Berufsbildungsbericht 2024: Hausgemachter Mangel. Fast jeder fünfte junge Mensch in Deutschland hat keinen Berufsabschluss

Wer nicht ausbildet wird umgelegt„Während die deutsche Wirtschaft ohne Ende über »Fachkräftemangel« klagt, verzeichnet die Ampel einen neuen Negativrekord bei der Zahl junger Menschen ohne formale Qualifikation. 2022 gab es davon 2,86 Millionen, wie aus dem Entwurf des »Berufsbildungsberichts 2024« der Bundesregierung hervorgeht, der spätestens Anfang Mai das Bundeskabinett passieren und anschließend im Bundestag behandelt werden soll. Wie das Handelsblatt am Mittwoch unter Berufung auf das Papier berichtete, hatten damit in der Altersgruppe der 20- bis 34jährigen vor zwei Jahren 19,1 Prozent keinen Berufsabschluss vorzuweisen. 2021 waren es »lediglich« 17,8 Prozent oder 2,64 Millionen Betroffene. (…) Trotz vieler unbesetzter Lehrstellen gelinge es seit Jahren nicht, allen jungen Menschen eine Chance auf Ausbildung zu geben…“ Artikel von Ralf Wurzbacher in der jungen Welt vom 4. April 2024 externer Link, siehe den Berufsbildungsbericht selbst:

  • Drei Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss: Was tun? New
    „Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss, so stand es im Entwurf des Berufsbildungsberichtes im April. Das war‘s. Nach einem Tag war es kein Thema mehr. (…) Dabei ist es nicht nur ein Fachkräfteproblem: Keinen Berufsabschluss zu haben, hat viele Folgen. Menschen ohne Berufsabschluss sind öfter und schneller arbeitslos als andere. Bei ihnen liegt die Arbeitslosenquote bei fast 21 Prozent, mit Berufsabschluss liegt sie gerade einmal bei drei Prozent. Sie verdienen weniger als Menschen mit Abschluss. Sie sind häufiger krank, weil sie oft die schweren körperlichen Jobs machen, die andere nicht machen wollen. Wie viele von ihnen später nur wenig Rente bekommen, wird nicht erfasst – aber die These, dass es viele sein dürften, ist nicht besonders steil. (…) Alle selbst schuld? Nein. Die wenigsten Betroffenen sind gelangweilte Abiturienten, die feststellen, dass sie statt Ausbildung lieber eine Karriere à la Joschka Fischer starten wollen, dem ehemaligen grünen Bundesaußenminister, der ebenfalls keine hat. Es gibt eine typische Ausgangslage für den gescheiterten Berufsübergang: Die meisten dieser jungen Menschen haben schon den Schulabschluss nicht geschafft. Darunter sind wiederum viele aus Förderschulen, also mit besonderen Bedarfen. Es sind vor allem junge Männer. Und es sind viele darunter, die einen Migrationshintergrund haben. Hinzu kommen jene, die die Schule noch schaffen, aber anschließend ihre Ausbildung abbrechen. Eine Rekordzahl – fast jeder dritte Auszubildende – steigt inzwischen mittendrin aus, niemand erhebt, wie viele dieser jungen Menschen danach lieber gleich arbeiten gehen, als eine neue Lehrstelle zu suchen. Schließlich lockt das leicht verdiente Geld: Der Lohn eines Verkäufers in Ausbildung im ersten Lehrjahr beträgt unter 1000 Euro brutto – eine Warenverräumerin ohne Ausbildung bei Lidl steigt aber schon mit rund 1600 Euro brutto ein. (…)  Es gibt einen Vorreiter, der zeigt, wie man die Jugendlichen auffängt: Egal mit welchen Expertinnen und Experten man spricht, irgendwann fällt immer der Hinweis: Hamburg. Der Stadtstaat hat vor einigen Jahren die Reißleine gezogen, weil rund 8000 Jugendliche die Schule verließen, ohne dass man wusste, was sie danach machen. Also wurde mit allen Beteiligten der Dschungel durchforstet, ein elftes Schuljahr für Minderjährige eingeführt – fast bundesweit inzwischen Usus –, der Datenaustausch forciert und Betriebe gesucht, die kooperieren. Seitdem ist bekannt, wo Jugendliche ohne Schulabschluss stecken, was sie können und was sie brauchen. (…) Und es gibt auch in einem kleineren Format Vorbilder: Die berufsorientierte Schule in Kirchmöser bei Brandenburg. Dort gehen alle Jugendlichen ab der 7. Klasse einen Tag pro Woche nicht in die Schule, um das Curriculum durchzunehmen, sondern absolvieren in Betrieben Praktika. (…) Theoretisch – aber nur theoretisch –, könnte ein junger Mensch ohne Abschluss alles nachholen in seinem Leben. Das Problem ist aber nicht nur die schlechte Förderung am Anfang. Es setzt sich fort, wenn Menschen ohne Berufsabschluss älter werden. Denn ausgerechnet sie, die so viel davon profitieren würden, lernen viel zu selten dazu, auch und obwohl sie es nachweislich möchten. (…) Ein anderer Blick auf die gesamte Misere ist: Alles nicht so schlimm. Schließlich sind nicht alle, die keinen Abschluss haben, arbeitslos. Im Gegenteil. Das Bundesamt für Statistik weist insgesamt sieben Millionen Beschäftigte ohne Berufsabschluss aus, Millionen, die alles wegarbeiten, was andere nicht machen (wollen), und die auf ihre Art vermutlich Experten geworden sind, nur ohne Papier. Das kann man gut finden. Nur darf man dann nicht über Fachkräftemangel jammern.“ Artikel von Maike Rademaker in Blätter vom August 2024 externer Link („Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?“)

Siehe die früheren in unserer Rubrik Ausbildung

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=219559
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