Philipp Jennings: „Auf unser Arbeitsmodell kommt ein Sturm zu“

In Davos träumen viele Manager von den Chancen der Digitalisierung. Philipp Jennings, Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsverbandes, sieht sieben Millionen Jobs gefährdet. Nur Alarmismus? Interview von Sven Prange mit Philipp Jennings vom 21. Januar 2016 in der Wirtschaftswoche online externer Link samt Zitat und einem Kommentar:

  • Aus dem Interview: „… Letzte Woche haben wir in Paris als Gewerkschaften im OECD-Kreis mit Organisationen, Unternehmern und Arbeitsministern zusammengesessen und die Herausforderung diskutiert. Wir waren uns einig: Es ist ein Sturm, der auf unser Arbeitsmodell zukommt. Was ist der politische Rahmen dafür? Was heißt es für Gesellschaften? Arbeit ist zentral für Menschen, die Qualität der Arbeit ist zentral. (…) Es gibt eine Tendenz zum Lohn-Prekariat in Tech-Jobs. Das wollen wir nicht. Ich sehe eine neue Bereitschaft, sich damit auseinander zu setzen. Die zweite Frage ist, wie kriegen wir Leute dazu, sich weiterzubilden. Wir brauchen da aber ein ganz anderes Niveau als bei bisheriger Weiterbildung. Die OECD-Minister sagen, dass 50 Prozent der westlichen Arbeitnehmer jetzt schon von IT überfordert sind. Das geht nicht. (…)
    [Frage] Führen Sie nicht die falsche Debatte. Müsste man nicht eher Bezahlung sichern, nicht klassische Jobs?
    Klassische Jobs sind doch nicht altmodisch. Leute sagen: Wir beenden das Zeitalter der Vollbeschäftigung. Das ist doch quatsch. Wenn digitale Wirtschaft heißt, dass du morgens nicht weißt, wo du nachmittags arbeitest oder morgen Deinen Kaffee bezahlst, ist das sicher keine Zukunft. Es gibt diese Tendenz bei den Firmen, die sich nur als Plattformen sehen und Arbeitsbedingungen verschlechtern. Aber diese Gig-Wirtschaft ist keine Lösung. (…) Unsere Frage ist doch, wenn ich für dich arbeite, was tust du für mich? Das ist der klassische Ansatz der Arbeitnehmerbewegung. Wenn die IT-Größen soziale Absicherung verhindern, sieht die vermeintlich neue Wirtschaft aus wie der ganz alte Kapitalismus. Sie wollen die Risiken auslagern auf die Menschen, die die Arbeit machen. Das geht nicht…“
  • Siehe dazu: Ein Top-Gewerkschafter über Automation und Digitalisierung – Wo sind die Löhne?
    „… Es ist interessant und zugleich erschreckend zu sehen, dass ein Spitzengewerkschafter sich in einem langen Interview mit der Rationalisierung und Digitalisierung auseinandersetzt, ohne ein einziges Mal wirklich auf die entscheidende Fragen zu kommen, nämlich wie sich die „neue, anscheinend riesige Automationswelle“ auf die Produktivität der Arbeit auswirkt und, noch wichtiger, auf die Löhne…“ Kommentar von und bei Heiner Flassbeck vom 22. Januar 2016 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=92337
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