Praktikumsvergütung im Journalismus: Wo keine Villa ist, ist auch kein Weg

Prakrtikantendemonstration New York 2016„„Endlich! Dafür haben wir echt lange gekämpft! Ab 1. Juli 2021 werden alle Praktika beim ZDF im Inland – unabhängig ob es sich um Pflicht- oder freiwillige Praktika handelt und unabhängig von einer Mindestdauer – mit 350 Euro pro Monat vergütet. (…) Sätze einer Bildungsmanagerin des ZDF, gepostet in dem Job- und Vernetzungsportal Linkedin, die am vergangenen Wochenende auf Twitter für Empörung sorgten. Nach wütenden Kommentaren wurde der Post mittlerweile gelöscht. „Journalismus geht nicht ohne Praktika. Und Leben in Mainz, München, Hamburg geht nicht ohne Geld. Das Ergebnis: Elitärer Bubble-Journalismus oder verschuldete Berufseinsteiger:innen“, kommentiert die Journalistin Luisa Thomé auf Twitter externer Link und bringt den nicht zu vereinenden Widerspruch des Senders auf den Punkt (…) Und damit sind wir beim Problem. People of Colour, Arbeiter*innenkinder, junge Migrant*innen sind nicht grundlos unterrepräsentiert in der hiesigen Redaktionslandschaft…“ Kommentar von Olivier David vom 10. Juni 2021 bei Übermedien externer Link – siehe dazu:

  • Bieten: Praktikum. Suchen: eine Person, die sich das leisten kann. Was Redaktionen im Praktikum zahlen New
    „„Es ist ein Teufelskreis. Der Journalismus schreit immer nach mehr Vielfalt. Aber es wird nichts dafür gemacht. Das ist absurd.“ Das sagt die 21-jährige Paula, die eigentlich anders heißt. Sie studiert Journalismus in Berlin und macht derzeit ein Praktikum – in der PR-Branche. 850 Euro bekommt sie da im Monat. Ein journalistisches Praktikum könne sie sich nicht leisten, weil in den Redaktionen, für die sie sich interessiert hätte, viel weniger bezahlt wird. Paulas Eltern verdienen so viel, dass sie kein Recht auf BAföG hat, aber so wenig, dass sie sie nicht wirklich unterstützen können. Für das Leben und die Miete in Berlin muss Paula also größtenteils selber sorgen. Dabei braucht sie das Praktikum nicht nur, um Erfahrungen und Arbeitsproben zu sammeln, sondern auch für ihr Studium. Fünf Monate Praxis sind in der Studienordnung ihres Bachelors vorgeschrieben. Paula sagt, junge Menschen wie sie würden dadurch in eine „unmögliche finanzielle Lage“ gezwungen. (…) Ob der Einstieg in den Journalismus gelingt, ist sehr davon abhängig, ob man es sich leisten kann, schlecht oder gar unbezahlte Praktika zu machen. „Wo keine Villa ist, ist auch kein Weg“ kommentierte Autor Olivier David bei Übermedien im vergangenen Jahr. (…) Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) setzt sich für die Belange von Praktikant*innen in allen Branchen ein. Auf Übermedien-Anfrage fasst Philipp Siewert, zuständig für Jugendpolitik beim DGB, die Forderungen zusammen: Freiwillige Praktika sollten, so der DGB, generell durch das Mindestlohngesetz abgedeckt sein – nicht erst nach einer Dauer von drei Monaten. Für Pflichtpraktika fordert der Verband die Einführung einer Mindestvergütung in Höhe des aktuellen BAföG-Satzes. Das sind für unter 25-Jährige, die nicht zu Hause wohnen, derzeit 814 Euro. Auch Rebecca Roth von den „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“ (NdM), die dort zuständig ist für das Mentoring-Programm, schlägt Redaktionen vor, sich am Mindestlohn zu orientieren. Für Roth steht fest: Wenn Redaktionen es mit diversitätsbewusstem Recruiting ernst meinen, müssen Sie Praktika angemessen vergüten. Sonst würden bestimmte Nachwuchsjournalis*innen automatisch ausgeschlossen, insbesondere Journalist*innen aus Arbeiter*innenfamilien. (…)
    Einen eigenen Verband haben Praktikant*innen im Journalismus nicht hinter sich stehen. Wäre das nicht eine Aufgabe für den Deutschen Journalisten Verband (DJV)? Schließlich tritt der für über 30.000 Mitglieder der Branche und für faire Löhne ein. Tatsächlich steht auch die Bezahlung von Praktika auf der Agenda des DJV. Zumindest theoretisch. Eine „Praktikumsoffensive“ externer Link zusammen mit der Jugendpresse Deutschland und der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union von ver.di ist 15 Jahre her. Und wie ist das aktuell? Konkrete finanzielle Forderungen hält man beim DJV für „illusorisch“, sagt Pressesprecher Hendrik Zörner auf Übermedien-Anfrage. Verhandlungen für eine gerechtere Bezahlung von Praktika im Journalismus führe der DJV derzeit nicht. Was aber mindestens gegeben sein sollte, sei „das Honorar, das die gemeinsamen Vergütungsregeln externer Link für Freie an Tageszeitungen vorsehen“. (…)
    Dass es den Medien an Diversität mangelt, ist nicht neu. Es fehle Medienhäusern aber auch an etwas Grundlegendem, meint Paula: „Ich finde, es ist auch eine Sache des Respekts, wenn Redaktionen dir für Leistung Geld zahlen.“ Stattdessen zeigten diese oft ein „reines Dominanz-Verhalten“, meint die 21-Jährige. „Die Redaktionen wissen ganz genau, dass sie beliebt sind und viele Personen da ihre Praktika machen möchten. Sie können es sich rausnehmen, für das Praktikum nichts zu zahlen“. Die Frage ist nur, wie lange das noch funktioniert. Denn auch Redaktionen sind auf gute Leute angewiesen. Paula sagt: „Da frage ich mich auch, ob ich für so einen Arbeitgeber arbeiten möchte, der so mit seinen Mitarbeitern umgeht. Wahrscheinlich nicht.“ Beitrag von Pia Pentzlin 21. Dezember 2022 bei Übermedien externer Link
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