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[Netto] Arbeitsgericht Paderborn: Kündigung wegen Bonbonlutschens war unwirksam – Schikanen gegen Betriebsratsmitglied gehen weiter
„Eine Netto-Kassiererin bekam die fristlose Kündigung, weil sie angeblich während der Arbeit einen Bonbon gelutscht habe, der ihr auch noch aus dem Mund gefallen sei. Der Arbeitgeber behauptet, ein Kunde habe sich per E-Mail beschwert. „Diesen Vorfall gab es nicht“, sagt die Kassiererin. Das sei nur vorgeschoben, um sie loszuwerden. (…) Die 24-Stunden-Kraft der Paderborner Netto-Filiale klagt auf Wiedereinstellung und gewinnt vor dem Arbeitsgericht. Einer der Gründe ist, dass sich die stellvertretende Filialleiterin, die den Vorfall bezeugt hat, an dem fraglichen Tag im Urlaub befand. Auch die Herkunft der angeblichen Beschwerde-E-Mail ist bis heute ungeklärt. Angela Webster vermutet, man wollte sie loswerden, weil sie aufgedeckt habe, dass bei Netto Fehlstunden trotz Krankmeldung als Minusstunden verbucht werden. (…) Der Vorwurf, Netto wolle eine unbequeme Mitarbeiterin loswerden, scheint nicht unbegründet. So hat der Arbeitgeber vor der Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen und dann wieder zurückgenommen. Zudem hat der Arbeitgeber ein Angebot für eine Abfindung gemacht…“ ver.di-Meldung vom 10. März 2016 und dazu:
- Netto in Paderborn versucht erneut engagiertes Betriebsratsmitglied loszuwerden: Zwei konstruierte Abmahnungen
„Seit mehr als 12 Jahren arbeitet Angela W. mittlerweile für den Lebensmittel Discounter Netto bzw. vor der Übernahme bei dem Konkurrenten Plus. Das engagierte Betriebsratsmitglied ist seit Jahren ein Dorn im Auge von Netto Marken-Discount Stiftung & Co. KG, konnte sich bisher jedoch stets gegen alle Schikanen und Union Busting-Maßnahmen durchsetzen. Nun hagelt es erneut Abmahnungen gegen die Kassiererin. Zwei konstruierte Abmahnungen: In der Filiale in der Angela W. arbeitet gab es im Frühjahr eine Absprache, dass Mitarbeiter gratis FFP2-Masken zum Schutz vor dem Coronavirus bekommen. Am 12. Mai 2021 waren aber keine Masken mehr vorrätig. In Absprache mit Kolleg*innen und der Marktleitung hat sich Angela W. dann aus einer Packung aus einem Verkaufsregal ihre Masken genommen. Das soll ihr nun, wenn es nach Netto geht, zum Verhängnis werden. (…) Für die zur zweiten Abmahnung führende angebliche Beleidigung ihrerseits gegen den Verkaufsleiter Oliver Teller gibt es hingegen keinerlei Beweise. Nebenbei dürfte die Aussage in einem Gespräch zu einer anderen Kollegin dass „Herr Teller Sie mal könne“ sicher nicht für eine Abmahnung ausreichen.
Gezieltes Fertigmachen statt Fehlverhalten: Der Anwalt von Angela W., Onur Ocak, sieht hinter den willkürlichen Abmahnungen eine klare Motivation die engagierte Kollegin loszuwerden. So berichtet er nach dem Gerichtstermin: „Ein ehemaliger Mitarbeiter hat uns versichert, dass es in der Filiale eine Anweisung an die Mitarbeiter gab. Sie sollten meine Mandantin beobachten und schikanieren und Verstöße sofort weiterleiten.” Und weiter: „So kam auch der Vorwurf der angeblichen Beleidigung auf, für die es aber keine Beweise gibt.” Die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Paderborn zu den beiden Abmahnungen am 10. November 2021 endete ohne eine Einigung (Aktenzeichen 2 Ca 935/21). Für den 14. Februar 2022 ist nun der erste Kammertermin in dem Fall angesetzt…“ Beitrag in den Frontberichten 15/2021 von Kevin Hoffmann vom 18. November 2021 bei Arbeitsunrecht - Netto, immer wieder Netto. Die ganz harte Nuss unter den Billig-Discountern hinsichtlich schlechter Arbeitsbedingungen. Und die scheitern an einem Bonbon, der einer Verkäuferin zum Verhängnis werden sollte
„Dass die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel, vor allem bei den Discountern, seit Jahren immer wieder Thema der kritischen Berichterstattung sind, ist nicht neu und verwundert auch nicht, wenn man sich den brutalen Preis- und daraus resultierend Kostendruck anschaut. Die Margen sind ausgereizt, die Zulieferer ausgequetscht, da bleiben nur die eigenen Mitarbeiter, wenn es um Kostensenkung geht. Und seit die damalige rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 die Allgemeinverbindlichkeit des tariflichen Regelwerks aufgehoben hat, schwillt die Akte mit Berichten über Lohndumping(versuche) in der Branche von Jahr zu Jahr an. Ein Unternehmen taucht dabei auch in der Berichterstattung als eine ganz harte Nuss immer wieder auf: Netto. Eine harte Nuss deshalb, weil die sich überhaupt nicht beeinflusst zeigen von den vielen kritischen Berichten, die schon geschrieben oder ausgestrahlt wurden…“ Beitrag von und bei Stefan Sell vom 11. März 2016
- Und in der ver.di-Meldung vom 10. März 2016 : „.. ver.di und der DGB-Rechtsschutz empfehlen allen Verkäuferinnen und Verkäufern, insbesondere bei Netto, sich die Abrechnungen gründlich auf unerklärliche Minusstunden anzuschauen und im Zweifel eine Erklärung vom Arbeitgeber zu verlangen. Sollte es zum Rechtsstreit, wie bei Angela Webster, kommen, genießen ver.di-Mitglieder Rechtsschutz.“