Umkleidezeiten & IG Metall: Wie Tarifverträge Gesetze aushebeln
„In den meisten Großbetrieben, vor allem in der Automobilindustrie werden Umkleidezeiten auf dem Betriebsgelände n i c h t vergütet. Dabei ist das Gesetz eigentlich klar, denn das Umkleiden erfolgt im ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers und auch a m Arbeitsplatz. Das Bundesarbeitsgericht zählt Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn es sich um „eine fremdnützige Tätigkeit“ handelt. Das Umkleiden sei dann n i c h t fremdnützig, wenn es zu Hause erfolgt und die Arbeitskleidung ohne besonders auffällig zu sein auch auf dem Weg zur Arbeit getragen werden könne (BAG vom 13.12.106, 9 AZR 574/15). Die meisten Arbeitskleidungen s i n d auffällig. Allein durch Embleme wie „VW“, „BMW“ oder den Mercedes-Stern usw.. Nach BAG-Rechtsprechung ist das Tragen einer solchen Kleidung in der Öffentlichkeit dem einzelnen Arbeitnehmer n i c h t zumutbar, denn sie können auf diese Weise „als Angehörige ihres Arbeitgebers ohne Weiteres erkannt werden“ (BAG vom 17.11.2015, 1 ABR 76/13). Was bedeutet das für die Vergütung der Umkleidezeiten? Richtig: Die Zeiten müssen bezahlt werden. Das sind pro Beschäftigten oft bis zu 2x 20 Minuten pro Tag, also Millionen an Euro, die die Unternehmen eigentlich zu tragen hätten… Doch die „verständnisvollen“ Gewerkschaften vor allem in der Automobilindustrie haben dem durch die von ihnen abgeschlossenen Tarifverträge einen Riegel vorgeschoben. (…) Man mag diese Rechtsprechung kritisieren. Wohl zu Recht. Und trotzdem ist das Problem gar nicht juristischer Art: Die Gewerkschaften hätten es in der Hand JEDERZEIT durch andere Regelungen in den Tarifverträgen für eine andere Rechtslage zu sorgen. (…) Das Mindeste ist dies: Tarifverträge dürfen künftig n i c h t mehr gesetzliche Standards unterlaufen. Auch nicht Tarifverträge der IG Metall!“ Info von Rolf Geffken vom 25.10.2017 und dazu auch:
- Kritik an Arbeitszeit- und Tarifpolitik der IG Metall: „Eine Gewerkschaft, die sich auch als Interessensvertretung der Arbeitgeber versteht, ist keine Gewerkschaft mehr.“
„Dass von sogenannten Arbeitgebern und Gewerkschaften geschlossene Tarifverträge gesetzliche Standards sogar noch unterlaufen können, ist spätestens seitdem die IG Metall es in der Metall- und Elektroindustrie erlaubt hat, dass Leiharbeiter künftig bis zu 48 Monate in einem Betrieb beschäftigt werden können, bekannt. Dass es sich hierbei um keinen Einzelfall handelt, zeigte sich kürzlich erneut. So sind laut Manteltarifvertrag für die bayrische Metallindustrie für BMW, Zeiten für Umkleiden und Waschen „keine Arbeitszeit“. Über die Tarifpolitik der IG Metall haben wir mit Dr. Rolf Geffken, Arbeits-, Wirtschaftsrechtler und Autor aus Hamburg gesprochen…“ Interview von und bei Radio Dreyeckland vom 3. November 2017- Im Gespräch wird auch der offene Brief der Mitglieder des Tarifpolitischen Arbeitskreises der IG Metall Geschäftsstelle Jena-Saalfeld aufgegriffen, siehe den Brief im Dossier zur Tarifrunde Metall- und Elektroindustrie 2017/2018