[Aufruf] „Höchste Zeit für eine ernsthafte politische Debatte über die Einführung eines Grundeinkommens“

[Aufruf] "Höchste Zeit für eine ernsthafte politische Debatte über die Einführung eines Grundeinkommens"Die sozialen, ökonomischen und ökologischen Entwicklungen haben das Grundeinkommen schon längst auf die Tagesordnung gesetzt, angesichts der Corona-Krise wird es noch deutlicher: Alle bisherigen sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen haben nicht dazu geführt, dass ein Einkommen für alle gesichert ist, weder in der Krise noch außerhalb. Wir brauchen deshalb (nicht nur) in Deutschland endlich eine ernsthafte politische Debatte über das Grundeinkommen – ein bedingungslos gewährtes Einkommen, das allen Menschen die Existenz sichert und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Wir, die Unterzeichnenden, haben unterschiedliche Begründungen für das Grundeinkommen, auch unterschiedliche Vorstellungen über die konkreten Ziele und die konkrete Ausgestaltung des Grundeinkommens sowie über weitere politische Veränderungen. Wir sind aber der Auffassung, dass es höchste Zeit ist, die Debatte über die Einführung eines Grundeinkommens in breiter Öffentlichkeit und in allen politischen Zusammenhängen zu führen. Dazu rufen wir auf.Aufruf vom 18. Mai 2020 mit allen Unterstützer*innen externer Link (über 20 Organisationen, über 160 Personen, u.a. Mag Wompel) auf der Aktionsseite externer Link – siehe weitere Informationen:

  • Grundeinkommen – es ist Zeit! Die Plausibilität der Grundeinkommensforderung war noch nie so hoch wie jetzt in der Krise
    Es scheint, dass wir mit unserem Aufruf den Nerv der Zeit getroffen haben. Innerhalb weniger Tage fand er die Unterstützung mehrerer Dutzend prominenter Erstunterzeichner*innen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, deren Zugänge zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) sehr verschieden sind. Zuvor hatten in Deutschland fast eine Million Menschen diverse Petitionen für die Einführung bedingungsloser Zahlungen unterzeichnet. Selbst wenn man davon ausgeht, dass manche mehr als eine Petition unterschrieben haben, bleibt das eine beeindruckende Zahl. Es ist offenbar höchste Zeit für eine ernsthafte Debatte über die Einführung des Grundeinkommens. Die Forderungen der einzelnen Petent*innen sind unterschiedlich: Einige wollen bloß eine Notfallzahlung für Menschen, die von der Krise besonders stark betroffen sind, andere zielen auf ein vollumfängliches Grundeinkommen gemäß der breit akzeptierten Definition, dass die Zahlung an alle erfolgen soll, unabhängig vom Erwerbsstatus und Einkommen, ohne Gegenleistung und hoch genug, um Existenz und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Wie die Zahl der Unterstützer*innen, aber auch der Personen, die Petitionen verfasst haben, uns zeigt, findet die Forderung weit über die herkömmliche Szene der Grundeinkommens-Befürworter*innen hinaus Zustimmung. (…) Die Plausibilität der Grundeinkommensforderung war vielleicht noch nie so hoch wie jetzt in der Krise. Sehen wir uns einmal an, was die Staaten zur Unterstützung Betroffener unternehmen. Längst nicht überall bekommen diejenigen etwas ab, die es am meisten bräuchten. Gerade in den arm gemachten Staaten des Südens, aber auch in so manchem Industrie- und Schwellenland, bekommen die Armen nichts. Im Gegenteil, Hunderte von Millionen Menschen weltweit lebten bisher davon, von anderen, oft ebenfalls Prekären, ein wenig Geld abzuzweigen. Sie taten das durch mehr oder weniger sinnvolle Dienstleistungen, den Verkauf zweifelhafter Produkte und auch durch direkte Entwendung. Nun steigt die Zahl derer noch, die auf solche Einkommensquellen angewiesen sind, weil sie ihre prekäre formelle Arbeit verloren haben. Damit, aber auch durch den ausbleibenden Tourismus, sinkt gleichzeitig die Zahl derer, deren Geld man bekommen könnte. Und dorthin, wo sich die Geldbesitzer*innen aufhalten, darf man ohnehin nicht mehr gehen. Wer es trotzdem tut, wird nicht selten von der Staatsmacht vertrieben, direkt angegriffen, in den Knast gesperrt oder gar getötet. Nun gibt es reiche Länder, die auch den ärmeren Bevölkerungsteilen Überlebenshilfen angedeihen lassen; doch sind sie keineswegs immer von menschenfreundlichen Motiven angetrieben. „Die Wirtschaft“ kann im Kapitalismus nicht erfolgreich betrieben werden, wenn da keine Käufer*innen sind. Schon jetzt aber bestehen die „Hilfen“ in Deutschland überwiegend aus Krediten, die zurückgezahlt werden müssen. Worauf die Industriestaaten nach der Krise setzen werden, darf man getrost voraussagen: Marktprozesse würden das alles regeln. Das wird gigantische Profite für wenige bedeuten, Pleiten für zahlreiche kleine, vielleicht auch einige große Unternehmen und Verarmung, ja Verelendung großer Teile der Bevölkerung. (…) Neben diesem absehbaren Szenario sehen wir eine zweite Gefahr. Auch aus staatlicher Sicht wird ein (neoliberales) Grundeinkommen in der Krise plausibler. Milton Friedman, auf den viele neoliberale Grundeinkommensmodelle zurückgehen, hatte den Gedanken geradezu paradigmatisch entwickelt. Er wollte Menschen ohne Einkommen bis zu einem Viertel des steuerlich freigestellten Betrages als negative Einkommenssteuer auszahlen und ansonsten jegliche öffentliche Unterstützung einstellen. Mit diesem Minimalbetrag wären die (meisten) Betroffenen nicht verhungert, aber sie wären gezwungen gewesen, jeden noch so üblen Job zu allen noch so miesen Bedingungen anzunehmen. Und der Staat hätte kräftig dabei gespart. Wir haben in unserem Aufruf deshalb betont, dass wir „ein Grundeinkommen als ein bedingungslos gewährtes Einkommen, das allen Menschen die Existenz sichert und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht“, verstehen. Nur dann wäre es ein sozialer und humanitärer Fortschritt. Auf weitere Konkretisierungen eines BGE haben wir bewusst verzichtet…“ Gastbeitrag von Dagmar Paternoga, Ronald Blaschke, Werner Rätz, Franz Segbers vom 19.05.2020 beim Freitag online externer Link
  • Prominente rufen auf: Höchste Zeit für eine ernsthafte politische Debatte über die Einführung eines Grundeinkommens!
    „… Der Aufruf ist Startpunkt einer umfassenderen Kampagne. Der Netzwerkrat hat den Aufruf an Mitglieder des Bundestages und des Europäischen Parlaments vermailt (PDF-Dokument externer Link ). Aktionen, an denen sich Unterstützer*innen des Aufrufs beteiligen, folgen. Im Herbst startet die Europäische Bürgerinitiative zum Grundeinkommen externer Link. In einer gesonderten Erklärung externer Link erläutern die Initiator*innen des Aufrufs ihre politischen Motive für den Aufruf: Nach der Krise könne es kein Weiter-so geben. Es sei zu befürchten, dass man zum business-as-usual zurückkehren will und die Folgen der Corona-Krise so den weniger Mächtigen aufbürdet. Dem müsse man mit progressiven Ansätzen entgegentreten. Über die Forderungen nach einem temporären Krisen-Grundeinkommen hinaus müsse man ein unbefristetes Grundeinkommen für alle in den Blick fassen. Seine Ausgestaltung muss ernsthaft diskutiert werden…“ Beitrag von Ronald Blaschke vom 19.05.2020 beim Netzwerk Grundeinkommen externer Link
  • Siehe zum Hintergrund auch unser Dossier: [Petition] Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen durch die Coronakrise
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=172618
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