Protest, der auf den Hund gekommen ist

Die repräsentative Demokratie ist verstockt und erodiert in vielen Bereichen. Die Wahlbeteiligung geht seit Jahren zurück. Die Reputation von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Banken und Leitmedien sinkt rapide. Das wirkliche Engagement in den Parteien nimmt dramatisch ab – lieber werden Pfründe verwaltet als gestaltet. Die Menschen begreifen ohnmächtig, dass Märkte wichtiger sind als sie. Aber nichts folgt daraus. Kein Aufruhr, kein Protest…“ Artikel von Peter Grottian in der taz online vom 27.09.2014 externer Link

Aus dem Text: „… Aber es gibt viele Themen, für die es derzeit unmöglich scheint, die Menschen zu mobilisieren. Sozialproteste gegen die zunehmende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten: Fehlanzeige. Fast alle Erwerbslosen-Initiativen sind aufgelöst. Anti-Banken- und Finanzmarktproteste: ganz kleine Blümchen. Occupy: ein peinliches Desaster. Blockupy: ein klassisches linkes Bündnis mit einer fundierten Kritik an der EU- und EZB-Politik, aber blutleer in Allianzen und provozierenden Aktionen. Massenmobilisierungen im Bildungsbereich sind seit dem Bildungsstreik 2009/2010 verstummt. Gegen den NSA-Skandal: nichts. Und der Protest gegen die Rüstungsexporte in menschenrechtsverbrecherische Länder wie Saudi-Arabien durch das respektable Bündnis „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“? Am Bodensee, in Kassel, München, Berlin und Oberndorf organisierten sie oft pfiffige Proteste, 100 bis 300 Menschen kamen. Aber Massenmobilisierung? Nicht möglich. Die große Mehrheit der Bevölkerung ist gegen Rüstungsexporte in den Nahen Osten, Algerien und Indonesien – und tut nichts. (…) Schließlich ist das demokratische Mittel des zivilen Ungehorsams – gewaltfrei, gewissensmotiviert, auf legale Veränderungen orientiert und bewusst Regeln verletzend – ziemlich auf den Hund gekommen. Die Herrschenden haben hinzugelernt, sie wissen, wie sie den Protest am langen Arm verhungern lassen können. Der zivile Ungehorsam selbst ist weniger als früher eingeübt und selbstverständlich. Vor allem junge Leute sind merkwürdig harmonisch orientiert, sie orientieren sich eher an Fernsehbildern des bemalten Protests als den Herrschenden wirklich vor das Schienbein zu treten…“

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