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Aufklärung des „Schwarzen Donnerstag“ angestrebt: EU-Richter fällen bedeutendes Urteil
„Am Europäischen Gerichtshof fiel heute ein bedeutendes Urteil im Streit um Stuttgart 21. Es geht auch um den umstrittenen Polizeieinsatz am sogenannten „Schwarzen Donnerstag“. Am 30. September 2010 erlebt Stuttgart ein als „Schwarzer Donnerstag“ in die Geschichte eingegangenes Drama. Bei Protesten gegen das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 kam es zu einem 2015 als rechtswidrig eingestuften Polizeieinsatz im Schlossgarten mit verheerenden Folgen. Hunderte Menschen wurden verletzt. Nun gab es ein Gerichtsurteil, das die anschließenden Diskussionen noch einmal hochkochen lassen könnte. Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, müsse das Land Baden-Württemberg unter bestimmten Voraussetzungen auch interne Informationen veröffentlichen. Vorausgegangen war dem Urteil ein Streit um die Herausgabe von Dokumenten zu Stuttgart 21. Kritiker des umstrittenen Bahnprojekts erhoffen sich, dass die Dokumente die Vorgänge rund um den Polizeieinsatz am „Schwarzen Donnerstag“ aufklären können. Kritiker verlangten vom Land Baden-Württemberg, mehrere Dokumente um Stuttgart 21 zur Verfügung zu stellen. In einem Verfahren am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatten die Kläger sich auf die Umweltinformationsrichtline bezogen. Das Gericht hatte daraufhin im Mai 2019 den EuGH gebeten, Detailfragen der Richtline zu klären – etwa wann und wie interne Mitteilungen einer Behörde geschützt sind. (…) Die Behörde könne der Auffassung sein, „dass solche Informationen angesichts der seit ihrer Erstellung vergangenen Zeit nicht mehr vertraulich sind“. Damit bereitete der EuGH den Weg für eine mögliche Zugänglichmachung zu den geforderten Unterlagen…“ Artikel von Julia Thielen vom 21.01.2021 bei echo24.de , siehe dazu:
- Brutaler Einsatz gegen S21-Protest: »Müssen aufdecken, was damals tatsächlich geschah«
„EuGH verpflichtet Behörden, Aufklärung von Polizeigewalt gegen »S 21«-Proteste zu unterstützen. (…) Ich habe das Verfahren als Kläger geführt, aber viele Betroffene, etwa Verletzte durch den damaligen rechtswidrigen Polizeieinsatz, wollen ebenso wissen, wer ihn ausgelöst hat. Dies wurde nie geklärt, auch nicht bei zwei Untersuchungsausschüssen dazu im Landtag Baden-Württembergs. Wir sind interessiert an internen Dokumenten, die darüber Aufschluss geben könnten, ob das damalige Staatsministerium und Stefan Mappus, bis 2011 CDU-Ministerpräsident, sich im Ausschuss wahrheitsgemäß geäußert haben. Er behauptete, dass er selber keinen Einfluss auf den Polizeieinsatz genommen habe. Der Verdacht besteht aber, dass er nicht die Wahrheit gesagt hat. Es geht nicht darum, Straftaten zu verfolgen, diese wären gegebenenfalls auch verjährt. [Was sonst versprechen Sie sich davon?] Wichtig ist, aufzudecken, was damals tatsächlich geschah. Auch weil ein solches Problem jederzeit wieder auftreten kann, wie etwa bei den Vorgängen um den Polizeieinsatz im Hambacher Wald. Durch meine Recherchen zu »S 21« waren erhebliche Hinweise auf das Auftreten von Agents Provocateurs damals im Schlossgarten bekanntgeworden, die gesetzeswidrige Handlungen provozieren sollten, um den Einsatz zu rechtfertigen. Das ist Handeln eines Obrigkeitsstaates und passt nicht mehr in unsere Zeit. Deshalb begrüße ich es, dass der EuGH jetzt ausgeführt hat, dass die Behörde verpflichtet ist, Aufklärung zu unterstützen und Akteneinsicht zu ermöglichen. (…) Der EuGH verdeutlicht: Zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Behörde und der Aufklärung muss es eine Abwägung geben. Er bekräftigt sogar, es sei nicht erforderlich, dass ein Bürger ein gesteigertes Interesse an der Aufklärung vortragen muss. Weiterhin muss die Behörde ihr Interesse an der Geheimhaltung begründen. Das Urteil hat grundsätzliche Relevanz…“ Interview von Gitta Düperthal in der jungen Welt vom 01.02.2021 mit Dieter Reicherter, er war Vorsitzender Richter am Landgericht Stuttgart - Siehe zum Hintergrund u.a.
- “Schwarzer Donnerstag” in Stuttgart: Milde Urteile gegen Polizisten
- und Polizeieinsatz gegen Stuttgart21-Gegner war rechtswidrig
- sowie Der blutige Donnerstag in Stuttgart vom 30. September 2010 als gezielter Akt nach dem “Handbuch über politisch-polizeiliche Provokationen”
- und schließlich unser Dossier von 2014: Stuttgart 21: Verwaltungsgericht nimmt Verfahren wieder auf
- und den „schwarzen Freitag“ im LabourNet-Archiv