30-Stunden-Woche fordern! Ohne Arbeitszeitverkürzung nie wieder Vollbeschäftigung!
Dossier
Offener Brief an die Vorstände der Gewerkschaften, Parteien, Sozial- und Umweltverbände und Kirchenleitungen in Deutschland: „Wir, die Unterzeichnenden dieses offenen Briefes, wenden uns an die RepräsentantInnen der Gewerkschaften, an alle demokratischen Parteien, die SpitzenvertreterInnen der Sozial- und Umweltverbände sowie die Kirchenvorstände in Deutschland mit der dringenden Bitte, dem Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit höchste wirtschaftliche und politische, soziale und humanitäre Priorität einzuräumen. Deutschland und die ganze Europäische Union befinden sich in einer schweren ökonomischen und sozialen Krise. Die Arbeitslosigkeit hat in Europa unerträgliche Größenordnungen erreicht. Besonders erschreckend ist die Jugendarbeitslosigkeit, die in einzelnen Ländern über 50 Prozent hinausgeht. In Deutschland ist zwar die Zahl der Jobs in den letzten Jahren gestiegen, aber es sind überwiegend Kurz-Jobs, die als Lebensgrundlage nicht ausreichen (sog. prekäre Beschäftigungsverhältnisse). Die Bewältigung der Arbeitsmarktkrise erfordert die aktive Beteiligung aller demokratischen Kräfte im Land. Wirtschaftliche Macht und neoliberale Politik müssen daran gehindert werden, weiterhin die Krisenlasten der lohnabhängigen Bevölkerungsmehrheit, den Arbeitslosen und den sozial Schwachen aufzubürden. Notwendig ist eine faire Verteilung der Arbeit durch eine kollektive Arbeitszeitverkürzung. Lassen Sie uns dafür gemeinsam kämpfen!...“ Für diesen Offenen Brief wurden bis zum 7.2. Unterschriften gesammelt, am 12.2. in Berlin findet eine Pressekonferenz zur Kampagne statt. Siehe dazu den Offenen Brief, Kommentare und Hintergründe:
- Der Offene Brief mit dem Unterschriften-Stand vom 21.1.2013 und mit dem Stand vom 11.2.2013 bei der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
Kommentare:
- Gestärkte Klasse. Zur Debatte um die 30-Stunden-Woche: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, mit Arbeitskräfteersatz und Erhöhung der Lohnsumme
„Der offene Brief von 100 Prominenten für eine 30-Stunden-Woche vom 10. Februar 2013 erreichte in den Mainstreammedien eine erhebliche Aufmerksamkeit und sehr kontroverse Kommentare. Dabei verliefen die Fronten keineswegs nur zwischen dem Lager der Unternehmer und dem der Lohnabhängigen. Vielmehr erschien die Front der Gewerkschaftsfreunde gespalten,2 und die Gewerkschaftsführungen selbst schwiegen oder distanzierten sich herablassend beiläufig. Letzteres ist anhand der Verstrickung von Gewerkschaftsführungen und der Abhängigkeit ihrer Mitglieder von den Exportindustrien leicht verständlich…“ Artikel von Jörg Miehe in junge Welt vom 16.05.2013
- Die Arbeitszeitverkürzung ist längst da – warum die Arbeitslosigkeit dennoch steigt und wie sie gesenkt werden kann
„Plötzlich beschäftigt sie uns wieder, die Arbeitszeitverkürzung. Zumindest hat ein offener Brief mit der Forderung einer 30-Stunden-Woche den Weg in die Nachrichten geschafft und hält sich dort nun immerhin bereits einige Tage. “Ohne Arbeitszeitverkürzung nie wieder Vollbeschäftigung!”, heißt es in der Überschrift des offenen Briefes, der sich “an die Vorstände der Gewerkschaften, Parteien, Sozial- und Umweltverbände und Kirchenleitungen in Deutschland” richtet. Wovon aber ist Vollbeschäftigung abhängig?...“ Artikel von und bei Thorsten Hild vom 13.2.2013
- 30-Stunden-Woche: Leider unrealistisch
„Die Forderung nach einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich ist notwendig und richtig – doch sie wird kaum durchzusetzen sein. Das hat wenig mit der Stimmigkeit der Argumente eines offenen Briefes von hundert Unterzeichnern aus Politik, Kirchen und Gewerkschaften zu tun, der am Montag publiziert wurde. Der Grund ist vielmehr die prekäre Lage der deutschen Gewerkschaften…“ Kommentar von Johannes Schulten in junge Welt vom 12.02.2013
- Notwendiges Schmuddelkind. Die Debatte über die 30-Stunden-Woche ist überfällig
„Die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist wie ein Schmuddelkind, das sich auch die Gewerkschaftsspitzen vom Hals halten wollen: Haben wir probiert, hat nicht geklappt, unrealistisch, heißt es. Die Beschäftigtenvertreter haben mit dazu beigetragen, dass der Ruf nach Arbeitszeitverkürzung desavouiert ist. Nicht nur, weil die IG Metall die Kräfteverhältnisse, auch in den eigenen Reihen, 2003 falsch einschätzte und in Ostdeutschland der Streik für die 35-Stunden-Woche schmerzhaft scheiterte. Sondern auch, weil sie beim Abschluss der 35-Stunden-Woche in der westdeutschen Metallindustrie nicht an die Möglichkeit dachte, dass die Unternehmen mit Arbeitsintensivierung kontern würden…“ Kommentar von Eva Völpel in der taz vom 11.02.2013
- Weniger Arbeiten: 30 Stunden und nicht mehr
„Über 100 Prominente fordern in einem offenen Brief eine neue Debatte über Arbeitszeitverkürzung. So will man Massenarbeitslosigkeit bekämpfen. Um die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist es still geworden. Doch jetzt gibt es einen neuen Vorstoß. In einem offenen Brief, der diesen Montag vorgestellt wird und der taz vorliegt, fordern über 100 Wissenschaftler, Politiker, Gewerkschafter und Publizisten eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Sie wenden sich damit an die Vorstände der Gewerkschaften, Parteien, Sozial- und Umweltverbände sowie die Kirchenleitungen in Deutschland…“ Artikel von Eva Völpel in der taz vom 10.02.2013 . Aus dem Text: „… „Die Gewerkschaftsspitzen behaupten, die Beschäftigten wollen keine Arbeitszeitverkürzung, weil sie Lohnverlust und Arbeitsintensivierung fürchten. Meine Erfahrung ist aber, es fehlt an fundamentalem Wissen und Aufklärung“, sagte Bontrup. Selbst mancher Gerwerkschaftsvorstand „kapiert Dinge aus dem ersten Semester Ökonomie nicht. Man muss die Ware Arbeitskraft verknappen, sonst bekommt man die Löhne nicht hoch“.“
- 30 Stunden sind genug. Ein Bündnis von Wissenschaftlern, Politikern und Gewerkschaftern setzt Akzente gegen Niedriglohn, Stress und Arbeitshetze
Artikel von Peter Nowak in telepolis vom 12.2.2013
Zum Hintergrund:
Arbeitszeitverkürzung jetzt! 30-Stunden-Woche fordern!
„In der Geschichte der Bundesrepublik gab es nur wenige Jahre sog. Vollbeschäftigung. Das Menschenrecht auf menschenwürdige Arbeit und menschenwürdige Muße ist nach wie vor nicht realisiert. Die vorliegende Veröffentlichung will mit helfen, eine neue gesellschaftliche Debatte um die gerechte Verteilung von Arbeit, Arbeitszeitverkürzung und dem Ausbau der öffentlichen Beschäftigung voranzubringen. Arbeitszeitverkürzung in allen Formen und die Verteilung von Arbeit muss wieder auf die Tagesordnung von Politik und Gewerkschaften gesetzt werden. Nur so kann die Massenarbeitslosigkeit effektiv bekämpft werden.“ Broschüre von Heinz-J. Bontrup und Mohssen Masserat (Hrsg.) – mit dem „Manifest zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit“ – erschienen beim pad-verlag/Bergkamen im Rahmen des pad-Projektes „Ökonomisches Alphabetisierungsprogramm“.
- Die Broschüre (74 Seiten, 5.– €, Staffelpreise bei Direktbestellung: ab 5 Expl. 4,50 €/St., ab 10 Expl. 4.– €/St.) kann per E-Mail bestellt werden: pad-Verlag@gmx.net
- Der Inhalt: 1. Arbeitszeitverkürzung lange überfällig – Vorwort der Herausgeber / 2. Manifest zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit / 3. Texte – Interviews – Materialien (Oswald von Nell-Breuning: 10 Stunden sind genug – Fritz Vilmar: Systematische Verknappung des Arbeitskraft-Angebots: Ein tarifpolitischer Beitrag zur Vollbeschäftigungspolitik und Wirtschafts-demokratie – Oskar Negt: Arbeit und menschliche Würde – 30 Stunden sind genug (Flugschrift) – Heinz-J. Bontrup: Höhere Produktivität erlaubt kürzere Arbeitszeiten (Interview mit den vdi-nachrichten) – Gewerkschafts-politischer Ratschlag zur Arbeitszeitverkürzung) / 4. Offener Brief an die Vorstände der Gewerkschaften, Parteien, Sozial- und Umweltverbände und Kirchenleitungen in Deutschland
- Siehe auch den Verlagsflyer zur Broschüre
Siehe dazu auch:
- „Arbeitszeitverkürzung jetzt!“
Massenarbeitslosigkeit gibt es schon viel zu lange in Deutschland. Heinz-J. Bontrup und Mohssen Massarrat meinen: Arbeitszeitverkürzung ist lange überfällig. “ Wenn die Menschen hierzulande an den Abendbrottischen platznehmen, stellt sich immer öfters auch die Angst mit ein. Während sie essen, nagt sie an deren Selbstbewusstsein. Und schon beginnen die Menschen auch an den Fragen zu kauen, die die Angst in ihrem Innern aufzuwerfen beginnt. Wird morgen noch alles so wie heute sein? Beispielsweise könnten die von der von General Motors ins Auge gefasste Schließung des Bochumer Opel-Werkes Betroffenen von derlei Unbehagen beschlichen werden. Arbeitsplätze gehen in Größenordnungen verloren. Auch in anderen Branchen…“ Besprechung der pad-Broschüre von „asansörpress35“ vom 20.12.2012 im Freitag-Blog
- Anlaß zur Debatte: Arbeitszeitverkürzung bei Porsche
„Solche Nachrichten hat es aus der Automobilindustrie schon lange nicht mehr gegeben: Beim Sportwagenhersteller Porsche wird die Wochenarbeitszeit der Bandarbeiter am Standort Stuttgart von 35 auf 34 Stunden verkürzt – bei vollem Lohnausgleich. Ist der Deal bei der VW-Tochter ein Zeichen dafür, daß die IG Metall ihre längst vergessen geglaubte Forderung nach Umverteilung der vorhandenen Arbeit wiederentdeckt hat? Schreibt sie sich das Motto »Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen« endlich wieder auf die Fahnen? Das ist leider nicht zu erwarten. Dennoch kann die am Donnerstag bekanntgegebene Vereinbarung vielleicht dazu dienen, die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit kürzerer Arbeitszeiten wieder auf die Agenda innergewerkschaftlicher Debatten und Aktivitäten zu setzen…“ Artikel von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 14.12.2012. Aus dem Text: „… Will die Gewerkschaft die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung wieder populär machen, muß sie neben dem Lohn- auch einen vollständigen Personalausgleich durchsetzen. Dann wäre sie auch ein Mittel zur Reduzierung der Massenarbeitslosigkeit – als das sie ja ursprünglich einmal konzipiert war. Geschehen ist in den vergangenen 17 Jahren das Gegenteil: Die realen und teilweise auch tariflichen Arbeitszeiten wurden länger – oft unbezahlt. Folge war auch eine Schwächung der Gewerkschaften. Vor diesem Hintergrund ist es höchste Zeit für möglichst radikale Arbeitszeitverkürzung. Bei allen Schwächen könnte der Porsche-Deal Anlaß bieten, das endlich wieder zum Thema zu machen.“