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[Buch] Entgrenzte Arbeit, (un-)begrenzte Solidarität? Bedingungen und Strategien gewerkschaftlichen Handelns im flexiblen Kapitalismus
„Arbeit im Gegenwartskapitalismus ist zu weiten Teilen entgrenzte Arbeit. Sie soll zeitlich, räumlich sowie normativ möglichst unbeschränkt, d.h. flexibel sein. Bewährte soziale Strukturen und rechtliche Referenzrahmen verlieren demgegenüber an Bedeutung. Damit gehen vielfach soziale Desintegration, (betriebliche) Fragmentierung sowie prekäre Beschäftigungs- und Lebensverhältnisse einher. Ausgehend von dieser Problemlage diskutieren die Beiträge des Sammelbandes entgrenzte Arbeit als Herausforderung gewerkschaftlicher Solidarisierung im nationalen und internationalen Kontext. Indem jeder wissenschaftliche Beitrag aus der gewerkschaftlichen Praxis kommentiert wird, werden Dialoge zwischen kritischer Wissenschaft und Gewerkschaft initiiert. Der Band will damit zu einer praxisorientierten Arbeits- und Gewerkschaftsforschung beitragen.“ Info des Verlags Westfälisches Dampfboot zum von Carmen Ludwig, Hendrik Simon und Alexander Wagner herausgegebenen Buch (Münster 2019, 258 Seiten, 25 Euro, ISBN: 978-3-89691-275-6) – siehe dazu weitere Informationen und als Leseprobe im LabourNet Germany das Vorwort von Frank Deppe – wir danken!
- Infos zum Buch und Bestellung beim Verlag Westfälisches Dampfboot und dort das Inhaltsverzeichnis sowie als Leseprobe das Vorwort der Herausgeber
- Ermutigende Ansätze. Sammelband über gewerkschaftliche Strategien im globalisierten Kapitalismus
Besprechung von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 06.01.2020
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Vorwort – Entgrenzte Arbeit – (un)begrenzte Solidarität
Frank Deppe
1.
Im Gefolge der 68er-Bewegungen, der Reformpolitik der sozialliberalen Koalition und der Politisierung der Gewerkschaften in den frühen 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam es zu vielfachen Begegnungen und Formen der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Hochschulen auf der einen und Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen auf der anderen Seite. Einige der Institutionen, die in diesen Jahren entstanden (z.B. Kooperationsstellen, Technologie-Beratungsstellen), bestehen bis heute fort. Die Hans-Böckler-Stiftung[1] hat über die Jahre ihren Etat und ihre Aktivitäten im Wissenschaftsbereich enorm ausgeweitet. Das jährliche „Memorandum“ der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ – zuerst im November 1975 – entstand als Initiative von Bremer Hochschullehrern aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften. Bis heute wird die Kurzfassung des Jahresgutachtens, das ein Gegengewicht gegen die „herrschende Meinung“ des Sachverständigenrates bilden soll, von zahlreichen Wissenschaftlern sowie von haupt- und ehrenamtlichen Gewerkschaftern und Betriebsräten durch ihre Unterschrift unterstützt.
Das „Memorandum“ führt die kritischen Impulse fort, die einst das Engagement – vor allem des DGB – für „Wissenschaft im Arbeitnehmerinteresse“ und für eine Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Hochschulen als Teil einer – von der damaligen sozialliberalen Bundesregierung verkündeten – Politik demokratischer Reformen auszeichnete (vgl. u.a.: Bamberg u.a. 1979; Katterle / Krahn 1980). Ausgangspunkt war für die Gewerkschaften die Rolle und Funktion der Wissenschaft wie der Hochschulen als „ideologische Staatsapparate“ im wirtschaftlichen wie politisch-ideologischen Herrschaftssystem der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. In den Hochschulen wurden bislang überwiegend die Angehörigen einer Elite ausgebildet, die in der Wirtschaft wie im Staatsapparat Führungsfunktionen wahrnehmen und die – z. B. in den Burschenschaften und Verbindungen – überwiegend konservative und reaktionäre Positionen in der Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung einnahmen. Zumal die deutsche Geschichte enthielt vor und nach 1933 dafür reichhaltiges Anschauungsmaterial. Auch die deutschen Professoren hatten sich im Kampf für Demokratie und soziale Gerechtigkeit nicht mit Ruhm bekleckert! In seiner berühmten Rede anlässlich der 450-Jahr-Feier der Universität Marburg im Jahre 1977 hatte der damalige DGB-Vorsitzende Heinz Oskar Vetter diese Zusammenhänge deutlich angesprochen: „Diese Institution Universität braucht ja nicht auf ewig vorrangig den Interessen von Wirtschaft und politischem Konservatismus verpflichtet sein! Wissenschaft als produktive Kraft kann ja auch zu demokratischen Änderungen der Gesellschaft, zur bewussten Förderung des sozialen Fortschritts genutzt werden! Wissenschaftsfreiheit braucht nicht die Freiheit weniger Privilegierter zu bleiben! Und sie darf es nicht! Die Arbeitnehmer, auf deren Arbeit der Reichtum dieser Gesellschaft beruht und die damit auch die Hochschuletats mitfinanzieren, haben ein Recht darauf, dass ihre Probleme, ihre Interessen und ihre Gestaltungsmöglichkeiten Eingang in Forschung, Ausbildung und Weiterbildung finden“ (in: Bamberg u.a. 1979: 446 -457).
2.
Seit dieser Rede haben sich tiefgreifende Veränderungen vollzogen. Gewerkschaften haben – vor allem über die Hans—Böckler-Stiftung – engere Beziehungen zum Wissenschaftssystem und zu Professor*innen an Hochschulen und Fachhochschulen entwickelt. Viele der einst kritischen Positionen (Kapitalismuskritik, Klassenbezug) wurden dabei zugunsten von Modernisierungskonzepten aufgegeben[2]. Hauptamtliche Funktionär*innen der jüngeren Generation verfügen heute fast selbstverständlich über eine akademische Ausbildung, was bis in die 70er Jahre – zumindest bei den Industriegewerkschaften – eine Ausnahme war. Gleichzeitig vollzog sich ein gewaltiger gesellschaftlicher und politischer Umbruch, eine „Große Transformation“ von welthistorischer Bedeutung. Die Weltordnung hat sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des zweiten Kalten Krieges ebenso verändert wie die Formation des Kapitalismus, die die Rahmenbedingungen für die gewerkschaftliche Organisierung und Interessenvertretung definiert. Der Siegeszug des „Neoliberalismus“ ging einher mit der Durchsetzung des globalen Finanzmarktkapitalismus.
Um den Charakter dieser Formation zu bestimmen, wird immer wieder von „Entgrenzung“ bzw. vom „entfesselten Kapitalismus“ gesprochen (Glyn 2006). Die Dynamik des globalen Kapitalismus seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts folgt der Logik einer spezifischen „Entgrenzung“– man könnte auch sagen: einer Beschleunigung der „Kommodifizierung“ und einer „Entfesselung“ der Märkte von Regeln und Kontrollmechanismen, die der Ökonomie durch die Kräfteverhältnisse der Klassen und die Politik der Arbeiterbewegung sowie durch den demokratischen Staat auferlegt waren – und zwar als Antwort auf die historischen Erfahrungen, die das „Zeitalter der Katastrophen“ (Eric Hobsbawm) zwischen 1914 und 1945 erschüttert hatten. Die kapitalistische Wirtschaft wurde aus dem „Bett“ des nationalen, fordistischenn Wohlfahrtsstaates „entbettet“ (Ruggie 1982; Jessop 2002).
- Entgrenzung bezeichnet zunächst das Verhältnis von Ökonomie und Politik, von Markt und Staat sowie eine neue Stufe der Internationalisierung der Produktion, die durch transnationale Konzerne, Erschließung neuer Märkte (u.a. Osteuropa, Russland, China) sowie durch die Liberalisierung und Aufblähung der Finanzmärkte im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts. Die nationalen Systeme der Regulierung der Währungen, der Finanzmärkte und der Außenwirtschaftsbeziehungen wurden liberalisiert. Die Bedeutung nationaler Grenzen war damit ebenso entwertet wie die Funktion der Nationalstaaten im Hinblick auf die Regulation von Wirtschaft, Gesellschaft und Sozialpolitik im eigenen Lande.
- Die Arbeiterklasse ist aufgrund der gestiegenen weiblichen Erwerbsstätigkeit sowie als Folge der Migrationsprozesse internationaler, bunter und weiblicher geworden – auch das kann als „Ent-Grenzung“ bzw. als Öffnung begriffen werden.
- Die Entgrenzung der Beziehungen zwischen Mensch und Natur betrifft nicht allein das Überschreiten von bisherigen Grenzen der Kontrolle des menschlichen Körpers durch die Gentechnologie, sondern auch die – im Klimawandel und dem Umfang der Naturzerstörung zutage tretenden – Krisenprozesse im Gefolge der Wachstumsdynamik der industriellen Zivilisation, ihres Energieverbrauches und ihrer Schadstoffemissionen.
- Per Internet und Smartfones werden die Räume der individuellen Kommunikation scheinbar zeit- und grenzenlos. Zugleich vollzieht sich in den westlichen Metropolen – in der Folge der Kommodifizierung der Lebenswelt, der Kommunikatiion und des Konsums – eine moralische Entgrenzung. Die für die moderne Industriegesellschaft charakteristische „protestantische Wertethik“ (und das mit ihr verbundene Arbeitsethos, Max Weber) wird mehr und mehr – vor allem bei den jüngeren Generationen – durch einen „Hedonismus“ verdrängt, der auch die Enttabuisierung der Sexualmoral (Gewaltbereitschaft) einschließt.
3.
Die Freiheit, die der Neoliberalismus unentwegt propagiert und die zum Leitmotiv der Werbebranche geworden ist, muss „grenzenlos“ sein. In der Arbeitswelt und auf dem Arbeitsmarkt – also jenem Feld, das für die Lohnarbeit und die Tätigkeit der Gewerkschaften konstitutiv ist – setzten „neue Produktionskonzepte“ auf Ent-Grenzung von Arbeitszeit und Arbeitsplatz in den vor-und nachgelagerten Bereichen der industriellen Produktion. Statt dem Arbeitskollektiv sollen Individuen als „Arbeitskraftunternehmer“ ihre Arbeitszeit und Kreativität, damit ihre Leistung für das Unternehmen per „Selbst-Steuerung“ steigern und durch entsprechende Gratifikationen (Anerkennung und Geld) belohnt werden. In der Fertigung arbeitet nach wie vor eine Minderheit der Beschäftigten an Fließbändern und Maschinensystemen, die ohnehin keine Begrenzung der Arbeitszeit kennen. Auch hier werden flexible Methoden des Arbeitseinsatzes erprobt. Ent-Grenzung bedeutet nicht nur die Internationalisierung der Unternehmensstrukturen, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Leiharbeit, befristete Tätigkeiten usw.) im industriellen wie im Dienstleistungs-Sektor. Ent-Grenzung in der Arbeitswelt bedeutet aber auch, dass die Grenzen der Kapitalherrschaft durch Tarifverträge und Mitwirkungsrechte der Betriebsräte sowie durch die starke Organisationsmacht der Gewerkschaft im Betrieb – bei Entlohnung und bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen – hinausgeschoben bzw. zurückgefahren werden; denn die Tarifbindung geht ebenso wie die Organisationsmacht der Gewerkschaften zurück – vor allem im Dienstleistungssektor, in mittleren und Kleinbetrieben. Die Anzahl der Betriebe mit einem Betriebsrat nimmt ab. So wird der Zusammenhang zwischen Ent-Grenzung und der „zunehmenden Klassenmacht der Bourgeoisie“ deutlich, die David Harvey (2005) als das Merkmal des Neoliberalismus bezeichnet.
4.
Die Gewerkschaften mussten in ihrer Geschichte immer wieder auf neue Herausforderungen reagieren – Veränderungen in der Struktur des Kapitalismus und der Arbeiterklasse, große Krisenperioden, Kriege und Diktaturen. Die mit dem Neoliberalismus verbundenen – sozialökonomischen und politisch-ideologischen – Prozesse der „Entgrenzung“ haben das Feld der gewerkschaftlichen Organisierung und Interessenvertretung gründlich fragmentiert: von den lohnabhängigen Mittelschichten, über den schrumpfenden Kern der industriellen Arbeiterklasse und den Abbau der Staatsbediensteten bis hin zur wachsenden Bedeutung des Pflegepersonals, der Erzieher*innen sowie zu den Berufsgruppen der prekär Beschäftigten, die sich auf die verschiedenen Wirtschaftszweige verteilen.
Eines der zentralen Ziele neoliberaler Politik ist die Schwächung der Gewerkschaften in Betrieb, Gesellschaft und Politik. „Ent-Grenzung“ bewirkt Entsolidarisierung – und die ideologischen Apparate des Neoliberalismus – von der Werbung bis zu den privaten Medien und bis zu den Prämissen der systemkonformen Sozialwissenschaften („rational choice“; methodologischer Individualismus: Robinson) – verstärken das Ziel der Entsolidarisierung.
5.
Der Siegeszug des Neoliberalismus hat die Universitäten und das Wissenschaftssystem – auch als „Revanche für 68“ – tiefgreifend umstrukturiert und in den Dienst des „entfesselten“ bzw. „ent-grenzten Kapitalismus“ gestellt von den B.A./M.A. Studiengängen, über die Finanzierung und Anerkennung von Forschung bis hin zu den Karrierekriterien für Professor*innen. Hier herrscht die „Peitsche des Wettbewerbs“ und der individuellen Konkurrenz unter Studierenden wie Wissenschaft’lerinnen. Es gibt aber auch vereinzelt Stützpunkte kritischer Wissenschaft, die – in Kooperation mit Gewerkschaften – diesen Zusammenhang im Feld der Wissensproduktion thematisieren. Die Erkenntnisse dieser Wissenschaftler*innen sind für den notwendigen Kampf um Hegemonie in diesem Feld unverzichtbar[3]. Für die Gewerkschaften entsteht in diesem Zusammen die Aufgabe, die Interessen eines wachsenden akademischen Prekariats im Kampf gegen die damit verbundenen Ausbeutungsverhältnisse wahrzunehmen.
6.
Die Niederlagen und Rückschläge, die die Gewerkschaften in den entwickelten kapitalistischen Staaten des Westens seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts erlitten haben, bezeugen die Wirksamkeit dieser Herausforderungen. Gleichzeitig gibt es – vor allem seit der Großen Krise von 2008 – ermutigende Ansätze einer „Renaissance“ bzw. eines gewerkschaftlichen Come-Backs (Deppe 2012; Schmalz / Dörre 2013; Goes 2016). Die in diesem Band versammelten Aufsätze gehen sowohl auf die Herausforderungen durch „Ent-grenzung“ und “Ent-soldarisierung“ als auch auf Ansätze und Erfolge beim Aufbau von Strukturen gewerkschaftlicher Interessenvertretung und Gegenwehr auf neuen Feldern ein. Dabei wird deutlich, dass die jungen Wissenschaftler*innen einen wichtigen Beitrag zur Analyse der Voraussetzungen von Organisierung wie von erfolgreichen Kämpfen auf neuen Feldern leisten.
Für die Gewerkschaften selbst ergeben sich aus der „Großen Transformation“ vielfältige Aufgaben und Herausforderungen, die in langwierigen Lernprozessen zu bewältigen sind aber auch existenzielle Fragen für die Zukunft der Gewerkschaften beinhalten.
- Offenheit und Lernfähigkeit erfordern ein hohes Maß an strategischer Flexibilität, jenseits bzw. auf dem Boden der traditionellen Pfade der Interessenvertretung in industriellen Großbetrieben, in denen die Industriegewerkschaften nach wie vor über eine hohe – und sehr wichtige – Organisationsmacht verfügen.
- Der Begriff der Arbeitnehmerinteressen differenziert sich aus – nach den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen und nach den unterschiedlichen Erfahrungen von Lohnarbeit, nach dem Ausmaß von Ausbeutung und Abhängigkeit im prekären Sektor, nach Herkunft und Geschlecht. Das Verhältnis von besonderen und allgemeinen Interessen der Lohnarbeit muss über die Zusammenarbeit der Einzelgewerkschaften (im DGB) erkennbar und verständlich werden. Über die Tarifpolitik und die betriebliche Interessenvertretung hinaus bezieht sich ein erweiterter Interessenbegriff auf die gesamten Reproduktionsinteressen der Arbeitskräfte: u.a. Wohnen, Gesundheit, Bildung, Alterssicherung und nicht zuletzt: Demokratie, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Frieden. Daraus leitet sich das „politische Mandat“ der Gewerkschaften ab.
- Der Begriff der Solidarität muss erweitert werden: Klassensolidarität schließt die Interessen der weiblichen wie der migrantischen Lohnarbeiterinnen ein. Der grenzüberschreitende Internationalismus muss durch transnationale Bewegungen und Kämpfe, aber auch durch die Stärkung der internationalen Gewerkschaftsverbände aktiviert und gestärkt werden. Die Verteidigung der universellen Menschenrechte und der Kampf um die Interessen der Beschäftigten „vor Ort“ gehören zusammen.
- Gewerkschaftliche Interessenvertretung muss die Öffnung (Ent-Grenzung) zu den neuen Fragen und Konflikten mit einem klaren Bezug zum Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit verbinden und sich Wissen über die historischen Erfahrungen und realen Möglichkeiten von Alternativen zum herrschenden Wirtschafts—und Gesellschaftsmodell aneignen. Hier fällt der Bildungsarbeit in den Gewerkschaften eine wichtige Aufgabe zu!
- Gewerkschaften sollten mit kritischen Positionen und dem Wissen um Alternativen in den öffentlichen Debatten um die Zukunft des Kapitalismus präsent sein, ohne auf ihre Kernaufgaben zu verzichten. In der nächsten Zukunft steht dabei die Rekonstruktion von Grenzen der Kapital- und Marktmacht, also des „Re-embedding“ im Vordergrund!
Literatur
- Bamberg, Hans-Dieter / Kröger, Hans Jürgen / Kuhlmann, Reinhard (Hrsg), (1979), Hochschulen und Gewerkschaften. Erfahrungen und Perspektiven gewerkschaftlicher Kooperationspraxis, Köln: Bund-Verlag.
- Deppe, Frank (2012), Gewerkschaften in der Großen Transformation. Von den 1970er Jahren bis heute. Eine Einführung, Köln: PapyRossa Verlag.
- Goes,: Thomas E. (2016), Aus der Krise zur Erneuerung? Gewerkschaften zwischen Sozialpartnerschaft und sozialer Bewegung, Köln: PapyRossa Verlag.
- Katterle, Siegfried / Krahn, Karl (Hrsg.), (1980) Wissenschaft und Arbeitnehmerinteressen. Mit einem Vorwort von Heinz Oskar Vetter, Köln: Bund Verlag.
- Glyn, Andrew (2006), Capitalism Unleashed. Finance, Globalization and Welfare, Oxford University
- Harvey, David (2005), A Brief History of Neoliberalism, Oxford University Press.
- Jessop, Bob (2002), The Future of the Capitalist State Cambridge: Polity Press.
- Ruggie, John Gerald (1982), International Regimes, transactions and change: embedded Liberalism in the postwar economic order, in: International Organization, Vol. 36, No. 2, Spring 1983, pp. 379 – 415.
- Schmalz, Stefan / Dörre, Klaus (2013), Comeback der Gewerkschaften? Machtressourcen, innovative Praktiken, internationale Perspektiven, Frankfurt / New York: Campus.
Anmerkungen
[1] HBS: Scharnier Wissenschaft- Gewerkschaften: Stipendien, Wissenschaftsförderung, Publikationen (Mitbestimmung / WSI-Mitteilungen), Tagungen / Konferenzen, Vertrauensdozenten).
[2] Im „Hattinger Kreis“ (1987 – 2020) diskutierten Wissenschaftler, die sich den neuen sozialen Bewegungen, der Partei „Die Grünen“ zurechneten und meist als Vertrauensdozenten der Hans-Böckler-Stiftung wirkten. Sie veröffentlichten 1990 im gewerkschaftseigenen Bundverlag (Köln) eine Schrift mit dem Titel „jenseits der Beschlusslage. Gewerkschaften als Zukunftswerkstatt“. Darin vertraten sie ein Modernisierungskonzept jenseits der traditionellen Klassenorientierung gewerkschaftlicher Politik.
[3] Ein aktuelles Beispiel: als Nachfolger für den Ökonomen Peter Bofinger im „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ haben die DGB-Gewerkschaften den Berliner Ökonomen Achim Truger, einen moderaten Keynesianer, nominiert. Sogleich gab es Protest von der neoliberalen Wortführern in diesem Gremium: Truger sei nicht wissenschaftlich qualifiziert! Tatsächlich geht es um Klassenpolitik: um den Kampf zwischen (arbeitgeberfreundlicher) Angebots- und (arbeitnehmerfreundlicher) Nachfragepolitik, zwischen Marktradikalismus und sozialstaatlicher Regulation, die mit dem Mantel der Wissenschaftlichkeit umgeben wird.
- In der Druckfassung wurde der Text geringfügig vom Verlag geändert. Wir danken unserem vereins-Gründungsmitglied Frank Deppe für den Text und dem Verlag für die Freigabe!