Nicht nur in der zweitgrößten Stadt des Libanon: Der Aufstand der Armen soll zusammen geschossen werden
Einst galt der Libanon – die erste sogenannte Dienstleistungsökonomie des Nahen Ostens – als ein Land, wohin man fuhr, wenn genügend Geld da war, um sich medizinisch betreuen zu lassen. Wegen gut ausgestatteter Krankenhäuser und gut ausgebildetem Personal. Lang ist es her, denn die jahrelange Krise hat beides verändert – und die grundlegenden Strukturen ebenfalls. Die Situation im Gesundheitswesen angesichts der Epidemie war ein wesentlicher Grund für den heftigsten Lockdown, der in einem Land der Region bisher verhängt wurde – der vom 14. Januar bis zum 8. Februar (ursprünglich bis zum 25. Januar, inzwischen verlängert) andauern soll. Wie sehr sich der Libanon in der kapitalistischen Krise verändert hat, zeigen bereits UNO-Statistiken, denen zufolge über die Hälfte der Menschen im Libanon heute unterhalb der offiziellen Armutsgrenze leben müssen. Wenn dann die Regierung – im Unterschied zu den vorherigen Malen – einen Lockdown verhängt, ohne irgendetwas über finanzielle Unterstützung für die Menschen zu beschließen oder auch nur zu sagen, ist es naheliegend, genau das zu erwarten, was nun vor allem eben in Tripoli, längst aber auch schon in anderen Städten geschieht: Die Rebellion der Hungerleider. Die in Tripoli (arabisch: Trablus – in der Heimatsprache auch weniger zu verwechseln mit dem libyschen Tripolis, Tarablus) seit Tagen vor allem von den jüngeren Menschen der Stadt betrieben wird, mit ununterbrochenen militanten Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht. Und denen die Repressionsorgane dieser reaktionären Staatsmacht von Beginn an mit Gewalt begegnet sind – seit Mittwoch wird auch scharf geschossen, was alleine in dieser Nacht zu weit über 100 teilweise schwer Verletzten führte – und trotzdem die Proteste nicht beenden konnte. Siehe dazu eine kleine Materialsammlung vom 28. Januar 2021 über die aktuelle Entwicklung der Proteste nicht nur in Tripoli und einigen Beiträgen zu den Hintergründen, sowohl, was die Situation im Gesundheitswesen betrifft, als auch zur sozialen Lage der Protestierenden, insbesondere der massiven Erwerbslosigkeit
Power to the Bauer. Die Protestbewegung der indischen Bauern und Solidarität in Deutschland
„Große und entschlossene Bauernproteste in Indien sorgen international für Schlagzeilen. Um den Anliegen der Protestierenden größere Öffentlichkeit zu verschaffen, finden auch in Deutschland Solidaritätsaktionen statt. Michael Fütterer (tie) sprach darüber mit den Frankfurterinnen Robin Randhawa und Sonia Singh. (…) Bemerkenswert ist, dass Menschen ganz unterschiedlicher Communities zusammenkommen. Gruppen, die sonst von der Regierung gespalten werden, kommen zusammen und handeln gemeinsam. Manche Leute bezeichnen die Proteste deshalb auch als Shaheen Bagh 2.0 (zentraler Ort der Massenproteste gegen den CAA, Anm. MF). Wenn wir mit FreundInnen vor Ort sprechen, haben wir den Eindruck, es gleicht einem Protestfestival. Die Protestierenden organisieren solidarisch ihren Alltag. Das gemeinsame Essen spielt eine zentrale Rolle, auch weil es in der religiösen Praxis der Sikhs bedeutsam ist. Die FarmerInnen haben Vorräte für sechs Monate mitgebracht und teilen das Essen mit allen Anwesenden, sei es mit der Bevölkerung vor Ort oder mit der Polizei, um ihnen zu zeigen, dass sie gegen die Regierung und ihre Agrargesetze protestieren und nicht gegen die PolizistInnen. Die Protestierenden geben auch eine gemeinsame Zeitung heraus, es werden Pressekonferenzen organisiert und auf Bühnen Diskussionsveranstaltungen abgehalten. Da an dem Protest auch Kinder teilnehmen, wird auch Schulunterricht organisiert. Die Protestierenden organisieren auch kollektive Formen von Sicherheit, um die Protestcamps zu einem sicheren Ort für Frauen zu machen, aber auch um Agent Provocateurs der Regierung abzuwehren…“ Interview von Michael Fütterer, erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit – 01/2021
Eine Wende in der gewerkschaftlichen Arbeitszeitpolitik? Die IGM-Tarifrunde und die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche
„Mitte Dezember haben die Verhandlungen in der Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie begonnen. Bereits im Sommer hatte der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sich für die Einführung einer Vier-Tage-Woche mit Teillohnausgleich ausgesprochen. Kommt damit der kollektive Kampf um kürzere Arbeitszeiten zurück auf die gewerkschaftliche Tagesordnung? Stephan Krull rückt das Bild zurecht. (…) Es geht dabei nicht nur um Vollzeitbeschäftigte in der Metallindustrie, auch um die Erwerbslosen, die prekär Beschäftigten, die schlecht entlohnten Beschäftigten, überwiegend Frauen, in vielen Dienstleistungsbereichen, im Bildungs- und Gesundheitswesen. Eine radikale Arbeitszeitverkürzung auf durchschnittlich vier Tage pro Woche, eine faire Verteilung der Arbeit verbessert die Verhandlungs- und Machtposition der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften in allen Wirtschaftsbereichen. Es geht auch nicht nur um Arbeit, sondern gleichermaßen um unsere Umwelt, um den Output unserer Arbeit. Industrielles Wachstum und ständige Produktivitätssteigerungen führen in unserer endlichen Welt zur Erschöpfung der Ressourcen und zu einer Überlastung der Natur einschließlich des Klimas. Nicht alles kann und muss weiter wachsen. Ein gutes Leben für alle erfordert nicht mehr Produkte, sondern mehr frei verfügbare Zeit….“ Artikel von Stephan Krull, erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit – 01/2021
Der lange Marsch … zum EuGH. Etappenerfolg der Equal Pay Kampagne für LeiharbeiterInnen
„Zu den wenigen Ereignissen, bei denen man das Jahr 2020 in guter Erinnerung behalten kann, gehört der Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. Dezember 2020 (5 AZR 143/19 (A) Beschluss), der auf die Equal-Pay-Kampagne von LabourNet und Wolfgang Däubler zurückgeht. Die Kampagne hat zum Ziel, über die Geltendmachungsklagen für gleiche Bezahlung von LeiharbeiterInnen und Stammbeschäftigten die Arbeitsgerichte zu Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bewegen. Zu prüfen ist nun, ob die Abwendung vom Equal-Pay-Gebot des europäischen Arbeitsrechts im deutschen Leiharbeitsrecht (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, AÜG) und in deutschen Tarifverträgen mit dem Gemeinschaftsrecht der EU vereinbar ist. Der EuGH wird durch die richterliche Vorlage die Auslegung der EU-Leiharbeitsrichtlinie und die Vereinbarkeit des deutschen Leiharbeitsrechts mit dem höherrangigen EU-Arbeitsrecht klären. Nach der Klarstellung – spätestens in der zweiten Hälfte 2022 – werden die nationalen Gerichte die strittigen Fälle mit der Auslegungshilfe des EuGH weiterbearbeiten und in dem auslösenden Fall wird das BAG den Ball wieder aufgreifen. (…) Wie kommen Gewerkschaften aus der tarifpolitischen Sackgasse der eigenen Leiharbeitstarife heraus, die erkennbar mit den Grundgedanken des europäischen Arbeitsrechts kollidieren? Das ist zugegeben nicht so einfach, weil es hier nicht nur um komplizierte Rechtsfragen wie die Folgeschäden und den Nachklang der »gelben« Tarifverträge gehen wird. Eine große Last ist vielmehr auch die Lebenslüge im Umgang mit der Leiharbeit, deren Pufferfunktion (in Sachen Kosten und Sicherungspuffer für die Stammbeschäftigten) in der gewerkschaftlichen Realpolitik ein wesentlicher Faktor ist. Jeder Beitrag, der hilft, die Gewerkschaften aus der Sackgasse der diskriminierenden Leiharbeitstarife rauszuholen, ist willkommen. Dazu gehört auch die Anerkennung der Ausgangslage: Es sind nicht nur die Vorstände und Tarifverantwortlichen auf dem Holzweg, sondern die Fehler wurden in einem Umfeld gemacht, in dem viele betriebliche FunktionärInnen in einem zwiespältigen Duldungsverhältnis zur billigen Leiharbeit agieren…“ Artikel von Andreas Bachmann, erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit – 01/2021
40. Interventionen » Wirtschaftspolitische Gegenwehr: Krisen und der alltägliche Kapitalismus » Alltagswiderstand und Commons » Commons und Recht auf Stadt » Dossier: Recht auf Wohnung: Erst recht bei einer Epidemie
Arbeits-, nazi- und virenfreies Wochenende wünschen Mag und Helmut (wegen der Internetprobleme sind viele Anfragen/Zuschriften liegen geblieben, wir bitten um Geduld und Verständnis!)
AKTUELL BEI LABOURNET.TV: Union Busting bei Goldnetz
„Goldnetz gGmbH hat Nurias Arbeitsvertrag auslaufen lassen, weil sie sich in der gewerkschaftlichen Kampagne „Für die gute Sache! Aber zu welchem Preis?“ engagiert hat. Goldnetz lebt von öffentlichen Mitteln, praktiziert Kettenbefristungen und ist unter den Kolleg_innen als gewerkschaftsfeindlicher Betrieb bekannt: „Wenn du das Wort ‚Betriebsrat‘ hier in den Mund nimmst, wirst du, wenn du einen befristeten Vertrag hast nicht verlängert, wenn du einen entfristeten Vertrag hast wirst du strafversetzt.“ (aus dem Video) Nuria hat sich davon nicht einschüchtern lassen und auf ihr Recht gepocht, sich gewerkschaftlich zu engagieren. Jetzt hat sie gegen Goldnetz Klage erhoben wegen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Verhandlungstermin ist am 27.1. 2021. Um 9:00 beginnt die Solidaritäts-Kundgebung vor dem Arbeitsgericht, Magdeburger Platz 1, Berlin.“ Video bei labounet.tv (deutsch | 5 min | 2021)
Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The meeting point for all left-wing trade unionists, both waged and unwaged
Le point de rencontres de tous les militants syndicaux progressistes, qu`ils aient ou non un emploi
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