Arbeitszeitgesetz: Kampf um den Acht-Stunden-Tag [erneut]

Dossier

Arbeit ohne EndeFlexiblere Arbeitszeiten und die Orientierung am Ergebnis, nicht an der Präsenz im Büro können auch den Beschäftigten zugutekommen“, sagte die SPD-Politikerin unlängst auf einem Fachkongress in Berlin. Dazu hat Nahles einen Dialog mit Arbeitgebern und Gewerkschaften gestartet, der in ein neues Arbeitszeitgesetz münden könnte. Die Arbeitgeber fordern, die täglich zulässige Höchstarbeitszeit von acht Stunden abzuschaffen und stattdessen nur noch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit gesetzlich vorzuschreiben…“ Artikel von Birgit Marschall vom 23. Juli 2015 in der Rheinischen Post online externer Link und im Zusammenhang hiermit die Debatte um Industrie/Arbeit 4.0. Siehe hier die Debatte:

  • Arbeiten 4.0 erfordert ein starkes Arbeitszeitgesetz New
    „Flexible Arbeitszeiten gehören zu einer digitalen und vernetzten Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts dazu (…) Vor diesem Hintergrund ist die Forderung der Liberalen und der Wirtschaftsverbände nach einer Aufweichung der Schutzregelungen im Arbeitszeitgesetz besonders kritisch. Denn statt die Beschäftigten vor dem wachsenden Arbeitsdruck zu schützen, soll ihnen dieser Schutz sogar genommen werden: Die FDP will – zur Sicherstellung unternehmerischer Arbeitsprozesse – die tägliche Höchstarbeitsgrenze von acht (bzw. zehn Stunden im Ausnahmefall) kippen und gegen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit tauschen. Die Möglichkeit bzw. die Notwendigkeit, sich zeitnah nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag erholen zu können – so wie es die Arbeitswissenschaft fordert –, wird dadurch erheblich erschwert. Vor allem dann, wenn zu erwarten ist, dass nach Ende eines Projekts oder eines hohen Arbeitsanfalls eine Erholung keinesfalls garantiert ist, weil schon der nächste Kraftakt wartet (…) Das derzeit geltende Arbeitszeitgesetz muss zum Schutz der Beschäftigten gerade in der heutigen flexiblen Arbeitswelt erhalten bleiben. Und es sollte sogar über bessere Kontrollen in Bezug auf (versteckte) Überstunden gestärkt werden! Das geltende Arbeitszeitgesetz ermöglicht in Sachen Flexibilisierung vieles – teilweise mehr, als aus Sicht von Sicherheit und Gesundheit eigentlich wünschenswert ist. Schon jetzt ist auf Basis des Arbeitszeitgesetzes die Ausdehnung der Arbeitszeit auf bis zu 60 Stunden pro Woche über einen Zeitraum von mehreren Wochen möglich. Das Ziel von politischer Regulierung der Arbeitszeit sollte doch darin bestehen, dass Erwerbstätige über lange Zeit (!) gesund bleiben und in ihrer Work-Life-Balance gestärkt sind, so dass sie auch am Arbeitsplatz leistungsfähig und belastbar sind. Dafür stellen die momentanen zeitlichen Rahmenbedingungen (8-Stunden-Tag, 40-Stunden-Woche, 11 Stunden Ruhezeit) einen Mindeststandard für eine gesunde und sichere Gestaltung der Arbeit dar (vgl. Romahn 2017). Die hohen Arbeitsbelastungen vieler Beschäftigter dürfen vom Staat nicht weiter ignoriert werden. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels sollte die Gesundheit der Beschäftigten einen besonderen Stellenwert erhalten. Die schon jetzt zur Verfügung stehenden Instrumente des Arbeitsschutzes zur Reduzierung von (psychischen) Belastungen (sprich: Gefährdungsbeurteilungen) werden bisher nur zu einem Bruchteil umgesetzt (Ahlers 2020). Hier muss die Politik deutlich stärker ansetzen, um (die häufigen) Verstöße gegen das Arbeitsschutz- oder das Arbeitszeitgesetz zu sanktionieren. Dafür notwendig ist auch eine personelle Aufstockung der Aufsichtsbehörden. Notwendig ist vor allem auch eine verpflichtende Arbeitszeiterfassung, denn Mehrarbeit muss zur Vermeidung unbezahlter Überstunden für alle transparent kenntlich gemacht werden. Dazu ist das EuGH-Urteil vom Mai 2020 zur Arbeitszeiterfassung auch in Deutschland umzusetzen…“ Beitrag von Elke Ahlers vom 14. September 2021 beim WSI online externer Link

  • [VDJ-Erklärung] 2018: 100 Jahre Achtstundentag in Deutschland – Soll das jetzt vorbei sein? Drohende Experimente mit dem Arbeitszeitgesetz  „Arbeitsrechtler verlangen wirksame Maßnahmen gegen Burn-Out und die weitere Entgrenzung von Arbeitszeiten – Beschäftigte brauchen Zeitsouveränität und wirksamen Arbeitsschutz statt Abbau von Arbeitnehmer-Schutzrechten! (…) – Angesichts steigender Zahlen psychischer Erkrankungen brauchen Beschäftigte mehr statt weniger Arbeitsschutz. – Die Beschäftigten brauchen eine effektive Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeitenregelungen durch die Arbeitsschutzbehörden. Die gesetzlichen Dokumentationspflichten sind auf alle tatsächlich ausgeübten Arbeitszeiten und die Pausennahme zu erweitern. Die Behörden sind entsprechend personell auszustatten und mit entsprechenden Kompetenzen zu versehen. – Die extreme Ausweitung der maximalen Arbeitszeitgrenzen durch das Arbeitszeitgesetz von 1994 ist zurückzunehmen auf eine maximale wöchentliche Arbeitsdauer von ausnahmsweise 50 Stunden und nicht mehr. Ausstiegsklauseln sind zu verbieten. – Eine verbindliche und nachzuweisende Pausennahme ist zu gewährleisten – Ausgleichszeiträume für Phasen mit längerer Arbeitszeit sind auf maximal drei Monate zu beschränken. – Wir brauchen quantitative Besetzungsregelungen, insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich. Eine Effektivierung der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte durch ein Initiativrecht für eine verbindliche und transparente Erfassung aller Arbeitszeiten und deren Offenlegung gegenüber Beschäftigten und den Aufsichtsbehörden. – Wir brauchen den jeweiligen persönlichen und familiären Lebensumständen und Phasen entsprechende Familien-, Gesundheits- und altersgerechte Arbeitszeiten im Sinne einer zuverlässig abgesicherten „Work-Life-Balance“. – Hände weg vom regelhaften Achtstundentag! (…) Dies ist die Position der arbeitnehmerorientierten Arbeitsrechtlerinnen und Arbeitsrechtler – erörtert und beschlossen auf der Frühjahrstagung des Arbeitskreises Arbeitsrecht der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. am 07.04.2018.“ veröffentlicht am 2. Mai 2018 beim VDJ externer Link
  • Arbeitszeit verkürzen statt verlängern! Attac: Widerstand gegen Arbeitgeberpläne!
    Die Arbeitgeber wollen eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit über 8 Stunden hinaus ermöglichen . Dazu soll das Arbeitszeitgesetzes revidiert werden, statt des 8-Stunden-Tages soll eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festgelegt werden. Der 8-Stunden-Tag ist eine sozialpolitische, ökonomische und kulturelle Errungenschaft, die vor fast 100 Jahren im Ergebnis der Novemberrevolution in Deutschland Gesetzeskraft erlangte….“ Presseerklärung der Attac AG ArbeitFairTeilen vom 31.8.2015 externer Link
  • Forscher: Weitere Deregulierung unnötig und schädlich. Arbeitszeitflexibilität: Tarifliche Regelungen bieten großen Spielraum für betriebliche Gestaltung
    Braucht die deutsche Wirtschaft flexiblere Regelungen zur Arbeitszeit und Arbeitszeitgestaltung, um den Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden? Muss gar der Achtstundentag abgeschafft werden, wie es Arbeitgeberver-treter gefordert haben? Nein, zeigt eine Untersuchung des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung: Eine Analyse der tariflichen Arbeitszeitbestimmun-gen belegt quer über alle Wirtschaftszweige hinweg ein kaum noch zu steigern-des Maß an flexiblen Anpassungsmöglichkeiten an betriebliche Produktions- und Arbeitserfordernisse…“ HBS-Mitteilung vom 26.08.2015 externer Link
  • Flexibilisierung der Arbeitszeit – kommt das Ende des Acht-Stunden-Tags?
    In Deutschland ist der Achtstundentag seit 1918 gesetzlich vorgeschrieben und konnte damals auch deswegen durchgesetzt werden, weil das Wirtschaftssystem von einer gut organisierten Arbeiterbewegung grundsätzlich in Frage gestellt wurde. (…) Weil die Industrie 4.0 mit dem Konkurrenzvorteil bei dem Entwicklungsstand der Digitalisierung bei uns angeblich nicht mehr mit dem Arbeitszeitgesetz übereinstimmen würde, machen die organisierten Unternehmer derzeit massiv Druck…“ Beitrag vom 15. August 2015 von und bei Gewerkschaftsforum Dortmund externer Link. Aus dem Text: „… Das Sozial- und Arbeitsrecht wird wieder mal als viel zu viel Bürokratie diskreditiert, wie das schon bei der Durchlöcherung des Mindestlohngesetzes erfolgreich geschehen ist Die Bundesregierung und die organisierte Unternehmerschaft, im Verbund mit dem Ko-Management einiger Gewerkschaften, vor allem der exportorientierten IG Metall, arbeiten mit Hochdruck daran, den Vorsprung im IT-Bereich mit allen Mitteln für den weltweiten Konkurrenzkampf auszubauen. Da passt ihnen ein gesetzlicher Arbeitszeitkorridor nicht mehr in eine Welt, die 24 Stunden am Tag in Echtzeit online unterwegs ist...“
  • Gesetzliche Arbeitszeiten IG Metall warnt über Überlastung durch längere Arbeitszeiten
    Die Arbeitgeber wollen den Acht-Stunden-Tag abschaffen. Damit nehmen sie eine Überbelastung von Beschäftigten in Kauf, sagt die IG Metall. Schon heute arbeiteten viele Berufstätige extrem lange. Tatsächlich haben männliche Vollzeit-Beschäftigte im Durchschnitt eine 44-Stunden-Woche...“ Artikel von Eva Roth vom 11.8.2015 in der Berliner Zeitung online externer Link

  • Digitalisierung und Arbeitszeiten: Auch Arbeit braucht Grenzen
    Die Digitalisierung erhöht den Druck, im Job immer flexibler zu werden. Gerade deshalb sind Regeln für die Arbeitszeit notwendiger denn je – und nicht noch mehr Deregulierung...“ Leitartikel von Eva Roth vom 11.8.2015 in der FR online externer Link

  • Renaissance der Kämpfe um Zeit. Wie lange wollen wir arbeiten? Und wann wollen wir arbeiten? Die Debatte ist eröffnet
    Das Kapital will den Acht-Stunden-Tag schleifen, die Gewerkschaften diskutieren über die Arbeitszeit wie seit Jahren nicht mehr. Die nd-Serie »Arbeitszeitverkürzung« blickt auf Positionen und Konzepte. (…) Der Kampf um Zeit kann sich also nicht nur um die absolute Dauer der Arbeitszeit drehen, es muss auch um die Verteilung und Ausgestaltung gehen. Wenn Ende September mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und Mitte Oktober der IG Metall die beiden größten DGB-Gewerkschaften sich zu ihrem Bundeskongress beziehungsweise Gewerkschaftstag treffen, wird die Arbeitszeit ein Thema sein. Was genau sind die Forderungen und Vorstellungen der beiden Organisationen? Wie, wenn überhaupt, soll die Debatte um Arbeitszeitverkürzung wieder gesellschafts- oder gar mehrheitsfähig gemacht werden? Welche Gruppen sind von zu langer Arbeit oder erzwungener Teilzeit besonders betroffen? Wie schlägt sich das in der Tarifpolitik nieder? Und wie steht eigentlich die Politik zum Thema?…“ Einführung in das beginnende Dossier von Jörg Meyer vom 07.08.2015 in Neues Deutschland online externer Link
  • BDA und BDI greifen Arbeitszeitgesetz an: Kampf um den Acht-Stunden-Tag
    Artikel von Otto König und Richard Detje vom 31. Juli 2015 bei Sozialismus aktuell externer Link. Aus dem Text: „… Vermutlich betreiben die Arbeitgeberverbände mit ihrer öffentlichen Positionierung in der Arbeitszeitfrage »Lobbyarbeit im Vorfeld« des Weißbuches der Bundesregierung. Wenn dem so sein sollte, ist es umso notwendiger, dass sich die Gewerkschaften wappnen und mit eignen Arbeitszeitinitiativen öffentlich »Flagge zeigen«. Die Kongresse der beiden größten DGB-Gewerkschaften – ver.di und IG Metall – im September und Oktober sind gute Gelegenheiten für die Delegierten, sich zum Thema Arbeitszeit zu positionieren. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung darüber, wie die Defensive der Gewerkschaften in der Arbeitszeitfrage überwunden werden kann. Dies ist schon deshalb notwendig, weil »Kämpfe um Zeit« anspruchsvoller und komplexer geworden sind. Dies gilt auch für die Durchsetzungsbedingungen…“
  • Arbeitszeitgesetz: Arbeitnehmer sind flexibel, Arbeitgeber eher nicht
    Die Unternehmer wollen das Arbeitszeitgesetz aufweichen. Es sei nicht mehr zeitgemäß. Forscher warnen: Schon jetzt arbeiten viele Deutsche mehr als das Gesetz erlaubt…“ Artikel von Nadine Oberhuber vom 28. Juli 2015 bei der Zeit online externer Link. Aus dem Text: „… Arbeitsforscher Bosch findet jedenfalls: „Wir sind in Europa dasjenige Land mit der höchsten Arbeitszeitflexibilität“. Trotz Arbeitszeitgesetz. Deshalb verfangen die Argumente der Arbeitgeber bei ihm nicht: „Bei Unternehmen mit 20.000 Angestellten sind es höchstens 20, die regelmäßig mit Amerika telefonieren. Soll man für die das ganze Gesetz kippen und den Gesundheitsschutz für alle Angestellten aus den Angeln heben? Da hat der Gesetzgeber einen Schutzauftrag.“…“
  • Hoffmann: Arbeitgeber missbrauchen Digitalisierungs-Debatte
    Die Arbeitgeber missbrauchen die Debatte um die Auswirkung der Digitalisierung, um die Rolle rückwärts bei den Arbeitszeiten einzuleiten“, kritisiert der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. „Mit altbackenen Lösungen gestaltet man aber keine Zukunft.“…“ DGB-Pressemitteilung vom 23.07.2015 externer Link
  • Nichts ist sicher: Achtstundentag in Frage gestellt
    „… Die Agitation gegen den Achtstundentag ist also ein mehr als 100 Jahre alter Hut. Nur die jeweils vorgebrachten Rechtfertigungen gehen mit der Zeit. Dieses Mal ist es die »Digitalisierung«, die angeblich zur Entgrenzung der Arbeitszeiten zwinge. Das Gesetz erschwere beispielsweise die internationale Kommunikation über Zeitzonen hinweg, klagte die BDA. Nach dieser Logik müssten Beschäftigte freilich 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche im Einsatz sein. (…) Die tägliche Höchstarbeitszeit ist ein gewerkschaftlich und politisch erkämpftes Schutzrecht, das dazu beitragen soll, die Gesundheit der abhängig Beschäftigten zu erhalten. Schon heute wird es massenhaft unterlaufen. Die richtige Antwort auf die BDA-Initiative wäre daher, die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeiten auf die Agenda zu setzen. Die Bereitschaft, den Kapitalismus auch grundsätzlich in Frage zu stellen, würde – wie 1918 – bei deren Durchsetzung sicher helfen.“ Artikel von Daniel Behruzi in junge Welt vom vom 24.07.2015 externer Link
  • Die Argumentation im Artikel von Birgit Marschall vom 23. Juli 2015 in der Rheinischen Post online externer Link: „… Auch Hans-Peter Klös vom arbeitgebernahen Institut der Wirtschaft, Mitglied des von Nahles ins Leben gerufenen Beraterkreises, sagte: „Der gesetzliche Korridor passt nicht mehr in eine Welt, die 24 Stunden am Tag in Echtzeit online unterwegs ist.“ Die Flexibilitätsanforderungen der Wirtschaft müssten mit legitimen Schutzansprüchen der Arbeitnehmer in Einklang gebracht werden. „Der Gesetzgeber wird den gesetzlichen Arbeitszeitrahmen lockern müssen.“ Tarif- und Betriebsparteien müssten mehr selbst regeln. Die Gewerkschaften lehnen die Arbeitgeber-Forderung jedoch strikt ab…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=83798
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