Gender Pension Gap: Tiefe Kluft zwischen Frauen und Männern bei der Rente

Dossier

DGB: Equal Pay DayDer Lohnrückstand von Frauen ist in Deutschland mit konstant 22 Prozent sehr groß im europäischen Vergleich. Doch schaut man auf die Renten, fällt der Abstand noch weitaus gravierender aus. Das konstatieren Dr. Christina Klenner, Gender-Expertin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, sowie Dr. Peter Sopp und Dr. Alexandra Wagner vom Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt in Berlin. In einer neuen Auswertung aktueller Daten aus dem WSI GenderDatenPortal haben sie dokumentiert, welche Unterschiede es bei der Alterssicherung zwischen Frauen und Männern gibt. Nach ihrer Analyse sind Frauen sowohl bei der gesetzlichen Rente als auch bei der betrieblichen Altersversorgung klar im Nachteil. Gleichzeitig profitieren sie stärker von Elementen des sozialen Ausgleichs im Rentenrecht, vor allem bei der Hinterbliebenenversorgung. Die Rente sei damit ein „Spiegelbild der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Erwerbsbeteiligung“…“ WSI-Meldung vom 16.3.2016 externer Link samt dem Link zur Studie. Siehe zum Thema:

  • Altersarmut bei Frauen: „Rentensystem auf männlichen Lebensverlauf ausgerichtet“. Frauen bekommen durchschnittlich weniger Rente als Männer New
    Im Interview von Jasmin Kalarickal vom 3. Februar 2025 in der taz online externer Link kritisiert die Politologin Jutta Schmitz-Kießler die geschönten Zahlen und die reformbedürftige Witwenrente: „taz: Frau Schmitz-Kießler, laut Renten­atlas liegt die Durchschnittsrente bei Männern bei 1.809 Euro im Monat, bei Frauen sind es nur 1.394 Euro. Warum reden wir so wenig über diese Ungerechtigkeit? Schmitz-Kießler: Diese Zahlen schönen sogar das Gesamtbild. (…) Erstens werden nur diejenigen angeschaut, die 35 Versicherungsjahre vorweisen können. Das trifft aber auf Frauen in der Breite gar nicht so zu. Würde man sie miteinbeziehen, würden sie den Durchschnittswert deutlich nach unten drücken. Zweitens sind in den Zahlen alle Rentner und Rentnerinnen miteingeschlossen. Also die, die schon seit 20 Jahren Rente beziehen, genauso wie die, die jetzt gerade erst in Rente gehen. Auch das verzerrt das Bild. (…) In Westdeutschland liegen die neu zugegangenen Frauenrenten im Schnitt bei 888 Euro und in Ostdeutschland bei 1.200 Euro. Darin sind aber alle eingerechnet, also unabhängig davon, wie lange sie in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Der Unterschied zwischen Ost- und West liegt an der nach wie vor unterschiedlichen Erwerbsbeteiligung von Frauen im Osten und Westen. (…) Die Erwerbsbeteiligung von Frauen steigt zwar. Allerdings arbeiten 48 Prozent aller Frauen in Teilzeit. Teils auch in Minijobs, und da kann man sich von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Das machen auch 80 Prozent der Minijobbenden im gewerblichen Bereich. Zudem ist unser Rentensystem ein Spiegelbild des Arbeitsmarktes: Nur wer lange Jahre hohe Beiträge zahlt, erhält eine hohe Rente. Es ist also auf einen typischen männlichen Lebensverlauf ausgerichtet, in dem eine (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit über das gesamte Erwachsenenleben hinweg ohne Unterbrechungen verfolgt wird. Das erreichen Frauen oft nicht. (…) Natürlich würde man grundsätzlich durch mehr Vollzeitarbeit auch mehr Rentenanwartschaften erwerben. Aber es gibt noch immer keine flächendeckende und zuverlässige Kinderbetreuungsinfrastruktur, die das überhaupt zulassen würde. (…) Im Sozial- und Einkommensteuerrecht gibt es eine Reihe von Anreizen, die die Erwerbsarbeit von Frauen begrenzen. Das Ehegattensplittung, die kostenlose Mitversicherung in der Krankenversicherung oder die Aussicht auf eine Witwenrente wirken zunächst für viele attraktiv. Aber beim genauen Hinsehen sind es diese Regelungen nicht. Die Witwenrente beispielsweise liegt bei 55 Prozent und sie wird nur voll ausgezahlt, wenn der Partner oder die Partnerin im Rentenalter verstirbt. Eigene Einkünfte werden über einen Freibetrag angerechnet. Dazu kommt, dass die Witwenrente nur „geerbt“ werden kann, wenn auch geheiratet wird und beide bis zum Tod des „Ernährers“ zusammenbleiben. Die Unsicherheiten, mit denen die Regelungen verbunden sind, liegen auf der Hand. (…) Eine kleine Rente ist nicht gleichbedeutend mit Altersarmut, denn es kann ja auch einen Partner mit hoher Altersrente geben. Wenn ein Haushalt weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat, gilt er als arm. Frauen haben ein sehr viel größeres Armutsrisiko, aber es trifft zunehmend auch Männer. Wenn Sie die Statistik betrachten, zeigt die unter allen Rentnerinnen und Rentnern eine Armutsquote von über 17 Prozent an. Das ist die am stärksten steigende Armutspopulation, die wir in Deutschland haben. Teilweise entstehen aus langen Beitragsjahren Renten, die nur geringfügig über dem Grundsicherungsniveau liegen. Das ist unbefriedigend in der Versorgung und führt zu fehlender Akzeptanz.“
  • Gender Pension Gap: Alterseinkünfte von Frauen 2021 fast ein Drittel niedriger als die von Männern
    „… Frauen sind hinsichtlich ihres durchschnittlichen Einkommens schlechter gestellt als Männer – auch bei den Alterseinkünften. Nach den Ergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2021 bezogen Frauen, die 65 Jahre und älter waren, in Deutschland Alterseinkünfte in Höhe von 17 814 Euro brutto im Jahr. Bei Männern der gleichen Altersgruppe waren es 25 407 Euro brutto. Zu den Alterseinkünften zählen Alters- und Hinterbliebenenrenten und -pensionen sowie Renten aus individueller privater Vorsorge. Einkommensreferenzjahr ist das Vorjahr der Erhebung. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) aus Anlass des Internationalen Frauentages mitteilt, lag damit das geschlechtsspezifische Gefälle bei den Alterseinkünften, auch Gender Pension Gap genannt, bei 29,9 %. Die Alterseinkünfte von Frauen waren damit durchschnittlich knapp ein Drittel niedriger als die von Männern.
    Die Ursachen für dieses Gefälle sind vielfältig: So erwerben Frauen im Laufe ihres Erwerbslebens im Schnitt geringere Rentenansprüche, weil sie teilweise in schlechter bezahlten Branchen arbeiten als Männer. Frauen arbeiten zudem häufiger in Teilzeit, nehmen häufiger und längere Auszeiten für Care-Arbeit und sind seltener in Führungspositionen tätig. (…) Rund 29 % der Frauen ab 65 Jahren erhielten Alterseinkünfte aus einer Hinterbliebenenrente, sogenannte abgeleitete Ansprüche. Bei den Männern trifft dies auf nur gut 5 % zu. Werden diese abgeleiteten Ansprüche auf Altersversorgung, die von der Erwerbstätigkeit des Ehepartners beziehungsweise der Ehepartnerin abhängen, bei der Betrachtung ausgeklammert, resultiert ein noch höherer Gender Pension Gap von 42,6 %. Somit ist die geschlechtsspezifische „Rentenlücke“ größer, wenn nur die eigenen Ansprüche auf Altersversorgung betrachtet werden. (…) Aufgrund ihres geringeren Einkommens sind Frauen im Alter wesentlich häufiger armutsgefährdet als Männer. So fiel die Armutsgefährdungsquote bei Frauen ab 65 Jahren im Jahr 2021 mit 20,9 % höher aus als bei den gleichaltrigen Männern mit 17,5 %. (…) Auch von Wohnkosten sind Frauen ab 65 Jahren stärker belastet. 15,4 % der Frauen ab 65 Jahren lebten in Haushalten, die durch ihre Wohnkosten überbelastet sind. Das heißt, dass diese Haushalte mehr als 40 % ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgaben. Bei Männern derselben Altersgruppe betrug dieser Anteil nur 11,0 %. (…) Auch bei den aktuell Erwerbstätigen ist für die Zukunft ein geschlechtsspezifisches Gefälle bei den Alterseinkünften zu erwarten. Dafür spricht unter anderem die unterschiedliche Teilzeitquote von Männern und Frauen. Hier schlagen sich Geschlechtsunterschiede besonders deutlich nieder: 2021 gingen nach Ergebnissen des Mikrozensus 47,4 % der erwerbstätigen Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren einer Teilzeittätigkeit nach, aber nur 10,6 % der gleichaltrigen Männer. Bei Erwerbstätigen, die mit Kindern im gemeinsamen Haushalt leben, verstärkt sich dieser Unterschied: So betrug hier die Teilzeitquote bei Müttern 63,6 %, bei Vätern lediglich 7,3 %. (…) Auch unterbrechen Frauen ihre Erwerbstätigkeit häufiger und länger als Männer. Beim Elterngeld beispielsweise betrug der Väteranteil 2021 lediglich 25,3 %. Gleichzeitig war die von Männern angestrebte Bezugsdauer mit durchschnittlich 3,7 Monaten deutlich kürzer als die von Frauen mit 14,6 Monaten…“ Destatis-Pressemitteilung vom 7. März 2023 externer Link
  • 2019: Ostrenten und Altersarmut: Die Pech-gehabt-Frauen
  • 2019: Alterssicherung: Frauen bekommen ein Viertel weniger Rente als ihre Partner
  • 2018: Frauen-Bündnis gegen Altersarmut: Offener Brief an Rentenkommission
  • 2017: Zwangsläufig, weil systembedingt: Geringverdiener und viele Frauen bleiben im deutschen Rentensystem auf der Strecke
  • 2016: 12. Frauen-Alterssicherungskonferenz von ver.di: Altersarmut ist eine tickende Zeitbombe – „Frauen-Bündnis gegen Altersarmut“

Siehe auch zuvor im LabourNet:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=95182
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