Der Trend geht zum Zweitjob. Für die einen aus der Not heraus, für einige andere hingegen ganz im Gegenteil
„Immer mehr Beschäftigte in Deutschland gehen mehreren Jobs nach. In den vergangenen zehn Jahren nahm die Zahl der Mehrfachbeschäftigten nahezu kontinuierlich um rund eine Million zu. 3,2 Millionen Deutsche hatten im vergangenen März mehrere Jobs. (…) Die Zahlen stammen von der Bundesagentur für Arbeit. Hintergrund ist eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag. „Mehrere Jobs“ zu haben kann nun in ganz unterschiedlichen Fallkonstellationen stattfinden (…) Die Gruppe der Mehrfachjobber wird dominiert von der Kombination einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit einer geringfügig entlohnten Beschäftigung, also einem Minijob. Das betrifft mehr als 2,6 Mio. Menschen. Ganz offensichtlich spielen die Minijobs hier eine ganz zentrale Rolle. (…) Die Zahl der Nebenjobber im Rentenalter wächst überdurchschnittlich – wie übrigens auch die der 65-Jährigen und Älteren bei den ausschließlich geringfügig Beschäftigten, wo es ansonsten Rückgänge gegeben hat. (…) Sicher sind gerade unter den Arbeitnehmern mit einem Nebenjob viele, die oberhalb der offiziellen Einkommensarmutsschwelle segeln. Aber wenn ein Teil von ihnen nur mit Nebenjobs einen bescheidenen Lebensstandard aufrechterhalten kann, dann hat das eine andere Qualität, als wenn man davon ausgeht, dass die vor lauter Spaß am Schaffen zum Zweit- oder gar Drittjob greifen…“ Artikel vom 13. Oktober 2017 von und bei Stefan Sell , siehe dazu:
- In Lohn ohne Brot ‒ Wenn Arbeit nicht vor Armut schützt
„Für die allermeisten Menschen ist Arbeit die wichtigste Einnahmequelle, um aus eigener Kraft den Lebensunterhalt zu bestreiten. Umso problematischer ist es, wenn immer mehr Erwerbsarbeiten auf Grund eines zu geringen Umfangs oder zu schlechter Entlohnung (nicht selten ist auch beides der Fall) die eigene Existenz oder die der Lebensgemeinschaft, in der man sich befindet, nicht sichern kann. Wenn trotz Arbeit die Armut droht, dann wird es höchste Zeit, die schlechte Jobqualität als treibende Kraft in den Blick zu nehmen. (…) Unter den Gründen dafür, dass es, je nach Messung, zwischen knapp acht und zehn Prozent der Erwerbstätigen nicht gelingt, durch Arbeit ein armutsfestes Haushaltseinkommen zu erzielen, spielt die Art der Erwerbstätigkeit, mithin die Jobqualität, eine zentrale Rolle. Denn wie anders ist es zu erklären, dass die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland seit vielen Jahren ständig ansteigt, die Arbeitslosenquote sinkt und dennoch Erwerbsarmut auf dem Vormarsch ist? Wenn das signifikante Beschäftigungswachstum der vergangenen Jahre von einem wachsenden Anteil an „working poor“ begleitet wird, dann sind offensichtlich Jobs entstanden, deren Arbeitsumfang oder Entlohnung (oder beides) zu niedrig sind, um Existenzen zu sichern. (…) Ein Skandal ist es aber (bei aller Fragwürdigkeit des traditionellen Ein-Ernährer-Modells), dass Haushalte eine Existenz unterhalb der Grenze zur Armutsgefährdung führen müssen, obwohl zumindest eine Person in Vollzeit erwerbstätig ist. Der Verweis auf eine dann eben zu niedrige Erwerbsbeteiligung im Haushalt verfängt hier nicht, es sei denn, man kündigt offen das insgeheim längst gebrochene Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft auf, das da hieß, Wohlstand für alle (mit Arbeit als zentralem Inklusionsmodus). De facto ist dieses (früher auch Rheinischer Kapitalismus genannte) Wirtschaftsmodell längst zerstört worden. Heute können spätkapitalistische Länder wie Deutschland nicht mal mehr die bloße Existenzsicherung durch Arbeit garantieren. Und der Wohlstand? Der hat sich längst in die oberen Etagen verflüchtigt…“ Beitrag von Markus Krüsemann vom 23. Oktober 2017 bei den NachDenkSeiten