- Alltagswiderstand und Commons
- Bündnis Umfairteilen und Aktionen
- Die Occupy-Bewegung und Aktionstage
- Gewerkschaftliche Mobilisierung in der Krise
- Initiativen der Linken gegen den Kapitalismus und dessen Krisen
- Interventionen gegen die neoliberale EU
- Klimastreiks und -kämpfe
- Proteste gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21
- Automobilindustrie
- Bauindustrie und Handwerk
- Chemische Industrie
- Dienstleistungen, privat und Öffentlicher Dienst
- Elektro- und Metall(-Zulieferer)
- Elektrotechnik
- Fahrzeugbau (Vom Fahrrad, über Trecker bis zum Flugzeug)
- Gewerkschaften als Arbeitgeber
- Holz, Papier, Glas und Kunststoffe
- Landwirtschaft und Gartenbau
- Lebens- und Genussmittelindustrie
- Maschinen- und Anlagenbau
- Medien und Informationstechnik
- Rüstungsindustrie und -exporte
- Sonstige Branchen
- Stahl-Industrie
- Stoffe und Bekleidung
- Alltagswiderstand und Commons
- Bündnis Umfairteilen und Aktionen
- Die Occupy-Bewegung und Aktionstage
- Gewerkschaftliche Mobilisierung in der Krise
- Initiativen der Linken gegen den Kapitalismus und dessen Krisen
- Interventionen gegen die neoliberale EU
- Mobilisierungsdebatte: Wie kämpfen (gegen Kapitalismus)?
- Proteste gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21
Klima-Bewegung „Extinction Rebellion“ (und Kritik)
Dossier
„Die noch junge Klima-Bewegung „Extinction Rebellion“ warnt vor dem Tod durch den Klimawandel – und ruft zu zivilem Ungehorsam auf. Jetzt ist sie auch in Deutschland angekommen. (…) Es ist eine Protest-Performance der noch jungen Bewegung „Extinction Rebellion“ („Rebellion gegen das Aussterben“). Die schlägt den typischen Rat von Klimakommunikationsexperten, nicht zu sehr auf Katastrophenerzählungen zu setzen, demonstrativ in den Wind. Ihre Vertreter verkleiden sich als der personifizierte Tod, bilden gern Totenköpfe auf Plakaten ab, warnen vor einem dramatischen Massenaussterben infolge des Klimawandels – und rufen so zum zivilen Ungehorsam auf. In Großbritannien, wo die Bewegung im vergangenen Jahr gegründet wurde, gab es schon in mehreren Städten Aktionen, bei denen Klimaaktivisten Straßen und Plätze blockiert haben. Jetzt ruft die Bewegung an mehreren Orten weltweit die „Woche der Rebellion“ aus. (…) Drei Kernforderungen hat „Extinction Rebellion“: Die Regierungen und auch die Medien müssen deutlich sagen, wie bedrohlich die Klimakrise und die Zerstörung unserer Ökosysteme sind. 2025 soll die Welt treibhausgasneutral sein, also nur noch so viele Treibhausgase emittieren, wie die Erde natürlich verarbeiten kann. Wie das zu erreichen ist, sollen Bürgerversammlungen entscheiden…“ Artikel von Susanne Schwarz vom 15. April 2019 bei Klimareporter , siehe dazu weitere Infos:
- XR-Klima-Aktionstage in Berlin: Blockade als Straßenfest – Klima-Protestwelle in hoffnungslosem Autoland?
- Klima-Aktionstage in Berlin: Blockade als Straßenfest
„Alte Sessel und Sofas, eine mobile Küche und ein Klavier wurden gegen 14 in Windeseile auf die Kreuzung am Schlesischen Tor in Berlin gezerrt, dazu gab es Musik und Redebeiträge gegen einen Normalzustand, der immer tiefer in die Klimakatastrophe führt. Die Blockade des Netzwerks Extinction Rebellion (XR) an diesem Samstag hat den Charakter eines Straßenfestes. Die Botschaft: Ja, die Lage ist ernst. Sehr ernst – aber eine lebenswerte Zukunft ist immer noch möglich. (…) Die aktuelle Energiekrise sehen die Aktiven vor allem als Quittung für Versäumnisse beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, der von Lobbyisten bewusst ausgebremst worden sei. Sonst würde sich die Frage, welcher Gaslieferant das kleinere Übel sei, gar nicht stellen. Eine Rednerin gibt sich am Schlesischen Tor überzeugt, dass der menschengemachte Klimawandel nicht mehr auf 1,5 Grad begrenzt werden kann, dass es sich aber immer noch lohne, mit friedlichen Mitteln alles zu tun, um den Schaden zu begrenzen, Menschenleben zu retten und das Artensterben zu bremsen. Dass um jedes Zehntel Grad gekämpft werden muss, ist hier die Devise. Was streckenweise hedonistisch und leicht wirkt, scheint erstaunlich gut organisiert zu sein. Dabei halbwegs optimistisch zu bleiben, ist eine Herausforderung. (…) Mit Aktionen wie dieser soll in der Hauptstadt bis zum 20. September „ein Zeichen gegen die Blechlandschaften in unseren Städten“ sowie gegen „gefährliche Investitionen in Kohle, Öl und Gas“ gesetzt werden…“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 16. September 2022 in Telepolis - Klima-Protestwelle in hoffnungslosem Autoland?
„Die Pkw-Dichte in Deutschland ist auf einen Rekordwert gestiegen. Warum das Netzwerk Extinction Rebellion trotzdem davon ausgeht, dass seine Forderungen mehrheitsfähig sind
Kann die Klimagerechtigkeitsbewegung in diesem Land überhaupt noch einen Blumentopf gewinnen? Oberflächlich betrachtet haben die Lobbyisten der Autoindustrie ganze Arbeit geleistet und allen Grund zum Feiern: Die Mehrzahl der Deutschen scheint keinen Bock auf eine Verkehrswende zu haben. In den vergangenen zehn Jahren sei die Pkw-Dichte durchgehend gestiegen – zuletzt auf einen Rekordwert, meldete am Donnerstag das Statistische Bundesamt auf Grundlage von Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes und eigener Berechnungen. Demnach kamen im Jahr 2021 auf 1000 Einwohnerinnen und Einwohner 580 Autos. Im Jahr 2011 hatte die Pkw-Dichte bundesweit noch bei 517 gelegen. Regionale Unterschiede: Autonutzung nur bedingt freiwillig (…) Das Netzwerk Extinction Rebellion (XR), das mit Aktionen des zivilen Ungehorsams für effektiven Klimaschutz eintritt, zielt jedenfalls nicht darauf ab, Schuldgefühle bei Autofahrenden auszulösen oder sie als Feinde zu markieren. Stattdessen sollen bundesweit strukturelle Veränderungen durchgesetzt werden, um effektiven Klimaschutz voranzubringen. Der Schwerpunkt der Protestwelle, die morgen in Berlin beginnen soll, liegt daher im Regierungsviertel der Bundeshauptstadt. Ein Aktionscamp wurde bewusst im Invalidenpark zwischen Verkehrsministerium und Wirtschaftsministerium aufgebaut. (…) XR will daher im Regierungsviertel „das ‚Business as usual‘ des politischen Systems unterbrechen und zeigen, dass ein breiter Teil der Bevölkerung jetzt richtigen Klimaschutz möchte“. Gemeint sind gewaltfreie Aktionen des zivilen Ungehorsams. „Hunderte Menschen“ sollen es zumindest werden, die direkt daran teilnehmen und sich notfalls von der Polizei wegtragen lassen. Die Aktiven gehen aber davon aus, dass sehr viel mehr Menschen auf ihrer Seite stehen. Das Vertrauen in den guten Willen der Bevölkerungsmehrheit und die eigenen Argumente hat das Netzwerk noch nicht verloren: Ein verbindliches Konzept für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft soll laut XR von repräsentativ ausgelosten „Bürger:innenräten“ erarbeitet werden, um „das politische System aus dem Einflussbereich der Lobbys“ zu holen. Dafür gab und gibt es auch immer wieder Kritik aus dem linken Spektrum, da beispielsweise befürchtet wird, dass wortgewandte Rechte und Leugner des menschengemachten Klimawandels die Räte zu dominieren versuchen – oder deren Arbeit durch ausuferndes „Geschwurbel“ und Intrigen zu sabotieren, wenn sie sich mit ihren Positionen schon nicht durchsetzen könnten. XR geht aber davon aus, dass die Räte damit fertig würden und gesunder Menschenverstand sich durchsetzen würde, wenn keine professionellen Lobbyisten fossiler Konzerne mit am Tisch sitzen. Den meisten Menschen müsse es nur durch eine andere Politik leichter gemacht werden, beispielsweise ohne Auto klarzukommen und wirklich nachhaltig produzierte Waren im Lebensmittelhandel zu finden, wird argumentiert. Nur die Forderung nach individuellem Verzicht ohne strukturelle Veränderungen sei nicht zielführend…“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 16. September 2022 in Telepolis
- Klima-Aktionstage in Berlin: Blockade als Straßenfest
- Die Blockierer kommen wieder: Klimabewegung Extinction Rebellion kündigt »Rebellionswoche« in Berlin ab dem 5. Oktober an
„»Wir wollen keine Ökodiktatur«, sagt Tino Pfaff am Montagmorgen. Aber so wie jetzt könne es nicht weitergehen, erklärte der Sprecher der internationalen Klimabewegung Extinction Rebellion (XR) gemeinsam mit anderen Aktivist*innen bei einer Pressekonferenz. Bereits vor einem Jahr hatte XR im Zuge des ersten weltweiten Klimastreiks am 20. September aus Protest gegen die Klimapolitik der Bundesregierung wichtige Straßen und Verkehrsknotenpunkte in der Hauptstadt besetzt und blockiert. Nun wolle man den Druck auf die Regierung, aber auch auf Konzerne und Lobby-Organisationen weiter erhöhen, sagte Manon Gerhardt, eine der politischen Sprecher*innen. »Wir beziehen uns auf den Artikel 20a des Grundgesetzes, der die Bundesregierung verpflichtet, sich für den Schutz der Lebensgrundlagen der nächsten Generationen einzusetzen«, erklärte Gerhardt. Da sie dem nicht nachkomme, sei vom 5. bis 10. Oktober eine »Rebellionswoche« für mehr Klimaschutz geplant. Diese werde ein dringender Appell »für einen Stopp der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen« sein, so Gerhardt. Neben Kundgebungen und Demonstrationen würden mehrere Aktionen des »zivilen Ungehorsams« stattfinden. Erwartet würden zunächst rund 1500 Aktivisten, es könnten aber deutlich mehr werden, »man weiß das bei den Berliner ja immer nicht so genau«, meinte Pfaff. Von einer Massenmobilisierung habe man coronabedingt abgesehen, alles werde gemäß den Hygiene-Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie stattfinden. (…)Die zentralen Forderungen der Gruppe sind Transparenz und eine Offenlegung der ökologischen Krise durch die Politik sowie die Ausrufung des Klimanotstandes. Ziel sei ein »sofortiger Kurswechsel«, betonte Manon Gerhardt. Bis 2025 müsse Klimaneutralität erreicht werden. Auf Bundesebene müsse eine Bürger*innenversammlung zum Klimaschutz einberufen werden. Zudem müsse die mutwillige Zerstörung der Natur strafbar werden, hieß es. Die Gründe lägen auf der Hand. Das Nichthandeln der Bundesregierung unterstütze nicht nur das weltweite massive Artensterben – die Auswirkungen seien auch vor Ort deutlich zu sehen: »80 Prozent des so beliebten deutschen Walds sind krank«, beschrieb Gerhardt ein Beispiel der wissenschaftlich belegten Auswirkungen des Klimawandels. Auch die Trinkwasserreserven seien um knapp ein Viertel gefallen. Was dies zur Folge habe, könne man auch am bei vielen Berlinern beliebten Seddiner See in der Nähe von Potsdam beobachten: »Der See, der sich aus dem Grundwasser speist, trocknet aus«, erklärt die Aktivistin. Das Schilf, in dem sonst Wasservögel und andere Tiere Schutz suchen, ist bereits trockengefallen.“ Artikel von Claudia Krieg vom 29. September 2020 in neues Deutschland online - Fake! Sticker-Schmutzkampagne gegen Extinction Rebellion: Nein, Autofahrer wurden nicht als “Nazis” bezeichnet
„Rechte verbreiten online ein Foto eines vermeintlichen Stickers der Klimabewegung “Extinction Rebellion”, welcher alle Autofahrer*innen als “Nazis” bezeichnen soll. Diese Sticker sind jedoch eine False-Flag-Schmutzkampagne. Wie die englischsprachigen Faktenchecker Snopes bereits recherchiert haben, sind diese Sticker weder von Extinction Rebellion gemacht worden, noch werden sie gutgeheißen. Ein Sprecher der Organisation sagte, dass dies kein offizieller Aufkleber der Extinction Rebellion sei. Ihre Grafiken seien jedoch frei zugänglich, so dass sie eindeutig als false-flag-Aktion verwendet wurden, um der Bewegung zu schaden. “Das widerspricht völlig unseren Prinzipien und Werten: Wir beschuldigen niemanden, wir glauben an einen Systemwandel, nicht an einen individuellen Wandel.” Sie äußern sich nicht zu bestimmten politischen Maßnahemen und sie “heißen alle willkommen, jung und alt, reich und arm, Fleischesser und Veganer, Autobesitzer und Radfahrer – alle müssen zusammenstehen, wenn wir das Unglück, das uns alle betrifft, abwenden wollen.” Snopes fand nicht heraus, wer konkret das Foto mit dem Fake-Sticker verbeitet hatte, sie fanden jedoch heraus, dass in rechten Internetforen dazu aufgerufen worden war, Fake-Slogans für Extinction Rebellion zu kreieren, um der Bewegung zu schaden. Am gleichen Tag kam die Aufforderung, das Foto des Fake-Stickers zu verbreiten. Es ist nicht das erste Mal, dass Nutzer*innen dieses Forums versuchten, progressive und grüne Kampagnen durch Fakes zu manipulieren…“ Artikel von Thomas Laschyk vom 2. Februar 2020 bei Volksverpetzer - Aufstand der Konformisten – Teils naiv, teils bizarr, vor allem aber eine Bankrotterklärung: Ein »Handbuch« zur Bewegung »Extinction Rebellion« ist erschienen
„Das ins Deutsche übertragene und um zahlreiche Beiträge hiesiger Autoren ergänzte »Extinction-Rebellion-Handbuch« ist entstanden, um Klima- und anderen Aktivisten einen Leitfaden für die Alltagspraxis an die Hand zu geben. Das ist an sich ein sinnvolles Unterfangen. Nicht nur, aber auch, weil die in England im Jahr 2018 gegründete Umweltbewegung »Extinction Rebellion« (XR), die sich zum Ziel gesetzt hat, das sechste große Massenaussterben der Arten und den Klimawandel aufzuhalten, rasant gewachsen ist, gibt es, wie der Koherausgeber des englischen Originals, Sam Knights, in der Einleitung herausstellt, Bedarf an Orientierung für den Aktivismus auf der Straße, an inhaltlicher Bildung und Verständigung. Aber dann das. Die 35 Kurzessays zu den beiden Abschnitten »Die Wahrheit sagen« (Probleminterpretation) und »Jetzt handeln« (Reformideen) und die neun Vorschläge im Abschnitt »How to …« (deutsch »Wie kann man …«) zu potentiellen Mitteln der Rebellion bilden ein Potpourri aus verschlagworteten »Analysen«, Ideen für politische Reförmchen und Gefühlsmystik im Geiste eines grünen Sozialliberalismus. Grobe innere Widersprüche stellen sich so notwendig ein, etwa zwischen Fundamentalkritik an den Institutionen der bürgerlichen Demokratie und der fixen Idee eines neuen »Gesellschaftsvertrags« zwischen bürgerlichem Staat und jedem seiner Bürger. Die Blaupause eines solchen Vertrags ist tatsächlich im dritten Teil des Buchs abgedruckt. Auch klafft eine gewaltige Lücke zwischen radikaler Rhetorik, die bis zu vereinzelter Kapitalismuskritik und dem Aufruf zum »Kampf gegen jegliche Form von Vorherrschaft und Hierarchie« reicht, und handzahmen, teils grotesk naiven, teils bizarren Forderungen wie der nach »innerer Tiefenanpassung an den Klimawandel« durch »universelle Liebe«. Zur »Wahrheit«, die XR verbreiten will, gehört offenbar nicht, dass die bürgerlichen Eigentums- und Produktionsverhältnisse den Kern der ökosozialen Krise bilden. Denn diese – und schon gar nicht ihre Revolutionierung – sind nicht einmal in dem einzigen Artikel zur Ökonomie Gegenstand, der sich in dem Band findet…“ Rezension von Christian Stache bei der jungen Welt vom 13. Januar 2020 („Wann wenn nicht wir. Ein Extinction-Rebellion-Handbuch“, hrsg von Sina Kamala Kaufmann u. a., erschien 2019 bei S. Fischer zum Preis von 12 Euro, 256 Seiten) - Beschwörung der Anunnaki. Vom Eskapismus zum Aktivismus: Die Rückkehr der Apokalyptik in die Jugendkultur
„… Ob Roger Hallam, Gründer von «Extinction Rebellion» (XR), in seiner 1980er-Adoleszenz ein Goth war, weiß man nicht. Doch nimmt seine Bewegung Bezug auf die jugendkulturelle Apokalyptik der Grufti-Ära. Augenfällig wird das in der vom Kleinkunstmanager Doug Francisco konzipierten Performancegruppe «Red Rebels». Mit ihren weiten, fantasiealtertümlichen Gewändern, deren Blutrot an ausgerottete Arten erinnern soll, mit ihren weiß geschminkten Gesichtern samt genretypischer Tränenspur, in ihrem langsamen, würdevollen Einherschreiten tragen sie praktisch zur Deeskalation von Kundgebungen bei, indem ihr Auftreten Polizeiroutinen irritiert. Ästhetisch aber überführen diese Gestalten den weltabgewandten Eskapismus der düsterromantischen Gothics in einen aufgeregten Aktivismus, dem die Apokalypse nicht als stilistische Metapher gilt, sondern als ganz konkretes Szenario. (…) Der fröhliche Nihilismus der ravenden 1990er hat den melancholischen der 1980er neutralisiert. So wurde der jugendkulturelle Symbolvorrat der Apokalyptik sozusagen frei für die Inszenierungen von «XR». Im Zeichen der ablaufenden Sanduhr laden die Anführer der Bewegung mit Namen «Aufstand gegen die Ausrottung» zur – weit überwiegend – juvenilen Selbsterfindung als buchstäblich «letzte Generation der Menschheit». Wie wörtlich die Gründer das nehmen, ist unklar. Doch im Gefolge greift die neue Apokalyptik mit einem Impetus, der auch Skepsis hervorruft: Eine Idee, die als ultimativen, objektiven Horizont nichts Geringeres anruft als menschliche «Arterhaltung», ist radikal gesinnungsethisch: Wer nicht mittut, hat nicht andere Auffassungen, sondern ist «Sünder», «Schädling», «Leugner» – mit dem Präfix «Klima-» ist das Alltagssprache. Und dass, wer solches sagt, sich sogleich zum Bekenntnis gedrängt fühlt, keineswegs den menschengemachten Klimawandel in Frage und entsprechenden Handlungsbedarf in Abrede zu stellen, zeugt von der Berechtigung dieser Skepsis. Gewiss verkörpert XR nicht die ganze neue Klimaschutzbewegung. Im Gegenteil ist diese in der Breite so harmlos und freundlich, dass sie in der Umarmung der Talkshows zu schmelzen droht. Doch die Organisation zeigt zugespitzt, was für Denkräume apokalyptische Gesinnungsethik eben auch eröffnen kann (…) Der existenzielle Imperativ der Arterhaltung steht in einem Kräftefeld mit unkontrollierbarer Eigendynamik. Stand nämlich den Untergangsästheten der 1980er im Wesentlichen ein Junge-Union-Konformismus gegenüber, der den NATO-Doppelbeschluss als vernünftig ansah und das Ozonloch allenfalls als Argument für Sonnencreme gelten ließ, greift nun auch auf der Rechten die Apokalypse um sich. (…) Der Rückschlag, den diese Gruppierung hierzulande durch Hallams Sprüche erleidet, kann als Zäsur genutzt werden: Indem man die Bewegung nicht weiter durch die Beschwörung jener Anunnaki, sondern strategisch radikalisiert: Was hält diejenigen fern, die nach dem Gelbwestenmotto «nicht das Ende der Welt, sondern das Ende des Monats» fürchten? Ohne diese Leute gibt es keine Mehrheit gegen die Profiteure des Jetzt…“ Artikel von Velten Schäfer vom 07.12.2019 beim ND online - Extinction Rebellion: Hütet euch vor Führerfiguren
„Der Brite Roger Hallam, Mitgründer der Klimabewegung Extinction Rebellion (kurz XR), hat den Holocaust als «just another fuckery in human history» bezeichnet. Ein Genozid sei «fast ein normales Ereignis», sagte er weiter im Gespräch mit der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit». Viele, auch viele XR-AktivistInnen, reagieren empört, der Ullstein-Verlag hat das geplante Buch des Briten zurückgezogen. Hallams Aussagen sind dumm und egoistisch: Er zwingt alle XR-AktivistInnen, sich dazu zu verhalten, und gibt jenen, die die Klimabewegung ohnehin für hysterisch halten, einen Grund zur Häme. Roger Hallam ist eben nicht einfach ein XR-Aktivist unter Tausenden anderen. Das Problem liegt in der Struktur der Bewegung: Eine kleine Gruppe aus Grossbritannien hat XR letztes Jahr gegründet. Hallam und MitstreiterInnen waren von Anfang an namentlich bekannt und suchten den Kontakt mit den Medien. Weil viele Menschen das Bedürfnis haben, klimapolitisch aktiv zu werden, ist XR sehr schnell gewachsen und hat eine breite Öffentlichkeit erreicht. Die Gruppen in den verschiedenen Ländern übernehmen Logo, Prinzipien, teils auch Communiqués, Reden und Videos der Gründungsgruppe, ohne deren Mitglieder persönlich zu kennen. Das ist praktisch, denn es geht schnell. Aber es ist letztlich ein Top-down-Ansatz. Und vor allem: Wer sich XR nennt, macht sich so automatisch mitverantwortlich für das, was die Gründungsgruppe sagt und tut…“ Artikel von Bettina Dyttrich in der WoZ vom 28.11.2019 - »Mir wird da wirklich schlecht«. Die Klimabewegung Extinction Rebellion flirtet mit der politischen Rechten und bietet ein Einfallstor für autoritäre Lösungen, sagt die Autorin und Umweltaktivistin Hanna Poddig
„… Eine der zentralen Forderungen von XR ist ja: Handelt jetzt! Damit zeichnet die Gruppe das Bild eines starken Staats, der offenbar erwünscht ist. Diejenigen, die das nicht wollen, haben in den Augen der Gruppe die Dringlichkeit des Problem nicht verstanden. Darüber hinaus haben viele Aktionen dieser Gruppe mit Ungehorsam nichts zu tun. Diese Beliebigkeit ist ein gefährliches Nebenprodukt der Ausweitung des Begriffs von zivilem Ungehorsam. Es ist ja nicht falsch, eine Demonstration anzumelden, um beispielsweise auch Menschen ohne Papiere eine Teilnahme zu ermöglichen. Aber ziviler Ungehorsam ist das dann nicht. In der Anfangsphase von XR gab es in Deutschland sehr viele angemeldete Aktionen, die dann aber trotzdem unter dem Label des zivilen Ungehorsams oder der Rebellion verkauft wurden. An dieser Stelle wird Widerständigkeit zu einem konsumierbaren Produkt, weil es gar nicht um eine Systemfrage geht, sondern um den Wusch, zu den Guten zu gehören. (…) Die Berliner Polizei hat sich vor kurzem sehr darüber gewundert, dass sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer von XR bei ihr für den friedlichen Einsatz bedankt haben. Sie haben der Polizei offenbar gesagt, dass auch Friedlichsein eine Waffe sein könne. Die Polizei kam sich wohl ein bisschen verarscht vor. Das kann ich mir auch vorstellen, weil die Polizei gar nicht weiß, wie sie mit so einer Reaktion umgehen soll. Das Ganze hätte also subversiv sein können, wenn es strategisch gewesen wäre, das war es aber eben nicht. Und damit verkennt XR strukturelle Gewalt und auch tatsächliche Gewalt. Denn man kann sich nicht für eine friedliche Räumung bedanken, bevor man nicht mit den Menschen gesprochen hat, die geräumt wurden. Diese haben nämlich zum Teil etwas ganz anderes berichtet. Ich bin skeptisch, was diese Gruppe angeht. (…) Ich erkenne bei ihr eine fehlende Abgrenzung nach rechts, eine Offenheit nach rechts sogar. In ihrer Selbstdefinition heißt es: »We don’t think it is help-ful to set this up as a fight between the ›left‹ and the ›right‹, we have an enormous challenge before us, we believe we need to lay down our differences and find our common ground.« Wenn man also rechts und links ablehnt, um dann im nächsten Satz von einer gemeinsamen Basis zu sprechen, dann wird mir wirklich schlecht. Leute müssen sich nicht zuordnen, aber ich fordere selbstverständlich eine antirassistische Positionierung, ansonsten habe ich keine Lust, mit XR gemeinsam auf die Straße zu gehen. Außerdem teile ich auch den Fatalismus nicht. So zu tun, als gäbe es ein kleines Zeitfenster, um die Welt zu retten, ist vollkommen falsch und bietet ein Einfallstor für autoritäre Lösungen. XR fordert ja auch einen Notstand. Es gibt also offenbar keine historische Auseinandersetzung mit dem Notstand als Konzept…“ Interview von Julia Hoffmann in der Jungle World vom 14.11.2019 - Im Rausch der Angst – »Extinction Rebellion« ist in Deutschland angekommen. Ist die Bewegung ein progressives Projekt oder eine apokalyptische Sekte?
„Es nötigt durchaus Respekt ab, was die Anhänger von »Extinction Rebellion« (XR) blockierten in der vergangenen Woche erreicht haben. In Berlin blockierten sie tagelang Brücken und große Kreuzungen, in Metropolen wie London, New York City und Paris sah es ähnlich aus. Am Samstag blockierten nach Angaben von XR 800 Menschen das Bundesverkehrsministerium, laut Polizeiangaben waren es 450. Das öffentliche Interesse an den Aktionen von XR nahm zwar bereits nach wenigen Tagen ab, die Klimaschützer konnten aber durchaus zeigen, worum es ihnen geht: um eine Rebellion gegen das Aussterben der Menschheit und der meisten Tierarten, das ihrer Meinung nach wegen des Klimawandels droht. Die aus Großbritannien stammende Bewegung, die im April mit Blockaden der Londoner Themse-Brücken für Furore sorgt, hat mit der Blockadewoche gezeigt, dass sie in Deutschland angekommen ist. Seit Monaten gründen sich hierzulande Ortsgruppen von XR, die stundenweise Straßen blockieren. Mit der Protestwoche in Berlin ist die Organisation hierzulande aus dem Schatten der Schülerbewegung »Fridays for Future« getreten. Das bürgerlich-konservative Milieu kritisiert XR, weil ihm die Aktionen zivilen Ungehorsams zu weit gehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte dem ZDF in Anspielung auf XR, es gebe Gruppen, die wollten »einen grün angestrichenen Sozialismus ausprobieren«. Auch in der radikalen Linken gibt es Vorbehalte gegen XR. Die prominenteste Kritikerin ist derzeit wohl Jutta Ditfurth. Als Mitgründerin der Grünen und bekannte Figur der Friedens- und Antiatombewegung der siebziger und achtziger Jahre kennt Ditfurth sich mit allerlei Formen von Esoterik und Sektenwesen in linken und ökologischen Bewegungen aus. Solche Formen meint Ditfurth auch in XR zu erkennen. (…) Die Grundannahme von XR, dass der menschlichen Gattung, Tieren und Pflanzen das Aussterben bevorstehe, bestätigen seriöse Klimawissenschaftler so nicht. Wissenschaftliche Modelle, die zeigen sollen, wie Klimaveränderungen zu dem XR zufolge bevorstehenden Massenaussterben führen sollen, gelten als äußerst unwahrscheinlich. Nicht weniger befremdlich als der bei XR verbreitete Glaube an eine bevorstehende Apokalypse ist mancher Auftritt der Bewegung in der Öffentlichkeit…“ Beitrag von Sebastian Weiermann vom 17. Oktober 2019 aus Jungle World 2019/42
- Extinction Rebellion: Religiös-gewaltfreie Sekte?
„Diese Woche haben in Berlin Tausende für eine andere Klima-Politik demonstriert. Dabei beließen die Aktivistinnen und Aktivisten es nicht bei Demonstrationen, sondern besetzten auch wichtige Straßenkreuzungen. Organisator der Aktionen war Extinction Rebellion. Die Bewegung sieht sich nun zunehmend Kritik ausgesetzt. (…) Für die Blockaden gab es viel Kritik. Diese Form des zivilen Ungehorsams sei aber notwendig, sagt Lu Yen Roloff vom Extinction-Rebellion-Presseteam: „Wir haben unfassbar viele Petitionen an den Bundestag gerichtet, wir haben Demonstrationen gemacht und trotzdem hat die Bundesregierung jetzt gerade ein Klimaschutz-Gesetz auf den Weg gebracht, was nicht annähernd geeignet ist, uns vor der drohenden Klima-Katastrophe zu schützen und deswegen müssen wir jetzt leider einen Schritt weitergehen.“ Kritik bekommt die Bewegung auch von ungewohnter Seite – von der linken Aktivistin und Autorin Jutta Ditfurth etwa: „Extinction Rebellion ist deswegen eine religiös-gewaltfreie Sekte, weil es einige Kennzeichen von Sekten hat: Elitär, zentral geleitet, wer in der Gruppe kritisiert, wird eher gemobbt, Inhaltsleere wird mit Esoterik gefüllt und man ist verstandesfeindlich.“ Lu Yen Roloff vom Extinction Rebellion weist diese Vorwürfe zurück. Die Gruppen seien das Gegenteil von hierarchisch, alle könnten sich einbringen – und man sei offen für alle. Auch mit Esoterik habe man nichts am Hut (…) Es gehe weder um ökonomische Interessen, noch um Manipulation: „Nicht wir schüren Angst, sondern wir haben Angst, weil die Sachlage ganz klar ist, und weil unsere Regierung aber nicht angemessen reagiert.“ Für den Protestforscher gehören Emotionen zum politischen Geschäft. Emotionen werden allerdings in Verbindung mit der inhaltlichen Offenheit von Extinction Rebellion zum Problem, sagt Simon Teune: „Problematisch wird es in dem Moment, wo es keine politische Richtungen gibt, wenn diese Emotionen da sind, aber keine Perspektive vermittelt wird. Und das ist bei Extinction Rebellion zum Teil der Fall. Damit hängt die Angst vor der Auslöschung und damit auch der Protest ein bisschen in der Luft.“…“ Feature von Sebastian Friedrich vom 11.10.2019 beim NDR Kultur
- Von weiteren Abstrichen beim Klimapaket, aufeinanderfolgenden Protestwochen und vagen Klimaschutzbekenntnissen der EU
“… Während die Bundesregierung ihr klimapolitisches Versagen durchexerziert, gehen die Massenproteste für einen wirksamen Klimaschutz weiter. Die Bewegung „Extinction Rebellion“ hat ab dem 7. Oktober eine internationale Woche der Rebellion ausgerufen. In Berlin begann der Tag damit, dass rund 1000 Aktivisten den Verkehr am Großen Stern blockierten. Später verlagerten sich die Proteste auf den Potsdamer Platz. In insgesamt 60 Hauptstädten weltweit soll die Aktionswoche stattfinden. Es ist dazu aufgerufen, Straßen, Brücken und andere Transportverbinden zu blockieren, „um sofortiges Handeln angesichts von Klimanotstand und ökologischem Notstand zu fordern“. Ganz konkret werden Regierungen aufgefordert, ihre Treibhausgasemissionen bis 2025 auf Nettonull zu reduzieren und dem Verlust der Artenvielfalt Einhalt zu gebieten. Außerdem sollen Bürgerversammlungen geschaffen werden, deren Entscheidungen zu Klimagerechtigkeit und ökologischer Gerechtigkeit das Regierungshandeln leiten soll. „Extinction Rebellion“ gerät derzeit aber auch von verschiedenen Seiten in die Kritik. Zum einen, weil sie sich zu Aktionen zivilen Ungehorsams bekennen, das heißt, sich über geltende Gesetze hinwegsetzen. Es findet sich ebenfalls die Kritik , dass die Bewegung in erster Linie eine weiße Mittelschicht anspricht und die Strategie des offenen Rechtsbruchs kombiniert mit der Bereitschaft, sich festnehmen zu lassen, für Migranten und People of Color weitaus riskanter sei, da sie in der Regel härtere Konsequenzen zu fürchten hätten. (…) Doch nicht nur Extinction Rebellion übt den zivilen Ungehorsam. Vom 4. bis 6. Oktober kam es unter dem Motto „deCOALonize Europe“ an verschiedenen Orten Europas zu Blockaden und Protesten von Kohleinfrastruktur. So wurden in Salzgitter Gleise blockiert, die von Kohlezügen befahren werden, in Flensburg der Kohlehafen. Proteste gab es auch an den Kraftwerken Moorburg in Hamburg sowie in Lünen. Die Proteste zielten gegen den Import und die Verbrennung von Steinkohle, die nicht nur klimaschädlich ist, sondern deren Abbau in Ländern wie Kolumbien mit erheblichen Menschenrechtsverletzungen verbunden ist. Bei „deCOALonize“ geht es auch um eine antikoloniale Perspektive…“ Die Energie- und Klimawochenschau von Jutta Blume vom 08.10.2019 bei Telepolis , siehe den Newsblog vom tagesspiegel online zu den Aktionen von Extinction Rebellion in Berlin
- Extinction Rebellion: Der Gegner sitzt nicht in der Blockade
„Seit Tagen kübeln Rechte und Linke gemeinsam Scheisse über Extinction Rebellion (XR). Nun ist das bei Rechten kein Wunder. Überraschend ist aber, dass sich Linke und Linksradikale lautstark, unsachlich und mit Hass und Eifer am Zerlegen einer neuen und schnellwachsenden Klimagruppe beteiligen. Die Art und Weise, wie die meiste Kritik ohne Belege und Quellen abgefeuert wird, ist schäbig, dünkelhaft, unsolidarisch und vor allem strategisch extrem unklug. Das Spaltungspotenzial ist groß, der Schaden für die Klimabewegung vermutlich schon angerichtet. Vollkommen ohne Not. In einer Situation, in der die Bundesregierung 1,5 Millionen Demonstranten vollkommen ignoriert. Natürlich muss XR kritisiert werden. Klar, reibe ich mich als progressiver Mensch an Endzeit-Rhetorik und religiös anmutenden Performances. Sowas kann Esoterikerinnen und Spinner anziehen und es erzeugt Bilder und Assoziationen, die der Klimabewegung als Ganzes schaden können und rechten Dummbeuteln Munition liefern. Ich muss XR für einen unsensiblen Umgang beim Datenschutz kritisieren. Und natürlich will ich wissen, wieviel Macht die Gründer:innen haben. Klar, finde ich manche Aussagen eines Mitgründers befremdlich. Und natürlich kritisiere ich Aktionen, in denen sich einzelne Ortsgruppen unsolidarisch verhalten haben (…) In jedem Fall ist es kurzsichtig XR vorzuwerfen, dass Antikapitalismus nicht im Programm steht. Oder dass XR ausschließlich auf gewaltfreien und friedlichen Widerstand setzt. Oder dass XR Baukästen für die schnelle Gründung von Ortsgruppen anbietet. XR ist komplett auf Anschlussfähigkeit und Wachstum getrimmt. Das ist ein Wesenskern dieser Bewegung. Das ist eine Strategie, um mehr Menschen anzusprechen – und nicht nur klassische Linke. Eine Fokussierung auf ein Thema. Dabei Anschlussfähigkeit mit zivilem Ungehorsam zu verknüpfen, ist super, wenn man an Schlagkraft gewinnen will. Angesichts der sich zuspitzenden Klimakatastrophe ist diese Strategie absolut legitim. (…) Linke Menschen, die nicht komplett neben der Spur sind, würden sich abwartend skeptisch oder (un)freundlich distanziert oder kritisch solidarisch oder zumindest strategisch intelligent zu XR verhalten. In Teilen sieht man das: bei Ende Gelände, beim Peng Kollektiv, bei der Interventionistischen Linken, bei der Hedonistischen Internationale und einigen mehr, die nicht auf den Spaltungszug aufgesprungen sind. Denn strategisch ist die Sache ein klarer Fall: Eine neue Bewegung schafft es, viele Menschen an Aktionsformen des zivilen Ungehorsams heranzuführen. Ziviler Ungehorsam ist für jede Bewegung, die wirklich etwas verändern will, eine Schlüsselstrategie. Je mehr Menschen Theorie und Praxis des zivilen Ungehorsams kennen, desto schlagkräftiger können soziale Bewegungen in Zukunft werden. Ziviler Ungehorsam geht außerdem oftmals mit Gewalterfahrungen durch die Polizei einher. Auch diese Erfahrungen sind für die Ausbildung von staatskritischen Menschen wichtig. XR hat hunderte Ortgruppen weltweit. Diese werden alle anders, unterschiedlich und schwer zu kontrollieren sein. Das ist die Chance, die in XR steckt. (…) Lasst sie in der Aktion beweisen, was sie sind, wie sie sind und was sie drauf haben. Seid nachsichtig, wenn ganz viele neue Leute erstmals politisch werden. Gratuliert doch einfach mal, dass der Potsdamer Platz immer noch besetzt ist und ziviler Ungehorsam im großen Stil gemacht wird. Habt Geduld. Übt solidarische Kritik. Zettelt selber wirksame Proteste an. Aber kommt verdammt nochmal klar. Die Gegner stehen wirklich woanders.“ Beitrag von Mikael in den Fahrt vom 8. Oktober 2019 bei Metronaut , siehe dazu dagegen: Extinction Rebellion – mehr Show als Rebellion? Beitrag von Erich Schwarz vom 6. Oktober 2019 bei rambazamba
- Klimastreik 20.09.2019 – Auswertung, Statement zu XR und Ausblicke
“Als Soligruppe Berlin der GG/BO nahmen wir am 20.09.2019 am Klimastreik im Antikapitalistischen Block teil. Im Nachfolgenden eine kurze Auswertung zur Demo, ein Statement zu der Organisation „Extinction Rebellion“, der Repression gegen Klimaaktivist*innen, unserer weiterführenden Kampagne und damit zusammenhängende Infos aus den Knästen. (…) Wie schon erwähnt, haben wir uns zunächst nur am Rande mit XR auseinandergesetzt. Das liegt vor allem an deren widersprüchlichen Selbstverständnis, welches wir nicht teilen können: (…) Was denn nun? Machtverhältnisse verändern oder auf Zugeständnisse der Regierung hoffen? Beides ist nicht miteinander vereinbar. Wenn schon erkannt wird, dass Regierungen unsere Welt nicht retten werden, ist das erklärte Ziel, „Regierungen dazu zu bewegen, den ökologischen Notstand zu erklären und den gesetzlichen Rahmen zur Umsetzung unserer Forderungen zu schaffen“ völlig paradox?!? Kapitalismus und Regierungen sind für die Klimazerstörung verantwortlich. Wenn schon die Zielsetzung nicht erkennbar ist, sind es die Mittel dahin auch nicht. XR plädiert für „Selbstbestimmung“, gleichzeitig schreiben sie, dass nur diejenigen bei XR aktiv werden können, welche den Prinzipien und Werten von XR zustimmen und folgen. Ein Prinzip soll es zum Beispiel sein, völlig gewaltfrei zu handeln. Wenn sich also nun selbstbestimmt dazu entschieden wird, Gewalt anzuwenden, würde das den Prinzipien von XR widersprechen und gleichzeitig aber auch, durch die Anerkennung der Selbstbestimmung, den Prinzipien von XR entsprechen. Das Maß an Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten. (…) Proteste gegen die Klimazerstörung sind wichtig und dürfen sich nicht nur auf einen Tag begrenzen. Deswegen begrüßen wir die Organisation „Fridays for Future“, die sich fortwährend mit dem Thema beschäftigt und dauerhaft gegen die Klimazerstörung einsetzt. Linksradikale Stimmen müssen sich bei diesem Kampf unserer Meinung noch stärker in diese Kämpfe einbringen. (…) Wir werden den Kampf gegen Klimazerstörung in unsere Anti-Knast Kämpfe ebenfalls einbinden. Zum Einen bleiben wir zu dem Thema weiterhin mit Gefangenen in Kontakt, zum anderen werden wir auch draußen weiterhin versuchen, antikapitalistische und antistaatliche Perspektiven stark zu machen. Unter anderen wird es zu dem Thema „Gegen Kapital, Staat, Knast und Klimazerstörung“ bald eine Info-Veranstaltung geben. Konkrete Infos dazu folgen noch. …“ Beitrag vom 08.10.2019 von GG//Bo Soligruppe Berlin
- Extinction Rebellion ruft zu transnationaler Aktionswelle ab dem 7. Oktober auf
“…Jüngst wurde neben der bundesweiten Organisation von XR Deutschland zusätzlich die deutsche Jugendorganisation „Extinction Rebellion Youth” gegründet. Der Zulauf ist enorm: Allein der deutsche Zweig hatte Mitte Juni bereits 52 Ortsgruppen, Tendenz steigend. Für den 7. Oktober 2019 wird eine neue Rebellion-Blockadewelle in Berlin angekündigt, die mit ähnlichen direkten gewaltfreien Aktionen in Paris, London und New York koordiniert wird. Die starke transnationale Vernetzung ist ein weiteres Kennzeichen der Bewegung. Ein internationales Treffen und ein Treffen von XR Deutschland haben Ende Mai und im Juni in Mittelhessen und in Berlin stattgefunden. Bei ihren Forderungen übernimmt XR Deutschland die drei Ziele, die bereits von der englischen XR formuliert wurden, von der die Bewegung im Mai 2018 ausging – inzwischen gibt es XR-Netzwerke in über 40 Ländern. …“ Beitrag von Lou Marin vom 13.09.2019 bei der grazwurzelzeitung online , siehe dazu:- Aufruf: Mit gewaltfreien zivilen Ungehorsam gegen die Klimakrise ab 07. Oktober in Berlin und weltweit
“Zu Tausenden blockieren wir ab 7.10.2019 die Straßen und Plätze in Berlin und in anderen Städten der Welt. Wir rebellieren gegen das Aussterben: friedlich, kreativ, bunt und entschlossen! Wir stören den alltäglichen Betriebsablauf, der unsere Lebensgrundlagen zerstört. Wir setzen den Protest so lange fort, bis die Regierungen angemessen reagieren. Dazu brauchen wir Euch!“ Aufruf auf der Homepage von Extinction Rebellion - Jenseits von Politik. »Popkulturelle Bewegung«: Extinction Rebellion mobilisiert für kommende Woche zu Protesten. Zunehmende Kritik von links
„… Pünktlich zum Start der Aktionswoche veröffentlichte XR Deutschland am Freitag einen offenen Brief an die Bundesregierung, den etwa 90 Prominente aus dem Kulturbetrieb unterschrieben haben. Die Unterzeichner erklären sich »voll und ganz« mit den drei Forderungen von XR einverstanden. Die sind so etwas wie das von der britischen Mutter vorgegebene Mantra der Bewegung: »Tell the Truth, Act Now, Beyond Politics« – also: »Sagt die Wahrheit, handelt jetzt und jenseits der Politik«. Gemeint ist hier: Die Regierung solle »die Wahrheit« über das Ausmaß des Klimawandels sagen, die Bundesrepublik müsse die Treibhausgasemissionen bis 2025 auf »Nettonull« senken, wozu wiederum eine »Bürgerversammlung« einzuberufen sei – und zwar von der Regierung. Dieser dritten Forderung von XR ist auch das Klimacamp am Kanzleramt gewidmet. Die Mitglieder der Bürgerversammlung sollen zufällig aus der Bevölkerung ausgewählt werden und unter Mitwirkung von »Experten« rechtlich bindende Maßnahmen beschließen, um die Klimakatastrophe zu stoppen. Während XR weiter Fahrt aufnimmt, begegnen der »Bewegung« zunehmend Skepsis und Kritik von links. Die Antragspolitik gegenüber dem bürgerlichen Staat mutet bestenfalls naiv an; die Propagierung einer demokratisch nicht legitimierten und von der Regierung ernannten »Bürgerversammlung« sorgt für Stirnrunzeln. Viel von dem, was XR etwa zum Selbstverständnis auf seiner Homepage schreibt, wirkt seltsam durchgestylt und von oben vorgegeben – auch wenn man sich selbst als »Grassroots-Bewegung« bezeichnet. Die Schülerbewegung »Fridays for Future«, von deren Erfolg XR offensichtlich profitiert, tritt deutlich authentischer auf. Für viel Kritik sorgte in den vergangenen Tagen auch ein Fragebogen, mit dem XR über Wochen auf seiner Homepage sensible Daten abfragte. (…) Überwiegend Spott erntete XR mit einer »Besetzung« des Berliner Karl-Liebknecht-Hauses, Zentrale der Partei Die Linke, am Montag. Das Künstlerkollektiv »Peng!« twitterte dazu: »Wenn man irgendwo reingeht und Dinge ruft, die die Leute selber vertreten, die euch Kaffee bringen und fragen, weshalb ihr nicht einfach vorher angerufen habt«, dann seien das vielleicht die falschen Gegner. In Hamburg waren XR-Aktivisten am 20. September angeeckt. Bei der Blockade einer Kreuzung in der Innenstadt standen sie auf, weil einer der Blockierer »Fuck Cops« gerufen haben soll. Man pflege, hieß es danach, »gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg«. Auch die Taz befand, dass XR dafür zu Recht einen »Shitstorm« geerntet habe. Dass den intensiv beworbenen Aktivitäten von XR »keinerlei Analyse der herrschenden Verhältnisse zugrunde liegt«, kritisiert Deniz Ergün, Aktivist aus Hamburg. »Das ist mehr eine popkulturelle Bewegung, von Kritik am System keine Spur«, sagte er am Mittwoch gegenüber jW. Die Strukturen seien zudem »sehr undurchsichtig«, man wisse nicht wirklich, wer hinter XR stecke. Und ein »echtes Problem« für die radikale Linke sei, »dass die bereit sind, mit den Repressionsbehörden zu kooperieren«.“ Artikel von Kristian Stemmler in der jungen Welt vom 05.10.2019 (im Abo) - Siehe auch den informativen Artikel über die Bewegung (in Berlin) von Marlene Halser am 4.10.2019 in der taz online
- Aufruf: Mit gewaltfreien zivilen Ungehorsam gegen die Klimakrise ab 07. Oktober in Berlin und weltweit
- Extinction Rebellion: „Wie wir das schaffen können bis 2025“ – Klimaschutzaktivisten rufen zur Rebellion auf – Aktionen 5. bis zum 13. Oktober
„Am Donnerstag haben rund 40 Menschen in Berlin-Friedrichshain kurzzeitig eine Straße blockiert. Aktivisten lasen einzelne Kapitel aus einem Buch vor, von dem hunderte Exemplare auf einer Palette mitten auf der Warschauer Straße auslagen. Bei der Protestaktion von Mitgliedern der Organisation Extinction Rebellion (übersetzt: „Rebellion gegen das Aussterben“) handelte es sich nicht um eine angemeldete Demonstration. Die Aktion fand einen Tag nach Erscheinen des deutschsprachigen Buches von Extinction Rebellion – abgekürzt: „XR“ – statt. Das Aktivistennetzwerk macht in Deutschland seit April mit Protestaktionen auf sich aufmerksam, mit denen sie den Handlungsbedarf im Bereich Klimaschutz verdeutlichen möchten. Wie es der Titel des im Fischer Verlag erschienenen Buchs ahnen lässt, soll „Wann, wenn nicht wir – ein Extinction Rebellion Handbuch“ einem größeren Publikum Zugang zu der Motivation und Arbeitsweise der Organisation bieten. Kurz vor der Straßenblockade hatte ein Teil der Gruppe eine Pressekonferenz abgehalten. Dort sagte Sina Kaufmann, eine der Herausgeberinnen des Buches: „Ich rufe zur Rebellion auf, weil im gemeinsamem Ungehorsam eine Kraft steckt.“ Ihrer Meinung nach sieht sich Extinction Rebellion „als Teil einer viel größeren Bewegung“. Außerdem seien alle Bewegungen, auch Fridays-For-Future, sehr verknüpft. Auf der Presseveranstaltung erzählte Timo Pfaff von der Ortsgruppe Weimar, dass am Tag zuvor der Stadtrat in Jena den Klimanotstand ausgerufen hat. Da dieses Wort kräftig und sehr in der Kritik sei, „vor allem der zweite Teil“, bezeichnet er die Entscheidung als gutes Signal. Dennoch sei die Ausrufung nur der Anfang des Weges sowie „der Beginn der ersten Forderung, die erfüllt wird“. Seiner Ansicht nach sei „die Klimakatastrophe bereits da“ und die Systeme stünden „vor dem Kollaps“.(…) Für den 7. Oktober planen sie einen globalen Aufstand, mit Aktionen unter anderem in Berlin, London, Paris, Washington. Städte sollen lahmgelegt werden. Parallel dazu hat die Ortsgruppe Berlin vom 5. bis zum 13. Oktober ein Klimacamp im Regierungsviertel angemeldet, bei denen sich Interessierte „an den Visionen, wie wir das schaffen können bis 2025″ beteiligen können, sowie an Podiumsdiskussionen, Bürgerinnen-Versammlungen, oder Yoga.“ Bericht von Tatiana Abarzúa vom 10. September 2019 bei Telepolis (Die erweiterte deutsche Ausgabe „Wann, wenn nicht wir – ein Extinction Rebellion Handbuch“ erschien September 2019 bei S. Fischer zum Preis von 12 Euro (256 Seiten))
- Neue Umweltbewegung Extinction Rebellion: Greta Thunbergs radikale Geschwister
„Die Extinction Rebellion ist die Schwester von Fridays for Future: ein zweiter Arm der neuen globalen Umweltbewegung. Wer sind sie, was wollen sie? (…) XR versteht sich nicht als aktivistische Elite, sondern als Sammlungsbewegung, die alle Menschen mit ausgebreiteten Armen empfängt. Nachdem XR-Aktivisten der ersten Stunde am 31. Oktober 2018 auf dem Londoner Parliament Square eine „Rebellion gegen die Regierung“ ausgerufen haben, ist die Bewegung nach eigenen Aussagen in Dutzende Länder expandiert, darunter die Salomonen im Südpazifik und die USA, und im Begriff, sich neben Fridays for Future als zweiter Arm einer neuen globalen Klimabewegung zu etablieren. Der Weg der XR-Anhänger: Sie wollen den Verkehr, das Wirtschaftsleben und die Regierungsgeschäfte mit friedlichem zivilen Ungehorsam zum Erliegen bringen, um damit eine Kehrtwende in der Klimapolitik herbeizuzwingen. In London haben sie im November 2018 fünf Brücken gleichzeitig besetzt und blockiert, sich mit Sekundenkleber am Tor des Buckingham Palace festgeklebt oder im März 2019 kübelweise Kunstblut vor der Downing Street ausgekippt. In Deutschland besetzten XR-Aktivisten im April stundenlang die Berliner Oberbaumbrücke und im Juli die Deutzer Brücke in Köln, beides wichtige Nadelöhre des Großstadtverkehrs. (…) Ab dem 7. Oktober sind große Aktionen über mehrere Tage hinweg geplant, die Bewegung will nicht weniger als 10.000 Leute in Berlin auf die Straße bringen; auch in Paris, Amsterdam, Madrid, Buenos Aires und weiteren Städten werden Menschen auf die Straße gehen. Wenn alles so kommt wie geplant, können die Hauptstädte der Welt sich auf was gefasst machen…“ Beitrag von Georg Fahrion vom 19. August 2019 bei Spiegel online
- Extinction Rebellion in London: Entwaffnend freundlich
„Die Londoner Polizei ist überfordert, weil Hunderte Klimaschützer bereit sind, sich für ihren Protest verhaften zu lassen. In London halten Demonstranten seit einer Woche vier wichtige Verkehrsknotenpunkte besetzt. Die Aktivisten fordern, dass die Regierung einen Klimanotstand ausruft und die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2025 auf Null gesenkt werden. Die Besetzung soll noch eine Woche weitergehen. Die Polizei ist nahezu machtlos. Das liegt an der Taktik der Bewegung »Rebellion gegen die Ausrottung« oder XR (englisch: Extinction Rebellion). Die Demonstranten sind nicht aggressiv und lassen sich bereitwillig verhaften. Bislang wurden denn auch Hunderte festgenommen. Für jede Verhaftung sind vier Polizeibeamte erforderlich, die den Demonstranten zu einem der wartenden Polizeibusse zu tragen. Wenn ein Demonstrant weggetragen wird, ruft die Menge: »So gewinnen wir«. Am Sonnabend teilte Londons Polizei mit: »Was ungewöhnlich ist bei dieser Demonstration, ist die Bereitwilligkeit der Teilnehmer, sich festnehmen zu lassen, und der fehlende Widerstand gegen Verhaftungen.« Die Taktik funktioniert, wie die Polizei selbst eingesteht: »Wir haben über 680 Verhaftungen gemacht und das ist natürlich ein Logistikproblem, nicht nur für die Polizei wegen der Zellenplätze, sondern auch für das ganze Justizwesen.« Die meisten Verhafteten werden nach dem Besuch in einer Polizeiwache umgehend wieder freigelassen. (…) Die Rebellion ist mittlerweile auf mehr als zehn Länder übergesprungen. In Australien blockieren Aktivisten Kohlezüge, in Freiburg im Breisgau besetzten sie am Karfreitag eine große Straße und führten einen Trauermarsch durch und in Frankreich blockierten sie mehrere Konzernzentralen sowie das Umweltministerium. Die Reaktion der Polizei in Paris unterscheidet sich aber von der in London: In Frankreich wurde Tränengas eingesetzt. Das harte Durchgreifen dürfte dazu führen, dass die Zusammensetzung der Demonstranten eine andere wird als in London. Auffällig dort ist, wie viele ältere Menschen die Kreuzungen mit besetzen und bereit sind, sich verhaften zu lassen…“ Bericht von Christian Mihatsch vom 22.04.2019 beim ND online
- Rebellion mit Seifenblasen. Die britische Klimabewegung »Extinction Rebellion« setzt erstmals Akzente in Deutschland. Wie geht es nun weiter?
„… Doch warum braucht es neben »Ende Gelände« und »Fridays For Future« (FFF) eigentlich noch eine Klimabewegung? »Extinction Rebellion« soll irgendwie internationaler und thematisch breiter sein, heißt es von den Veranstalter*innen. Ein Kenner der Szene hofft, dass die Bewegung das Bindeglied zwischen der noch recht passiven Zivilgesellschaft und der etablierten Klimabewegung werden könnte. Und in der Tat: Es scheint, als erreiche »XR« sowohl politisch interessierte Neulinge, als auch Menschen, denen die FFF-Demonstrationen nicht radikal genug sind. Mehrere Redner*innen betonen, dass »die Systemfrage« gestellt werden müsse, Appelle an die Politik nicht mehr ausreichten. Besonders deutlich wird der Klimaaktivist Tadzio Müller: »Wir müssen jeden Tag die Regeln dieser Scheiß-Normalität brechen.« Das erste Ziel der Bewegung: der Ausruf des Klimanotstandes. Explizite Kapitalismuskritik hört man an diesem Vormittag jedoch eher wenig…“ Artikel von Niklas Franzen vom 16.04.2019 beim ND online
- Von Fridays for Future zur Extinction Rebellion
„Kann der neue Umweltaktivismus das apokalyptische Denken ablegen und Teil einer Bewegung für ein schönes Leben für Alle werden? (…) Damit wird deutlich, dass die Aktionen der neuen Umweltbewegung sich durchaus in der Tradition einer linken Praxis befinden, die schon vor mehr als 25 Jahren das Thema Stadtentwicklung, die Diskussion über eine lebenswerte Stadt, in der sich nicht nur Reiche das Wohnen in angesagten Bezirken leisten können, mit der Drosselung des Automobilverkehrs verbunden hat. (…) Es sind genau die gleichen Fragen, die heute wieder viele in Berlin bewegen – Umwelt, Mieten und darüber hinaus eine Stadt, in der nicht nur die Reichen leben können. Da gäbe es also für die neue Klimabewegung genügend Ansätze für eine Verbreiterung ihres Widerstands. Eine Stadt wie Berlin möglichst autofrei zu machen, wäre ein lohnendes und auch durchaus realistisches Ziel. (…) Dabei wird übersehen, dass sich sowohl in den Arbeiten von Marx und Engels als auch in verschiedenen Schriften von ökosozialistischen Autoren Ansätze einer egalitären Gesellschaft finden, die auch das Mensch-Umwelt-Verhältnis beachten. Würden solche Ansätze auch in der neuen Umweltbewegung mehr berücksichtigt, bestünde die Hoffnung, dass sich die Bewegung vom apokalyptischen Denken verabschiedet und auch von einem mystischen Naturbegriff, der den menschlichen Fingerabdruck nicht als Ausdruck der Zivilisation, sondern als zu behebenden Makel ansieht. (…) Es gab in den letzten Jahren einige Bewegungen, die schnell durch das Internet an Bedeutung gewannen und genauso schnell wieder verschwanden. Erinnert sei nur an die Occupy-Bewegung und die Bewegung der Platzbesetzungen. Einige haben sich in der Bewegung politisiert und wurden Teil von sozialen Bewegungen in Stadtteilen oder an den Arbeitsplätzen. Schnelles Verschwinden oder Kooperieren mit anderen sozialen Bewegungen ist auch die Perspektive der neuen Umweltbewegung. Dabei hat Extinction Rebellion schon mal den Vorteil, dass sie nicht mehr mit Greta Thunberg identifiziert wird und auf Vordenker oder gar Gurus verzichtet...“ Artikel von Peter Nowak vom 16. April 2019 bei telepolis
- Fotos: #ExtinctionRebellion – Blockade der Oberbaumbrücke in Berlin
„Auch in Berlin beteiligten sich am 15. April mehrere hundert Aktivist*innen an der internationalen „Rebellionswoche“ von #ExtinctionRebellion für ein entschlossenes Handeln gegen die Klimakatastrophe. Die Aktionen starteten mit einer Kundgebung vor dem Reichstag. Nach einem Zwischenstopp an der Jannowitzbrücke, an der Künstler*innen und Musiker*innen auftraten, blockieren mehrere hundert Menschen für rund 3 Stunden den Verkehr auf der Oberbaumbrücke. Dann wurden sie von der Polizei von der Brücke getragen…“ Eine Fotoseite von und beim Umbruch Bildarchiv
- Siehe auch unser Dossier: “Fridays for Future”: Schulstreiks für mehr Klimaschutz