführen: Dann hätten n u r noch Geimpfte Zugang zum Arbeitsplatz. Man müßte und könnte über das leidige Testen nicht weiter streiten. Bei der jetzigen Impfquote aber könnte dies die Vernichtung tausender Arbeitsplätze bedeuten. Was also tun ? In dieser Lage kommt den Gewerkschaften und Betriebsräten eine zentrale Rolle bei einer Kampagne für Impfangebote in den Betrieben zu. Sie sollten eine solche Rolle annehmen und nicht etwa Testungen verweigern, denn den Beschäftigten wird schnell nur mit der Verhinderung einer weiteren Ausbreitung des Virus geholfen…“ Beitrag vom 21.11.2021 von und bei RA Dr. Rolf Geffken – siehe auch „Corona am Arbeitsplatz“ – Video von Rolf Geffken vom 22.11.2021 bei youtube - Jeder stirbt in der Coronakrise für sich allein: Viel mehr als Beratung bieten die Gewerkschaften ihren Mitgliedern zur Zeit nicht an.
„… Vor dem zweiten Corona-Winter ist die deutsche Gesellschaft ermüdet, gelähmt – und gespalten. Das gilt auch für die arbeitende Bevölkerung. Sie teilt sich in überstresste Malocher auf der einen Seite, die den Laden am Laufen halten, und gut bezahlte Home-Office-Worker auf der anderen Seite – darunter ein wachsendes Heer an »Bullshit-Jobbern« wie Rechnungsprüfer, Unternehmensberater und Menschen, die für Wirtschaftskanzleien und private Krankenkassen arbeiten. Diese igeln sich zu Hause ein und lassen sich per Lieferdienst von dem anderen Teil der Arbeiterklasse bedienen. Die Spaltung setzt sich fort in aufgeklärte, informierte und logisch denkende Zeitgenossen, die Corona als das erkennen, was es ist: eine tödliche Gefahr. Diese pochen auf Arbeitsschutz. Daneben aber gibt es eine diffuse Masse aus Überforderten, Abgestumpften, Ignoranten und Zynikern. Und wieder andere leugnen zwar Corona nicht, reagieren jedoch mit Todesverachtung oder Bagatellisierung auf das Virus. Diese gab es übrigens schon immer. Wer jemals Straßenarbeiter mit Presslufthammer gesehen hat, die sich weigern, Ohrenschutz zu tragen, oder Zimmermänner, die es für besonders cool halten, keine Handschuhe zu verwenden, weiß, wovon die Rede ist. (…) Und was machen »die Gewerkschaften«? [V]iel mehr als Service ist nicht. Klare Kante gegen Corona-Leugner ist nicht zu sehen. Von kollektiven Ansätzen, die Krise mit Widerstand und Organisierung zu beantworten, keine Rede. (…) Sie ist der DGB-Gewerkschaftskultur bislang fremd. Jeder streikt für sich allein. Jeder stirbt für sich allein.“ Kommentar von Elmar Wigand vom 24. November 2021 in neues Deutschland online- Anm.: Ist leider etwas sehr dramatisierend. Laut RKI und DIVI ist bisher der Corona-Patientenanteil immer noch geringer als Jan. und Mai 2021; gegenüber Mai 2020 etwa gleich. Und die Todesfälle sind bisher nicht höher als März 2020, aber noch deutlich geringer als im Januar und Mai 21. Das häufig ignorierte Problem sind die Betten ohne ausreichendes Personal.
- Warum die Impfpflicht die Pandemie nicht beendet und was wir stattdessen tun sollten
„… Die Regierung hat es geschafft, bei Millionen von Menschen das Vertrauen zu verspielen. Nun steht sie völlig rat- und tatenlos vor einer vierten Welle, zu der sie noch beigetragen hat, indem sie Tests kostenpflichtig gemacht hat und Ungeimpften das Quarantänegeld gestrichen hat. Wer wird da wohl trotz angeordneter Quarantäne arbeiten gehen? (…) Während der Pandemie gab es immer wieder Streiks an den Krankenhäusern, um die Situation zu verbessern, zuletzt die Streikrunde im Tarifvertrag der Länder; im September die Berliner Krankenhausbewegung. Die Gewerkschaft ver.di plant bereits eine Ausweitung der Bewegung auf andere Bundesländer, um eine Entlastung des Personals zu erzwingen. Dabei wird es auch nötig sein, das profitorientierte Gesundheitssystem insgesamt anzugreifen und die staatliche Impfpflicht mit einer Kampagne für ein Gesundheitswesen im Interesse der Patient:innen und Beschäftigten zu beantworten. (…) Mit den Impfungen verdient die Pharmaindustrie Milliarden. Es ist dringend nötig, dass die Gewerkschaften dafür kämpfen, die Patente aufzuheben. Denn die Selbstbereicherung der Konzernbossen und Lobbyist:innen ist der beste Nährboden für die Mythen von radikalen Impfskeptiker:innen. Und die Patente steht nicht nur in Deutschland, sondern weltweit dem Kampf gegen die Pandemie entgegen. Was nützen die Impfungen hierzulande, wenn sich andere Länder die Impfstoffe nicht leisten können und sich von dort neue Wellen oder Mutationen ausbreiten? Konzerne wie Biontech müssen unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht werden und die Gewinne in den Gesundheitssektor investiert werden. (…) Eine Impfpflicht, die mit Polizei, Behörden und Gerichten durchgesetzt wird, richtet sich am Ende nur gegen Arme und Arbeiter:innen. Dennoch braucht es natürlich eine massive Impf- und Gesundheitskampagne, um die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen. Jedes Unternehmen muss dazu verpflichtet werden, Impfungen während der Arbeitszeit anzubieten inklusive Urlaubstagen zur Erholung. Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte müssen die Möglichkeit bekommen, Betriebsversammlungen einzuberufen, um Aufklärung für die Impfung zu betreiben. Die Unternehmen müssen Personal freistellen, damit mobile Teams von Tür zu Tür gehen und Menschen zu Impfungen motivieren. Eine 2G-Regel, die Ungeimpfte ausschließt, macht zudem gar keinen Sinn, weil auch Geimpfte das Virus verbreiten können. Es braucht eine massive Testkampagne. An allen Bahnhöfen, Supermärkten, Schulen und Betrieben müssen ständig Tests zur Verfügung gestellt werden. Auch PCR-Tests, die als einzige nahezu sicher funktionieren, müssen überall kostenlos angeboten werden. (…) Das jetzige Pandemie-Management und das Gesundheitssystem gehen auf Kosten der Allgemeinheit und der künftigen Generationen. Stattdessen muss endlich Schluss sein mit der Profitmacherei. Nur so lässt sich die Pandemie in Deutschland und weltweit schnellstmöglich beenden.“ Kommentar von Marius Rautenberg vom 16. November 2021 bei Klasse gegen Klasse - Arbeitsschutz: Corona-Sonderregeln bis März 2022 geplant
„SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben in einem Eckpunktepapier einen Rahmen für den Umgang mit der Corona-Pandemie gesteckt. Im Frühjahr soll demnach Normalität einkehren – sofern die Pandemie mitspielt. Hintergrund für die Überlegungen der Ampel-Koalition, die voraussichtlich die künftige Bundesregierung stellen wird, ist zu verhindern, dass der Ausnahmezustand zum Dauerzustand wird, wie es FDP-Generalsekretär Volker Wissing formulierte. Dazu soll den Plänen der Parteien zufolge das Infektionsschutzgesetz bis zum 25. November dahingehend geändert werden, dass die Bundesländer größeren Entscheidungsspielraum erhalten – beispielsweise zur Frage von 2G oder 3G oder zur Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Voraussetzung wäre, dass die sogenannte »epidemische Lage von nationaler Tragweite« mit Ablauf des 24. November 2021 endet und nicht verlängert wird. Stattdessen sollen Übergangsregelungen greifen, die teilweise bereits etablierte Lösungen aufgreifen. Dazu gehört zum Beispiel die Verlängerung der Corona-Arbeitsschutzverordnung. Die wichtigsten Vorgaben der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) im Überblick: – Personenkontakte am Arbeitsplatz minimieren, zum Beispiel durch mobile Arbeit (etwa Homeoffice). – Hygienekonzept für betrieblichen Infektionsschutz, das allen Beschäftigten zugänglich ist. – Durchführung betrieblicher Gefährdungsbeurteilung zur Feststellung weiterer Maßnahmen. – Ausgabe von Atemschutz an Beschäftigte, sofern nötig. – Bereitstellung von Corona-Tests auf eigene Kosten für alle Beschäftigten, die nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiten. Mindestens zweimal pro Woche PCR-Test oder professionell/selbst angewendete Antigen-Schnelltests. – Beschäftigte über Impfangebote informieren und für Impfungen freistellen, um so die Impfbereitschaft zu fördern…“ Info vom 29. Oktober 2021 beim Bund-Verlag mit Link zur derzeit gültige Fassung der Corona-ArbSchV, die bis März 2022 per Übergangsregelung weiter gelten soll - Broschüre von Wolfgang Hien und Wolfgang Alles: Gesundheitsschutz muss erkämpft werden!
„Eine sehr lesenswerte und sehr ansprechend gestaltete Broschüre mit dem Titel „Gesundheitsschutz muss erkämpft werden!“ ist jetzt in Mannheim erschienen. Ihre Herausgabe ist dank der Unterstützung durch die örtliche IG Metall und die Berliner Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt ermöglicht worden. Der Arbeits- und Gesundheitswissenschaftler Wolfgang Hien und der ehemalige Alstom-Betriebsrat Wolfgang Alles wollen mit dieser Veröffentlichung einen „Blick zurück auf die Auseinandersetzungen bei Alstom Power in Mannheim – und ein[en] Blick nach vorne“ werfen. In vier Kapiteln befassen sich die Autoren mit der Bedeutung von Gesundheit, dem Verhältnis von Arbeit und Gesundheit / Krankheit, den Kämpfen bei Alstom Power in Mannheim sowie mit dem Gesundheitsschutz in Zeiten von Corona. Die Broschüre „Gesundheitsschutz muss erkämpft werden!“ gibt inhaltliche und praktische Anregungen für alle, die den gesetzlich vorgeschriebenen Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt ernst nehmen. Berichtet wird von einem Ansatz, der Schule machen sollte…“ Meldung der IG Metall Mannheim vom 13.08.2021 zur Broschüre, die bei ihr kostenlos bezogen werden kann: IG Metall Mannheim, Hans-Böckler-Straße 1, 68161 Mannheim. Telefon: +49 (621) 150302-0 Telefax: +49 (621) 150302-10, E-Mail: mannheim@igmetall.de- Siehe auch die Besprechung von Angela Klein in der Soz 9/2021
- [FAQ der IG Metall] Neue Corona-Arbeitsschutzverordnung: Hygienekonzepte müssen erneut auf den Prüfstand
„… Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) ist erneut überarbeitet worden. Die neue Fassung gilt ab dem 10. September bis zum 24. November 2021. [Die wichtigsten Regelungen:] (…) Die Gewährleistung eines weiterhin hohen Schutzniveaus in den Betrieben muss in erster Linie durch eine Aktualisierung des betrieblichen Hygienekonzeptes auf der Basis der Gefährdungsbeurteilung erfolgen. (…) In einem betrieblichen Hygienekonzept hat der Arbeitgeber auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung die Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz festzulegen und umzusetzen. Kontaktreduktion ist auch in der aktuellen Infektionslage weiterhin das adäquate Mittel zur Vermeidung von Infektionen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Virus-Varianten und die noch zu geringe Impfquote. Dabei ist die Maßnahmenhierarchie des Arbeitsschutzes (TOP-Prinzip), wie sie in § 4 des Arbeitsschutzgesetzes festgelegt ist, zu berücksichtigen: technische und organisatorische Maßnahmen haben Vorrang vor personenbezogenen Schutzmaßnahmen. (…) Das betriebliche Hygienekonzept, das mit dem Betriebsrat zu vereinbaren ist, muss den Beschäftigten in geeigneter Weise in der Arbeitsstätte zugänglich gemacht werden. (…) Die überarbeitete Verordnung eröffnet die prinzipielle Möglichkeit, bei der Überprüfung der Hygienekonzepte auch Kenntnisse über den Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten einzubeziehen. Voraussetzung dafür ist stets, dass der jeweils betroffene Beschäftigte freiwillig Auskunft zur in Anspruch genommenen Impfung bzw. seiner Genesung gibt. Liegen keine Nachweise vor, „ist von keinem vollständig vorhandenen Impf- oder Genesungsstatus auszugehen“ (Begründung zur Corona-Arbeitsschutzverordnung, Art. 1 Nr. 2 b). Welche Anpassungen für betriebliche Hygienekonzepte konkret abzuleiten sind, muss betrieblich ermittelt werden. (…) Die Pflicht zum Angebot von Homeoffice sowie die Annahmepflicht durch die Beschäftigten nach dem Infektionsschutzgesetz ist zum 30. Juni entfallen. Das bedeutet aber nicht, dass Homeoffice als Maßnahme des Infektionsschutzes gänzlich an Bedeutung verliert. Es bleibt weiterhin eine effektive Möglichkeit, Kontakte im Betrieb zu reduzieren. (…) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, Beschäftigten, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, mindestens zwei Tests pro Woche anzubieten (§ 4 Abs. 1 Corona-ArbSchV). (…) Um eine sachgerechte Auswahl des Maskentyps zu treffen, ist die Gefährdungsbeurteilung ausschlaggebend. (…) Ist das Tragen einer Maske die einzig verbleibende Schutzmaßnahme, ist es für die Gesundheit der Beschäftigten wichtig, die durchgehende Tragedauer gemäß den Vorgaben des Arbeitsschutzes zu begrenzen. (…) Mit dem neuen § 5 der CoronaArbSchV wird sichergestellt, dass Arbeitgeber Schutzimpfungen während der Arbeitszeit zu ermöglichen haben…“ FAQ der IG Metall in der Aktualisierung vom 10. September 2021 mit Links zu weiteren hilfreichen Infos - [FAQ der IG Metall] Coronatest im Betrieb
„Seit 20. April 2021 sind Unternehmen verpflichtet, Beschäftigen Tests anzubieten, damit Infektionen schnell erkannt und Coronaausbrüche verhindert werden. Tjark Menssen beantwortet die wichtigsten Fragen…“ FAQ vom 14. Mai 2021 | Aktualisiert am 13. September 2021 bei der IG Metall - Corona-Arbeitsschutzverordnung verlängert und ergänzt. Grundlegende Regelungen bleiben bestehen – Impfbereitschaft fördern
„Die Corona-Arbeitsschutzverordnung wird an die Dauer der epidemischen Lage gekoppelt und somit bis einschließlich 24. November 2021 verlängert. (…) Die Corona-Arbeitsschutzverordnung enthält neu die Verpflichtung der Arbeitgeber, Beschäftigte über die Risiken einer COVID-19 Erkrankung und bestehende Möglichkeiten einer Impfung zu informieren, die Betriebsärzte bei betrieblichen Impfangeboten zu unterstützen sowie Beschäftigte zur Wahrnehmung von Impfangeboten freizustellen. Ansonsten gelten die bestehenden Arbeitsschutzregeln fort…“ Meldung vom 01. September 2021 beim Bundesarbeitsministerium - DGB: Impfen kein Ersatz für Arbeitsschutz
„Zur Forderung nach Selbstauskunft über den Impfstatus sagt Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, am Dienstag in Berlin: „Die Forderung nach Selbstauskunft über den eigenen Impfstatus ist ein No-go. Bei allem gemeinsamen Werben für eine höhere Impfquote muss auch klar sein: Die Information, ob jemand geimpft ist, unterliegt wie alle anderen Gesundheitsdaten der Beschäftigten dem Datenschutz, sie hat Arbeitgeber nicht zu interessieren. Die Forderung ist ein unlauterer Versuch, die Verantwortung für den Arbeitsschutz auf die Beschäftigten abzuwälzen. Dabei gilt nach wie vor das TOP-Prinzip, wenn die Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz geschützt werden soll: Technische und organisatorische Maßnahmen, wie etwa die Ermöglichung von Home Office, haben Vorrang. Impfen ist hingegen kein Instrument des Arbeitsschutzes und kann diesen auch nicht ersetzen. Der Arbeitsschutz muss unabhängig vom Impfstatus der Beschäftigten die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz gewährleisten. Das gilt nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis; auch die Arbeitgeber und den Gesundheitsminister wird bereits erreicht haben, dass Geimpfte wie Ungeimpfte das Corona-Virus übertragen können, da die eingesetzten Impfstoffe eine Übertragung eben nicht zuverlässig verhindern können. Insoweit greift die Forderung zum Offenlegen des Impfstatus in doppelter Hinsicht zu kurz. Es braucht auch weiterhin mehr an gemeinsamer Anstrengung, um diese Pandemie erfolgreich in den Griff zu bekommen.““ DGB-Pressemitteilung vom 31.08.2021 - Corona-Schutz im Betrieb: Eine ebenso verzwickte wie tragische Situation – Warum Beschäftigte im Betrieb von Gesundheitsschutz oft nichts wissen wollen
„… Es soll nicht bestritten werden, dass die offizielle Corona-Politik auch absurde Seiten entwickelt hat. Aber dass wir uns – wenn keine Herdenimmunität vorhanden ist – vor Aerosolen möglichst effektiv schützen müssen, sollte als naturwissenschaftlich gut belegter Sachverhalt jedem denkenden Menschen klar sein. Die Corona-Politik und auch die betrieblichen Vorschriften – z.B. die Covid-19-Arbeitsschutzverordnung – haben einen obrigkeitsstaatlichen Geschmack, der zum Widerstand reizt, doch das gilt für die gesamte Arbeitsschutzpolitik. Alle Versuche, Konzept und Konkretisierung von Schutzmaßnahmen in einem partizipativen Prozess, erfahrungsnah und unter Einbeziehung der Beschäftigten zu entwickeln, wurden von den Unternehmerverbänden, aber auch von mächtigen Betriebsratsoligarchien torpediert. Betriebliche Gesundheitszirkel, die im Ansatz so etwas hätten voranbringen können, wurden gerade immer dann, wenn sie «ans Eingemachte» gingen, d.h. an betrieblichen Strukturen rüttelten, eingestellt. Eine breite gewerkschaftliche Bewegung für einen partizipativen und effektiven Gesundheitsschutz ist ausgeblieben. Selbstverständlich braucht betrieblich gelebter Gesundheitsschutz Zeit – Zeit, in denen die Produktion eben nicht so ohne weiteres weiterlaufen darf. Zeit, die den Profit schmälert. «Gesundheitsschutz von oben», bei laufender Produktion, ist hinderlich und erschwerend. (…) Es lohnt sich, der Frage nachzugehen: Was ist Aufklärung? Was ist Aufklärung im Betrieb? Wie kommen wir zu einem wirklich mündigen Menschen in der Arbeitswelt? Aufklärung ist nicht nur die Herausführung des Menschen aus seiner Unmündigkeit durch mehr Wissen und Bildung auf der rationalen Ebene. Aufklärung ist auch Selbstaufklärung über die eigenen inneren Schranken und Barrieren auf der emotionalen Ebene. Eine der wirkungsvollsten Schranken ist die Angstabwehr, das Nicht-wahrhaben-Wollen, Verleugnung und Verdrängung. Zugegeben: Es gibt viele neurotische Ängste. Doch es gibt auch reale Ängste, die sinnvoll sind und vor Bedrohlichem warnen. Zur Selbstaufklärung gehört es zu lernen, Neurosen «auf den Teppich» zu bringen, aber auch, die reale Angst zuzulassen. (…) Zur Aufklärung gehört es, Wissen und Denkrichtungen zu fördern, die eine bessere Orientierung in der Welt ermöglichen. Dazu gehört auch, Risikopotenziale als Wahrscheinlichkeiten verstehen zu lernen. Zur Selbstaufklärung gehört es, sich Stück für Stück ein Urteil darüber anzueignen, was für die Gesellschaft wirklich wichtig und nützlich ist und wo derzeitige Produktionsprozesse überflüssig bis schädlich sind. Davon sind wir weit entfernt. Die Frage ist, ob derartiges noch anstrebenswert ist. Ich meine schon…“ Artikel von Wolfgang Hien in der Soz Nr. 07/2021 - Corona-Schnelltest im Betrieb: Angst vor Ärger. Während Kita-Kinder und SchülerInnen die Tests machen müssen, sind sie für Beschäftigte freiwillig. Merkwürdig.
„… Eine Testpflicht hat das Bundesarbeitsministerium (BMAS) nicht erlassen. Warum eigentlich nicht? (…) Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg erklärt auf Nachfrage: „Ob eine generelle Testpflicht für alle Beschäftigten ohne Ansehen der konkreten Gefährdungslage aus Sicht des allgemeinen Infektionsschutzes zum Schutz der Bevölkerung erforderlich ist, ist ggf. noch näher zu prüfen in Abstimmung mit dem für Infektionsschutz zuständigen Sozialministerium.“ Gegebenenfalls könnten die zuständigen Ministerien sich ja die – offenbar erste – Untersuchung anschauen, die sich mit Infektionen und Arbeit beschäftigt (…). Wissenschaftler des Uniklinikums Düsseldorf und der Heinrich Heine Universität haben dafür Zahlen ausgewertet: die Erwerbstätigenquote und die Wirtschaftsbranchen, dazu die Inzidenzen der Bevölkerung im Erwerbsalter in allen 401 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland über ein Jahr. Ergebnis: „Kreise mit einem hohen Anteil Erwerbstätiger in der Produktion hatten und haben im Durchschnitt höhere Inzidenzen im Vergleich zu Kreisen mit einem weniger ausgeprägten Produktionssektor.“ Allerdings haben die Forscher ein Problem: Es gibt kaum Daten. Die Gesundheitsämter sind nicht gehalten, bei Infizierten Beruf, Arbeitsort oder Wohnverhältnisse abzufragen. Und so schreiben die Düsseldorfer: „Das genau Ausmaß des Beitrags der Arbeit zum gesamten Infektionsgeschehen ist in der aktuellen Pandemie unbekannt und nicht direkt untersucht worden. Überhaupt ist die Studienlage zur Rolle von Beruf und Erwerb in der Pandemie überraschend dünn.“ (…) Warum hat die Bundesregierung oder die Länderregierungen keine Testpflicht für ihre Beschäftigten erlassen? Däubler lacht: „Weil man den Unternehmen nicht wehtun will, der Aufwand ist ja angeblich groß.“ Für den gewerkschaftsnahen Juristen ist es „ein Witz, wie die Regierung in punkto Pandemiemaßnahmen mit zwei Maßstäben misst“. Wenn er dienstlich nach München müsse und dort fünf Menschen aus anderen Haushalten treffe, sei das erlaubt, privat aber verboten. „Wenn etwas systemrelevant ist, kommt’s auf die Ansteckung offenbar nicht so an.“ Überhaupt ist ihm die Corona-Bekämpfung zu halbherzig. „Man sollte zwei Wochen lang rigoros dicht machen…“ Beitrag von Gesa von Leesen vom 5. Mai 2021 aus Kontext: Wochenzeitschrift Ausgabe 527 – jetzt erst entdeckt, aber immer noch aktuell - Aktuelle Auswertung des WSI: Sorge vor Corona-Infektion am Arbeitsplatz bleibt hoch – Beschäftigte mit niedrigen Löhnen sind besonders oft betroffen
„Trotz zuletzt sinkender Inzidenz-Zahlen bleibt die Sorge unter den Beschäftigten vor einer Corona-Infektion hoch: In der ersten Maihälfte gaben 32 Prozent der Befragten an, sich Sorgen vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz oder auf dem Weg zur Arbeit zu machen. Dies ist nur ein minimaler Rückgang gegenüber dem Monat April. Besonders betroffen sind Beschäftigte mit niedrigen Löhnen: Unter Geringverdienenden im untersten Fünftel der Lohnverteilung gaben in der ersten Maihälfte 43 Prozent der Befragten an, sich Sorgen zu machen – verglichen mit 23 Prozent unter Besserverdienenden im obersten Fünftel. Das ist das Ergebnis einer kontinuierlichen Befragung des Portals Lohnspiegel.de, an der sich seit April 2020 mehr als 51.000 Beschäftigte beteiligt haben. Lohnspiegel.de wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wissenschaftlich betreut. „Soziale Ungleichheit hat die Corona-Krise in Deutschland stark geprägt“, sagt Dr. Aline Zucco, Expertin für Verteilungsfragen am WSI. „Nicht nur die ökonomischen Lasten der Pandemie sind sehr ungleich verteilt, sondern auch die Gesundheitsrisiken.“ Der enge Zusammenhang zwischen Einkommen und Ansteckungssorgen geht auf zwei wesentliche Faktoren zurück: Erstens sind die Löhne in vielen Tätigkeiten mit hoher Kontaktfrequenz oft relativ niedrig. Dazu zählen die Verkaufsberufe sowie Teile des Bereichs Erziehung und Soziales. Beschäftigte mit akademischer Qualifikation und entsprechend höheren Löhnen üben hingegen häufiger Tätigkeiten ohne direkten Kontakt aus und können ins Homeoffice ausweichen. Zweitens betreffen Versäumnisse beim betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz Beschäftigte mit geringem Einkommen offenbar häufiger. So sagten in der ersten Maihälfte 2021 unter den Befragten mit niedrigerem Lohn 17 Prozent, dass ihr Arbeitgeber keine ausreichenden Infektionsschutzmaßnahmen getroffen hat – verglichen mit einem Anteil von 9 Prozent unter den Besserverdienenden. „Angesichts der langen Vorlaufzeit ist das erschreckend“, so Zucco…“ Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 19. Mai 2021 - Sieben Fragen zu Coronatests im Betrieb
„Regelmäßige Tests auf Corona gehören zur Strategie der Pandemiebekämpfung. Auch im Betrieb soll zukünftig getestet werden. Daher stellt sich die Frage, wie die Tests aus Sicht der Beschäftigten rechtlich zu bewerten sind und inwiefern Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht haben. Der DGB Rechtsschutz klärt die wichtigsten Fragen (Stand: 7. April 2021) …“ FAQ vom 3.5.2021 bei der IG BAU - Arbeitsschutz während Corona: 15 Prozent weniger Kontrollen / Corona: Harte Maßnahmen bei den Bürger*innen, laxer Umgang mit der Wirtschaft „Die Zahl der Arbeitsschutzkontrollen ist 2020 deutlich gesunken. Die Bundesländer begründen dies mit der Corona-Pandemie. Doch schon zuvor wurden deutsche Betriebe im Schnitt nur alle 25 Jahre überprüft. (…) Angesichts der Corona-Pandemie schätzen Expertinnen und Experten diese Zahlen als besorgniserregend für den Arbeitsschutz ein. Sie gehen wegen der Corona-Pandemie von einem deutlich höheren Kontrollbedarf aus – vor allem im Hinblick auf die Hygienebestimmungen. Die Daten der Bundesländer zeigen, dass die Zahlen der Kontrollen in Betrieben von 61.864 aufgesuchten Betriebsstätten im Jahr 2019, auf 50.366 im Jahr 2020 (1. Januar bis 15. Dezember) zurückgegangen sind. (…) Gerhard Citrich, Experte für Arbeits- und Gesundheitsschutz der IG Bau: „Es wird immer gesagt, dass Arbeitsschutz wichtig ist. Aber wenn Kontrollen zurückgeschraubt werden, sind das nur Sonntagspredigten. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie ist das katastrophal.“…“ Beitrag von Barbara Schmickler, WDR, vom 29.04.2021 bei tagesschau.de aus dem Monitor:
- Corona: Harte Maßnahmen bei den Bürger*innen, laxer Umgang mit der Wirtschaft
„Während die Bundesregierung Grundrechte einschränkt, läuft in der Wirtschaft in vielen Bereichen alles weiter wie bisher. Dabei zeigen MONITOR-Recherchen, dass die Corona-Regeln in vielen Unternehmen nach wie vor missachtet werden. Arbeitsschutzkontrollen in Betrieben sind 2020 sogar zurückgegangen…“ Video des Beitrags von Barbara Schmickler, Torsten Reschke und Rosaria Kilian in Monitor vom 29.04.2021 (05:31 Min.. UT., Verfügbar bis 31.12.2099. Das Erste)
- Corona: Harte Maßnahmen bei den Bürger*innen, laxer Umgang mit der Wirtschaft
- Der dunkle Fleck im Infektionsschutzgesetz: Produktion in den Betrieben kaum eingeschränkt, Schutzmaßnahmen kaum umgesetzt
„Das in dieser Woche von Bundestag und Bundesrat zum wiederholten Male binnen eines Jahres novellierte Infektionsschutzgesetz (IfSG) beinhaltet keine Vorgaben an Unternehmen und verzichtet auf Schutzbestimmung für die Belegschaften. Ignoriert werden die Erkenntnisse von Aerosolforschern. „Drinnen lauert die Gefahr“, hatten schließlich führende Köpfe der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) in einem offenen Brief an die Bundesregierung konstatiert. „Die Übertragung der Sars-CoV-2-Viren findet fast ausnahmslos in Innenräumen statt“, hieß es darin, betroffen seien Schulen und Büros. Sie fordern daher ein Umdenken in der Pandemie. (…) Ein großer Teil der Beschäftigten muss im Betrieb weiterarbeiten. Schilderungen Beschäftigter verdeutlichen die Situation. „Kein Desinfektionsmittel, keine Masken, kein Abstand, keine frische Luft, alle vor Ort. Schon vor Covid waren Händewaschen und Lüften dort nicht an der Tagesordnung, aber das hat mich wirklich hoffnungslos gemacht. Ich glaube, in sehr vielen Büros sieht es kein bisschen anders aus“, berichtet ein Angestellter: „Online-Meetings hält man für nicht zielführend. Während der Meetings hält sich niemand an die Hygienemaßnahmen – beim Betreten morgens kein Lüften, kein Händewaschen, kein Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes“. Diese Schilderungen verwundern kaum. Denn statt einer Regelung im IfSG wird mit Erlassen gearbeitet. (…) Das verbessert aber die Situation für die Belegschaften nicht. Die Kernaussage findet sich unter 4.1 Abs. 3 der „Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel“: „Soweit arbeitsbedingt die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann und technische Maßnahmen wie Abtrennungen zwischen den Arbeitsplätzen nicht umsetzbar sind, müssen die Beschäftigten mindestens MNB zum gegenseitigen Schutz tragen.“ Die Verantwortung ist klar verteilt: Nicht die Arbeitsorganisation muss geändert, nicht Betriebe geschlossen werden, die Beschäftigten in Halle oder Großraumbüro müssen sich schützen, indem sie eine Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) tragen. „Mitarbeiter in dem Produktionsbereich fühlen sich als Beschäftigte zweiter Klasse, denn die einen dürfen sich relativ geschützt zu Hause bewegen, die anderen müssen körperlich dicht beieinander vor Ort arbeiten“, schildert ein Gewerkschafter. (…) Statistiken zeigen die Folgen der Regierungspolitik auf: 18.069 Covid-19-Erkrankungen wurden in 2020 als Berufskrankheit anerkannt. Dies zeige, „dass in den Betrieben die präventiven Maßnahmen im Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht in dem notwendigen Maß umgesetzt werden“, bilanziert ver.di-Vorstandsmitglied Dagmar König.“ Beitrag von Marcus Schwarzbach 23. April 2021 bei Telepolis - „Tun könnte man viel“. Viele Arbeitgeber kommen in der Pandemie ihrer Fürsorgepflicht nicht nach [und keinen interessiert es]
„Es hat mehr als ein Jahr Pandemie gebraucht, bis Arbeitgeber Schnelltests für ihre Beschäftigten anbieten müssen. Während im privaten Bereich immer engere Beschränkungen erlassen werden, bleiben viele Unternehmen und ein großer Bereich der Arbeitsplätze von strengen Regeln verschont. Das hat Gründe, sagt die Bundestagsabgeordnete Jutta Krellmann. (…) Ich finde, der Bereich des Arbeitsplatzes bleibt bisher in der Diskussion über die Risiken, sich mit Corona anzustecken, ziemlich unterbelichtet. Dabei ist klar: Die meisten Menschen arbeiten acht Stunden am Tag, wenn sie vollzeitbeschäftigt sind, das heißt, sie verbringen einen Großteil ihrer Zeit, in der sie nicht schlafen, auf Arbeit. Natürlich gibt es dort auch ein Infektionsrisiko. (…) [Was sind aus Ihrer Sicht die größten Versäumnisse der Bundesregierung bei der Pandemiebekämpfung am Arbeitsplatz?] Wenn Sie mich fragen: Was ist der sicherste Schutz vor Corona für einen Arbeitnehmer? Dann ist das doch, dass er gar nicht mehr zur Arbeit geht (lacht). Aber im Ernst, da sind wir schon beim Thema Homeoffice: Das hätte man einfach viel früher einführen können. Es gibt immer noch kein grundsätzliches Recht auf Homeoffice. Selbst im Betriebsrätemodernisierungsgesetz, das derzeit in Vorbereitung ist, ist dieser Punkt wieder nicht dabei. (…) Es gibt eine ganze Reihe von Betrieben, die einfach gar nichts gemacht haben, die auch auf die Vorschläge ihrer Beschäftigten nicht eingegangen sind. Vor allem da, wo es keinen Betriebsrat gibt. Wo der Chef noch der Herr im Haus ist…“ Interview von Pepe Egger vom 19.04.2021 im Freitag online (Ausgabe 15/2021) mit Jutta Krellmann - Neue Arbeitsschutzverordnung bis 30.06.2021 mit Corona-Testpflicht für Präsenzbeschäftigte
„Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat am 13.04.2021 dem Bundeskabinett dargelegt, wie er die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) verlängern und ergänzen wird. Die Änderungen erfolgen per Verordnung und treten nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger voraussichtlich Mitte kommender Woche in Kraft. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Das Infektionsgeschehen bleibt besorgniserregend. Der Schutz der Beschäftigten muss weiter gewährleistet sein. Die geltenden Regeln der Arbeitsschutz-Verordnung verlängere ich deshalb bis zum 30. Juni 2021. Es gilt weiter: Wer im Homeoffice arbeiten kann, muss das von seinem Arbeitgeber ermöglicht bekommen. So reduzieren wir das Ansteckungsrisiko unterwegs und durch Kolleginnen und Kollegen. Für Tätigkeiten vor Ort gelten weiter Abstand, Lüften, Maskentragen. Hinzu kommt jetzt eine Pflicht für Betriebe, Tests anzubieten. So können wir Infektionsketten verhindern, Gesundheit schützen und letztlich Betriebsschließungen vermeiden. Diese neue Pflicht ist nötig geworden, damit wirklich alle Beschäftigten im Betrieb ein Testangebot erhalten.“…“ Meldung vom 13.04.2021 bei juris.de mit allen neuen und verlängerten Regelungen - Was die Testpflicht konkret bedeutet
„Wer nicht im Homeoffice arbeitet, soll künftig vom Arbeitgeber Corona-Tests erhalten. Was heißt das für die Unternehmen? Wer bekommt wie viele Tests? Und was sagt die Wirtschaft dazu? Die wichtigsten Fragen und Antworten. In Deutschland sollen Unternehmen ihren Beschäftigten künftig Corona-Tests anbieten müssen. Darüber bestehe in der Koalition Einigkeit, erklärte die SPD. Demnach strebt die Bundesregierung eine Paketlösung an: Die entsprechende Änderung der Arbeitsschutzverordnung soll gemeinsam mit der geplanten Novelle des Infektionsschutzgesetzes in der Kabinettssitzung am Dienstag auf den Weg gebracht werden…“ FAQ vom 12.04.2021 bei tagesschau.de - Im Häuserkampf. Wie organisiert man sich unter Coronabedingungen? Arbeitsschutz in der Pandemie als Herausforderung für Betriebsräte
„Die weitgehende Schließung der Betriebe war nie eine Option für die Bundesregierung. Trotz »Lockdowns« sank im letzten Jahr laut Statistischem Bundesamt das Bruttoinlandsprodukt nur um 5,0 Prozent. Für die meisten Beschäftigten bedeutet das hierzulande, täglich am Arbeitsplatz Gesundheitsgefahren ausgesetzt zu sein. Mit besonderen Schutzbestimmungen gegen Corona im Betrieb halten sich Kanzleramt und Ministerpräsidenten zurück. (…) Im Infektionsschutzgesetz, dem »Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite«, gibt es keinerlei Regelungen zu Unternehmen und ihrer Pflicht zum Schutz der Belegschaften vor Corona. Aktionsmöglichkeiten bieten den Betriebsräten Erlasse des Bundesarbeitsministeriums. Die Vertretungen stehen dabei aber vor enormen Schwierigkeiten. (…) Erst im August wurde daraufhin die »SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel« beschlossen. Deren Kernaussage zeigt, wen das Ministerium für verantwortlich beim Coronaschutz erklärt: »Soweit arbeitsbedingt die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann und technische Maßnahmen wie Abtrennungen zwischen den Arbeitsplätzen nicht umsetzbar sind, müssen die Beschäftigten mindestens MNB zum gegenseitigen Schutz tragen.« In der Praxis bedeutet dies: Die Unternehmen behaupten, »arbeitsbedingt« seien keine Änderungen möglich, deshalb müssten Arbeiter und Angestellte Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) tragen. Die Umgestaltung von Räumen oder Arbeitsabläufen unterbleibt in der Regel. »Kein Desinfektionsmittel, keine Masken, kein Abstand, keine frische Luft, alle vor Ort. Schon vor Covid waren Händewaschen und Lüften dort nicht an der Tagesordnung, aber das hat mich wirklich hoffnungslos gemacht. Ich glaube, in sehr vielen Büros sieht es kein bisschen anders aus«, schildert ein Beschäftigter die Situation in einem Büro. Kontrolle kaputtgespart: Obwohl »Social Distancing« eine der wichtigsten Vorgaben der Landesregierungen ist und Bundeskanzlerin Merkel von einem empfohlenen Abstand von anderthalb Metern zu anderen Menschen spricht, wird diese Distanz in Werkhallen oder Büros oft nicht eingehalten – oder kann arbeitsplatzbedingt gar nicht eingehalten werden. Berufsgenossenschaften, Ämter für Arbeitsschutz oder Gewerbeaufsicht lassen sich generell selten im Betrieb blicken, erst recht nicht zur Vorabprüfung von Pandemieplänen. Ob Distanzregeln bei der Arbeit auf der Baustelle, beim Gang zum Drucker in der Verwaltung oder im Großraumbüro eingehalten werden, interessiert die Unternehmen dabei wenig. (…) Verordnungen auf Länderebene zeigen, dass die Regeln, die offensichtlich nicht überprüft werden, auch noch wachsweich formuliert sind. (…) Für Betriebsräte bleibt deshalb nur ein »Häuserkampf« – wenn sie zur Auseinandersetzung mit den Unternehmen bereit sind und ihre Aufgabe nicht nur im Abwarten sehen, ob das Management etwas unternimmt. Rechtlich kann der Betriebsrat eine Sitzung des Arbeitsschutzausschusses (ASA) beantragen. Im ASA muss das Unternehmen darlegen, welche Maßnahmen des Gesundheitsschutzes ergriffen werden. Der Betriebsrat kann fehlende Maßnahmen dort einfordern, die Durchsetzbarkeit ist aber abhängig vom Willen des Unternehmens. (…) Kurioserweise reduzieren die Berufsgenossenschaften gerade in Coronazeiten ihre Kontrollen. Statt den Unternehmen vor Ort Schutzmaßnahmen vorzuschreiben, erfolgt lediglich eine Pressemitteilung zu den MNB. Den Konflikt müssen Betriebsräte führen, als Häuserkampf in jeder Firma. (…) Diesbezügliche Umsetzungsschritte in den Betrieben setzen weder Gewerbeaufsicht noch Berufsgenossenschaften durch. Viele Betriebsräte haben über Gefährdungsbeurteilungen Pausenregelungen, Raumteilungen oder das Arbeiten im Homeoffice durchgesetzt. Auch Arbeitsgerichte mussten sich mit Coronaschutzmaßnahmen beschäftigten. (…) Die genannten Beispiele zeigen, wie Betriebsräte Gegenwehr entwickeln können – gleichzeitig verdeutlichen sie aber auch, dass ein Agieren nur auf der jeweiligen betrieblichen Ebene oftmals nicht ausreicht. Eine Vernetzung über Gewerkschaften ermöglicht Gegenwehr auf tariflicher Ebene. Gewerkschaften sehen ihre Aufgabe im Komanagement, um die Produktion am Laufen zu halten. Streiks zu Betriebsschließungen wie im März letzten Jahres in Italien sind für Gewerkschaftsvorstände hierzulande unvorstellbar. Auch Forderungen nach einem Tarifvertrag zu betrieblichen Coronaschutzmaßnahmen, Ausstattung von Arbeitsplätzen zu Hause und bezahlten Pausen bei Maskenzwang fehlen völlig. Ein Agieren bleibt aus. Vor Ort zeigen Gewerkschaftssekretäre kaum Präsenz, Kommunikation erfolgt oft virtuell. Dies wirkt auch auf die Beschäftigten – denn den Arbeitern und Angestellten in den Betrieben fällt jeden Tag der Widerspruch auf, dass »Distanz halten« das Maß der Dinge sein soll, private Treffen mit mehr als zwei Haushalten zu Bußgeldern führen können, während in der Werkhalle oder im Großraumbüro mehr als ein Dutzend Personen zusammen arbeiten muss. Die Einbindung der Gewerkschaften durch Ministerien stärkt die Regierungspolitik…“ Artikel von Marcus Schwarzbach in der jungen Welt vom 13.04.2021 (im Abo) - Kosten für Hygienemaßnahmen darf Arbeitgeber nicht abwälzen
„In der Fleischindustrie herrschen hohe Hygienestandards, die die Unternehmen viel Geld kosten. Manche Arbeitgeber drücken die Kosten, indem sie diese mit fragwürdigen Vertragsklauseln auf die Beschäftigten abwälzen. Es kann sich aber lohnen, gegen solche Klauseln zu klagen, wie ein Fall unseres Büros in Neuruppin zeigt. as Büro Neuruppin hatte einen Beschäftigten vertreten, der zum Mindestlohn als Verpacker in der Fleischverarbeitung beschäftigt war. Er hatte sich an seine Gewerkschaft gewandt, weil seine Arbeitgeberin die Umkleidezeiten nicht bezahlte. Wie alle anderen Mitarbeiter*innen ist er aus hygienischen Gründen verpflichtet, während der Arbeit die von der Beklagten gestellte Arbeitskleidung zu tragen. Er kann die Schutzkleidung auch nicht schon zu Hause anziehen oder sie erst dort ablegen. Deshalb erscheint er etwa eine halbe Stunde vor dem regulären Arbeitsbeginn im Werk. Er trägt die Uhrzeit in ein beim Pförtner ausgelegtes Buch ein und empfängt von diesem seine Arbeitskleidung. Dabei handelt es sich um ein verschweißtes Paket, in dem sich eine Hose und ein Kittel befinden. Diese zieht er in einem Umkleideraum an, bevor er durch die Hygieneschleuse tritt und mit der Arbeit beginnt. Nach Ende der Arbeitszeit zieht er die Arbeitskleidung aus und entsorgt sie in einem hierfür bereitgestellten Behälter. Den Zeitaufwand hierfür schätzt der Kläger auf etwa 20 Minuten und klagte über den DGB Rechtsschutz Neuruppin eine Vergütung dieser Zeit auf Basis des Mindestlohnes beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel ein. (…) Die Klausel im Arbeitsvertrag, nach der der Kläger kein Anspruch auf Vergütung der Umkleidezeit hat, erklärte das Arbeitsgericht für unwirksam. Denn sie benachteilige den Kläger in unangemessener Weise...“ Meldung des DGB-Rechtsschutz am 8.04.2021 zum Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel, Urteil vom 6. März 2019 – 3 Ca 921/18 – sicher nicht nur für die Fleischbranche relevant - [Selbstverpflichtung!] WSI: Schleppender Start für wöchentliche Corona-Schnelltests am Arbeitsplatz: Nur 23 Prozent der Beschäftigten haben schon Zugang
„Eine deutliche Ausweitung von Corona-Schnelltests ist ein zentraler Baustein, um die dritte Welle der Corona-Pandemie zu brechen. Bereits der Bund-Länder-Beschluss vom 3. März nimmt hierfür auch die Arbeitgeber in die Pflicht: Unternehmen sollen allen in Präsenz Beschäftigten mindestens einmal pro Woche einen kostenlosen Schnelltest anbieten. Trotz eindringlicher Apelle aus der Politik, von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften läuft das Testprogramm bisher nur schleppend an: Nur 23 Prozent der befragten Beschäftigten berichteten in der zweiten Märzhälfte, dass alle Präsenzbeschäftigten in ihrem Betrieb schon mindestens einmal pro Woche einen Schnelltest machen können. Für 6 Prozent werden Schnelltests zwar schon angeboten, jedoch noch nicht im vorgesehenen Umfang. Weitere 17 Prozent geben an, dass der Arbeitgeber die Einführung von Schnelltests bereits angekündigt, aber noch nicht umgesetzt hat. Für die Mehrheit (54 Prozent) gibt es hingegen weder betriebliche Schelltests, noch sind diese angekündigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung von 2832 Datensätzen des Portals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird. (…) Angesichts steigender Infektionszahlen steht der bisherige, allein auf Freiwilligkeit und Appellen beruhende Ansatz zur Einführung von Schnelltests zunehmend in der öffentlichen Kritik. „Die enttäuschend geringe Umsetzungsquote zeigt, dass eine verbindliche Regulierung notwendig ist, die eine konsequente und rasche Einführung von betrieblichen Schnelltests garantiert“, so Ahlers. „Nur so können die Gesundheit der Beschäftigten und lückenlose betriebliche Abläufe sichergestellt werden.“ Sachsen und Berlin sind diesen Schritt schon gegangen und haben für Betriebe mit Präsenzbeschäftigten ein Testangebot zur Pflicht gemacht. Das Robert-Koch-Institut führt die bundesweit hohen Fallzahlen in seinem täglichen Lagebericht neben Ansteckungen in privaten Haushalten zunehmend auch auf zahlreiche Häufungen in Kitas, Schulen und im beruflichen Umfeld zurück…“ HBS-Meldung vom 06.04.2021 zur Auswertung des WSI , siehe dazu auch:- Daten von Wirtschaftsverbänden: Wie Arbeitgeber bei Testzahlen tricksen
„Die Wirtschaft scheut eine Corona-Testpflicht – und weist in einem Schreiben an die Kanzlerin darauf hin, dass schon jetzt viel getestet werde. Doch die Zahlen sind schöngefärbt. Die Botschaft an Kanzlerin Angela Merkel ist klar: Die Deutsche Wirtschaft liegt bei Corona-Tests auf Kurs. Es seien bereits „64 Prozent der Betriebe, die Corona-Tests anbieten und insgesamt 87 Prozent, die dies in Kürze tun werden“, heißt es in einem Schreiben der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft BDA, BDI, DIHK und ZDH, das ZDFheute vorliegt. Der sogenannte „Sachstandsbericht“ wirkt auf den ersten Blick, als würde die Wirtschaft die bisher unverbindlichen Richtlinien von Bund und Ländern bereits zum großen Teil umsetzen. Im Beschlusspapier der Konferenz war als Ziel genannt worden, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern freiwillig mindestens einmal pro Woche einen Test anbieten sollen – bei entsprechender Verfügbarkeit zwei mal. Eine Analyse von ZDFheute zeigt jedoch: Die Zahlen, mit denen die Wirtschaftsverbände vollmundig für sich werben, sind teilweise schöngefärbt und irreführend. Die genannten 87 Prozent der Unternehmen, die angeblich bereits testen oder planen, dies „in Kürze“ zu tun, gehen zurück auf eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer Hannover von Ende März. Dort wurden über 1.000 Unternehmen unter anderem gefragt, ob sie allen Beschäftigten Corona-Tests anbieten werden, „sobald diese gut verfügbar sind“. 60 Prozent der Unternehmen antworteten mit „Ja“. Weitere 27 Prozent sagten „Vielleicht“ – doch dieser Anteil wurde einfach zu den 60 Prozent hinzugezählt. Tatsächlich hat also ein großer Teil der 87 Prozent der Unternehmen gar nicht angegeben, „in Kürze“ mit Tests anfangen zu wollen, sondern nur „vielleicht“ – und auch nur dann, wenn Tests „gut verfügbar“ sind. Auch die genannten 64 Prozent der Betriebe, die angeblich bereits Corona-Tests anbieten, entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Mogelpackung: Denn darunter sind 22 Prozent, die angeben, dass sie Corona-Tests „nur in Sonderfällen“ anbieten, weitere neun Prozent bieten Tests nur für einen Teil der Beschäftigen – lediglich ein Drittel der Unternehmen bietet tatsächlich bereits allen Mitarbeitern Tests an…“ Faktencheck von Oliver Klein vom 07.04.2021 beim ZDF
- Daten von Wirtschaftsverbänden: Wie Arbeitgeber bei Testzahlen tricksen
- Aufruf zum Coronastreik: Wir bauen uns einen Lockdown
„Wissenschaftler und Mediziner fordern schon lange einen schnellen, harten Lockdown gegen die steigenden Coronazahlen. Die Politik kriegt es offenbar nicht hin, warum machen wir es nicht einfach selbst? (…) Harter Lockdown würde bedeuten: alle bekannten Maßnahmen zur Reduktion der Kontakte im privaten Bereich – plus endlich und wirklich Kontaktreduktion im Bereich der Arbeit. Also: Streik, wo immer noch unnötige Kontakte sind. Großflächige Streiks im ganzen Land wären momentan in vielerlei Hinsicht das Richtige: aus Gründen der Kontaktreduktion, aus Gründen der Gerechtigkeit, aber natürlich auch als Botschaft an die jeweiligen Regierungen. Selbst die Ankündigung würde schon teilweise helfen, denn Streiken ist nicht Schwänzen, und bevor man streikt, muss man sich organisieren und verhandeln – wenn es legal sein soll und man den eigenen Job nicht riskieren will. Allein Verhandlungen über bessere Arbeitsbedingungen (bezüglich Gesundheit und Geld gleichermaßen) könnten schon erfolgreich sein, mit Glück. Es gibt natürlich auch nicht legale Streiks, davon mal abgesehen. Momentan riskieren immer noch sehr viele arbeitende Menschen ihre eigene und die Gesundheit ihrer Mitmenschen, um den Profit ihrer Arbeitgeber zu schützen, weil die Selbstverpflichtung bestimmter Teile der Wirtschaft offensichtlich nicht gut genug funktioniert. Was in Fabriken, auf Baustellen, bei Arbeitstreffen, in Schlachtanlagen, auf Werften, in Logistikzentren und Großraumbüros passiert, was in den öffentlichen Verkehrsmitteln passiert, die Menschen nun mal brauchen, kann nicht ausreichend kontrolliert werden, solange Arbeitgeber*innen und leitendes Personal nicht eindeutig zu Schutzmaßnahmen verpflichtet werden…“ Kolumne von Margarete Stokowski vom 30.03.2021 beim Spiegel online -siehe dazu:- Eine Pflegerin antwortet auf Margarete Stokowski: Wie bauen wir uns einen Lockdown?
„In ihrer Spiegel-Online-Kolumne fordert Margarete Stokowski einen Coronastreik, um einen harten Lockdown zu erzwingen. Lisa ist Intensivkrankenpflegerin und stimmt ihr zu – und sagt, was nötig ist, damit es dazu kommt. (…) Schon lange ist klar, dass viele der Ansteckungen bei der Arbeit passieren. Nicht einmal eine Testpflicht für Unternehmen gibt es. Die Einschränkungen haben viel zu lange nur die Freizeit betroffen. Auch das betrifft uns Arbeiter:innen im Gesundheitswesen: Ein Ende der Pandemie ist in weite Ferne gerückt und auch unser Privatleben soll auf unbestimmte Zeit eingeschränkt bleiben. Die Antwort ist also klar: konsequenter Wirtschaftslockdown. Arbeit, die nicht unbedingt notwendig ist, muss für ein paar Wochen ruhen. Und das kann nur mit Streiks durchgesetzt werden. Bei Spiegel Online hat jetzt auch Margarete Stokowski diese Forderung aufgestellt (…) Darin schreibt sie: „Die Selfcare-Tipps des vergangenen Jahres wirken nur noch zynisch. Wir haben jetzt alle lernen können, wie man Brot backt und Kerzen zieht und zu Hause trainiert, wir können auch noch lernen, wie man einen echten Lockdown selbst macht. Alle Räder stehen still, wenn dein ungeimpfter Arm es will.“ Das bringt es gut auf den Punkt. Warum sind wir dann aber noch nicht soweit? Was hält den „ungeimpften Arm“ noch zurück? (…) Stokowski schreibt, dass die gewerkschaftliche Organisation für einen Corona-Streik machbar wäre. Aber die Gewerkschaften sind eben nicht einheitlich. Es gibt eine große Basis von Mitgliedern, allein die IG Metall hat über zwei Millionen Mitglieder, die in den zentralen Bereichen der Wirtschaft die Produktion stoppen könnten. Doch die Gewerkschaften haben auch Apparate, eine Bürokratie. Und diese Bürokratie hat nicht dieselben Interessen wie wir an der Basis. Ihre Aufgabe und ihr Interesse ist, zwischen den Unternehmen und den Arbeiter:innen zu vermitteln. Dafür muss die Produktion laufen. Und sie läuft: Daimler hat beispielsweise 1,4 Milliarden Euro an Aktionär:innen ausgeschüttet. Und das, obwohl sie 700 Millionen Euro Kurzarbeitergeld kassiert haben. Zum Streik ruft die Bürokratie trotz alledem nur auf, wenn der Druck der Basis sie dazu zwingt. Die Gewerkschaftsführungen befinden sich immer noch in einer Art Burgfrieden mit der Regierung und den Unternehmen. Die Interessen des Kapitals will sie in der Krise nicht angreifen. Völlig zugrunde gehen würde das Kapital in zwei oder drei Wochen Streik nicht, wie Stokowski schreibt. Aber die Wirtschaft war noch nicht einmal bereit, eine ohnehin wirkungslose „Osterruhe“ hinzunehmen. Stokowski hat Recht: Wir müssen den Lockdown selbst machen. Doch dazu müssen wir uns nicht nur gegen die Regierung und die Unternehmer:innen durchsetzen, sondern auch gegen die Führungen unserer eigenen Organisationen. Dafür müssen wir anfangen, uns in den Betrieben, den Schulen und Universitäten in Hygienekommissionen zu organisieren, um Druck an der Basis aufzubauen…“ Beitrag von Lisa Sternberg am 1. April 2021 bei Klasse gegen Klasse (Lisa Sternberg ist Intensivkrankenpflegerin aus München, Aktivistin bei Brot und Rosen und akut) - wir erinnern an unser Dossier: [Kampagne] #ZeroCovid: Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown
- Eine Pflegerin antwortet auf Margarete Stokowski: Wie bauen wir uns einen Lockdown?
- [Online-Buch] Corona-Krise im Betrieb: Empirische Erfahrungen aus Industrie und Dienstleistungen
„Im Januar 2020 wurden beim Automobilzulieferer Webasto bei München die Tore geschlossen. Das Virus SARS-CoV-2 war auch in Deutschland angekommen. Ein Mitarbeiter hatte sich während eines Arbeitsmeetings bei einer Kollegin aus China infiziert. Was danach folgte, stellt alle bis dahin bekannten Krisenentwicklungen in den Schatten. Das schließlich als «Pandemie» eingestufte Infektionsgeschehen legte Teile der globalen Wirtschaft lahm. Der starke Sozial- und Steuerstaat wurde zum «Game changer». Mit öffentlichen Ausgabenprogrammen, die sich weltweit auf Billionen summieren, wird seitdem versucht, die Weltmärkte flott zu machen und soziale Reproduktionskreisläufe zu stabilisieren. Im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit stehen die Einschränkungen des privaten und gesellschaftlichen Lebens. Nicht zu Unrecht: Die privaten Haushalte haben sich als Infektionsherde par excellence erwiesen. Andere Orte kollektiven Lebens, darunter große Bereiche der Arbeitswelt, blieben hingegen weitgehend eine Terra incognita. Allenfalls in spektakulären Fällen wie in der Fleischindustrie konnten gesundheitsgefährdende und inhumane Arbeitsverhältnisse nicht mehr ignoriert werden. Um zu erfahren, wie die Pandemie in den arbeitsweltlichen Bezügen erlebt wird, haben die Autoren mit Betriebs-, Personalrät*innen und Gewerkschaftssekretär*innen ausführliche Interviews zu folgenden Fragen geführt: Beschäftigungssicherung: mit welchen sozialen Bruchkanten? Gesundheitsschutz: mit welcher Reichweite? Stecken im Applaus für die «Held*innen der Arbeit» neue Ansätze der Aufwertung von Arbeit, gerade auch in den prekären Bereichen? Homeoffice: Veränderungen in der Arbeitsorganisation von Dauer? Wie wurde in den Betrieben die «Stunde der Exekutive» erlebt: autoritär, kooperativ, konfliktuell? Die Auswertung der Befragung erlaubt Einblicke in ein noch längst nicht abgeschlossenes Prozessgeschehen, die mehr als temporäre Bedeutung haben.“ Info der RLS zum Buch vom März 2021 bei der RLS, herausgegeben von Richard Detje und Dieter Sauer unter Creative Commons Lizenz - Immer mehr Corona-Ausbrüche in den Betrieben
„Die „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“ vom 21. Januar enthält für den Infektionsschutz im Betrieb so gut wie keine verbindlichen Regelungen und keinerlei Sanktionen bei Verstößen. Mangels Kapazitäten finden auch kaum Kontrollen durch die Arbeitsschutzbehörden und Gesundheitsämter statt. Als Folge davon häufen sich fast täglich die Corona-Ausbrüche in immer mehr Betrieben und treiben die lokalen Sieben-Tage-Inzidenzen in die Höhe. In den überregionalen Medien erfährt man darüber jedoch höchst selten etwas. Hier eine – nur kleine – Auswahl von Hotspots aus den letzten vier Wochen…“ Beitrag vom 29.03.2021 bei Rote-Fahne-News - DGB und IG-Metall: Gewerkschaften befeuern Testpflicht-Debatte
„… In der Debatte um mehr Corona-Tests hat die Gewerkschaft IG-Metall an die Arbeitgeber appelliert. „Es ist die Verantwortung der Unternehmen, jetzt allen im Betrieb anwesenden Beschäftigten mindestens einmal wöchentlich einen kostenfreien Test anzubieten“, erklärte die Gewerkschaft. Der Gesundheitsschutz liege auch in der Verantwortung der Unternehmen. „Hierzu brauchen wir in der Wirtschaft eine Teststrategie“, so die Gewerkschaft. Tests wie Impfungen könnten die notwendigen Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus im Betrieb keinesfalls ersetzen, sondern lediglich ergänzen. Die IG Metall werde im Interesse der Gesundheit der Beschäftigten die praktische Umsetzung von Tests in Firmen unterstützen und dort, wo sie nicht oder nur zögerlich erfolgten, anmahnen. Die Beschäftigten sollten dieses Angebot annehmen, um die Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens zu unterstützen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert eine bundesweite Pflicht für Betriebe, ihren Mitarbeitern Corona-Tests anzubieten. (…) Testangebote müssten verpflichtend sein, die Kosten müssen die Arbeitgeber tragen, verlangte Hoffmann. Für die Beschäftigten sollten die Tests aber weiterhin freiwillig sein, betonte der DGB-Chef…“ ZDF-Meldung vom 30.03.2021 - Büros, Baustellen, Fabrikhallen: Schaut endlich in die toten Winkel der Coronapolitik!
„… Wäre die Pandemie in Deutschland nicht real und bitterernst, sondern nur ein Theaterstück, dann wäre die Bühne zweigeteilt. Die eine Hälfte ist in Licht getaucht, zahllose Augenpaare richten sich auf sie, jeder Fehltritt, jeder falsche Ton, jede technische Panne wird vom Publikum mit empörtem Raunen quittiert. Es ist jener Teil der Bühne, auf der die Coronamaßnahmen und die, die sie einhalten oder auch nicht, gut sichtbar sind: die Spielplätze, die Theken der Bäcker, die Kassen der Supermärkte, die Friseure hinter ihren Glasfassaden, die Schulhöfe, die Strand- und Uferpromenaden deutscher Städte. Dort prangen die Hinweisschilder. Dort patrouilliert die Polizei. Dort drohen Bußgelder. Die andere Hälfte der Bühne ist kaum ausgeleuchtet. Sehr wenige Menschen bekommen mit, was dort passiert, obwohl dort viel passiert. Doch kaum jemand im Publikum raunt auch nur. Es wird kaum wahrgenommen, das Treiben in den Büros, in den Produktionshallen, auf den Baustellen und in den Werkstätten deutscher Unternehmen. Dabei wird die Frage, wo sich das Virus Sars-CoV-2 verbreitet und ob wir es eindämmen können, auch dort entschieden. (…) Da hätte die Bund-Länder-Runde nun endlich nachbessern können. Stattdessen beschloss sie in der Nacht zum Dienstag keine verschärften Regeln für Unternehmen. Die angedachte Maskenpflicht für die, die sich aus beruflichen Gründen mit anderen Personen in einem Raum aufhalten, findet sich nicht mehr im finalen Beschluss. Auch zu einer Schnelltestpflicht konnte man sich nicht durchringen, es bleibt beim schwachen Appell zur Selbstverpflichtung. (…) Wirksame Kontrollen und Sanktionen für die, die es am Arbeitsplatz mit dem Infektionsschutz nicht so ernst nehmen, soll es weiterhin nicht geben. Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice und eine Pflicht dazu, deren Ausnahmen gut begründet sein müssten, werden vorerst wohl ebenso wenig kommen. (…) Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten überbieten sich also auf der Bühne der Pandemiebekämpfung, auf die unser aller Blicke täglich gerichtet sind, wieder mit Vorgaben. Die andere Bühne bleibt weiterhin im Schummerlicht. Das ist ungerecht, nicht plausibel und schwer auszuhalten, weil es das Elend für alle in die Länge zieht.“ Kommentar von Heike Klovert 23. März 2021 beim Spiegel online [Nachtrag: Selbst bei dieser halbgaren Ruhepause zu Ostern, setzten sich die Großunternehmer durch. Am Mittwoch übte Frau Merkel Selbstkritik und strich die Ruhepause, damit die Arbeitgeber nicht etwa auch mal einen Beitrag zum Gesundheitsschutz leisten müssen – siehe daher unser Dossier zur [Kampagne] #ZeroCovid: Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown] - Arbeit und Krankheit: Warum meldet kaum jemand das Virus?
„Im Bürgeramt Pankow haben sich in den vergangenen zwölf Monaten 44 der rund 2300 Mitarbeiter:innen mit dem Coronavirus infiziert, berichtete im Februar der Pankow-Newsletter des Tagesspiegel. (…) Trotzdem hat die Behörde keine einzige Verdachtsanzeige an die zuständige Unfallkasse gestellt, schreibt Kühne auf Nachfrage. Bezirksstadtrat Kühne ist damit möglicherweise seiner Pflicht als Vorgesetzter nicht nachgekommen. (…) In Deutschland ist das seit Jahren ein Problem: Berufskrankheiten werden zu selten gemeldet – und wenn sie gemeldet werden, scheitern Arbeiter:innen häufig an den sehr hohen Hürden, die für die Entschädigung aufgebaut wurden. Arbeitgeber:innen haben ein Interesse, dass möglichst wenige Leute entschädigt werden, da sie 100 Prozent der Beiträge zur Unfallversicherung zahlen. Fallen die kranken Bürokaufmänner, Mechatronikerinnen und Gärtner dagegen in die Kranken-, Pflege- oder Rentenkasse, tragen Arbeitnehmer:innen 50 Prozent der Kosten. Das Coronavirus wirft ein Schlaglicht auf dieses Problem. Lange Zeit sollte eine Infektion mit dem Coronavirus nur für Pflegekräfte und medizinisches Personal als Berufskrankheit gelten. Seit Dezember fallen nun auch Kita-Erzieher:innen in diese Kategorie. (…) Alle anderen können eine mögliche Coronavirus-Infektion auf der Arbeit lediglich als Arbeitsunfall melden. Hier sind die Hürden für eine Anerkennung noch höher, auch weil Betroffene hier konkret belegen müssen, wer sie angesteckt hat. Deshalb sind die anerkannten Verdachtsanzeigen bei Arbeitsunfällen besonders niedrig. Das zeigen Zahlen, welche die Bundestagsabgeordnete Jutta Krellmann (Linksfraktion) vor einigen Wochen angefragt hatte. Im Bauwesen wurde beispielsweise von 33 Anzeigen noch keine einzige anerkannt. Im Handel, wo ja meist doch viel Kundenkontakt herrscht, wurden von 334 Anzeigen lediglich zwei anerkannt. Und auch in der Fleischindustrie ist die Quote relativ niedrig. Hier haben sich im vergangenen Jahr mehr als 4000 Menschen mit dem Coronavirus angesteckt. Bis heute sind aber nur etwa 600 dieser Infektionen als Arbeitsunfall anerkannt worden, berichtete zuletzt die Neue Osnabrücker Zeitung…“ Beitrag von Daniel Drepper vom 19. März 2021 auf seiner Homepage - [ver.di] Lockdown-Beschlüsse: Beschäftigte bleiben außen vor
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kritisieren an den neuerlichen Beschlüssen zu einer Verlängerung und zeitweiligen Verschärfung des Corona-Lockdowns über Ostern, dass die Beschäftigten in den Dienstleistungsberufen abermals im Stich gelassen werden. Das Gastgewerbe, die Kultur- und Veranstaltungsbranche bleiben auf Wochen geschlossen, Einzelhandel und Dienstleistungsbereiche könnten weiterhin bestenfalls nur sehr eingeschränkt öffnen. „Für die Menschen, die in diesen besonders von der Corona-Pandemie betroffenen Branchen arbeiten, verschärft sich damit die ohnehin desaströse wirtschaftliche Situation weiter“, betonte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler. Die wirtschaftlichen Einbußen hätten für viele Menschen mittlerweile existenzielle Ausmaße erreicht. „Wir fordern deshalb für die hunderttausenden von Betroffenen endlich finanzielle Hilfe in Form eines branchenunabhängigen Mindestkurzarbeitergelds in Höhe von 1.200 Euro“, erklärte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. NGG und ver.di setzen sich in einer gemeinsamen Kampagne für die Einführung eines Mindestkurzarbeitergelds ein. Als „absolut unverständlich“ und „geradezu fahrlässig“ kritisierte ver.di-Chef Werneke, dass darauf verzichtet worden sei, Arbeitgeber zu regelmäßigen Tests ihrer Beschäftigten zu verpflichten. „Mit einer lauen Selbstverpflichtungserklärung der Wirtschaftsverbände lässt sich keine Pandemie bekämpfen. Leider wagt es die Bundesregierung offenbar nicht, die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen. Die Leidtragenden sind die Beschäftigten, die vermeidbaren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt werden“, sagte Werneke.“ ver.di-Pressemitteilung vom 23.03.2021 , siehe zuvor:- Pandemie: Arbeitgeber müssen endlich mehr Tests anbieten
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert die Arbeitgeber auf, anstelle immer neuer Öffnungsforderungen endlich mehr Tests zur Verfügung zu stellen: „Angesichts steigender Infektionszahlen und der wieder kritischer werdenden Situation auf den Intensivstationen sind die Forderungen der BDA und anderer Wirtschaftsverbände nach weiteren Öffnungsschritten unverantwortlich. In Regionen mit hohen Inzidenzen muss die Notbremse gezogen werden. Umsatzausfälle können ersetzt werden – Menschenleben nicht“, betonte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke am Sonntag. Er reagierte damit auf entsprechende Forderungen von Arbeitgeberfunktionären im Vorfeld des Treffens zwischen den Ministerpräsident*innen der Länder und der Bundeskanzlerin am Montag (22. März 2021). „Die Selbstverpflichtungserklärung der Arbeitgeberverbände zum Anbieten von mindestens einem Corona-Test je Woche für die eigene Belegschaft funktioniert in der Praxis ganz offensichtlich nicht. Derzeit kommen drei von vier Arbeitgebern dem nicht nach. Auf Selbstverpflichtungserklärungen der Arbeitgeberverbände ist kein Verlass, es bedarf daher verbindlicher Vorgaben seitens der Bundesregierung, um die Infektionsrisiken am Arbeitsplatz zu begrenzen“, forderte Werneke weiter. „Positiv zu bewerten sind die Pläne, parallel zu den Hausärzten auch die Betriebsärzte in die Corona-Impfkampagne einzubeziehen. Diese Impfkapazitäten sollten dann auch den Angehörigen von Beschäftigten und weiteren Bevölkerungsgruppen offenstehen“, so Werneke weiter.“ ver.di-Pressemitteilung vom 21.03.2021
- Pandemie: Arbeitgeber müssen endlich mehr Tests anbieten
- ver.di fordert unverzügliche Verbesserungen der Schutzmaßnahmen für Beschäftigte in der Sozialen Arbeit
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) betrachtet das verstärkte Infektionsgeschehen in Kindertageseinrichtungen und Schulen mit großer Sorge. „Die Einrichtungen fast uneingeschränkt zu öffnen, ohne dies mit ausreichend Impfungen und Testungen zu flankieren, ist fahrlässig“, kritisiert die stellvertretende ver.di Vorsitzende Christine Behle. „Hier wird die Gesundheit der Kinder, Eltern und der Beschäftigten aufs Spiel gesetzt.“ Behle verwies in diesem Zusammenhang auf eine Studie der Hochschule Fulda. Darin haben fast 30 Prozent der befragten Beschäftigten aus dem Bereich der Sozialen Arbeit angegeben, über einen Stellenwechsel nachzudenken. Rund 16 Prozent planen danach sogar, aus dem Beruf auszusteigen. „Mich wundert das nicht“, so die ver.di-Vize, „die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit werden von ihren Arbeitgebern und der Politik allein gelassen.“ Aktuelle Daten der Krankenkassen bestätigen, dass sich Beschäftigte dieser Berufsgruppen häufiger infizieren als andere Beschäftigte. Behle forderte die Träger der Einrichtungen auf, in dieser Situation endlich gegenzusteuern und verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen, ansonsten drohe eine weitere Verschärfung des bereits bestehenden akuten Fachkräftemangels in den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung und in der gesamten Sozialen Arbeit. Eine Verbesserung könne nur erreicht werden, indem die allgemeingültigen Arbeitsschutzverordnungen endlich eingehalten würden. In Kitas, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen müssten, solange es keinen ausreichenden Impfschutz gibt, Kontakte durch kleine kontinuierliche Gruppen begrenzt und der Abstand zwischen den Erwachsenen eingehalten werden. Außerdem müssten weitere Schutzmaßnahmen getroffen werden. ver.di erwartet, dass die Bundesregierung dafür sorgt, dass Covid-19 durch die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen als Berufskrankheit für alle Beschäftigten, die im direkten Kontakt zu Menschen stehen und wo kein Abstand eingehalten werden kann, anerkannt wird.“ ver.di-Pressemitteilung vom 19.03.2021 – siehe zur Frage der Berufskrankheit unser Dossier: COVID-19 als Arbeitsunfall und Berufskrankheit - [Arbeitsplatz an zweiter Stelle bei Corona-Ausbrüchen] Maschinen laufen, Regierung erfüllt Auftrag
„Die Zahl geleisteter Arbeitsstunden ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 Prozent auf 59,64 Milliarden geschrumpft – meldet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Der Einbruch des Arbeitsvolumens 2020 übersteigt alles bisher Dagewesene“, kommentiert das IAB. 2019 war mit 62,7 Milliarden Stunden ein Rekordhoch an Arbeitszeit erreicht. Erstaunlich sind die Zahlen aus einen anderen Grund: Fast fünf Monate verhängten Bundes-und Länderregierungen in 2020 einen „Lockdown“ – und die Arbeitszeiten in den Betrieben sanken nur um 4,7%. „Lockdown“, der englische Begriff für „Ausgangssperre“, scheint für die Bundesregierung zu bedeuten: Produktion am Laufen halten, Verwertung der Arbeitskraft steht über allem. Vordergründig spricht die Bundesregierung von „Gesundheit geht vor ökonomischen Fragen“, so im März letzten Jahres. Das Handeln sieht anders aus. Nicht nur in Rüstungsbetrieben wird durchgängig in drei Schichten gearbeitet. (…) Die Bundesregierung bleibt ihrer Linie treu. Im Infektionsschutz-Gesetz, dem „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ gibt es keine Regelungen zu Unternehmen, die Belegschaften in den Betrieben bleiben unerwähnt. Die Vorgabe an die Regierenden formuliert BDA-Chef Rainer Dulger unmissverständlich: „Sie können doch nicht alle Betriebe schließen“. Die Situation in den Betrieben erfordert aus Sicht der Beschäftigten dagegen ein entschlossenes Handeln: Seit Jahresbeginn würden „Ausbrüche am Arbeitsplatz in der Tendenz zunehmen“, schreibt das Robert-Koch-Institut und bezieht sich dabei auf Angaben der Gesundheitsämter. Der Arbeitsplatz steht aktuell nach den Privathaushalten an zweiter Stelle bei den Orten mit den häufigsten Ausbrüchen. „Da wird von den Konzernen und den Verbänden über tolle Hygienekonzepte gesprochen, in der Praxis sieht es aber vielfach mies aus. Zum einen werden die Kontrollen nicht nachgehalten. Zum anderen müssen die Betriebsräte teilweise in Einigungsstellen gegen ihren Arbeitgeber vernünftige Hygienekonzepte erkämpfen. So kann das nicht weitergehen“, kritisiert der Verdi-Vorsitzende Werneke – und zieht aber keine Konsequenzen. Im März letzten Jahres streikten in Norditalien Arbeiter für Betriebsschließungen als Corona-Schutzmaßnahme. Für deutsche Gewerkschaften ist dies undenkbar, der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann macht klar: „Um die ohnehin angespannte Wirtschaft nicht weiter zu belasten und die Beschäftigung der Menschen zu sichern, sollten Betriebe unter Wahrung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes geöffnet bleiben“…“ Artikel von Marcus Schwarzbach vom 11. März 2021 beim gewerkschaftsforum.de - Gemeinsame Aktion der Sozialpartner der Bauwirtschaft: Corona-Testung in den Infektionsschutz einbeziehen
„Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) haben sich heute auf eine gemeinsame Aktion zur Stärkung des Infektionsschutzes durch betriebliche Corona-Tests geeinigt. Dabei aktiv unterstützen wird die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) – mit Beratung, einem umfassenden Informationsangebot sowie der Begleitung durch ihren Arbeitsmedizinischen Dienst (AMD)…“ Pressemitteilung der IG BAU vom 12.03.2021 - [Am Beispiell Flensburg] COVID-19: Prekär Beschäftigte weiterhin mit hoher Ansteckungsgefahr – Jeder Vierte steckt sich auf der Arbeit an
„Prekär Beschäftigte tragen auch ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie ein hohes Risiko zu erkranken. Dies ergab eine Auswertung von uns. Auch auf normalen Arbeitsplätzen ist das Risiko hoch. Jeder Vierte steckte sich in Flensburg auf der Arbeit an. Im letzten Monat (29. Jan.-28. Feb. 2021) erkrankten insgesamt 609 Menschen in der Stadt Flensburg an COVID-19. Davon waren 79 (13%) prekär Beschäftigte, die sich im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit ansteckten. An manchen Tagen trugen prekär Beschäftigte zu über 35% an allen COVID-19 Fällen in Flensburg bei. Auch auf normalen Arbeitsplätzen steckten sich viele an. Hier waren es 76 (12%) von insgesamt 609 Ansteckungsfällen. Somit infizierte sich jeder Vierte (25%) in Flensburg auf der Arbeit. Der Spitzenwert lag an einem Tag bei 75%. An 14 von 31 Tagen lag der Wert bei 25% oder höher, an 4 von 31 Tagen lag der Wert bei über 50%…“ Auswertung vom 9. März 2021 von und bei Faire-Arbeit e.V. – Interessenvertretung für prekär und atypisch beschäftigte Menschen - Arbeitgeber sollen Kosten übernehmen. Corona-Tests im Betrieb: Arbeitnehmer brauchen Sicherheit
„Der DGB begrüßt die Bereitschaft der Arbeitgeber, eine Ausweitung des Testangebots zu unterstützen. Den Beschäftigten, die in Präsenz arbeiten, müssen kostenlose Tests angeboten werden. Die Kosten für die Tests müssen vom Arbeitgeber getragen werden. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft (BDA, BDI, ZDH und DIHK) haben an die Unternehmen in Deutschland appelliert, den Beschäftigten Selbsttests – und es wo möglich ist – auch Schnelltests anzubieten, um Infektionen frühzeitig zu erkennen. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann begrüßt die „Bereitschaft der Arbeitgeber, die Bekämpfung der Pandemie durch eine Ausweitung des Testangebots zu unterstützen. Allerdings darf es nicht bei Appellen bleiben: Arbeitnehmer brauchen Sicherheit. Das geht aber nur, wenn die Arbeitgeber den Gesundheitsschutz Ihrer Beschäftigten ernst nehmen.“ Beschäftigten, die in Präsenz arbeiten, müssen kostenlose Tests angeboten werden. Die Kosten für die Tests müssen vom Arbeitgeber getragen werden. Wer weitere Öffnungen fordert, muss auch für die größtmögliche Sicherheit seiner Beschäftigten sorgen…“ DGB-Meldung vom 09.03.2021 - Bei Corona-Infektion: LeiharbeiterInnen müssen dreimal häufiger in einer Klinik behandelt werden
„Warum haben LeiharbeiterInnen ein deutlich höheres Risiko an Corona zu erkranken und erleiden häufiger einen schweren Verlauf? (…) Bei einer Analyse auf Basis von Routinedaten der BARMER Krankenkasse für alle erwerbstätigen Stammversicherten im Alter von 15 bis 65 Jahre wurden für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Mai 2020 alters- und geschlechtsspezifische Inzidenzraten für Covid-19 berechnet. Was nachgewiesen wurde: „Das höchste (Infektions-)Risiko wurde unter den Beschäftigten in Leiharbeit im industriellen Bereich sowie in der Post- und Logistikbranche beobachtet.“ Die teils schweren Corona-Ausbrüche in den letzten Monaten in Betrieben der industriellen Fleischverarbeitung aber auch in großen Lager- und Verteilzentren der Logistikbranche bestätigen dieses Bild. Mehrere Gründe für Corona-Infektionen bei LeiharbeiterInnen könnten dahinter stehen: Anders als bei Normalarbeitsverhältnissen teilen sich in der Leiharbeit Verleiher und Entleiher die Zuständigkeit für den Arbeits- und Gesundheitsschutz der LeiharbeitnehmerInnen. Sie müssen zusammenarbeiten, sich wechselseitig informieren und Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren abstimmen. Diese Formen der Kooperation werden nicht überall ausreichend praktiziert. Beispielsweise zeigt sich aus früheren Erhebungen, dass trotz des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Leiharbeitsbeschäftigten signifikant seltener Gefährdungsbeurteilungen der Arbeitsplätze durchgeführt werden als bei Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis. Auch ist aus früheren Studien bekannt, dass LeiharbeitnehmerInnen deutlich häufiger als andere Beschäftigte unter Bedingungen von Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit oder Zugluft arbeiten. Ohne geeignete Schutzmaßnahmen können diese Bedingungen eine stärkere Verbreitung des Virus begünstigen. Gleichzeitig haben LeiharbeitnehmerInnen einen geringen Einfluss auf die Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit: Während nur 41 Prozent der Leiharbeitsbeschäftigten angeben, ihre eigene Arbeit häufig selbst planen und einteilen zu können, sind es bei regulär Beschäftigten 73 Prozent. Dies trifft auch auf die Gestaltung von Pausenzeiten zu, was vor dem Hintergrund des pandemiebedingten Abstandsgebotes in Pausenräumen, Kantinen, Umkleide- und Waschräumen besonders problematisch ist. In der aktuellen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel werden Arbeitgeber zur Verringerung wechselnder innerbetrieblichen Kontakte angehalten. Dem steht die für die Leiharbeit typische hohe Fluktuation grundsätzlich entgegen. Ein höheres Infektionsrisiko wird dadurch begünstigt. Mit knapp 40 Prozent hat ein überdurchschnittlich großer Anteil der LeiharbeitnehmerInnen einen ausländischen Pass. Darunter fallen sowohl viele Geflüchtete als auch mobile Beschäftigte aus anderen Ländern der EU, die in Deutschland auf eine Unterbringung in Wohnheimen bzw. Gemeinschaftsunterkünften angewiesen sind. Wie erst jüngst die Situation in der Fleischindustrie gezeigt hat, tragen eine enge Belegung dieser Unterkünfte und oftmals mangelnde Hygienestandards auch zu einem höheren Infektionsrisiko bei…“ DGB-Themenbeitrag vom 5. März 2021 - Nicht nur in Schlachthof und Klinik: Wo stecken sich Menschen mit dem Coronavirus an? Der Arbeitsplatz hat an Bedeutung gewonnen. Auch die Zahl der Beschäftigten mit anerkannter Berufskrankheit ist nach oben geschossen
„… Wenn der Verdacht besteht, dass Beschäftigte wegen ihrer Berufstätigkeit erkrankt sind – etwa wegen Chemikalien, mit denen sie arbeiten -, muss dies der Unfallversicherung gemeldet werden. Im vergangenen Jahr gab es insgesamt knapp 106 000 sogenannte Verdachtsanzeigen, das waren 32 Prozent mehr als im Vorjahr. Das berichtete der Spitzenverband der Gesetzlichen Unfallversicherung am Mittwoch. Der starke Anstieg ist ausschließlich auf Erkrankungen durch das Coronavirus zurückzuführen. So gab es 30 329 Verdachtsanzeigen auf eine Berufskrankheit durch Covid-19. Zu den Betroffenen gehören insbesondere Beschäftige in Klinken und der Pflege, aber auch in Beratungsstellen, Arztpraxen und Kitas. (…) Damit eine Krankheit tatsächlich als berufsbedingt gilt, müssen restriktive Bedingungen erfüllt sein: Die Beschwerden müssen wesentlich durch die Arbeit verursacht sein und die Menschen müssen ein erheblich größeres Risiko haben als andere. Insgesamt hat die gesetzliche Unfallversicherung im vorigen Jahr rund 38 000 Fälle als Berufskrankheit anerkannt – das sind über 100 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch dieser Anstieg ist im Wesentlichen durch die Pandemie verursacht: Rund 18 000 Menschen wurde bescheinigt, dass ihre Covid-19-Erkrankung berufsbedingt ist. Dabei gilt derzeit, von Einzelfällen abgesehen: Lediglich bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in Laboren werden Covid-19-Leiden als arbeitsbedingt akzeptiert. Denn nur ihnen wird pauschal zugebilligt, dass sie ein erheblich höheres Infektionsrisiko haben als die übrige Bevölkerung. Die Daten geben einen Eindruck, wie stark durch die Pandemie für viele Beschäftigte das Risiko gestiegen ist, im Job zu erkranken. Erhebungen des Robert-Koch-Instituts deuten zudem darauf hin, dass der Arbeitsplatz als Ansteckungsort auch jenseits von Klinken und Altersheimen an Bedeutung gewonnen hat. Seit Jahresbeginn würden »Ausbrüche am Arbeitsplatz in der Tendenz zunehmen«, schreibt das RKI und bezieht sich dabei auf Angaben der Gesundheitsämter. (…) Bei sehr vielen Covid-19-Fällen sind die Ämter zum Schluss gekommen, dass sich die Menschen in Privathaushalten angesteckt haben. Das war in den vergangenen Wochen ähnlich. Infektionsketten innerhalb einer Familie oder Wohngemeinschaft sind leichter zu ermitteln als beispielsweise in der U-Bahn, so das RKI. Darum sind Ansteckungen in der Wohnung wohl besser erfasst als andere. Der Arbeitsplatz steht aktuell nach den Privathaushalten an zweiter Stelle bei den Orten mit den häufigsten Ausbrüchen. Die Gesundheitsämter fanden bei rund 1700 Infektionen heraus, dass sie wahrscheinlich während der Erwerbstätigkeit stattgefunden haben. Dabei sind Risikojobs in Betrieben wie Kliniken, Altersheimen, Kitas und Arztpraxen gar nicht enthalten, diese werden gesondert ausgewiesen. (…) Einen der jüngsten Ausbrüche in einem Betrieb gab es im Miele-Werk in Euskirchen. Dort wurden 18 Beschäftigte positiv getestet, teilte das Unternehmen Ende Februar mit, zehn Personen hätten sich mit der britischen Variante infiziert – trotz eines »umfassenden Schutzkonzepts«. (…) Der Fall verdeutlicht, was im Grunde logisch ist: Wenn man die Infektionszahlen senken will, ist es sinnvoll, nicht nur im Privaten, sondern auch bei der Erwerbsarbeit Kontakte zu vermeiden…“ Beitrag von Eva Roth vom 5. März 2021 bei neues Deutschland online - ver.di vor dem Corona-Gipfel: Bund und Länder müssen endlich gemeinsame und tragfähige Strategie vorlegen – Covid-19 als Berufskrankheit anerkennen
„Vor der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) angemahnt, im Zusammenhang mit bereits erfolgten oder bevorstehenden Öffnungen endlich eine konsistente Strategie zum Schutz der Beschäftigten vorzulegen. Dies betreffe etwa Erzieherinnen und Erzieher ebenso wie die Beschäftigten im Einzelhandel, um nur einige Beispiele zu nennen. „Gut ist, dass Beschäftigte in Kitas und Schulen nun früher geimpft werden sollen. Jetzt müssen die Länder aber Tempo machen, damit die Einrichtungen den Kindern wieder ohne unvertretbare Risiken offenstehen können“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke am Montag. Leider existiere immer noch keine abgestimmte Strategie, die Kinder, Eltern und nichtgeimpfte Beschäftigten schütze: „Hier erwarten wir endlich Ergebnisse.“ ver.di fordert zudem, dass sich die Bundesregierung bei den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen dafür einsetzt, dass Covid-19 für alle Beschäftigten aus Arbeitsbereichen, die in direktem Kontakt zu Menschen ohne gleichzeitige Abstandsmöglichkeit stehen, als Berufskrankheit anerkannt wird. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich während der Arbeit infizieren und zum Teil lange an den Folgen leiden, müssen abgesichert werden“, betonte Werneke. (…) Die Situation im Handel steht für ver.di besonders im Fokus. „Da wird von den Konzernen und den Verbänden über tolle Hygienekonzepte gesprochen, in der Praxis sieht es aber vielfach mies aus. Zum einen werden die Kontrollen nicht nachgehalten. Zum anderen müssen die Betriebsräte teilweise in Einigungsstellen gegen ihren Arbeitgeber vernünftige Hygienekonzepte erkämpfen. So kann das nicht weitergehen“, kritisierte Werneke. Notwendig sei ein einheitlicher Richtwert von einem Kunden pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche, wirksame Zugangskontrollen und tragfähige Hygienekonzepten mit zusätzlichem Personal, das die Einhaltung überwacht.“ ver.di-Pressemitteilung vom 1. März 2021 - Corona: Menschenopfer zur Rettung der Industrie?
„… Die Anzeichen für den Beginn einer Dritten Welle häufen sich, in Flensburg arbeiten die Krankenhäuser schon jetzt am Limit, doch viele Medien und Politiker machen Stimmung für Öffnungen. Sie geben damit offenbar dem Druck aus der Wirtschaft nach. Deren Haltung brachte kürzlich der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, auf den Punkt . Er wirbt dafür, ein bestimmtes Maß an Sterblichkeit hinzunehmen und verweist einmal mehr auf Grippewellen und Straßenverkehr: „Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass sie (die Industrie) nicht zu sehr leidet, da sie die Wirtschaft bis jetzt durch die Krise trägt.“ Was er allerdings vergisst er zu erwähnen, ist, dass es nicht um seine Sterblichkeit geht, sondern um die von Erntehelfern , Arbeiterinnen und Arbeiter in Schlachthöfen , Logistikzentren und Eisfabriken , Erzieherinnen und Erzieher , Gesundheitsabeiterinnen und -arbeiter , die alle überdurchschnittlich oft von Infektionen betroffen sind. Eine britische Studie hat Ende letzten Jahres gezeigt, dass Angehörige sogenannter essenzieller Berufe (Krankenhäuser, Logistik, Pflege, Erziehung, Lebensmittelproduktion etc.) ein siebenfach erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben und dass in dien Berufen Frau und Farbige überrepräsentiert sind. Wie im Straßenverkehr nicht die wohlhabenden SUV-Fahrer in ihren Panzern sondern Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer die Gefährdet sind, so will Michel Hüther also einen Teil der Menschen, die die Gesellschaft am Laufen halten für die Rettung der Konzerne und Deutschlands Exportwirtschaft opfern. Menschenopfer für den Götzen Profit sozusagen.“ Artikel von Wolfgang Pomrehn vom 22. Februar 2021 bei Telepolis - Arbeitsschutz im Betrieb: Schutzmaßnahmen durchsetzen – demokratische Rechte verteidigen
„Im Anschluss an das Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder hat SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil eine „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“ erlassen, die vom 27. Januar bis 15. März verbindlich ist. (…) Die Verordnung ist allerdings an den meisten Stellen so unverbindlich formuliert, dass den Betrieben sehr viel Spielraum bei der Umsetzung bleibt. Das kritisiert auch der DGB: „Leider sind die Vorgaben der allgemein gehaltenen Verordnung für die betrieblichen Arbeitsschutzakteure und die Interessenvertretungen in Betrieben und Dienststellen schwer zu handhaben.“ So heißt es z. B. Im Paragraf 2,2 und 2,3 der Verordnung: „Der Arbeitgeber hat alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte … auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren.“ (…) Wer in der Fußgängerzone keine Maske trägt, riskiert ein Bußgeld in dreistelliger Höhe. Ein Konzern darf seine Beschäftigten auf engem Raum zusammenarbeiten lassen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. In den Betrieben sind deshalb die Kolleginnen und Kollegen gezwungen, selbst dafür sorgen, dass notwendige Gesundheitsschutzmaßnahmen eingeführt und eingehalten werden. Jetzt aber geht es angesichts der Gefahr einer drohenden dritten Welle durch aggressive Corona-Mutationen darum, einen sofortigen, konzentrierten, Lockdown auch der Betriebe bei voller Lohnfortzahlung durchzukämpfen! (…) Gerade jetzt, wo in vielen Betrieben die Vorstände versuchen, die Arbeitshetze zu verschärfen, Arbeitsplätze zu vernichten, soziale Standards infrage zu stellen, konsequente Schutzmaßnahmen gegen Corona zu verweigern, sind Präsenz-Betriebsversammlungen mit entsprechenden Hygienekonzepten zur Aussprache und Beratung notwendig!“ Beitrag von gp vom 22. Februar 2021 bei den Rote Fahne News - Barmer-Auswertung: Pflegekräfte erkranken besonders häufig an COVID-19 / Corona grassiert vor allem in Sozialberufen
„In keiner anderen Berufsgruppe erkranken so viele Beschäftigte an COVID-19 wie in der Altenpflege. Dies hat die Barmer auf Basis von Versichertendaten ermittelt. Im Vergleich von 20 Branchen waren in der Altenpflege 7,6 Beschäftigte je 1000 Barmer-versicherten Erwerbstätigen im vierten Quartal 2020 wegen einer COVID-19-Infektion krankgeschrieben. Nur wenig geringer fällt die Erkrankungsrate bei Beschäftigten in Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshilfe sowie Erwerbstätigen in Erziehung und Sozialarbeit aus: Dort sind es jeweils 7,3 Erkrankte je 1000 Beschäftigte. (…) Deutlich seltener erkranken Beschäftigte in Arztpraxen (5,5 je 1000 Barmer-versicherten Beschäftigte). Allerdings ist dies immer noch eine hohe Rate im Vergleich zu Branchen, in denen der direkte Kontakt mit anderen Personen nicht zwingend ist. Beispiel Werbung und Marketing: Hier gab es nur 2,5 Betroffene je 1000 Beschäftigte (siehe nachfolgende Grafik). Allerdings variiert die Krankheitsdauer bei den Betroffenen stark: Bus- oder Straßenbahnfahrer waren im Schnitt 17,8 Tage arbeitsunfähig. Beschäftigte in Gesundheits- und Krankenpflege oder im Rettungsdienst blieben 15 Tage lang krank geschrieben. Am geringsten fiel die Fehlzeit mit 12,1 Tagen in Arztpraxen aus (siehe Grafik). Tendenziell seien Beschäftigte in den Branchen länger krankgeschrieben, in denen Homeoffice kaum oder gar nicht möglich ist, so die Barmer…“ Meldung vom 17.02.2021 in der Ärzte Zeitung online , siehe dazu:- In der Barmer-Pressemitteilung vom 15.2.21 „Barmer-Branchenauswertung – Corona grassiert vor allem in Sozialberufen“ heißt es zudem: „… So waren im vierten Quartal vergangenen Jahres 7,6 je 1.000 Barmer-versicherten Erwerbstätigen in der Altenpflege wegen einer Covid-19-Infektion krankgeschrieben. Nur knapp dahinter folgen Beschäftigte in Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshilfe sowie Erwerbstätige in Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege mit jeweils 7,3 je 1.000 Betroffenen. „Corona grassiert vor allem in Sozialberufen. (…) Deutlich geringer seien die Covid-19-Fallzahlen dagegen in den Branchen, in denen der direkte Kontakt mit anderen Personen nicht immer zwingend erforderlich sei. Hier reichten die Zahlen der wegen Covid-19 krankgeschriebenen Barmer-Versicherten von jeweils 4,0 je 1.000 Betroffenen in den Branchen Metallverarbeitung und Verwaltung bis hin zu 2,5 je 1.000 Krankgeschriebenen aus dem Bereich Werbung und Marketing. „Die Covid-19-Fälle sind in den Berufsbranchen geringer, in denen sich die Abstands- und Hygieneregeln tendenziell leichter einhalten lassen oder verstärkt Homeoffice möglich ist. Diese Maßnahmen sollten auch weiterhin bestmöglich umgesetzt werden“, so Straub…“
- Riskante Berufe in Corona-Zeiten. Erneut belegen Daten von Krankenkassen eine erhebliche Ungleichverteilung der Erkrankungshäufigkeit zuungunsten der Erziehungs- und Gesundheitsberufe
„»Beschäftigte in Gesundheitsberufen waren von März bis Mai 2020 am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten der AOK-Mitglieder durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) zeigt, dass in diesem Zeitraum 1.283 je 100.000 Beschäftigte in der Altenpflege im Zusammenhang mit Covid-19 an ihrem Arbeitsplatz gefehlt haben. Damit liegt die Betroffenheit dieser Pflegekräfte mehr als das 2,5-fache über dem Durchschnittswert von 474 Betroffenen je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte. Gleichzeitig gab es bei Beschäftigten in der Altenpflege auch häufiger Krankenhausbehandlungen im Zusammenhang mit Covid-19: Je 100.000 Beschäftigte wurden 157 Personen mit dieser Diagnose in einer Klinik behandelt – der Vergleichswert aller AOK-Mitglieder liegt bei 91 je 100.000 Beschäftigen.« Das wurde hier am 9. Juli 2020 in dem Beitrag Corona-Ungleichheiten: Riskante Gesundheitsberufe, relative Sicherheit im Homeoffice. Krankschreibungen und Krankenhaus-Aufenthalte von Beschäftigten im Kontext von Covid-19 berichtet. Die Daten bezogen sich auf die erste Corona-Welle. Auf der Grundlage von AOK-Versichertendaten wurde dann einige Monate später eine Folge-Auswertung präsentiert, deren Ergebnisse in dem Beitrag Erziehungs- und Gesundheitsberufe ganz oben im Ranking. Bei den Krankschreibungen wegen Covid-19 vom 21. Dezember 2021 aufbereitet wurden. »Berufe in der Betreuung und Erziehung von Kindern waren von März bis Oktober 2020 am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten der AOK-Mitglieder durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) zeigt, dass in diesem Zeitraum 2.672 je 100.000 Beschäftigte in dieser Berufsgruppe krankheitsbedingt im Zusammenhang mit Covid-19 an ihrem Arbeitsplatz gefehlt haben. Damit liegt deren Betroffenheit mehr als das 2,2-fache über dem Durchschnittswert von 1.183 Betroffenen je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte. (…) Nun hat sich auch die BARMER-Krankenkasse zu Wort gemeldet mit einer Auswertung ihrer Versichertendaten nach Branchen bzw. Berufen für das 4. Quartal 2020, also die Monate Oktober bis Dezember 2020. »In keiner anderen Berufsgruppe Deutschlands sind so viele Beschäftigte am Coronavirus erkrankt wie in der Altenpflege. Dies geht aus einem aktuellen Branchenvergleich der BARMER hervor. Dabei wurden die 20 Berufsgruppen mit den anteilig meisten Covid-19-Erkrankten ermittelt. So waren im vierten Quartal vergangenen Jahres 7,6 je 1.000 BARMER-versicherten Erwerbstätigen in der Altenpflege wegen einer Covid-19-Infektion krankgeschrieben. Nur knapp dahinter folgen Beschäftigte in Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshilfe sowie Erwerbstätige in Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege mit jeweils 7,3 je 1.000 Betroffenen«, kann man dieser Mitteilung entnehmen: BARMER-Branchenauswertung – Corona grassiert vor allem in Sozialberufen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 16. Februar 2021 auf seiner Homepage
- Seltene Arbeitsschutz-Kontrollen: Ein Beamter für 26 000 Beschäftigte zuständig
„Mehr Personal für den Arbeitsschutz gefordert: Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hat die mangelnde Ausstattung der Arbeitsschutzbehörden in den Bundesländern kritisiert. Angesichts neuer zusätzlicher Aufgaben befürchtet Gewerkschaftsvorsitzender Robert Feiger auf Baustellen und in Betrieben in diesem Jahr ein „Sicherheitsvakuum“ beim staatlichen Arbeitsschutz. Ohne Personalaufstockung könnten die Arbeitsschutzbehörden immer seltener prüfen können, ob Vorschriften eingehalten würden. (…) „Schon vor der Pandemie und ohne Zusatzaufgaben waren die staatlichen Arbeitsschutzbehörden personell am Limit. Gerade in der Bau-, Land- und Forstwirtschaft, in denen Arbeitsgefahren eine große Rolle spielen, wird zu wenig kontrolliert“, sagt Feiger. Der IG BAU-Chef verweist auf den aktuellen Bericht „Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz“ des Bundesarbeitsministeriums. Danach standen den Arbeitsschutzbehörden der Länder zuletzt insgesamt nur 1439 Aufsichtsbeamtinnen und -beamte mit Arbeitsschutzaufgaben in Vollzeit zur Verfügung. Rein rechnerisch kommt damit ein*e Kontrolleur*in auf 1500 Betriebe und mehr als 26 000 Beschäftigte, so die IG BAU unter Berufung auf Zahlen der Arbeitsagentur. „Das ist auch nach internationalen Standards viel zu wenig. So fordern die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und die Europäische Union, dass jeder Kontrolleur nur maximal 10 000 Beschäftigte im Blick haben soll. Für einen effektiven Arbeitsschutz reicht aber auch diese Quote kaum aus“, kritisiert Feiger. Es könne daher kaum überraschen, dass die Zahl der staatlichen Arbeitsschutzkontrollen seit Jahren zurückgehe. Laut Bundesregierung sank sie allein zwischen 2017 und 2019 von knapp 183 000 auf 151 000 – ein Minus von 17 Prozent. (…) Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig der betriebliche Arbeitsschutz sei – ob auf der Baustelle, im Homeoffice oder in der Fleischfabrik. Dieser Erkenntnis müssten rasch Taten folgen. Die Arbeitsschutzbehörden brauchten wieder ausreichend Personal für flächendeckende Kontrollen. „Wer ein Gerüst nicht ausreichend sichert, um Zeit und Kosten zu sparen, handelt grob fahrlässig. Aber je seltener ein Unternehmen kontrolliert wird, desto größer ist die Versuchung, es mit den Vorschriften beim Arbeitsschutz nicht so genau zu nehmen. Hier muss der Staat mehr Präsenz zeigen.“ Nach jüngsten Recherchen des ARD-Magazins Report Mainz und Buzz Feed News hat sich die Personalnot in den Arbeitsschutzbehörden der Länder in den letzten Monaten weiter verschärft. Zwei Drittel der befragten Behörden klagten über fehlendes Personal, um die Corona-Verordnungen wirksam zu kontrollieren. Betriebe, die gegen die Auflagen verstießen, könnten deshalb meist nur verwarnt werden. Nur selten sei es zur Verhängung von Bußgeldern oder Betriebsschließungen gekommen.“ Pressemitteilung der IG Bau vom 15. Februar 2021 - Sorge unter Beschäftigten vor Corona bleibt unverändert hoch – nicht alle Arbeitgeber setzten Schutzmaßnahmen konsequent um
„Die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus bleibt bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland auch während des zweiten Lockdowns unverändert hoch: Im Januar 2021 machte sich jeder dritte befragte Beschäftigte (35 Prozent) Sorgen, sich bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin mit dem Coronavirus zu infizieren. Trotz der inzwischen verschärften Corona-Maßnahmen entspricht dies dem Niveau der Vormonate und ist eine erhebliche Zunahme gegenüber den Sommermonaten Juni und Juli (jeweils 25 Prozent), als die Infektionszahlen deutlich niedriger waren. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Portals Lohnspiegel.de, an der sich seit April 2020 mehr als 34.000 Beschäftigte beteiligt haben. Lohnspiegel.de wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wissenschaftlich betreut. Besonders verbreitet ist die Sorge vor einer Ansteckung bei Beschäftigten, die in ihrem Beruf regelmäßig engen Kontakt zu anderen Menschen haben und deshalb auch bei guten Arbeitsschutzmaßnahmen besonders exponiert sind. So haben seit Beginn des zweiten Lockdowns am 2. November 2020 mehr als die Hälfte der Befragten aus den Bereichen Erziehung und Soziales (57 Prozent) und den medizinischen Gesundheitsberufen (52 Prozent) angegeben, Sorgen vor einer berufsbedingten Ansteckung zu haben. Es folgen die Verkaufsberufe (47 Prozent) sowie die nichtmedizinischen Gesundheitsberufe (46 Prozent), zu denen beispielsweise Altenpflegerinnen und Altenpfleger gehören. Aber auch in Berufsfeldern mit geringerem Risiko gibt es viele Beschäftigte, die sich Sorgen vor einer Ansteckung machen. Hierzu zählen Beschäftigte in Produktion und Fertigung (31 Prozent), in Informatik und Kommunikationstechnologie (28 Prozent) sowie in den klassischen Bürotätigkeiten aus dem Bereich Unternehmensführung und organisation (29 Prozent). „Ein entscheidender Faktor für die Sorgen der Beschäftigten ist, wie weitreichend die Corona-Arbeitsschutzmaßnahmen sind und wie konsequent sie im Betrieb umgesetzt werden“, sagt Dr. Elke Ahlers, Expertin für Arbeit und Gesundheit am WSI. „Viele Arbeitgeber haben schnell und vorbildlich auf die neue Lage reagiert – aber leider ist das noch nicht überall der Fall.“…“ WSI-Pressemitteilung vom 11.02.2021 zur Auswertung des WSI-Portals Lohnspiegel.de – siehe unser Dossier: [Kampagne] #ZeroCovid: Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown - Mangelhafter Arbeitsschutz: Wie Arbeiter:innen in der Corona-Krise allein gelassen werden
„Im Lager ihrer Firma liegen Masken, Desinfektionsmittel und Trennwände, doch Susanne T. hat auf der Arbeit in den vergangenen Monaten oft keine Maske getragen, hat sich nicht die Hände desinfiziert und hat auch keine Abstände eingehalten. Nicht, weil sie das nicht gewollt hätte. Ihr Arbeitgeber, ein mittelständischer Versandhändler bei Trier, wollte seine Mitarbeiter:innen offenbar nicht schützen…“ Beitrag von Monika Anthes, Niklas Maurer, Philipp Reichert und Daniel Drepper vom 09.02.2021 bei BuzzFeed News Deutschland - [FAQ] Neue Corona-Arbeitsschutzverordnung: Hygienekonzepte müssen erneut auf den Prüfstand
„Nach der neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung müssen Arbeitgeber vermehrt Homeoffice anbieten. Die Verordnung konkretisiert zudem Regelungen und Vorgaben für Beschäftigte, die weiter im Betrieb arbeiten. Wir geben Antworten auf die häufigsten Fragen. Die neue Arbeitsschutzverordnung des Bundesarbeitsministeriums ergänzt die bereits bestehenden Anforderungen aus dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard sowie der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. Sie verpflichtet die Arbeitgeber zu schnellem Handeln. Die Verordnung gilt ab 27. Januar und ist befristet bis zum 15. März 2021. Welche neuen Regelungen gelten nun aber mit der neuen Arbeitsschutzverordnung? Und wie verhält es sich mit bereits bestehenden Regelungen im Betrieb? Bleiben diese bestehen? Werden sie ausgesetzt? Wir geben Antworten auf Fragen rund um die betriebliche Prävention…“ FAQ der IG Metall vom 26. Januar 2021 - SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vorgestellt: Homeoffice-Angebot für Menschen im Büro und neue Gefährdungsbeurteilung vorgesehen
„Nach dem Standard und der Regel nun die Verordnung: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch in Berlin die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) auf den Weg gebracht, mit der die weitere Verbreitung des Coronavirus im Berufsleben eingedämmt werden soll. Vorgesehen ist u.a., dass Arbeitgeber Beschäftigten, die Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeiten ausüben, die Arbeit im Homeoffice anbieten müssen, „wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“. Die Vorgabe solle zunächst bis zum 15.03. gelten, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bei Vorstellung des Regelwerks. Er gehe davon aus, dass die Verordnung am 27. Januar in Kraft trete. Wie es aus Ministeriumskreisen weiter hieß, sollen Arbeitgeber laut § 2 Corona-ArbSchV zudem verpflichtet werden, „die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich zusätzlich erforderlicher Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes zu überprüfen und zu aktualisieren“. Zudem seien „alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren“ (…) In Bereichen, in denen mehrere Beschäftigte auf engerem Raum zusammenarbeiten müssen, ein Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann oder „mit Gefährdungen durch erhöhten Aerosolausstoß zu rechnen ist“, werden Arbeitgeber den Angaben zufolge gemäß § 3 Corona-ArbSchV überdies verpflichtet, „medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken“ bereitzustellen, die von den Arbeitnehmern dann auch zu tragen seien. Welche Mund-Nase-Bedeckungen dabei zulässig sind, regelt die Verordnung in einem Anhang. (…) Pflicht zum Testen offenbar vom Tisch: Während in ersten Medienberichten zu den Plänen die Rede davon war, größere Betriebe sollten ihre Mitarbeiter bei Vorliegen bestimmter Indidenzwerte am Ort des Betriebes in regelmäßigen Abständen testen lassen müssen, findet sich dies im Entwurf der Corona-ArbSchV nicht mehr wieder.“ Beitrag von Frank Strankmann vom 20.01.2021 bei betriebsratspraxis24.de , siehe dazu:- die FAQ zur Corona-Arbeitsschutzverordnung vom 20. Januar 2021 beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales
- ver.di: Corona-Arbeitsschutzverordnung: Bestrebungen der Bundesregierung gehen nicht weit genug
„… Mit der Corona-Arbeitsschutzverordnung würden die Arbeitgeber zwar angehalten, noch intensiver Maßnahmen zur Kontaktreduzierung in den Betrieben und Einrichtungen umzusetzen. „Diese Regelungen reichen jedoch nicht aus“, sagte Dagmar König, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, am Donnerstag. Beim Homeoffice fehlten unter anderem Vorgaben zur Arbeitsausstattung durch die Arbeitgeber, zur Übernahme der zusätzlich bei der Heim-arbeit anfallenden Kosten und eine Aussage zum Unfallversicherungsschutz, betonte König. Darüber hinaus werde auch nicht konsequent auf das Tragen von FFP-2-Masken hingewirkt. „Der Verordnungsgeber überlässt dem Arbeitgeber die Entscheidung, welche Masken getragen werden. Medizinische Gesundheitsmasken bietet keinen Eigenschutz, hingegen schützen sich die Beschäftigten beim richtigen Tragen einer FFP-2-Maske selbst und andere vor einer Infektion“, erklärte König. Darüber hinaus fordere ver.di die Arbeitgeber auf, die angeordneten Maßnahmen verantwortungsvoll umzusetzen und mit den Interessenvertretungen der Beschäftigten in den Betrieben zeitnah Vereinbarungen zum Homeoffice und zu Tragezeitbegrenzungen von Masken abzuschließen. „Die Aufsichtsbehörden müssen die Einhaltung der Vorgaben kontrollieren und Verstöße konsequent ahnden“, so König.“ PM vom 21.1.2021
- Die Wirtschaft ist sicher! Wie steht es in Zeiten der Pandemie um den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz? Neue Daten lassen klare Rückschlüsse zu
„Während im Zweiwochentakt neue Einschränkungen für den privaten Bereich beschlossen werden, blieb es in der Arbeitswelt lange bei Appellen an die Unternehmen, mehr Angestellten das Arbeiten von Zuhause aus zu gestatten. Gewerkschaften fordern seit Beginn der Pandemie ein Recht auf Homeoffice. (…) „Gefühlt“ befand sich bis vor Kurzem das halbe Land im Homeoffice. Dieses Selbstbild brach in sich zusammen, als das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung Ende Dezember aktuelle Daten aus einer repräsentativen Umfrage unter mehr als 6.000 Beschäftigten vorlegte. Danach lag die Homeoffice-Quote im November bei 14 Prozent – eine Halbierung gegenüber dem ersten Lockdown. Nun ist das Arbeiten am heimischen Schreib- oder Küchentisch keine unproblematische Angelegenheit, doch in der aktuellen Situation spricht viel dafür. Eine Studie der Universität Mannheim kommt zu dem Schluss: „Ein Prozentpunkt mehr Arbeitnehmer im Homeoffice kann die Infektionsrate um bis zu acht Prozent verringern.“ Die Zahl mag hoch gegriffen sein. Dass mit mehr Arbeit von Zuhause aus die Kontakte im Gemeinschafts- oder Großraumbüro und im öffentlichen Nahverkehr deutlich weniger werden, liegt aber auf der Hand. Wie schafften es Unternehmen, Interessenverbände und CDU in dieser Angelegenheit trotzdem, sich aus der Affäre zu ziehen? Nun, wie es für diese Pandemie typisch ist: mit unsinnigen Argumenten und aus dem Kontext gerissenen Zahlen. (…) Möglich ist eine solche Erfassung jedenfalls, wie das Beispiel Slowenien zeigt: Hier veröffentlicht das Nationale Institut für öffentliche Gesundheit regelmäßig Daten zu Infektionsorten. Ende November lag hier der Arbeitsplatz mit 25 Prozent vor dem privaten Haushalt mit 23 Prozent Anteil am Infektionsgeschehen. Nun kann man sicher nicht freihändig von Slowenien auf Deutschland schließen, auch wenn 40 Prozent des Beschäftigten dort in der Industrie arbeiten, hauptsächlich Automobilbau, Zulieferer, Metall und Elektro. Es geht nicht allein um Homeoffice. Was würde man in Deutschland zum Gesundheitsschutz finden, wenn man genau hinsähe? Anhaltspunkte liefert eine Studie der Krankenkasse Barmer, die im vergangenen Jahr untersuchte, in welchen Berufen das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, besonders hoch ist. Beschäftigte mit direkten Patientenkontakten, in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, sind natürlich einem hohen Risiko ausgesetzt. Darüber hinaus kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Beschäftigte in Leiharbeit sich überdurchschnittlich häufig infizieren und schwer erkranken. Die Hospitalisierungsrate, also der Anteil der Erkranken, die stationär behandelt werden musste, liegt unter Beschäftigten in Leiharbeit fast dreimal so hoch wie der Durchschnitt aller erwerbstätigen Barmer-Versicherten. (…) Der Großteil der Beschäftigten in Deutschland arbeitet jedoch in Betrieben ohne Betriebsrat. Hier ist die Lage eine ganz andere, wie eine gemeinsame repräsentative Beschäftigtenbefragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom Spätsommer zeigt. Ein Drittel der Befragten gab an, dass die Empfehlungen der Bundesregierung zum Infektionsschutz bei ihnen im Betrieb nur mangelhaft umgesetzt wurden – je kleiner der Betrieb, desto weniger. (…) Ein Problem ist nicht nur, dass die Infektionsschutzvorgaben für Betriebe, anders als die Coronaverordnungen im öffentlichen Bereich, keine sanktionsbewehrten Vorschriften sind. Staatliche Kontrollen zur Umsetzung des Infektionsschutzes finden in Betrieben kaum statt…“ Artikel von Jörn Boewe vom 20.01.2021 im Freitag online (Ausgabe 03/2021) - ver.di zu Maskenpflicht: Arbeitgeber müssen FFP-2-Masken zur Verfügung stellen – Kontrolle über die FFP-2-Maskenpflicht darf nicht den Beschäftigten aufgebürdet werden
„In Bayern gilt sie seit gestern, die Pflicht zum Tragen von besonders schützenden FFP-2-Masken im Handel und im Nahverkehr. Die anderen Bundesländer ziehen jetzt nach. Vor dem Hintergrund der Beschlüsse und Forderungen nach einer Pflicht zum Tragen vom FFP-2-Schutzmasken fordert ver.di, die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen, sowohl was die Bereitstellung der FFP-2-Masken anbetrifft als auch deren Kontrolle in Bussen und Bahnen und wie in Bayern auch im Einzelhandel. Der ver.di-Vorsitzende Frank Wernke sagte am Sonntag, ver.di unterstütze alle notwendigen Maßnahmen, die eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus eindämmen können und den Schutz der Beschäftigten und der Öffentlichkeit verbessern. „Ein möglichst wirksamer Infektionsschutz ist wichtig für die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des Gesundheitswesens, wo viele unserer Kolleginnen und Kollegen in diesen Tagen am absoluten Rande der Belastungsgrenze arbeiten müssen.“ Unternehmen müssen ihren Beschäftigten FFP-2-Masken bereitstellen: Wenn in Bayern und nun auch in weiteren Bundesländern Vorgaben zum Tragen von FFP-2-Masken gemacht würden, vorerst für den Handel und den ÖPNV, seien klare und verlässliche Regelungen für die Beschäftigten erforderlich. „In jedem Fall müssen die Unternehmen ihren Beschäftigten FFP-2-Masken kostenfrei und in ausreichender Stückzahl zur Verfügung stellen. Zudem muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer infolge der erschwerten Arbeitsbedingungen zusätzliche bezahlte Kurzpausen einlegen können, um die Maske abzusetzen und durchatmen zu können“, betonte Werneke. Kontrolle über die FFP-2-Maskenpflicht darf nicht den Beschäftigten aufgebürdet werden: „Zugleich darf die Kontrolle über die Einhaltung der Maskenpflicht in Bussen, Bahnen, im Einzelhandel oder in anderen Bereichen nicht den Beschäftigten aufgebürdet werden“, stellte Werneke klar. Erfahrungen der vergangenen Monate hätten gezeigt, dass dies die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen gefährde, Kontrollen dürften daher nur von Wach- und Sicherheitspersonal vorgenommen werden. Auch müsse dafür gesorgt werden, dass alle Menschen der Verpflichtung nachkommen können und Zugang zu FFP-2-Masken erhalten. „Es muss sichergestellt sein, dass FFP-2-Masken rechtzeitig in ausreichender Zahl und für Bezieher niedriger Einkommen auch kostenlos zur Verfügung stehen“, forderte Werneke.“ ver.di-Pressemitteilung vom 19. Januar 2021 , siehe zu sozialen, überbetrieblichen Aspekten unser Dossier: [Mindestens:] Bevorratungszuschuss zum Hartz IV als Soforthilfe! und darin dazu: Die Regierung muss für FFP2-Masken zahlen! - ÖPNV: Kapazitätsbegrenzungen nur mit flankierenden Maßnahmen
„Presseberichten zufolge soll auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz auch über die Einführung einer Obergrenze für Passagiere in Bussen und Bahnen diskutiert werden. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht dies kritisch und verlangt bei einer entsprechenden Entscheidung flankierende Maßnahmen von Bund und Ländern. (…) Sollte eine Entscheidung zur Kapazitätsbegrenzung im ÖPNV getroffen werden, sind laut ver.di flankierende Maßnahmen unerlässlich. Dazu gehörten: Die klare Zusage zur Fortführung des ÖPNV–Rettungsschirms, um die Einnahmeausfälle zu decken; ein Vorrang für Beschäftigte der systemrelevanten Berufe bei der Nutzung des ÖPNV in den Hauptverkehrszeiten; ein entsprechender Ausbau der ÖPNV-Kapazitäten; zusätzliche Finanzmittel für die Einstellung des zusätzlich benötigten Personals im ÖPNV, um die Einhaltung der Obergrenze sicherzustellen, sowie in der übrigen Wirtschaft weitere Maßnahmen zur Durchsetzung von Home-Office in Arbeitsbereichen, in denen dies möglich ist und zur Umsetzung von Kontaktreduzierungen am Arbeitsplatz.“ ver.di-Pressemitteilung vom 18. Januar 2021 - Das andere Risiko. Homeoffice, Lockdown: Für berufliche Kontakte werden nun strengere Vorgaben gefordert. Was halten Gewerkschaften davon?
„… Ausgerechnet aus dem Bildungswesen, dessen Wichtigkeit parteiübergreifend und permanent betont wird, kommt harsche Kritik. »Die Politik mogelt sich um klare Entscheidungen herum« und schiebe die Verantwortung Schulen, Kitas und Eltern zu, sagte Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Bildungsgewerkschaft GEW. Denn Bund und Länder haben sich bislang lediglich auf die vage Formulierung verständigt, dass Kinder »wann immer möglich« zu Hause betreut werden sollen. Konkret bedeutet dies: Lehrkräfte wissen oft nicht, wie viele Kinder in den Unterricht kommen. Manche Eltern müssten sich im Zweifel dafür entscheiden, »ins Risiko zu gehen« und ihre Kinder in die Schule zu schicken, so Hoffmann. Etwa, weil sie selbst zur Arbeit müssen. Oder weil die Stoffmenge nicht reduziert wurde – obwohl die Präsenzpflicht ausgesetzt ist und die Pandemie das Lehren und Lernen erschwert. Vielerorts gebe es zu wenig FFP2-Masken und Luftfilter, weiterhin fehlten digitale Endgeräte fürs Fernlernen. (…) Für Schlagzeilen sorgten Masseninfektionen von Schlachthof-Beschäftigten. Insgesamt ist aber völlig unklar, wie viele Beschäftigte sich bei welcher Arbeit anstecken. »Die Datenlage in Deutschland über das Infektionsgeschehen bei der Erwerbstätigkeit und anderswo ist schlecht«, sagt Hans-Martin von Gaudecker, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Uni Bonn. »Nötig wären repräsentative Daten über die Infektionsrisiken, diese werden vermutlich erst im Frühjahr aus dem sozioökonomischen Panel vorliegen.« Aufgrund der Erfahrungen in asiatischen Ländern hält Gaudecker einen »kurzen, harten Lockdown« für sinnvoll, um Ansteckungen schnell und stark zu reduzieren. Dazu könnten mehr Betriebsschließungen gehören und neue Homeoffice-Regeln, nach denen Vorgesetzte begründen müssen, wenn sie die Arbeit von zu Hause ablehnen. Gaudecker gehört zu den über 300 Forschenden, die die Contain-Covid-19-Erklärung unterzeichnet haben, in der sie für ein »entschlossenes Handeln« in Europa plädieren, um die Infektionszahlen drastisch zu drücken. (…) Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält es zwar ebenfalls für nötig, dass »alle nicht erforderlichen Kontakte eingeschränkt werden«. DGB-Chef Reiner Hoffmann ist aber derzeit gegen Betriebsschließungen in großem Stil: »Um die ohnehin angespannte Wirtschaft nicht weiter zu belasten und die Beschäftigung der Menschen zu sichern, sollten Betriebe unter Wahrung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes geöffnet bleiben«, sagte er »nd – Die Woche«. (…) Auch IG-Bau-Chef Robert Feiger zeigt »Verständnis dafür, dass die Politik das Wirtschaftsleben so weit wie möglich am Laufen halten will, um einen erneuten Einbruch zu verhindern. (…) Die mächtige IG Metall stellt sich ebenfalls gegen einen harten Lockdown (…) Für die IG Metall gibt es genug Hinweise, dass Beschäftigte ausreichend geschützt sind. So sei nicht erkennbar, dass sich irgendwo Infektionscluster bilden. (…) Die Ablehnung der Gewerkschaften dürfte auch darin begründet sein, dass Beschäftigte nicht nur ein Infektionsrisiko haben, sondern auch ein Jobrisiko, trotz staatlicher Hilfen wie Kurzarbeitergeld. (…) Statt Betriebsschließungen fordert der DGB ein Recht auf Homeoffice. Am Freitag riefen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und DGB-Chef Hoffmann gemeinsamen dazu auf, Homeoffice stärker zu nutzen. Ob dies etwas bewirkt, ist zweifelhaft. (…) Um Beschäftigte und Kinder besser vor Infektionen zu schützen, wäre auch ein besserer Existenzschutz hilfreich, damit sich etwa Eltern nicht genötigt sehen, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Gewerkschafter fordern etwa eine volle Übernahme des Verdienstausfalls, wenn Eltern wegen geschlossener Schulen oder Kitas ihre Kinder zu Hause betreuen.“ Arikel von Eva Roth vom 16. Januar 2021in neues Deutschland online – die ganzen wirtschaftspolitischen Bedenken – auch der Gewerkschaften – überzeugen schon deshalb nicht, weil zurzeit bei 80 Prozent der Infektionen gar nicht der Ort der Ansteckung ermittelt werden kann. Die Betriebe von einem harten Lockdown grundsätzlich auszunehmen, wäre schon deshalb gesundheitspolitisch unverantwortlich – und ist es bisher. Siehe daher die [Kampagne] #ZeroCovid: Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown - Arbeiten in der Corona-Krise: „Meine Chefs halten Covid-19 für ungefährlich“
„Verächtliche Kommentare, erzwungene Präsenz: Viele unserer Leserinnen und Leser müssen ins Büro, obwohl sie zu Hause arbeiten könnten. Hier schildern 50 ihre Erfahrungen. (…) Anfang Januar hat die Bundesregierung den Lockdown verschärft. Einen Rückzug der Arbeitnehmer ins Homeoffice ordnete sie aber nicht an, sondern beließ es bei einer Empfehlung an die Unternehmen. ZEIT ONLINE fragte daraufhin seine Leserinnen und Leser: Müssen Sie weiterhin ins Büro? Binnen Stunden schrieben uns mehr als 1.000 Menschen. In den meisten Fällen lautet ihre Antwort: Ja. Mehr noch: Ein Großteil der Befragten fühlt sich gegen den eigenen Willen dazu gedrängt. In diesem Artikel dokumentieren wir 50 der Erfahrungsberichte…“ Artikel von Vanessa Vu und Julia Meyer vom 13. Januar 2021 in der Zeit online - [Kampagne] #ZeroCovid: Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown
- Corona in den Betrieben: Arbeiten mit dem Virus
„Die Vorgaben für private Kontakte wurden weiter verschärft. Was aber passiert in den Betrieben, um Ansteckungen zu verhindern? Vier Protokolle. Die Corona-Infektionszahlen bleiben hoch, 31.849 Neuinfektionen und 1.188 Todesfälle in Deutschland vermeldete das Robert-Koch-Institut am Freitag. Bund und Länder haben die Maßnahmen zum Infektionsschutz im privaten Bereich in dieser Woche noch einmal verschärft. Was aber wird getan, um Ansteckungen am Arbeitsplatz zu verhindern? Dafür gibt es verschiedene Vorgaben: Die Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel beinhaltet umfangreiche Maßnahmen, und auch aus dem Corona-Arbeitsschutzstandard des Bundesarbeitsministeriums gehen klare Grundsätze für Betriebe hervor. So sollen Beschäftigte, soweit möglich, im Homeoffice arbeiten und gar nicht erst in die Betriebe kommen. Wo dies nicht geht, sollen an den Arbeitsstätten Abstände von mindestens 1,50 Metern zwischen den Beschäftigten und zwischen Personal und Kunden eingehalten werden. Ist das organisatorisch nicht zu machen, etwa in der Montage, müssen Masken getragen werden. „Transparente Abtrennungen“ sind bei Publikumsverkehr zu installieren, heißt es in dem Arbeitsschutzstandard zudem. In den Pausenräumen und in Kantinen sollen Tische und Stühle nicht dicht beeinanderstehen und keine Warteschlangen gebildet werden. Auch die Nutzung von Aufzügen soll man beschränken. Für die Kontrollen dieser Maßnahmen sind die Ämter für Arbeitsschutz in den Bundesländern und die Berufsgenossenschaften zuständig…“ Artikel von Barbara Dribbusch vom 9.1.2021 in der taz online mit Beispielen aus Amazon im Leipziger Logistikzentrum, BMW-Werk in Landshut, Berliner Finanzamt und DHL in Hagen - Die Angst vor B117 – droht nun der Wirtschafts-Lockdown?
„Die mutierte Virus-Variante aus Großbritannien breitet sich in Deutschland aus. Wird der Lockdown nun verschärft – und warum steht Spahn erneut in der Kritik? (…) Wenn man die Infektionslage jetzt nicht in den Griff bekomme, „sehe ich uns in großen Problemen für viele Monate“. Notfalls müsse das Wirtschaftsleben drastisch heruntergefahren werden. „Wir haben uns bei dem, was wir gemacht haben, sehr stark auf das Private und die Schulen konzentriert. Wenn das nicht reicht, dann müssen wir tatsächlich auch an die Betriebe herangehen“, sagt er [Karl Lauterbach]. „Das wird schlicht nicht anders gehen.“ Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, bringt eine Verschärfung ins Spiel. „Millionen Beschäftigte sind täglich von Infektionen bedroht, weil Schutzmaßnahmen in Unternehmen nicht ausreichen, ohne Not Präsenzpflicht eingefordert wird oder Risiken durch die Anfahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mitgedacht werden“, sagt sie. Bund und Länder hätten bei Einzelhandel, Kultur und Schulen zwar harte Maßnahmen ergriffen. „Dass es für große Bereiche der Wirtschaft und Arbeitswelt aber weiter kaum klare verpflichtende Regeln gibt, ist nicht mehr nachvollziehbar und absolut unverantwortlich.“ Göring- Eckardt forderte, Homeoffice auch mit Bußgeldern für Firmen durchzusetzen. Als erster Ministerpräsident hatte sich zuletzt Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) für ein drastisches Herunterfahren der Wirtschaft ausgesprochen…“ Artikel von Richard Friebe und Georg Ismar vom 10.01.2021 im Tagesspiegel online - Risiko Büro
„Viele Unternehmen haben in der Corona-Krise Arbeitsplätze auf Home-Office umgestellt. Und viele nicht. Doch da, wo Mitarbeiter in die Firma geordert werden, hapert es oft am Infektionsschutz – trotz eindeutiger Regeln. (…) Aber es sind eben derzeit nur: Appelle. Während für Privatpersonen von Montag an noch strengere Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen gelten, können Arbeitgeber ihre Beschäftigten noch immer ins Büro ordern. Bei den Unternehmen setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel weiterhin auf Freiwilligkeit. Eine Strategie, die in den vergangenen Wochen eher schlecht als recht aufgegangen zu sein scheint. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichte zum Jahreswechsel eine Studie, die zeigt, wie viel Prozent der Beschäftigten während des „Lockdown light“ Anfang November überwiegend am heimischen Schreibtisch gearbeitet haben: Es waren nur 14 Prozent. Ein halbes Jahr
zuvor, während der ersten Welle im April, waren es immerhin fast 27 Prozent gewesen. „Unsere Zahlen zeigen, dass es vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen sind, in denen viele Beschäftigte weiterhin überwiegend im Büro arbeiten. In Konzernen sind Home-Office-Regelungen offenbar weiter verbreitet“, sagt Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI. Dabei kommt es gerade in Büros immer wieder zu Ansteckungen mit Covid-19 – da, wo Menschen stundenlang gemeinsam in Räumen sitzen, sich auf engen Fluren und kleinen Teeküchen begegnen. Die Gefahrenlage ist klar, aber die Lösungen in der Praxis uneindeutig…“ Artikel von Thomas Fromm, Sibylle Haas und Felicitas Wilke vom 9.1.2021-
- Siehe #MachtBüroszu
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- Coronabeschlüsse zur Arbeitswelt: Bitte großzügig zu Hause bleiben
„Unternehmen erhalten nur freundliche Appelle in Sachen Infektionsschutz. Dabei gibt es Grund genug für strengere Maßnahmen. (…) „Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden dringend gebeten großzügige Home-Office-Möglichkeiten zu schaffen“, heißt es im jüngsten Beschluss von Bund und Ländern. Dabei sind die Daten des Robert-Koch-Instituts klar: An Arbeitsplätzen kommt es zu mehr Ansteckungen als in Schulen und Kitas. Zwar sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, weil man nur in circa einem Sechstel der Fälle nachvollziehen konnte, wo sich Menschen angesteckt haben. Die Wissenslücken, wo man sich ansteckt, sind groß – doch Arbeit spielt eindeutig eine Rolle. Deshalb fordert auch die IG Metall ein Umdenken. „Die Politik tut im Moment so, als würde das Infektionsgeschehen primär in der Öffentlichkeit stattfinden, aber vor den Werkstoren, Büros und den Verwaltungsgebäuden weitestgehend haltmachen“, sagt Hans-Jürgen Urban. Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, der taz. Er betont dabei, dass es von Unternehmen zu Unternehmen große Unterschiede gebe, in einer Umfrage zeigte sich eine Mehrheit der Befragten in den Betrieben zufrieden mit den Schutzmaßnahmen. Weil in vielen produzierenden Betrieben Präsenz unabdingbar sei, müsse Homeoffice ermöglicht werden, wo es geht. Die Appelle des jüngsten Bund-Länder-Beschlusses seien zu wenig. „Hier muss die Politik klare Vorgaben machen“, fordert er. Arbeitsminister Hubertus Heil plant zwar ein Homeoffice-Gesetz, aber das kommt zu spät für den aktuellen Lockdown – und eine Pflicht zum Homeoffice enthält es nicht. (…) Welche Möglichkeiten aber hat man, wenn man sich als Arbeitnehmer*in im eigenen Betrieb unzureichend gegen eine Ansteckung geschützt fühlt? Die Rechtsanwältin Kathleen Kunst hat während der Pandemie sowohl Arbeitnehmer*innen als auch Arbeitgeber*innen bei derartigen Streitfällen vertreten und beraten. Grundsätzlich, sagt sie, haben Arbeitgeber*innen eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitenden – entsprechend müssen sie für Infektionsschutz sorgen. Streitigkeiten seien aber immer abhängig von der Art der Tätigkeit, den betrieblichen Umständen vor Ort, persönlichen Risikofaktoren. „Man kann etwa nicht
pauschal sagen, wenn ich kein Einzelbüro bekomme, dann komme ich nicht zur Arbeit“, sagt Kunst. Denn theoretisch können Arbeitnehmer*innen sich weigern, in den Betrieb zu kommen, und gleichzeitig auf Lohnfortzahlung pochen. Das wäre der Fall, wenn Arbeitgeber*innen den Infektionsschutz nicht gewährleisten, etwa keine Desinfektionsmittel zur Verfügung stellen oder die Abläufe im Betrieb nicht so organisieren, dass das Risiko einer Ansteckung deutlich minimiert ist…“ Artikel von Ingo Arzt vom 6.1.2021 in der taz online - Lockdown: Primat der Arbeit
„… Doch während es epidemiologisch kaum interessieren dürfte, ob ich 15 oder 500 Kilometer von Zuhause entfernt allein spazieren gehe, bleibt die Arbeitswelt unangetastet. Nach wie vor dürfen hier unbegrenzt viele Haushalte aufeinandertreffen. Reguliert wird das allein nach Gutdünken der Unternehmen. Nur 14 Prozent der Beschäftigten arbeiteten im »Lockdown«-Monat November überwiegend oder ausschließlich im Homeoffice. Trotzdem werden Infektionszahlen am Arbeitsplatz – außer in Gemeinschaftseinrichtungen wie Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Kitas – laut einer Sprecherin des Robert-Koch-Instituts »nicht erfasst«. Auch das Arbeitsministerium und der Spitzenverband Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung können darüber keine Aussage treffen. Parallel wird darüber debattiert, Schulen zu öffnen, damit Eltern arbeiten können. Und bis dahin wird von ihnen erwartet, gleichzeitig zu Hause zu arbeiten und auf die Kinder »aufzupassen« (ergo, sie zu bespaßen und zu unterrichten). Dass uns Daten darüber fehlen, in welchen Branchen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, verhindert auch, dass verstärkte Schutzmaßnahmen ergriffen werden – oder ein wirksamer dezentraler Lockdown in bestimmten Branchen verhängt wird. Stattdessen bleibt uns der Lockdown des Privaten und die Behauptung, dort liege das höchste Infektionsrisiko. Richtig ist: Wir wissen es nicht.“ Kommentar von Ulrike Wagener vom 05.01.2021 im ND online , siehe auch:- Verlängerter Lockdown: 15 km außer Haus nur noch, wenn du für deinen Boss schuftest
„Am Dienstag beschloss das Bundeskabinett die Verlängerung des Lockdowns bis Ende Januar – mit einer wichtigen Neuerung: In Corona-Hotspots wird der Bewegungsradius auf 15 Kilometer beschränkt. Zur Arbeit pendeln und sich dort anstecken ist aber weiter erlaubt. (…) Allein oder mit der Familie einen Ausflug zu machen, ist also verboten. Mit Dutzenden anderen in Bussen und Bahnen zum Betrieb zu fahren, und dort mit noch mehr Menschen eng zusammen zu arbeiten, ist aber weiterhin in Ordnung. Damit können zum Beispiel Fabriken in der Autoindustrie weiter laufen, obwohl sie keine lebensnotwendigen Produkte herstellen. So etwa bei Audi in Neckarsulm, wo sich zum Jahresende mehr als 100 Mitarbeiter:innen infiziert hatten. (…) Am häufigsten stecken sich Beschäftigte im medizinischen Bereich mit Corona an, danach kommen gleich Lehrkräfte und Erzieher:innen. Zwar sind die meisten Schulen und Kitas jetzt bis Ende Januar weiterhin im Lockdown. Doch wird die Kinderbetreuung damit auf die Familien abgewälzt, trotz einiger zusätzlicher Tage Kinderkrankengeld. Zudem bleibt das grundsätzliche Problem bestehen: Zu wenig Personal und zu wenig Räume. Dadurch arbeiten die Beschäftigten häufig in großen Gruppen und Klassen mit hohem Ansteckungsrisiko. Der verlängerte Lockdown mit der neuen 15-Kilometer-Regel bedeutet, dass die Verantwortung für den Gesundheitsschutz weiter auf das Individuum abgewälzt wird. Auf der Arbeit können sich die Beschäftigten aber weiter anstecken und das Virus mit nach Hause bringen, nur damit die Konzerne ihre Profite machen können. Diese bekommen zudem Milliarden-Subventionen, während der öffentliche Dienst unterfinanziert bleibt. Der Personalmangel an Schulen, Kitas, in Pflegeheimen und Krankenhäusern hat die jetzige Situation erst so dramatisch werden lassen. Die mittlerweile über 35.000 Corona-Toten in Deutschland sind das Verdienst der Bundesregierung mit ihrem Lockdown im Interesse der Bosse gegen die Arbeiter:innen.“ Artikel von Marius Rautenberg vom 5.1.2021 bei Klasse gegen Klasse - Wir erinnern an die Vorlage für Musterbriefe an die DGB-Gewerkschaften vom März 2020: Für einen Shutdown der Unternehmen wegen dem Corona-Virus
- Verlängerter Lockdown: 15 km außer Haus nur noch, wenn du für deinen Boss schuftest
- Inzidenz steigt in Betrieben. Bis November nur 29.000 Coronaanzeigen auf Berufskrankheit oder Arbeitsunfall. Beschäftigte werden oft abgewimmelt
„Hauptsächlich auf den »privaten Bereich« seien explodierende Covid-19-Zahlen zurückzuführen, behaupten Kapital und Regierung. Über Nahverkehr oder fehlende Schutzmaßnahmen für Schulen wird weniger gesprochen. Aus den Zahlen in Betrieben wird nahezu ein Geheimnis gemacht. Doch Skandale wie bei Tönnies (mehr als 2.000 Infizierte) und Amazon lassen sich schlecht vertuschen. Über Infektionsketten in der Industrie, wo Beschäftigte eng zusammenarbeiten, wird sonst wenig berichtet. Beispielsweise gab es bei BASF bis zum Herbst weltweit 1.740 Fälle (1,5 Prozent der Beschäftigten). Bei Thyssen-Krupp Steel (NRW) hatte sich im Oktober innerhalb einer Woche die Zahl der Infizierten verdreifacht. In die Öffentlichkeit kommen solche Fakten selten. (…) In der Metallindustrie hatte der von Betriebsräten und IG Metall durchgesetzte Gesundheitsschutz bis September Wirkung gezeigt. Trotz Sicherheitsmaßnahmen durch geänderte Arbeitszeit- und Schichtregelungen, mehr Pausen oder Senkung der Taktzeiten kommt es nun wieder zu mehr Ausbrüchen. Vor Weihnachten wurde vor allem die »A6«-Produktion von Audi in Neckarsulm zum »Hotspot«. Täglich fielen Beschäftigte aus und mussten aus anderen Montagebereichen ersetzt werden. Der Konzern spielte das herunter: »Auch der Inzidenzwert der Coronaneuinfektionen pro 100.000 Einwohner je sieben Tage im Stadtkreis Heilbronn, an dem sich der Standort orientiert, erhöht sich.« Zudem gebe es eine Teststation. Das Nachrichtenportal Echo 24 schrieb am 16. Dezember: »Die betriebsinterne Inzidenz liegt unter den Werten der angrenzenden Stadt und Landkreise.« Beruhigend? Im Gegenteil. In Heilbronn lagen die Inzidenzwerte Mitte Dezember bei weit über 300. Manche Großbetriebe weisen unter der Devise »Profit vor Menschen« sogar errechnete vierstellige Inzidenzen auf, ein Anstieg der Neuinfektionen in der Belegschaft in einer Woche im Prozentbereich. (…) Zu Covid-19-Erkrankungen lagen nach Angaben der gesetzlichen Unfallversicherungsträger bis Mitte November bundesweit auch nur 19.517 Anzeigen auf Berufskrankheit und 9.429 auf Arbeitsunfall vor. Bezogen auf alle bis dahin gezählten 1,3 Millionen infizierten Personen, war dies bloß bei jeder 45. Ansteckung der Fall. (….) Nimmt man die Zahl der bis Mitte November dokumentierten rund 250.000 Erkrankungen, liegt die Anzeigenquote bei 11,6 Prozent. Anerkannt wurden davon laut Bundesregierung »65,8 Prozent der als Berufskrankheit angezeigten Erkrankungen und 42,1 Prozent der als Arbeitsunfall angezeigten«. Dass Infizierte kaum Anzeige erstatten, wundert nicht. Die meisten Beschäftigten wissen nichts von ihrem Recht, eine Coronainfektion als Berufskrankheit bzw. Arbeitsunfall zu melden. (…) In die Berufskrankheitenliste (BK-Nummer 3101) können Coronainfektionen derzeit nur aufgenommen werden, wenn Betroffene im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig waren. Klinikpflegekräfte haben im Schnitt ein um 56 Prozent höheres Covid-19-Erkrankungsrisiko als alle anderen Beschäftigten. Im Gesundheitsdienst gab es bis 12. Dezember laut RKI 34.500 Ansteckungen, in der Pflege 24.500. In den übrigen Bereichen kommt nur eine Anerkennung als Arbeitsunfall in Betracht…“ Artikel von Martin Hornung in der jungen Welt vom 05.01.2021 - Erziehungs- und Gesundheitsberufe ganz oben im Ranking. Bei den Krankschreibungen wegen Covid-19
„»Berufe in der Betreuung und Erziehung von Kindern waren von März bis Oktober 2020 am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten der AOK-Mitglieder durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO ) zeigt, dass in diesem Zeitraum 2.672 je 100.000 Beschäftigte in dieser Berufsgruppe krankheitsbedingt im Zusammenhang mit Covid-19 an ihrem Arbeitsplatz gefehlt haben. Damit liegt deren Betroffenheit mehr als das 2,2-fache über dem Durchschnittswert von 1.183 Betroffenen je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte. Auch Gesundheitsberufe waren überdurchschnittlich oft im Zusammenhang mit Covid-19 arbeitsunfähig«, berichtet das WIdO über die neuen Befunde einer Auswertung der Arbeitsunfähigkeitsdaten der erwerbstätigen AOK-Versicherten. Das Institut weist darauf hin, dass Gesundheitsberufe aber nicht mehr an der Spitze des Rankings stehen. In einer früheren WIdO-Auswertung für die erste Phase der Pandemie von März bis Mai 2020 belegten Berufe in der Alten- und Krankenpflege die Spitzenplätze, jetzt finden sie sich im Ranking auf Platz 7 und 8 (vgl. zu der ersten Auswertung den Beitrag Corona-Ungleichheiten: Riskante Gesundheitsberufe, relative Sicherheit im Homeoffice. Krankschreibungen und Krankenhaus-Aufenthalte von Beschäftigten im Kontext von Covid-19 vom 9. Juli 2020.). Mit einer Ausnahme: Medizinische Fachangestellte sind nach der aktuellen Auswertung bezogen auf den Zeitraum von März bis Oktober 2020 noch stärker betroffen Sie sind jetzt mit 2.469 Erkrankten je 100.000 Beschäftigten auf Platz 2 der Liste gelandet. (…) „Beschäftigtengruppen, die in der Pandemie weiter am Arbeitsplatz präsent sein mussten und nicht ins Homeoffice gehen konnten, sind im bisherigen Verlauf der Pandemie stärker von Covid-19 betroffen. Dies sind insbesondere Berufe mit direktem Kontakt zu anderen Menschen“, so Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO. Wie sieht der Durchschnittswert aus? »Insgesamt erhielten von den 13,2 Millionen AOK-versicherten Erwerbstätigen von März bis Oktober 2020 circa 155.610 Beschäftigte von einem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Zusammenhang mit einer Covid-19-Diagnose. Das entspricht 1.183 je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte.« Dabei lag die Betroffenheit der Frauen um mehr als 33 Prozent höher als die der Männer. Neben Berufen in der Kinderbetreuung und -erziehung waren insbesondere Medizinische Fachangestellte von März bis Oktober 2020 stark von Fehlzeiten im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Offenbar wirkt sich hier die Entscheidung der Politik aus, Schulen und Kitas – anders als in der ersten Lockdown-Phase – offen zu halten, so die naheliegende Hypothese. Berufe mit häufigen zwischenmenschlichen Kontakten, die aufgrund der Maßnahmen zu einer Reduzierung der Kontakte gezwungen waren oder ihren Beruf nicht ausüben konnten, zeigen deutlich unterdurchschnittliche Werte, so beispielsweise Berufe in der Gastronomie (571 Betroffene je 100.000 Beschäftigte) oder im Kosmetikgewerbe (605 Betroffene je 100.000 Beschäftigte). Diese Befunde verdeutlichen einmal mehr, dass die berufliche Tätigkeit unter bestimmten Rahmenbedingungen ein eigenständiges Infektionsrisiko beinhaltet, ein an sich selbstverständlicher Aspekt, der aber in weiten Teilen der Debatte über die Ausgestaltung eines „harten“ Lockdown irgendwie ausgeblendet wurde (und wird). (…) Neben der rein quantitativen Betroffenheit muss mit Blick auf das Gesundheitspersonal auch darauf hingewiesen werden, dass nicht nur eine weiterhin überdurchschnittliche Betroffenheit von Erkrankungen vorliegt, sondern dass auch die Verläufe schwerer sind als im Durchschnitt…“ Beitrag von Stefan Sell vom 21. Dezember 2020 auf seiner Homepage – siehe auch: Studie „Lehrergesundheit in der Corona-Pandemie“: Starke psychische Belastung und viele Überstunden - Corona am Arbeitsplatz: Der hustende Mitarbeiter
„Alle reden über die wirtschaftlichen Folgen von Corona. Aber welche Folgen hat das bisher kaum eingeschränkte Wirtschaften? (…) Für weite Teile der Arbeitswelt gibt es dagegen nicht annähernd vergleichbare Daten. Sie werden einfach nicht systematisch erfasst. So streitet sich etwa am bayrischen Amazon-Standort Graben die Gewerkschaft Verdi mit dem Konzern darüber, wie viele Mitarbeiter infiziert sind. Zwischen 270 und 300 von knapp 2.000 seien krank, sagt die Gewerkschaft und wirft dem Online-Monopolisten Versäumnisse beim Arbeitsschutz vor. Der Konzern bestreitet Hygienemängel wie auch Infektionszahlen. Welche Zahlen stimmen, verrät der Handelskonzern jedoch nicht. Und die Behörden? Die wissen es auch nicht. Das Gesundheitsamt werde nur über Betroffene informiert, die im Landkreis leben, heißt es gegenüber der »Augsburger Allgemeinen«. Verdi-Sekretärin Sylwia Lech fordert deshalb »mehr Transparenz gegenüber den Beschäftigten und den Behörden«. Und meint damit nicht nur Amazon, sondern auch andere große Unternehmen in der Region. Das Einzugsgebiet der Amazon-Beschäftigten, erklärt Lech dem »nd«, reiche »vom Allgäu bis nach München«. Die Mitarbeiter würden von unterschiedlichen Ämtern abgedeckt, ein Corona-Hotspot falle deshalb nicht sofort auf. »Die Gesundheitsämter müssten landkreisübergreifend besser zusammenarbeiten«, fordert sie. Fragt man die Behörden nach der Zahl von infizierten oder in Quarantäne befindlichen Beschäftigten in verschiedenen Branchen, bekommt man etwa vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit die Auskunft: »Die Gesundheitsämter sind gehalten, möglichst detailliert bekannte Infektionsquellen an uns zu übermitteln. Die Angabe des Berufs ist nach Infektionsschutzgesetz jedoch nicht vorgesehen.« (…) Die Bedeutung des Arbeitslebens für die Pandemie war vor allem in der Anfangsphase ein Thema: Da wurde breit berichtet, wie es beim Automobilzulieferer Webasto zur Übertragung kam. Der »hustende« Mitarbeiter in einem ominösen Berliner Großraumbüro sorgte für Schlagzeilen, genauso wie später die Massenausbrüche auf Schlachthöfen und Spargelfeldern. Und jeder Beitrag über den späten Durchbruch des Homeoffice beinhaltete mindestens implizit die Anerkennung einer Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz. Inzwischen erscheinen Tönnies oder Amazon jedoch eher wie skandalöse Einzelfälle besonders verrufener Geschäftemacher. (…) Bis Ende August hatte das Bundesarbeitsministerium zuvor gebraucht, um wenigstens eine verbindliche »Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel« zu erlassen. Die Umsetzung bleibt dabei faktisch der Freiwilligkeit überlassen. Zwar dürfte die Mehrzahl der Betriebe Maßnahmen ergriffen haben, doch während die Ordnungsämter in Parks und Geschäften die Einhaltung des Abstandsgebots kontrollieren, hört man nichts davon, dass Behörden in Callcentern oder Werkhallen die Umsetzung der Corona-Regeln überprüft hätten. Für effektive Kontrollen fehlen schon die Ressourcen…“ Artikel von Ines Wallrodt vom 12.12.2020 im ND online - Sorge unter Beschäftigten vor Corona nimmt wieder zu – effektiver Gesundheitsschutz durch Arbeitgeber ist in der Krise gefragt
„Nach einem relativ sorgenfreien Sommer hat unter den Beschäftigten in Deutschland die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus wieder zugenommen. Im November 2020 machte sich jeder dritte Beschäftigte (33 Prozent) Sorgen, sich bei der Arbeit oder auf dem Weg zur Arbeit mit dem Coronavirus zu infizieren – verglichen mit jedem vierten Beschäftigten (25 Prozent) in den Monaten Juni und Juli, als die Infektionszahlen deutlich niedriger waren. Damit hat sich die Sorge um Ansteckung auf erhöhtem Niveau stabilisiert: Trotz Lockdowns ist der Wert fast genauso hoch wie im Oktober. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Portals Lohnspiegel.de, an der sich seit April 2020 rund 26.500 Beschäftigte beteiligt haben. Lohnspiegel.de wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wissenschaftlich betreut. Besonders verbreitet ist die Sorge vor einer Ansteckung unter Beschäftigten, die in ihrem Beruf regelmäßig engen Kontakt zu anderen Menschen haben und deshalb besonders exponiert sind. So gaben seit Beginn der Befragung insgesamt 55 Prozent der Beschäftigten im Bereich Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege an, sich Sorgen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu machen. Es folgen Beschäftigte in der Altenpflege (48 Prozent), der Gesundheits- und Krankenpflege (46 Prozent), Human- und Zahnmediziner (47 Prozent) sowie die Verkaufsberufe (41 Prozent). Die Fertigungsberufe bieten ein uneinheitliches Bild: Während sich in der Lebensmittelherstellung – zu der auch die Fleischwirtschaft zählt – jeder dritte Befragte Sorgen macht (34 Prozent), sind dies in den Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufen sowie den Metallbauberufen deutlich weniger (jeweils 24 Prozent). Deutlich seltener Sorgen um ihre Gesundheit machen sich auch Beschäftigte in den klassischen Bürotätigkeiten, etwa in Büro und Sekretariat oder dem Rechnungswesen (ebenfalls jeweils 24 Prozent). Eine entscheidende Erklärung hierfür ist die Nutzung des Homeoffice, die seit Ausbruch der Pandemie stark gestiegen ist. Persönlicher Kontakt zu Kunden und Kollegen sowie das Risiko auf dem Weg zur Arbeit entfallen hier komplett. Unter den Befragten, die teilweise oder vollständig im Homeoffice arbeiten, macht sich deshalb nur eine kleine Minderheit (17 Prozent) berufsbedingt Sorgen um die eigene Gesundheit. Entsprechend hoch ist in dieser Gruppe auch die Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber: 82 Prozent bescheinigen ihrem Arbeitgeber uneingeschränkt, bereits ausreichende Schutzmaßnahmen umgesetzt zu haben…“ Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 3. Dezember 2020 zur Auswertung des WSI-Portals Lohnspiegel.de - Mehrwertproduktion statt Infektionsschutz: Viele Beschäftigte sind am Arbeitsplatz kaum vor einer Infektion mit Covid-19 geschützt
„Den abhängig Beschäftigten werden in der Covid-19-Pandemie erhebliche gesundheitliche Risiken zugemutet. Das gilt sowohl im Pflegesektor als auch im produzierenden Gewerbe und in der Logistikbranche. (…) Es sind vor allem die abhängig Beschäftigten, die nicht nur die ökonomischen Folgen, sondern auch die gesundheitlichen Risiken der Pandemie zu tragen haben. Das gilt insbesondere für die Beschäftigten im Gesundheitswesen. Wegen des akuten Personalmangels und der chronischen Unterfinanzierung des Pflegesektors können die notwendigen Schutzbestimmungen für die dort Beschäftigten längst nicht mehr eingehalten werden. Darauf reagiert auch das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinen Empfehlungen, wie mit Covid-19-Infektionen unter Ärzten und Pflegekräften umzugehen sei. »Ist die adäquate Versorgung der Patientinnen und Patienten durch Personalengpässe nicht mehr möglich, kann es notwendig sein, die bestehenden Empfehlungen zum Umgang mit Kontaktpersonen und positiv auf Sars-CoV-2 getesteten Personen für medizinisches Personal anzupassen«, heißt es dort. Ähnlich äußerte sich vergangene Woche Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Man müsse schauen, was »neben der bestmöglichen Lösung die zweitbeste« sei. Notfalls müssten auch infizierte Ärzte und Pfleger arbeiten. In den vergangenen Tagen ist dieser Notfall bereits eingetreten. Mussten vor wenigen Wochen schon Pflegekräfte, die enge Kontakte mit Infizierten hatten und eigentlich unter häuslicher Quarantäne standen, trotzdem zur Arbeit erscheinen, arbeiten in immer mehr Pflegeeinrichtungen nun sogar Beschäftigte weiter, die selbst positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden. (…) Auch Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes oder selbstständige Personen können auf Antrag beim Gesundheitsamt »in begründeten Härtefällen« Befreiungen von den Quarantäneregelungen erhalten. Infizierte Beschäftigte, für die die Ausnahmeregelung gilt, stehen im Privatbereich weiterhin unter strenger häuslicher Quarantäne und dürfen ihre Häuser nur zur Arbeit und zum Weg dorthin verlassen. Wegen der Infektionsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln dürfen sie den Arbeitsweg jedoch nur mit dem Fahrrad oder dem PKW zurücklegen, wie der Pressesprecher der Bremer Gesundheitsbehörde der besorgten Bevölkerung versicherte. (…) Während über die Ursachen des wachsenden Infektionsgeschehens, das die Kliniken an die Belastungsgrenze bringt, viel diskutiert wird – neben feiernden Jugendlichen werden mal ausufernde Hochzeitsfeste, mal überfüllte Busse und Bahnen als Problem benannt –, ist ein entscheidender Infektionsherd beinahe komplett aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden: der Arbeitsplatz. Nicht nur in der Pflege, sondern auch bei der Aufrechterhaltung des Betriebs von Kindergärten und Schulen spielt der Infektionsschutz für die betroffenen Beschäftigten kaum eine Rolle. Die Gewerkschaften Verdi und GEW mahnen bisher vergeblich Schutzvorkehrungen für Erzieherinnen und Lehrpersonal an. Ähnliches gilt für das produzierende Gewerbe und den ihm vor- und nachgelagerten Logistiksektor. Zahlreiche Unternehmen nahmen in den vergangenen Wochen die im Frühjahr nicht zuletzt von Gewerkschaften und betrieblichen Interessenvertretungen durchgesetzten Regelungen zur Eindämmung der Pandemie in Betrieben zurück. So ließen sie Betriebsvereinbarungen zu geteilten Schichten in kleineren Gruppen auslaufen oder verlängerten Möglichkeiten zur Arbeit im Homeoffice nach dem Sommerurlaub nicht weiter. Zugleich nahmen sie die zuvor aufgrund von Lieferengpässen stockende Produktion wieder voll auf. Mit verheerenden Folgen: Allein in den vergangenen Wochen kam es in etlichen Betrieben zu größeren Coronaausbrüchen. (…) Auch im BMW-Werk München kam es in der vergangenen Woche offenbar zu mehreren Ansteckungen. Medienberichten zufolge wurden Mitarbeiter, die direkt mit den Infizierten in Kontakt gestanden hatten, nicht informiert. Beschäftigte kritisierten im Gespräch mit Journalisten, dass Kontaktpersonen nicht vorsorglich nach Hause geschickt würden, sondern weiter am Fließband stehen müssten. Fallen Mitarbeiter wegen Erkrankung aus, würden sie durch Leiharbeiter ersetzt. Das Unternehmen selbst will sich nicht zur Zahl der Infizierten im Münchner Werk äußern, sondern gab lediglich bekannt, dass wie in Dingolfing die Produktion unverändert fortgesetzt werde. Mit mehreren Coronaausbrüchen hat auch die Paketsparte der Deutschen Post, DHL, zu kämpfen. Zu Infektionen kam es vor allem in Paket- und Frachtzentren, so beispielsweise im nahe Stuttgart gelegenen Esslingen mit fast 100 Infizierten und im südhessischen Obertshausen. (…)Stillstehen musste die Mehrwertproduktion wegen der steigenden Infektionsgefahr also nirgends – auch nicht bei Mercedes, wo es zuletzt im Düsseldorfer Sprinter-Werk zu einem Ausbruch kam, oder beim Tiefkühlkonzern Frosta, in dessen Werk in Bobenheim-Roxheim es Ende Oktober 45 Fälle gab. Wenn es um den Fortgang der Kapitalakkumulation geht, spielt ein potentiell tödliches Virus keine Rolle.“ Artikel von Stefan Dietl in der Jungle World vom 19.11.2020 - Infektionsschutz am Arbeitsplatz: Höchsttragezeit für Mund-Nase-Masken
„… Nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (28.8.2020) muss die MNB getragen werden, wenn Schutzabstände nicht eingehalten werden können. Die MNB spielt bei der Eindämmung der Infektionen eine bedeutende Rolle. Bisher wurden zu Unrecht kaum Verhaltensregeln verbreitet, denn aufgrund des Atemwiderstands (Druckdifferenz) bestehen auch bei der Verwendung dieser »Alltagsmasken« erhöhte Belastungen. (…) Der KOBAS, der Koordinierungskreis für Biologische Arbeitsstoffe (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – DGUV), hat hierzu eine Stellungnahme abgegeben, die sich allgemein auf das Tragen der MNB am Arbeitsplatz bezieht (gilt nicht für Tätigkeiten im Gesundheitsdienst). Er empfiehlt eine maximale Tragedauer von zwei Stunden mit anschließender 30-minütiger Erholungspause; möglich ist auch das Ausüben einer Tätigkeit ohne Notwendigkeit, eine MNB zu tragen (Mischarbeit). Die Erkenntnis beruht auf der DGUV-Regel 112-190 »Benutzung von Arbeitsschutzgeräten«, die für partikelfiltrierende Halbmasken gilt und analog (nach Belastungsprofil) anzuwenden sei. (…) Demnach sind in einer »normalen« Schicht drei längere Arbeitseinsätze mit MNB möglich. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sei gemäß DGUV Regel 112-190 darüber hinaus zu prüfen, ob aufgrund der Arbeitsschwere, der Umgebungseinflüsse (Temperatur, Luftfeuchte etc.) sowie der Arbeitskleidung (z.B. schwere Schutzkleidung) kürzere Abstände bis zu den Tragepausen erforderlich sind. Zudem gilt: Die durchfeuchtete MNB ist zu wechseln, Tragedauer maximal ein Tag (sonst droht die Verkeimung), nicht die Außen- und Innenseite der MNB wechseln, nur am Rand berühren…“ Hinweis aus »Gute Arbeit« 10/2020 im Newsletter Bund Verlag vom 2. November 2020 (zu beachten ist, dass es sich hier um eine nicht rechtsverbindliche Empfehlung handelt, die im Betrieb – z.B. durch BR oder PR – verbindlich durchgesetzt werden sollte) - Corona-Maßnahmen: Arbeitgeber müssen jetzt mehr denn je ihrer Verantwortung für Arbeits- und Gesundheitsschutz nachkommen
„Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder haben für November weitreichende Maßnahmen beschlossen, um die Zahl der Corona-Neuinfektionen einzudämmen. Einige Branchen und Betriebe gehen erneut in einen Lockdown, in den meisten anderen läuft die Arbeit weiter. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder haben in ihrem Beschluss ausdrücklich die besondere Verantwortung der Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern betont. Dieser Verantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten müssen die Arbeitgeber jetzt mehr denn je gerecht werden. (…) Deshalb muss in Betrieben und Verwaltungen, die nicht vom Lockdown betroffen sind, alles getan werden, um die Beschäftigten vor Infektionen zu schützen und so Infektionsketten zu unterbrechen. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder haben in ihrem Beschluss dabei ausdrücklich die besondere Verantwortung der Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern betont. Dieser Verantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten müssen die Arbeitgeber jetzt mehr denn je gerecht werden: Mit Gefährdungsbeurteilungen, betrieblichen Pandemieplanungen und Hygienekonzepten sowie der Einhaltung der verbindlichen Corona-Arbeitsschutzregel der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Die Einhaltung dieser Regeln müssen jetzt aber auch verstärkt kontrolliert werden. Wo es machbar ist, sollten Arbeitgeber außerdem Homeoffice und mobiles Arbeiten ermöglichen...“ DGB-Meldung vom 29.10.2020 - Corona und der Gesundheitsschutz: Die neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel für die betriebliche Praxis
„Vor welchen Herausforderungen der Arbeits- und Gesundheitsschutz durch Covid-19 steht, welche Pflichten der Arbeitgeber hat und welche Mitbestimmungsmöglichkeiten der Betriebsrat ist in dem Vortrag ebenso Thema wie die gewerkschaftlichen Machtressourcen…“ Folienvortrag von und bei Klaus Pickshaus zur konsenti-Betriebsräte-Tagung am 14. Oktober 2020- Wir erinnern aber unbedingt an die erleichterte telefonische Krankmeldung – siehe unser Dossier: [Eine Hürde weniger?] Die Krankschreibung in Papierform hat ausgedient
- Arbeitsschutz in der Corona-Krise: Hohe Standards für alle!
„Arbeits- und Gesundheitsschutz stößt in vielen Beschäftigungsbereichen an Grenzen – das hat sich in der Corona-Pandemie erneut und diesmal sehr deutlich gezeigt. In Supermärkten, in Schulen und Kitas, in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen fühlen sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht ausreichend durch den Arbeitgeber vor gesundheitlichen Risiken durch das Coronavirus geschützt. Dies galt ganz besonders zu Beginn der Krise, als Schutzkleidung, Masken und verbindliche Schutzregularien fehlten, trifft aber in abgeschwächter Form auch heute noch zu. Hinzu kommt, dass die Coronakrise die beschämenden Arbeitsbedingungen der Erntehelfer, der entsandten Beschäftigten in der Fleischindustrie sowie der 24/7-Pflegekräften in Privathaushalten in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt hat. Die in den Medien gezeigten Berichte und Bilder sind teilweise erschütternd und legen die Schwächen im staatlichen und betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz offen. Zum einen wird sichtbar, wie ungleich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer je nach Beschäftigungsform vor gesundheitlichen Risiken am Arbeitsplatz geschützt sind. Zum zweiten zeigt sich einmal mehr, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Zweifel den vermeintlich naheliegenderen wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen untergeordnet wird. (…) Auch aktuell fehlt es bei den vom Bundesarbeitsministerium herausgegebenen „Sars-CoV-2-Arbeitsschutzstandards“ an staatlichem Durchsetzungswillen. Rechtsverbindlich sind diese Standards bisher für die Arbeitgeber nicht immer, in den Vorgaben heißt es allzu oft „sollte“ statt „muss“. Den Arbeitgebern wird mit Blick auf ihre unternehmerischen Interessen viel „Beinfreiheit“ gegeben. (…) Freiwillige Standards im Arbeitsschutz helfen schwachen und sozial benachteiligten Beschäftigtengruppen nicht. Immer wieder nutzen Unternehmen die Unverbindlichkeit in den Schutzstandards aus – zum Leidwesen schwacher (und oftmals der deutschen Sprache nicht mächtiger) Beschäftigtengruppen. (…) Es bleibt die Frage, was dem Staat ein verbindlicher, alle Beschäftigtengruppen umfassender Arbeitsschutz wert ist. Der Staat steht in der Verantwortung, den Gesundheitsschutz aller (!) Beschäftigten sicherzustellen. Gefordert sind verbindliche Standards, die für alle gleich gelten und bei Missachtung spürbare Sanktionen nach sich ziehen!“ Beitrag von Elke Ahlers vom 07.10.2020 im WSI-Blog Work on Progress - [Leiharbeit, Pflege, Post] Berufs- und branchenbezogene Unterschiede im COVID-19-Risiko in Deutschland
„Bei Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegedienst, die infolge der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit einer gegenüber der allgemeinen Bevölkerung wesentlich erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sind, kann „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) als Berufskrankheit (BK) anerkannt werden (1). Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht auch in anderen als den in der BK 3101 genannten Berufsgruppen (Kasten) erhöhte Infektionsrisiken bestehen. (…) Für die mehr als 4,1 Millionen Stammversicherten wurden insgesamt 15 167 COVID-19-Fälle ermittelt, von denen 2 890 stationär aufgenommen worden waren (19,1 %). Von den Diagnosen entfielen über 90 % auf die seit April 2020 gültigen ICD-10-Codes U07.1 und U07.2. Unter Mitberücksichtigung der AUs war die Diagnosehäufigkeit für COVID-19 bei Frauen gegenüber Männern um knapp 40 % höher. Die Häufigkeit der schwereren Krankheitsverläufe, die einer stationären Aufnahme bedurften, nahm für Männer im Gegensatz zu den Frauen mit dem Alter signifikant zu (…) Die Analyse nach den in Anlehnung an die Einteilung des Collegiums Ramazzini gebildeten Risikogruppen zeigte, dass in den für die BK 3101 relevanten Berufen in medizinischen Einrichtungen und der Pflegebranche die höchsten Risiken bezüglich COVID-19 zu beobachten sind (Tabelle 2). Auch für die Risikogruppe 2 wurde mit SIR = 1,34 (95-%-Konfidenzintervall: [1,15; 1,55]) ein signifikant erhöhtes Risiko ermittelt. Die SIRs in den Untergruppen fielen sehr heterogen aus. Das höchste Risiko wurde unter den Beschäftigten in Leiharbeit im industriellen Bereich sowie in der Post- und Logistikbranche beobachtet. Mehr als die Hälfte der Erkrankungsfälle unter den Beschäftigten in Leiharbeit wurden dabei der Post- und Logistikbranche zugeordnet. (…) Die Analyse hat gezeigt, dass das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, in den Berufen am höchsten ist, die im Rahmen ihrer Tätigkeit häufig direkten Kontakt zu COVID-19-Patienten beziehungsweise zu potenziell infizierten Personen haben. Jedoch wurden auch in Berufen mit zu vermutenden beengten Arbeitsplätzen und nicht optimalen Hygienebedingungen erhöhte Erkrankungsrisiken beobachtet. Auffällig waren insbesondere die hohen Erkrankungsrisiken bei Beschäftigten in Leiharbeit, berechnet auf Basis der Krankenhausdaten. Zudem war die Hospitalisierungsrate für diese Beschäftigten mit 55,7 % fast dreimal so hoch wie der Durchschnitt aller erwerbstätigen Stammversicherten der BARMER im Altersbereich 15 bis < 65 Jahre. Es ist zu befürchten, dass es in dieser Gruppe weitere Erkrankungsfälle gab, die jedoch aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes nicht zu einem Arztbesuch führten…“ Artikel von Matthias Möhner und Andreas Wolik vom 4.9.2020 im Ärzteblatt online - Neue Handlungshilfe der IG Metall zur Corona-Prävention: Beschäftigte im Betrieb schützen
„Das Coronavirus ist nicht besiegt, die Pandemie dauert an. In den Betrieben gehören mittlerweile Schutzmaßnahmen wie Abstands- und Hygieneregeln zum Arbeitsalltag. Nun gilt es, die bestehenden Maßnahmen zu prüfen und anzupassen. Hierzu hat die IG Metall ihre Handlungshilfe aktualisiert. Zur Unterstützung der betrieblichen Akteure hat die IG Metall bereits im April eine detaillierte „Handlungshilfe zur Corona-Prävention im Betrieb“ erarbeitet. Nun wurde die Broschüre umfangreich überarbeitet und um wichtige Punkte ergänzt und aktualisiert. Die Handlungshilfe stellt Instrumente und Maßnahmen für die betriebliche Prävention und einen umfassenden Gesundheitsschutz dar und formuliert dazu konkrete Handlungsempfehlungen zum effektiven Infektionsschutz im Betrieb. Zwar gehören Schutzmaßnahmen wie Abstands- und Hygieneregeln mittlerweile zum Arbeitsalltag in den Unternehmen, vielfach wurden auch eine ganze Reihe von Maßnahmen umgesetzt – häufig genug geschieht das allerdings gegen den teils erbitterten Widerstand der Arbeitgeber, die sich bei der Wahl der Maßnahmen nur allzu oft gegen das geltende TOP-Prinzip stellen. Das Prinzip besagt, dass es eine Rangfolge der Schutzmaßnahmen im Betrieb geben soll. Technische Maßnahmen stehen dabei an erster Stelle und vor organisatorischen Maßnahmen. Erst wenn durch diese kein umfassender Infektionsschutz zu erreichen ist, sollen personenbezogenen Maßnahmen in Betracht gezogen werden – also zum Beispiel das Tragen von Schutzmasken. Überall, in allen Betrieben gilt dazu: Sämtliche ergriffenen Maßnahmen müssen kontinuierlich überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Grundlage dafür sind die verbindlichen Anforderungen der gerade vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassenen SARS-Cov-2-Arbeitsschutzregel. Die Regel konkretisiert die Anforderungen an den Arbeitsschutz in Zeiten der Corona-Pandemie und erhöht den Grad der Verbindlichkeit der notwendigen Schutzmaßnahmen, die von den Arbeitgebern zu ergreifen sind…“ Infos der IG Metall vom 27. August 2020 zur 42-seitigen neuen Handlungshilfe der IG Metall zur Corona-Prävention im Betrieb - [DGB] Arbeitsschutz in Corona-Pandemie endlich verbessert
„Eine verbindliche Arbeitsschutzregel , die die Situation der Beschäftigten während der Corona-Pandemie nachhaltig verbessert, hat heute die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlicht. „Nach monatelanger Verzögerung durch die Arbeitgeberseite gibt es endlich mehr Sicherheit und Klarheit für die Beschäftigten“, sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, dazu am Dienstag in Berlin. „Heute ist ein guter Tag für den Arbeitsschutz der Beschäftigten in der Corona-Pandemie“, betonte Piel. „Die Regel konkretisiert den Corona-Arbeitsschutzstandard der Bundesregierung und versetzt die Betriebs- und Personalräte endlich in die Lage, die Schutzrechte der Beschäftigten gegenüber den Arbeitgebern zu erzwingen, wenn dies notwendig ist.“ In der Krise zeigt sich: „Überall, wo engagierte Interessenvertretungen der Beschäftigten in den Betrieben und Dienststellen beim Arbeitsschutz eingebunden waren, haben wir hohe Schutzniveaus, weniger Arbeitsunfälle und Infektionen.“ Nun muss die SARS-Cov-2-Arbeitsschutzregel von den Arbeitgebern beachtet und mit Leben erfüllt werden. „Jetzt müssen die Arbeitsschutzaufsichten der Länder, Kommunen und der gesetzlichen Unfallversicherung verstärkt kontrollieren, ob das Regelwerk eingehalten wird. Nur wenn alle Akteure In ihrer Verantwortung ankommen, kann In der Krise ein wirksamer Infektionsschutz in den Betrieben und Dienststellen greifen“, sagte die Gewerkschafterin. Die Arbeitsschutzregel legt eindeutig fest, zuallererst technische Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers voran gehen müssen, um mögliche Gefährdungen abzuwenden, dann organisatorische Maßnahmen folgen und erst, wenn diese nicht möglich sind, persönliche Maßnahmen zur Anwendung kommen. Darüber hinaus ist nun vorgeschrieben, in Pandemie-Zeiten die Gefährdungsbeurteilungen für jeden Arbeitsplatz zu überprüfen und anzupassen. Auch die oft verkannten psychischen Belastungen für die Beschäftigten finden künftig stärkere Beachtung. Ebenfalls werden der notwendige Schutzabstand von mindestens 1,5 Metern, das sachgerechte Lüften von Räumen und umfassende Hygieneregeln festgeschrieben. Ausdrücklich werden höhere Anforderungen an die Schutzmaßnahmen für besondere Arbeitsstätten und Arbeitsplätze sowie besondere betriebliche Einrichtungen, wie Baustellen, Außen- und Lieferdienste, den öffentlichen Verkehr sowie Unterkünfte gestellt. Gerade dies lässt hoffen, dass die hier oft katastrophalen Arbeitsbedingungen und Verhältnisse bald ein Ende haben werden.““ DGB-Pressemitteilung vom 11.08.2020 - ver.di fordert im Gesundheitswesen Tragezeitbegrenzung und Erholungspausen beim Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert die Arbeitgeber im Gesundheitswesen auf, beim Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken die Tragezeit zu begrenzen und ausreichende Erholungspausen sicherzustellen. Auch wenn es im Rahmen der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards hierzu noch keine verbindlichen Vorschriften gebe, weisen betriebliche Erfahrungen und wissenschaftliche Untersuchungen auf die erhöhte Belastung durch Atemwiderstände hin, dem müsse Rechnung getragen werden. „Die Beschäftigten im Gesundheitswesen waren schon vor der Corona-Pandemie hohen Belastungen ausgesetzt. Durch das notwendige Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken nimmt die körperliche Belastung nun weiter zu, gerade auch während dieser heißen Tage“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. „Körperlichen Anstrengungen sind neben der Pflege viele Beschäftigtengruppen im Gesundheitswesen ausgesetzt. Reinigungskräfte zum Beispiel, die in voller Montur in aufgeheizten Räumen so genannte Scheuer-Wisch-Desinfektion vornehmen müssen oder Beschäftigte im Krankentransport, wenn schwere Betten zu schieben sind.“ Berufsgenossenschaft und Unfallversicherung empfehlen, sich an den Arbeitsschutzvorschriften für partikelfiltrierende Halbmasken mit Ausatemventil zu orientieren. Hier sei eine Tragedauer von maximal zwei Stunden mit einer anschließenden Erholungspause von 30 Minuten vorgesehen, so Bühler. Arbeitgeber würden die erschwerten Bedingungen noch nicht ausreichend berücksichtigen. Es müssten Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden, um konkret Arbeitsschwere und Umgebungseinflüsse einzubeziehen. In der Phase ohne Schutzmaske könnten Tätigkeiten verrichtet werden, bei denen keine Mund-Nasen-Bedeckung erforderlich sei...“ Pressemitteilung vom 11.08.2020 - Arbeitgeber verzögern neue Regeln für Coronavirus-Schutz auf der Arbeit
„Unternehmen fordern „genügend Beinfreiheit“ in der Coronakrise und wollen den Arbeitsschutz daher verschlechtern statt verbessern. Fast ein halbes Jahr währt die Corona-Krise nun. Doch zum Schutz von Arbeitnehmern gibt es in Deutschland noch immer keine einheitlichen, verpflichtenden Vorgaben. Zwar hat das Bundesarbeitsministerium schon Mitte April einen „Sars-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ mit Empfehlungen erstellt, doch dieser enthält ganz oft das Wort „sollte“ und nur sehr selten das Wort „muss“. Bereits seit Ende April verhandeln Experten im Bundesarbeitsministerium daher über eine bundesweit gültige und verpflichtende Arbeitsschutzregel. Doch die Arbeitgeberseite verzögern das Vorhaben, wie Recherchen Buzzfeed News Deutschland und der Süddeutschen Zeitung zeigen; manche Verbände versuchen die Krise sogar dazu zu nutzen, den Arbeitsschutz noch weiter herunter- statt hochzufahren. (…) Der Entwurf, der BuzzFeed News und Süddeutscher Zeitung vorliegt, stammt von Anfang Juli, er sollte eigentlich bis Ende Juli final abgestimmt werden. Aber ob das gelingt, ist fraglich. Zwei der fünf Arbeitsschutzausschüsse des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) haben bislang offenbar noch nicht zugestimmt. In den Ausschüssen treffen Arbeitgeber und Gewerkschaften mit Wissenschaftlern und Vertretern von Landesarbeitsschutzbehörden sowie der gesetzlichen Unfallversicherung aufeinander. (…) Vor allem die Arbeitgebervertreter sind gegen den Entwurf, wie internen Schreiben zu entnehmen ist. So heißt es in einem Brief der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) von Ende Mai : Der Entwurf für die Corona-Arbeitsschutzregel lasse sich „noch stark kürzen und auf das Wesentliche beschränken“. Und weiter: „In Hinblick auf das dringend notwendige vollständige Wiederhochfahren der Wirtschaft, müssen alle Regelungen auf praxisnahe, schnelle und unkomplizierte Umsetzbarkeit geprüft werden!“ Den Unternehmen müsse daher „genügend ,Beinfreiheit‘ bei der Umsetzung betriebsspezifischer Schutzmaßnahmen gegeben werden.“ (…) Während manche Branchen wie die Chemiebranche, die gut durch die Pandemie gekommen sind, positiv auf die Neuregelungen reagieren, scheinen einige der größten deutschen Unternehmen den Schutz für Arbeitnehmer während der Pandemie nicht verbessern zu wollen. Im Gegenteil: Sie sehen die Corona-Krise sogar als Anlass, den Schutz zu verschlechtern. In einem Papier des Verbandes Gesamtmetall , der unter anderem die deutschen Autokonzerne vertritt, hieß es im Mai, dass „grundsätzlich auf normative Regelungen so weit wie möglich verzichtet werden“ sollte: Es sei wichtig, „den Unternehmen möglichst große Spielräume bei der Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen einzuräumen und die unternehmerische Freiheit nicht (oder minimal) durch Vorgaben im Arbeitsschutz einzuschränken.“ Die Überwachung müsse „pragmatisch und mit Augenmaß durchgeführt werden“. Außerdem sei es nötig „bestehende Dokumentationsanforderungen zu verringern.“…“ Artikel von Daniel Drepper vom 26.7.2020 bei BuzzFeed Deutschland samt dem Entwurf der geplanten Coronavirus-Regel des BMAS, siehe ergänzend:- Corona-Krise: Arbeitgeber verzögern neue Regeln für Schutz vor Sars-CoV-2
Artikel von Christina Berndt und Daniel Drepper vom 26. Juli 2020 in der Süddeutschen Zeitung online
- Corona-Krise: Arbeitgeber verzögern neue Regeln für Schutz vor Sars-CoV-2
- Corona und Gesundheitsschutz im Betrieb: Was hilft gegen eine Gefahr, die man nicht sieht?
„Die Corona-Krise zeigt: Der klassische Arbeitsschutz geht teilweise am Problem vorbei. (…) Den kundigen Fachleuten war klar, dass Gefährdungsbeurteilung und Maßnahmenfindung nur gemeinsam mit den Betroffenen, den Arbeitenden, erstellt werden können. Genau hier kommen entscheidende Fragen ins Spiel: Wie gut oder schlecht sind Information, Aufklärung, Kommunikation? Wie gut oder schlecht erlaubt die betriebliche Atmosphäre, über Gesundheit und Gesundheitsschutz zu sprechen? Und nicht zuletzt die Frage: Wieviel ist den arbeitenden Menschen ihre Gesundheit wert? Die Corona-Krise ist ein Lackmustest dafür. Aus allen bislang fragmentarisch vorliegenden Betriebsberichten und aus ersten Interviews, die der Autor durchführen konnte, lässt sich schließen, dass Information, Aufklärung und Kommunikation überwiegend mangelhaft und ungenügend waren und sind. (…) Es geht nicht darum, Krankheit als solche aus der Welt zu schaffen. Krankheit und Tod gehören zum Menschsein. Es geht darum, sich der schädlichen Einflüsse, die vorzeitig zu Krankheit und unnötigem Leiden führen, bewusst zu werden, sie abzustellen oder so weit wie irgend möglich zu begrenzen. Ungünstige Arbeits- und Lebensverhältnisse tragen zu diesem unnötigen Leid bei. Die Aufgabe von Prävention bzw. Gesundheitsschutz ist die, ursächliche Faktoren dieser vermeidbaren Gesundheitsschäden herauszufinden und entsprechende Maßnahmen zu deren Verhütung zu treffen. (…) Wir können die Corona-Krise nutzen, um uns unserer Verletzlichkeit, unserer Hilfebedürftigkeit und der Notwendigkeit der Solidarität neu gewahr zu werden. Sie zeigt uns erneut die Notwendigkeit, den neoliberal verordneten Individualismus zu überwinden. Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz kann in diesem Sinne systemsprengend sein, und als solchen sollten wir ihn aufgreifen.“ Beitrag von Wolfgang Hien aus Soz Nr. 07/2020 (der Autor ist Arbeits- und Gesundheitswissenschafler) - Corona-Pandemie: Was tun wenn die Produktion wieder beginnt? Handlungshilfe der IG Metall zu Sicherheit und Gesundheit
„Es gibt kaum ein Thema, dass uns alle zurzeit im Frühjahr 2020 so sehr beschäftigt, wie die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Das gesamte Leben ist davon betroffen, auch die Arbeitswelt. Die IG Metall hat zu Fragen von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit wesentliche Eckpunkte zur Prävention verfasst. Mit der Handlungshilfe „Corona-Prävention im Betrieb. Infektionsrisiken durch Arbeitsgestaltung und Gesundheitsschutz minimieren“ soll eine erforderliche Unterstützung für die Arbeit der betrieblichen Interessenvertretung geboten werden. Aufgrund der brisanten Aktualität möchte ich diese exzellente Broschüre auf meiner Website zur weiteren Verbreitung veröffentlichen.“ Empfehlung von und bei Klaus Pickshaus , siehe auch die PM der IGM vom 21. April 2020 : Corona-Prävention: Beschäftigte im Betrieb schützen - Corona und Arbeitsplatz – Betriebsräte und Beschäftigte können handeln.
„Der Streit um die angeblich „neuen“ Regeln am Arbeitsplatz ist müssig, zumal diese vielleicht „neu“ sind aber schlechter als die „alten“ und als geltende gesetzliche Bestimmungen: So zB der Mindestabstand von 1,50 Meter statt wie anderswo von 2 Metern ! Während in öffentlichen Grünanlagen der Mindestabstand polizeilich (!) kontrolliert wird, werden die Abstände in den Betrieben von NIEMANDEM wirksam kontrolliert. Dort existiert eine „polizei- und rechtsfreie Zone“. Und das nicht nur für Abstände, sondern für Desinfektionen, Mund- und Nasenschutzmasken und die Rücksicht auf „Hochrisikopatienten“. Im Gegenteil: Die Unternehmer ziehen mit z.T. abenteuerlichen Geschichten, Drohungen, Forderungen und Weisungen die Beschäftigten regelrecht über den Tisch. Einige Beispiele:
1. Immer wieder wird Urlaub, der nur auf Antrag des Arbeitnehmers gewährt werden kann, „zwangsverordnet“ (wie zB bei Asklepios Hamburg). Immer wieder wird von den Beschäftigten verlangt, sie sollten sich „krank“ schreiben lassen, wenn sie sich nicht ausreichend geschützt fühlen (wie zB bei der SAGA Hamburg), obwohl sie gar nicht „krank“ sind.
2. Immer wieder werden zu kurze Abstände zugelassen, auch zu Kunden, es werden keine MNS-Masken ausgeteilt, keine Handschuhe ausgeteilt und nicht auf ausreichende Desinfektion geachtet (so lange Zeit und teilweise immer noch bei Supermärkten und in Produktionsbetrieben).
3. Es wird völlig übersehen, daß schon nach der geltenden Rechtslage der Unternehmer verpflichtet ist, den Beschäftigten unter voller Fortzahlung der Bezüge freizustellen, wenn er n i c h t in der Lage oder bereit ist, für ausreichenden Schutz zu sorgen und zwar o h n e Zwangsurlaub, oder unbezahlten Urlaub oder Krankschreibung !
4. Da wo es welche gibt, ist es Aufgabe der Betriebräte jenseits aller „Vereinbarungen“ die KollegInnen darauf hinzuweisen, daß sie das Recht haben in Fällen dieser Art zu Hause zu bleiben und zwar o h n e Anrechnung auf den Urlaubsanspruch. Nun handelt endlich. Es kann Euch nichts passieren. Starrt nicht wie das Kaninchen auf die Schlange. Wir haben genug Zeit verloren!“ Beitrag von RA Rolf Geffken vom 17.4.2020 (per e-mail)