6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: „Wer einmal arm ist, bleibt arm“
Dossier
„Für die Ergebnisse des aktuellen Armuts- und Reichtumsberichts muss sich die Bundesregierung schämen, meint DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Es gibt immer mehr Arme und die soziale Ungleichheit verfestigt sich, während gleichzeitig die obere Hälfte der Bevölkerung 99,5 Prozent des Gesamtvermögens besitzt. Aktuell ist der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung erschienen. Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, kritisiert die Ergebnisse und fordert zahlreiche Maßnahmen: „den Niedriglohnsumpf auszutrocknen, die Tarifbindung zu stärken, sachgrundlose Befristungen abzuschaffen und Minijobs in Jobs mit Sozialversicherung zu verwandeln. Außerdem ist es Zeit für eine Vermögenssteuer, eine wirkungsvolle Erbschaftssteuer sowie die stärkere Besteuerung von Kapitalerträgen.“ „Für die Ergebnisse dieses Berichts muss sich die Bundesregierung schämen. Er kommt viel zu spät in der Legislatur, als dass die Koalition hier jetzt noch handeln könnte. Und er zeigt: Es gibt immer mehr Arme und die soziale Ungleichheit verfestigt sich, während gleichzeitig die obere Hälfte der Bevölkerung 99,5 Prozent des Gesamtvermögens besitzt. Arbeit schützt nicht vor Armut. Hinzu kommt: Wer einmal arm ist, bleibt arm…“ DGB-Meldung vom 05.03.2021 zu Lebenslagen in Deutschland: Entwurf des 6. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung (Stand: 18.01.2021) und dazu:
- [Ohne rot zu werden] Bundeskabinett beschließt den Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht
„…Das Bundeskabinett hat heute den Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht (6. ARB) beschlossen. Damit kommt die Bundesregierung dem Auftrag des Deutschen Bundestags nach, in jeder Legislaturperiode einen Bericht über die Entwicklung von Armut und Reichtum vorzulegen. (…) Für diesen Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht wurden erstmals Einzelinformationen aus verschiedenen Dimensionen (Einkommen, Vermögen, Erwerbsintegration und Wohnungsausstattung) miteinander verknüpft, um soziale Lagen auch in der Gesamtschau zu bewerten und im Zeitablauf zu vergleichen. Die ebenfalls erstmals durchgeführte Untersuchung zur Verfügbarkeit und Inanspruchnahme der sozialen Infrastruktur und von Angeboten der Daseinsvorsorge nimmt ergänzend die Bedeutung nicht-monetärer Leistungen für soziale und gesellschaftliche Teilhabe in den Blick. Verstärkt wurde auch die Analyse, wie Verteilungsergebnisse und soziale Mobilität individuell erfahren und bewertet werden. In Ergänzung zu einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung, die differenzierte Auswertungen ermöglicht hat, wurden Personen aus benachteiligten sozialen Lagen zu ihren Biografien, ihrer Lebenssituation und ihren Zukunftsaussichten persönlich interviewt. Den Erstellungsprozess zum 6. ARB haben ein Beraterkreis, dem eine Vielzahl an Verbänden, Institutionen und Vertreter*innen der Bundestagsfraktionen angehören, und ein wissenschaftliches Gutachtergremium begleitet. In einer Reihe von Symposien hat das BMAS kontinuierlich über die Schwerpunkte und Ergebnisse der Begleitforschung berichtet, um Transparenz zu gewährleisten….“ Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 12. Mai 2021 mit Link zur Kurz- und Langfassung des Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung - Paritätische Stellungnahme zum Entwurf des 6. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung
„… Der vorliegende Berichtsentwurf unterschätzt dabei eher das Ausmaß der wachsenden und sich verfestigenden Ungleichheit. Der Paritätische hat dabei Vorarbeiten zum Bericht mit dem vorliegenden Berichtsentwurf verglichen und dabei deutliche Abweichungen festgestellt. Ein Beispiel: noch 2019 wurden im Beirat zum Armuts- und Reichtumsbericht Zahlen vorgestellt, nachdem sich im Zeitraum 2012/2016 14,2 Prozent der Bevölkerung in der Lebenslage „Verfestigte Armut“ befanden. Im Berichtsentwurf wird nun für denselben Zeitraum nur noch von 10,2 Prozent der Bevölkerung in der Lebenslage „Armut“ gesprochen. Eine Veränderung wurde auch bei der Bezeichnung der Lebenslagen vorgenommen. Wurde früher noch ganz selbstverständlich von Reichtum gesprochen, wird im vorliegenden Berichtsentwurf stattdessen von „Wohlhabenheit“ gesprochen. Der Paritätische kritisiert die neuen Annahmen. Der Paritätische arbeitet einen weiteren Aspekt heraus, weshalb Armut im Bericht er untererfasst wird. So bleibt die Verschuldung von Haushalten bei der Bestimmung der einzelnen Lebenslagen nicht berücksichtigt. Ver- und Überschuldung betrifft aber insbesondere einkommensarme Haushalte. Bleibt die Verschuldung unberücksichtigt, so bleibt auch außer Betracht, dass das den Haushalten zugeschriebene Einkommen diesen in der Regel gar nicht zur Verfügung steht, weil ein Teil davon für den Schuldendienst gebunden ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das tatsächliche Ausmaß der Deprivation nicht erfasst wird. Der Paritätische begrüßt, dass das BMAS zusätzliche Erkenntnisse zu den sozialen Folgen der Pandemie in den Bericht aufgenommen hat. Diese zeigen, Menschen mit geringeren Einkommen deutlich stärker von den Folgen der Pandemie betroffen sind. Das bestätigt die Kritik des Paritätischen an der viel zu geringen Unterstützung einkommensarmer Haushalte in der Pandemie. Selbst die zugesagte Einmalzahlung von 150 Euro wurde bis heute nicht ausgezahlt. Der Paritätische hat auch verglichen, welche Veränderungen es vom ersten Berichtsentwurf, der in die Ressortabstimmung in der Bundesregierung ging, bis zum nun vorliegenden Berichtsentwurf gab. Wie bereits in der Vergangenheit, wurden einzelne kritische Befunde, die noch im ersten Entwurf erhalten waren, nicht in den vorliegenden Entwurf aufgenommen. Das betrifft etwa die Feststellung, dass eine erhebliche Anzahl von Beschäftigten auch nach Einführung und Anhebung des Mindestlohnes darunter liegende Löhne erhält. Besonders zu begrüßen ist, dass für den Bericht durch das DIW eine verbesserte Datengrundlage für die Erfassung von hohen Vermögen geschaffen wurde. (…) Der Bericht zeigt auch, dass kaum Wege aus Armut herausführen. Um die soziale Mobilität ist es schlecht bestellt. Wer einmal arm ist, hat kaum eine Chance, den sozialen Aufstieg zu schaffen. (…) Erstmals zeigt der Bericht die katastrophalen Folgen der Agenda 2010 für die Absicherung von Arbeitslosen auf. 1995 war ein Drittel der Arbeitslosen noch der sozialen Lage “Mitte” zuzuordnen und lediglich 15 Prozent der sozialen Lage Armut. Diese Verteilung hat sich bis 2015 dramatisch verschoben: 2015 waren zwei Drittel aller Arbeitslosen der sozialen Lage “Armut” zuzuordnen und nur noch weniger als zehn Prozent der “Mitte”. Das zeigt, wie der soziale Schutz von Menschen ohne Beschäftigung reduziert wurde…“ Stellungnahme des Paritätischen vom 12. April 2021 zur 28-seitigen Bewertung des 6. ARB durch den Paritätischen - Bundesregierung legt Entwurf des Armuts- und Reichtumsbericht vor: Soziale Spaltung nimmt weiter zu – nicht nur wegen Corona
„Der Bericht zeigt, dass sich die soziale Spaltung immer weiter fortsetzt. Sowohl die Spreizung der Einkommen feiert neue Höchststände als auch die ungerechte Vermögensverteilung: Die Hälfte der Bevölkerung besitzt nur ein halbes Prozent des Privatvermögens. Der Bericht zeigt auch, dass es kaum noch reale Möglichkeiten gibt, durch Erwerbsarbeit und persönlichen Einsatz einen gesellschaftlichen Aufstieg zu erzielen. Arm bleibt arm, reich bleibt reich und wird reicher. Im Kern genau das was mit der Agenda 2010 -Reform angeschoben und gewollt wurde. Auch in der Corona-Pandemie zeigt sich: Während die Zahl und das Vermögen der Millionäre und Milliardäre in Deutschland weiter wächst, haben breite Teile der Bevölkerung massive Reallohnverluste zu beklagen. Nun der Pari mit den Kernaussagen dazu: „Zu den zentralen Befunden des Berichtsentwurfes zählen die ungleiche Einkommens- und Vermögensentwicklung: “Die obere Hälfte der Verteilung verfügte über 70 Prozent aller Einkommen, die untere Hälfte über 30 Prozent” (S. 44, alle Seitenzahlen beziehen sich auf die Nummerierung des Berichtsentwurfes). Die Vermögen sind sogar noch ungleicher verteilt: “Haushalte in der oberen Hälfte der Verteilung besaßen etwa 97,5 Prozent, Personen etwa 99,5 Prozent des Gesamtvermögens” (S. 45). Eine der Kernaussagen des Vertrauens ist, dass es zu einer fortschreitenden Polarisierung der Einkommens- und Vermögenslagen kommt: 9,1 Wesentliche Rechte, maW: Haben die Pole der Verteilung Mitte der Jahre Jahre noch 8 Finanzen der Bevölkerungsvertretung, Vertretung sich dort im letzten Beobachtungszeitraum 20 Zustände. ” (S.130) Die Verfestigung von Armut ist auch darauf zurückzuführen, dass aus Armut vergleichsweise wenige Wege hinausführen, ebenso wie aus Reichtum, der im Bericht in der Lebenslage „Wohlhabenheit“ verortet wird: „Mit Werten von 70,0 Prozent (‚Armut‘), 65,0 Prozent (‚Mitte‘) und 65,5 Prozent (‚Wohlhabenheit‘) waren jeweils etwa zwei Drittel der Personen auch in der Folgeperiode noch in der gleichen sozialen Lage, die sie in der ersten Periode innehatten. Dass aus der ‚Armut‘ heraus nur in geringem Umfang Aufstiege in die ‚Untere Mitte‘ oder gar in Lagen darüber hinaus gelangen, zeigt die hohe Brisanz dieser verfestigten Lage.“ (S.133)…“ Aus dem Thomé Newsletter 10/2021 vom 07.03.2021 - Siehe unser Dossier zum 5. Armuts- und Reichtumsbericht