Repräsentative Befragung: Sichere, gut bezahlte Arbeit, Anerkennung und Gestaltungsmöglichkeiten schützen vor anti-demokratischen Orientierungen
„Eine gute Integration in den Arbeitsmarkt schützt Menschen vor anti-demokratischen Einstellungen, zeigt eine neue Studie der Hans-Böckler Stiftung. Unter den Erwerbstätigen in Deutschland teilen 10 Prozent in hohem Ausmaß anti-demokratische, rechtspopulistische und menschenfeindliche Orientierungen, während es unter Nicht-Erwerbstätigen (Arbeitsuchende, Rentnerinnen und Rentner, Hausfrauen und -männer) mit 20 Prozent doppelt so viele sind. Dabei zeigen sich aber auch innerhalb der Gruppe der Erwerbstätigen signifikante Unterschiede: Wer eine sichere Beschäftigung mit gutem Einkommen hat, Wertschätzung der beruflichen Leistung erfährt und die Möglichkeit sieht, die eigene Arbeit mitzugestalten, neigt deutlich seltener zu anti-demokratischen Einstellungen als Berufstätige, auf die das nicht zutrifft. Die Bedeutung von guten Arbeitsbedingungen und beruflichen Perspektiven für eine demokratische Orientierung zeigt sich auch mit Blick auf die drängenden Zukunftsthemen Digitalisierung und klimagerechte Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft: (…) Zu diesen Ergebnissen kommt die neue Untersuchung auf Grundlage einer repräsentativen Befragung von mehr als 4100 Personen in Deutschland…“ Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 6. September 2021 zur Studie von Andreas Hövermann, Bettina Kohlrausch und Dorothea Voss
Anm.: Für Lohnarbeit überhaupt wird in der Studie eher nicht argumentiert. Da soll die Arbeit schon zufriedenstellend sein, um nicht nach Rechts (was ist mit Links?) abzudriften. Allerdings ist das ein „alter Hut“: Wer vom bzw. trotz Kapitalismus profitiert, hat natürlich weniger Gründe zu Widerstand. Für mich hat diese Studie erhebliche Mängel beim Herangehen und Interpretieren:
- Anders wie z.B. bei Heitmeyer wird die Mittelschicht in ihrer Rechtsentwicklung verharmlost. Das liegt nicht nur an der Auswahl der Befragten, sondern auch an den Fragen, die ein Sammelsurium darstellen, dass zum Teil von den Besserverdienenden auch geteilt wird (nur eben in Einzelpunkten)
- Damit verbunden ist eine falsche Zuordnung von Kritik an der realen Demokratie. Dass z.B. die demokratischen Parteien „alles nur zerreden“ (vgl. oben), diese Kritik ist nicht unbedingt rechts.
- Außerdem ist die Unterscheidung von Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen auf abhängig Beschäftigung fixiert, was zur Folge hat, dass viele vermögende Nichtlohnarbeitsabhängige gar nicht erfasst werden (und was ist mit dem Klassengegensatz AG vs AN?).
- Es wird auch nicht nach der Art der Erwerbstätigkeit unterschieden: So wird es wohl eindeutig weniger rechte Krankenpfleger*innen geben als Rechte bei der Polizei oder beim Militär
- Manches stimmt überhaupt nicht mit andere Befragungen überein: Z.B. die Ausländerfeindlichkeit (vgl. „kein Neues 2015“) und der Antikommunismus (obwohl Hitler vor allem hiermit seine Wahl 1933 und viel Sympathien auch bei Liberalen selbst im Ausland gewann).
- Daraus folgt übrigens auch, dass die mit der aktuellen Demokratie zufriedenen Profiteure des Kapitalismus, sich aus diesem Grund auch gegen linke antikapitalistische Bestrebungen wenden werden; also so den Rechten einen ungewollten Gefallen tun.
- Eine Ablehnung rechter Veränderungsbestrebungen ist also nur die halbe Miete, wenn es nur um persönliche Zufriedenheit unter kapitalistischen Bedingungen geht. Denn das heißt ja auch, dass ein „Absturz ins Proletariat“ dann doch rechte Ideologie zumindest entschuldbar und nachvollziehbar machen kann (vgl. Wagenknecht)