[Studie der Bertelsmann-Stiftung] Rund 860.000 Menschen in Deutschland: Vor allem Alleinerziehende sind trotz Arbeit auf Sozialleistungen angewiesen
„Rund 860.000 Menschen in Deutschland beziehen zusätzlich zu ihrer Erwerbstätigkeit Sozialleistungen. Unter diesen Aufstocker:innen befinden sich überdurchschnittlich viele Alleinerziehende. Gründe dafür sind vor allem Minijobs, niedrige Löhne und die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung. Viele Menschen in Deutschland sind trotz Arbeit auf Sozialleistungen angewiesen: Mehr als jede:r fünfte Leistungsbeziehende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II geht im Jahr 2021 einer Erwerbstätigkeit nach (22 Prozent). Insgesamt belief sich die Zahl dieser sogenannten Aufstocker:innen in Deutschland im Juni dieses Jahres auf rund 860.000 Menschen. Das zeigt eine aktuelle Auswertung, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in unserem Auftrag vorgenommen hat. Wie aus einer Langzeitanalyse für die Jahre 2010 bis 2018 hervorgeht, waren fast ein Drittel aller Leistungsbeziehenden, die in einer Familie mit Kindern leben, in diesem Zeitraum erwerbstätig. Und das, obwohl sie aufgrund der Anrechnungsregeln im SGB II nur einen kleinen Teil ihres Einkommens behalten und kein Vermögen ansparen können…“ Meldung der Bertelsmann Stiftung vom 15.12.2021 – siehe die Studie und 2 Artikel dazu:
- Zu Details siehe die 96-seitige Studie „Erwerbstätigkeit und Grundsicherungsbezug – Wer sind die Aufstocker:innen und wie gelingt der Ausstieg“ Torsten Lietzmann und Claudia Wenzig vom Dezember 2021
- Zukunftsmodell Aufstocker: Coronahelden auf Stütze – Aktuell beziehen 860.000 Menschen in Deutschland ergänzende Sozialleistungen.
„… Der Nachsatz im Koalitionsvertrag richtet sich an alle Blauäugigen: »Gleichzeitig werden wir verhindern, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden.« Was von solchen Bekenntnissen zu halten ist, offenbart eine am Mittwoch vorgelegte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), zu der sich sogar die Bertelsmann-Stiftung genötigt gesehen hatte, die diese entsprechend in Auftrag gab. Demnach geht mehr als jeder fünfte Sozialleistungsbezieher in Deutschland einer Erwerbsarbeit nach, deren Erträge aber so gering sind, dass sich davon nicht leben lässt. Insgesamt belief sich die Zahl der sogenannten Aufstocker im Jahr 2021 auf rund 860.000 Menschen, was 22 Prozent aller Anspruchsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch II entspricht. Zu den Leidtragenden zählen insbesondere Alleinstehende mit Kindern, die Mehrzahl davon Frauen. Wie die Forscher ermittelten, ist jeder sechste Alleinerziehende trotz Arbeitstätigkeit auf ergänzende staatliche Hilfen angewiesen. Dabei übt von allen Aufstockern fast die Hälfte, nämlich 46 Prozent, eine geringfügige Beschäftigung aus, und über drei Viertel erhalten einen Niedriglohn. (…) Gemäß einer IAB-Langzeitanalyse für die Jahre 2010 bis 2018 war fast ein Drittel aller Leistungsempfänger, die in einer Familie mit Kindern leben, in diesem Zeitraum erwerbstätig. Und dies, obwohl sie aufgrund der Anrechnungsregeln im SGB II nur einen kleinen Teil ihres Einkommens behalten und kein Vermögen ansparen dürfen. (…)Im Zuge der Coronakrise hat sich die Situation nur scheinbar entschärft. Nach den Befunden betrug die Quote der Aufstocker unter allen Transferleistungsbeziehern 2019 sogar mehr als 26 Prozent. Wegen des massenhaften Wegfalls schlechtbezahlter Stellen etwa im Gastgewerbe und der neuen Herausforderungen bei der Betreuung von Kindern während zweier Shutdowns hätten viele den Job aufgeben und komplett in den SGB-II-Bezug wechseln müssen, heißt es in der Studie…“ Artikel von Ralf Wurzbacher in der jungen Welt vom 16. Dezember 2021 - Studie: Vor allem Alleinerziehende und Migranten müssen trotz Jobs aufstocken
„… Sozialleistungen trotz Arbeit: Trotz eines Jobs bleiben viele Menschen in Deutschland einer aktuellen Studie zufolge auf Sozialleistungen angewiesen. Mehr als jeder fünfte Leistungsbeziehende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II gehe im Jahr 2021 einer Erwerbstätigkeit nach, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh bei der Präsentation der Studie. Unter den Aufstockern seien überdurchschnittlich viele Alleinerziehende und Migranten. Sozialverbände forderten mehr Maßnahmen gegen Kinder- und Familienarmut.(…) Unter allen Haushaltsformen habe die Gruppe der Alleinerziehenden das höchste Risiko, ihr Arbeitseinkommen aufstocken zu müssen „Es ist erschreckend, dass ein so hoher Anteil der Alleinerziehenden trotz Arbeit auf Transferleistungen angewiesen ist, um das Existenzminimum für sich und ihre Kinder zu sichern“, sagte Anette Stein von der Bertelsmann Stiftung. (…) „Hinsichtlich der soziodemographischen und regionalen Merkmale zeigt sich, dass Aufstocker eher in Ostdeutschland leben, ein niedriges Bildungsniveau aufweisen, tendenziell einen schlechteren Gesundheitszustand berichten und häufiger einen Migrationshintergrund haben“ heißt es in der Studie. Düster sieht es auch bei den Aufstiegschancen aus: „Ein Aufstieg ist für Migrant sowie für geringfügig Beschäftigte, Selbständige und Erwerbstätige mit geringem Stundenlohn im Folgejahr signifikant seltener“, so die Studienautoren. (…) Insgesamt arbeitete laut der Studie jeder fünfte Sozialleistungsbeziehende im Jahr 2021 zusätzlich in einem Job….“ Meldung vom 16. Dezember 2021 von und bei MiGAZIN