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Widerstand auf dem Balkan: Gleich in mehreren Ländern Südosteuropas gibt es derzeit grössere Protestbewegungen

We will be your crisis. NEA-Aufruf gegen europäischen Polizeikongress„Gerade die Linke im westlichen Europa könne viel von ihnen lernen – und nicht umgekehrt (…) Es wäre zwar irreführend zu behaupten, die Proteste [in Südosteuropa, von Ungarn bis in die Türkei] – oder auch die autoritären Regimes, gegen die sie sich richten – würden allesamt einem bestimmten historischen Vermächtnis entwachsen, das die ganze Region geprägt habe. Dennoch gibt es viele Ähnlichkeiten. Sie haben im Wesentlichen mit der Art der Politik in Europa und weltweit zu tun. (…) Die Proteste wurden meist von jungen Menschen angestossen, die ihre Zukunftsperspektiven zurückgewinnen wollen. Sie suchen nach Alternativen zur jeweils etablierten Politik, der sie die Fähigkeit absprechen, zur Lösung ihrer existenziellen Probleme beizutragen…“ sagt die serbische Anthropologin Tanja Petrović im Interview von Raphael Albisser in der WOZ vom 3. April 2025 externer Link („«EU-Fahnen sind keine zu sehen»“) – siehe mehr daraus:

  • Siehe weiter aus dem Interview von Raphael Albisser in der WOZ vom 3. April 2025 externer Link („«EU-Fahnen sind keine zu sehen»“): „… Auch sind Studierende aus etlichen Ländern untereinander vernetzt. Eine Gemeinsamkeit findet sich teils auch in der Korruption, die bekämpft wird; Korruption gibt es überall auf der Welt, aber mancherorts verunmöglicht sie ein normales Leben. In Serbien etwa hat sie ein tödliches Ausmass angenommen. So war es der Einsturz eines Bahnhofvordachs in Novi Sad, bei dem sechzehn Menschen starben, der am Ursprung der aktuellen Proteste stand. Der Einsturz war auf Korruption in Zusammenhang mit einem Umbau zurückzuführen. (…) In Ungarn wurde wegen eines Begnadigungs- und Justizskandals sowie wegen des Pride-Verbots gegen die Regierung protestiert. In Griechenland gab es zuletzt gigantische Demonstrationen und einen Generalstreik wegen des Tembi-Zugunglücks vor zwei Jahren, für das niemand zur Rechenschaft gezogen wurde. In der Türkei gehen die Menschen nach der Verhaftung von Präsidentschaftskandidat Ekrem İmamoğlu auf die Strasse. Es gibt also unterschiedliche Auslöser. Aber was all diese Gemeinschaften eint, ist ihre periphere Position innerhalb Europas. Sie prägt die Region seit Jahrhunderten, hat mit der EU aber eine neue Dimension angenommen. (…) [Es] verbindet die Menschen, dass sie einen anderen Blick auf den eigenen Kontinent haben als jene in Kerneuropa. Und sie erkennen auch, dass die EU eine Art Legitimitätskrise durchmacht, allen kämpferischen Parolen gegenüber Putins Russland und Trumps USA zum Trotz. Es sagt viel aus, dass in Serbien auf der Strasse derzeit keine EU-Fahnen zu sehen sind. (…) Vielen [der europäischen Linken] fällt es offensichtlich schwer zu realisieren, dass sie von den Bewegungen in der Peripherie lernen sollten – und nicht umgekehrt. Dabei wäre das aktuell wichtiger denn je angesichts der Hilflosigkeit, mit der den weiter erstarkenden Rechtspopulist:innen in Europa begegnet wird. Gerade in den exjugoslawischen Staaten gibt es sehr viel Expertise aus der Vergangenheit, etwa was Formen der Selbstverwaltung, aber auch die Gefahren des Nationalismus betrifft. (…) Was gerade passiert, deutet in meinen Augen aber darauf hin, dass viele Leute von der Idee abgekommen sind, dass sie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe vor irgendwas schützen oder retten würde. Tanja Petrović: Ausserdem habe ich den Eindruck, dass den meisten Leuten weiterhin klar ist, dass es keine Alternative zu Europa gibt. Wir alle müssen an dieses Projekt glauben – und anerkennen, dass es eine neue Politik braucht, die nicht nur den Interessen der Mächtigen gehorcht. Das gilt weit über die Region hinaus: Überall in Europa gibt es Menschen, die sich ebenso erschöpft, ausgebeutet und ihrer Lebensgrundlagen beraubt fühlen. Auch wenn es nicht immer so sichtbar ist wie derzeit im Balkan.“

Siehe zum Hintergrund:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=227318
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