Spürbar niedriger als in anderen Ländern: Hans-Böckler-Studie vergleicht Mindestlöhne in der EU
„Der Mindestlohn in Deutschland von 9,50 Euro brutto die Stunde ist »weiterhin spürbar niedriger« als die Lohnuntergrenzen in den westeuropäischen EU-Staaten plus Großbritannien. Diese haben alle einen Mindestlohn von 9,80 Euro und mehr. (…) Gemessen am mittleren Lohn wird der Mindestlohn in Deutschland im Jahr 2019 mit lediglich 48 Prozent des Medians im WSI-Bericht als »sehr moderat« betitelt. Im EU-Vergleich liegt Deutschland damit auf dem 14. von 21 Plätzen. Bei einem Vergleich der EU-Mindestlöhne, bezogen auf den jeweiligen Landes-Durchschnittslohn, liegt der Mindestlohn in Deutschland mit 42,6 Prozent an siebter Position in der EU. Als international üblicher Anhaltspunkt für die Angemessenheit des Mindestlohns gelten 60 Prozent des jeweiligen Medianlohns beziehungsweise 50 Prozent des Durchschnittslohns. In Deutschland entsprächen das nach einer aktuelle Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales rund zwölf Euro pro Stunde…“ Artkel von Lisa Ecke vom 26. Februar 2021 in neues Deutschland online , siehe dazu den Internationalen Mindestlohnbericht des WSI und die weitere Entwicklung:
- Internationaler Bericht des WSI zum Mindestlohn: Deutliche Anhebungen in den meisten EU-Ländern – Deutschland mit Mini-Zuwachs weit hinten
„Zum Jahreswechsel sind die gesetzlichen Mindestlöhne in der Europäischen Union kräftig gestiegen: Die 22 EU-Staaten mit einem allgemeinen Mindestlohn erhöhten diesen vor dem Hintergrund hoher Inflationsraten im Mittel (Median) um 9,7 Prozent. Besonders stark fielen die nominalen Zuwächse in vielen osteuropäischen Ländern aus, aber auch die Niederlande (+12,9%) und Irland (+12,4%) haben ihren jeweiligen Mindestlohn deutlich angehoben. In Deutschland fiel die Anhebung zum Jahreswechsel mit einem nominalen Plus von nur 3,4 Prozent auf nun 12,41 Euro hingegen deutlich kleiner aus; EU-weit stieg der Mindestlohn nur in Belgien (+2,0%) noch langsamer. Das ergibt der neue internationale Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Die schwache Entwicklung in Deutschland fällt in eine Zeit, in der die Bundesregierung die EU-Mindestlohnrichtlinie in nationales Recht umsetzen muss – dazu haben die Mitgliedsstaaten nur noch bis zum 15. November 2024 Zeit. Die Richtlinie nennt als Referenzgrößen für einen angemessenen Mindestlohn unter anderem mindestens 60 Prozent vom Medianlohn im jeweiligen Land oder 50 Prozent vom Durchschnittslohn. Die Schwelle von 60 Prozent des Medians erreicht oder überschritten haben in der EU lediglich Portugal, Slowenien und Frankreich. Weitere Staaten orientieren sich bei Mindestlohnanhebungen aber bereits explizit an diesem Niveau, zeigt die Studie von Dr. Malte Lübker und Prof. Dr. Thorsten Schulten. Der Mindestlohn in Deutschland hat sich durch die geringfügige Anhebung und die Entwicklung des allgemeinen Lohnniveaus wieder von dieser Zielmarke entfernt und liegt erheblich darunter. Bereits 2023 wäre zur Erfüllung des 60-Prozent-Kriteriums ein Mindestlohn von 13,61 Euro nötig gewesen, im laufenden Jahr von rund 14 Euro, so Berechnungen der Forscher auf Basis von aktuellen Eurostat-Daten. Bei ihrer jüngsten Entscheidung hat die deutsche Mindestlohnkommission die Vorgaben der Europäischen Mindestlohnrichtlinie – gegen das Votum der Gewerkschaften – außen vorgelassen und angekündigt, auch in Zukunft nur die im Mindestlohngesetz explizit genannten Kriterien zu berücksichtigen. Dies macht nach Analyse der Wissenschaftler deutlich, dass die fortschrittlichen Regelungen der EU-Richtlinie möglichst konkret und bindend in das deutsche Recht übertragen werden müssten: „Damit zukünftig auch in Deutschland ein angemessenes Mindestlohnniveau im Sinne der Europäischen Mindestlohnrichtlinie existiert, sollte der Referenzwert von 60 Prozent des Medianlohns explizit als Untergrenze für den Mindestlohn in das Mindestlohngesetz aufgenommen werden“, empfehlen Lübker und Schulten…“ Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 22. Februar 2024 zum 22-seitigen WSI-Report Nr. 93 : „WSI-Mindestlohnbericht 2024: Reale Zugewinne durch die Umsetzung der Europäischen Mindestlohnrichtlinie“ von Malte Lübker und Thorsten Schulten vom Februar 2024 - Internationaler Mindestlohnbericht des WSI: Mindestlöhne: Im EU-Mittel deutlich schwächere Zuwächse, Initiative der EU-Kommission gerade in Corona-Krise wichtig
„Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass viele gesellschaftlich wichtige, „systemrelevante“ Tätigkeiten zu niedrig bezahlt werden. Gleichzeitig sind die Mindestlöhne in Europa zu Beginn des zweiten Corona-Jahres krisenbedingt aber deutlich schwächer angehoben worden als in den Vorjahren. Die Mindestlöhne in den 21 EU-Staaten, die über eine gesetzliche Lohnuntergrenze verfügen, stiegen zum 1. Januar 2021 im Median nominal um 3,1 Prozent. Nach Abzug der Inflation blieb ein Zuwachs von 1,6 Prozent. Anfang 2020 hatte der nominale Anstieg noch bei 6,1 und der reale bei 4,5 Prozent gelegen. Das ergibt der neue Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. 17 EU-Staaten haben ihre Mindestlöhne im Jahresvergleich erhöht, Ungarn hat zum 1. Februar nachgezogen, das Ex-Mitglied Großbritannien wird dies in den kommenden Wochen tun. Der deutsche Mindestlohn ist mit aktuell 9,50 Euro pro Stunde weiterhin spürbar niedriger als die Lohnuntergrenzen in den westeuropäischen EU-Staaten plus Großbritannien, die alle 9,80 Euro und mehr als Stundenlohn vorsehen. In vier Euro-Ländern beträgt der Mindestlohn mehr als 10 Euro, Luxemburg hat mit jetzt 12,73 Euro den höchsten Mindestlohn in der EU. Auch gemessen am mittleren Lohn ist der Mindestlohn in Deutschland mit lediglich 48 Prozent des Medians sehr moderat. Im EU-Vergleich liegt Deutschland in dieser Hinsicht auf dem 14. von 21 Plätzen. Als international üblicher Indikator für die Angemessenheit des Mindestlohns gelten 60 Prozent des jeweiligen Medianlohns bzw. 50 Prozent des Durchschnittslohns, wie die EU-Kommission in ihrem neuen Richtlinienentwurf für angemessene Mindestlöhne in der EU herausstellt. Würden die Mindestlöhne mittelfristig an diesen Richtwert angepasst, erhielten in Deutschland rund 6,8 Millionen und EU-weit gut 25 Millionen Menschen erstmals einigermaßen auskömmliche Stundenlöhne – bei gesamtwirtschaftlich überschaubaren Kosten…“ HBS-Pressemitteilung vom 26.02.2021 zum 20-seitigen WSI-Report Nr. 63 „WSI-Mindeslohnbericht 2021 – Ist Europa auf dem Weg zu angemessenen Mindestlöhnen?“ von Malte Lübker und Thorsten Schulten vom Februar 2021