Welttag gegen Kinderarbeit am 12. Juni: Kinderarbeit auf traurigem Höchststand

Dossier

KinderarbeitTrotz Verboten und Ächtung ist Kinderarbeit weiterhin ein massives Problem und betrifft schätzungsweise 160 Millionen Mädchen und Jungen weltweit. Das im Januar in Deutschland in Kraft getretene sogenannte „Lieferkettengesetz“ ist ein Meilenstein, weil es die Verantwortung von global tätigen Unternehmen einfordert. Es wird nach Einschätzung von UNICEF Deutschland aber nicht ausreichen, um Kinderarbeit abzuschaffen. Zum Welttag gegen Kinderarbeit am 12. Juni fordert UNICEF mehr Investitionen, um deren Ursachen zu beseitigen…“ Meldung vom 12. Juni 2023 externer Link („Lieferkettengesetz allein reicht im Kampf gegen Kinderarbeit nicht aus“) und weitere Infos:

  • Deutschland profitiert bis heute von Kinderarbeit – und schaut weg New
    „… Was hierzulande meist verdrängt wird, ist die Tatsache, dass Kinderarbeit in Deutschland auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Kinder waren junge Erwachsene und wurden auch so eingesetzt. Auch die Kinder mussten für den Familienunterhalt aufkommen. Das war in der Landwirtschaft normal und wurde auch während der Industrialisierung so gesehen. Kinder schufteten in der Fabrik. Dies war wichtiger als ein Schulbesuch. Kinder waren die billigeren Arbeitskräfte, die stundenlang gekrümmt zwischen Webstühlen hockten oder in die schmalen Schächte der Bergwerke krochen. (…) Die Ausbeutung der Arbeitskraft der kleinen Erwachsenen wurde damit begründet, dass man befürchtete, dass die Kinder verwahrlosten, wenn sie nicht arbeiteten. Den Begriff Kindheit und seine Zuordnung zu einer Entwicklungsphase im menschlichen Leben wurde vor allem durch die Ideen des französischen Philosophen Jean Jacques Rousseau erst angestoßen. (…) Am 9. März 1839 verabschiedete dann Preußen erstmals ein Gesetz, das Kinderarbeit reglementierte. Kinder unter neun Jahren durften nun nicht mehr arbeiten, alle anderen bis 16 Jahre nur dann, wenn sie einen Schulnachweis vorweisen konnten. In der Praxis wurde die Einhaltung dieses Gesetzes jedoch erst in den 1850er-Jahren mit der Einführung einer Gewerbe-Inspektion durch Fabrik-Inspektoren. (…) Damit war die Kinderarbeit hierzulande jedoch mitnichten beendet. Bis in die 1920er-Jahre zogen Kinder aus Tirol, Südtirol, Vorarlberg, Liechtenstein und der Schweiz zu Fuß über die Alpen nach Oberschwaben, um dort den Sommer über als Schwabenkinder vorwiegend in der Landwirtschaft zu arbeiten. Die Kinderarbeit in der sächsischen Textilindustrie von 1800 bis 1938 ist bis heute noch kaum erforscht. So stellt sich noch heute die Frage, warum in Sachsen offenbar Kinderarbeit verbreiteter war als in anderen deutschen Staaten wie in Preußen. (…) Seit 1949 war Kinderarbeit in der DDR verboten. Der Westen Deutschlands zog formell 1960 nach. In beiden Teilen Deutschlands mussten jedoch Kinder bis in die 1980er-Jahre hinein hart arbeiten. Die Kinderarbeit hatte sich jedoch seit ihrem offiziellen Verbot in die Heimarbeit verlagert, wo sie noch für lange Zeit im Verborgenen weiter existierte. (…) Inzwischen führt der Fachkräftemangel in vielen Industriestaaten dazu, dass das Verbot der Kinderarbeit deutlich gelockert wird. In Deutschland, wo man inzwischen die Werbung für die Bundeswehr verstärkt in die Schulen trägt, dürfen sich inzwischen auch 17-Jährige für die Arbeit beim Militär verpflichten. (…) Die bekannteste Lieferkette, die mehrheitlich von Kinderarbeit profitiert, ist die Kakao- und damit die Schokoladen-Produktion. (…) Das EU-Vorhaben, das ursprünglich strengere Grenzwerte vorsah und mehr Firmen betroffen hätte, wurde nicht zuletzt aufgrund der Opposition der deutschen FDP deutlich entkernt. Im Hintergrund standen dabei Lobbygruppen wie die Familienunternehmer, die sich fundamental gegen eine Verantwortung deutscher Unternehmen für ihre Lieferketten auflehnten. Menschen- oder gar Kinderrechte jenseits der theoretischen Bekenntnisse scheinen in der Praxis nicht zur Firmenkultur der Familienunternehmer zu passen, die ihre Präsidentin Marie-Christine Ostermann landauf landab durch alle Talkshows schicken, um Stimmung gegen eine Dokumentationspflicht der Lieferketten zu machen.“ Beitrag von Christoph Jehle vom 16. Juni 2024 bei Telepolis externer Link
  • Unsichtbare Ausbeutung: Kinderarbeit in Deutschland aufgedeckt
    „… Kinder, die in Minen im Kongo Coltan abbauen, auf Plantagen in der Elfenbeinküste Kakao ernten oder in Bolivien als Schuhputzer Geld verdienen, damit die Familie über die Runden kommt – Ausbeutung, die regelmäßig zum Internationalen Tag gegen Kinderarbeit am 12. Juni in den Blick gerät. In diesem Jahr allerdings schaut die Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes (TdH) ganz bewusst auf die deutschen Verhältnisse. Der Befund ist alarmierend. In ihren Kinderarbeitsreport 2024 dokumentiert TdH zahlreiche Verstöße gegen geltende Gesetze und die UN-Kinderrechtskonvention. Zum Beispiel im Fall des zwölf Jahre alten Schülers K., für den Landwirtschaft nach eigener Aussage eine große Leidenschaft ist. Bereits seit zwei Jahren arbeitet er regelmäßig an Wochenenden auf einem Milchviehhof und versorgt dort für zehn Euro die Stunde die Kühe. Gleich freitags nach der Schule bricht er zur Arbeit auf, ist dann bis spät abends im Stall und schuftet freiwillig auch samstags und sonntags – in der Regel von 7 bis 20 Uhr. Seine Ferien verbringt K. regelmäßig mit einem zweiten Job. In einem Bullenmastbetrieb mit rund 1200 Tieren schiebt der Zwölfjährige dann nach eigener Darstellung fünf Tage pro Woche jeweils eine Elf-Stunden-Schicht, immerhin mit einer Stunde Mittagspause. (…) Die meisten der Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz fanden laut Report innerhalb von Familienbetrieben statt: zu Hause, in Gaststätten, in der Landwirtschaft, auf dem Bau oder in der Gebäudereinigung. In vielen Fällen sei sogar das Mindestalter von 13 Jahren unterschritten worden. Und keine der festgestellten Tätigkeiten ist laut TdH den zuständigen Jugendämtern oder der Gewerbeaufsicht bekannt gewesen. Insgesamt melden die Aufsichtsbehörden und das Bundeskriminalamt pro Jahr im Schnitt lediglich 60 Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz. (…) Kinderarbeit innerhalb der Familie muss dabei laut TdH nicht immer eine Gefahr für die Entwicklung darstellen, es kann auch positive Effekte haben, wenn Kinder zu Hause mithelfen und dabei altersgerecht Tätigkeiten erlernen. Problematisch aber werde es, wenn sie dabei körperlich oder seelisch belastet würden, ihre Schulbildung leide und Freizeit und Erholungspausen zu kurz kämen, so Küppers. „Es ist höchste Zeit, das Thema Kinderarbeit auch in Deutschland auf die gesellschaftliche und politische Agenda zu setzen“, appellieren die Autor:innen des Reports und fordern dabei auch, Bereiche auszuleuchten, die bisher kaum im Blick waren. Etwa die Situation von Kindern, die Familienmitglieder pflegen. Oder das lukrative Geschäft von Familieninfluencer:innen, in dem schon Kleinstkinder eine tragende Rolle spielen. Dass es sich dabei um Kinderarbeit handeln könne, sei den wenigsten Menschen bewusst. Die Minderjährigen würden aber erheblichen Risiken ausgesetzt, stellt Küppers fest, die mit ihren Kolleg:innen fünf deutsche Accounts von Familieninfluencer:innen systematisch ausgewertet hat. (…) An diese neue Formen von Kinderarbeit müsse das aus dem Jahr 1976 stammende Jugendarbeitschutzgesetz dringend angepasst werden, fordert Terre des Hommes.“ Artikel von Tobias Schwab vom 13. Juni 2024 in der Frankfurter Rundschau online externer Link
  • Kinderarbeit auf traurigem Höchststand
    Das Ziel, Kinderarbeit bis 2025 zu beseitigen, ist kaum noch zu schaffen. Weltweit sind es derzeit 160 Millionen Kinder, die als Kinderarbeiter ausgebeutet werden
    Am 12. Juni, dem Welttag gegen Kinderarbeit, blickt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) besonders auf die Notlage der Kinder, die in Konfliktgebieten leben und unter Katastrophen leiden. Gerade sie sind einem hohen Risiko für Kinderarbeit ausgesetzt. Durch Katastrophen und Konflikte werden Existenzgrundlagen vernichtet, das Zuhause von Kindern und Schulen zerstört und Familien und soziale Sicherungssysteme brechen zusammen. Die Folge: Das Risiko für Kinderarbeit und Menschenhandel steigt. Geflüchtete Kinder und Migranten – vor allem wenn sie auf der Flucht von ihren Familien getrennt werden – sind extrem gefährdet…“ ver.di-Beitrag vom 09.06.2023 externer Link
  • Der neue Report von ILO und UNICEF „Mehr als eine Milliarde Gründe: Die dringende Notwendigkeit, einen universellen Sozialschutz für Kinder aufzubauen“ externer Link warnt davor, dass multiple Krisen noch mehr Kinder in die Armut stürzen werden.
  • 𝗪𝗼𝗿𝗹𝗱 𝗗𝗮𝘆 𝗔𝗴𝗮𝗶𝗻𝘀𝘁 𝗖𝗵𝗶𝗹𝗱 𝗟𝗮𝗯𝗼𝘂𝗿
    Weltweit gibt es 160 Millionen arbeitende Kinder. Übergroße Felder und Macheten sind ihre Werkzeuge. EFFAT & @IUFglobal  fordern Regierungen und Unternehmen auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Kinderarbeit zu beenden und jedem Kind die Werkzeuge zu geben, die es braucht, um sich zu entfalten. #WDACL23“ engl. Tweet von EFFAT vom 12. Juni 2023 externer Link mit einem schönen Video
  • Siehe #TaggegenKinderarbeit #Kinderarbeit #WDACL23

Siehe zum Thema im LabourNet:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=212435
nach oben