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Türkische Staatsanwälte vom Dezernat für organisiertes Verbrechen – ! – erheben Anklage gegen 61 Bauarbeiter

Dossier

Flughafen Istanbul 15.9.2018: Wasserwerfer fahren gegen streikende Bauarbeiter vorWeil sie gegen die Bedingungen am Istanbuler Flughafen gestreikt haben – wo Unfälle weiter an der Tagesordnung sind. Während auch nach der angeblichen Eröffnung des 3. Istanbuler Flughafens zehntausende Bauarbeiter weiter beschäftigt sind und weiter an den Bedingungen erkranken oder gar sterben, die ihnen Erdogans Geschäftspartner aufzwingen wollen, hat die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage erheben gegen 61 Kollegen, die an dem Streik teilgenommen haben: Das sind alle, die immer noch im Gefängnis sind, weil sie gestreikt haben – und noch rund 30 jener, die frei gelassen wurden nach der Massenfestnahme im September. Naheliegend: Selbst die nach den Säuberungen im türkischen Justizwesen übrig gebliebene AKP-Riege ist nicht so dämlich, dass sie die Kollegen etwa anklagen, weil sie gestreikt haben. Da wird dann eifrig gebastelt an Anklagepunkten, die es dem Regime erlauben würden, weiterhin zu behaupten, es gebe in der Türkei das Streikrecht. Wobei einer der „Anklage“punkte besonders verräterisch ist: Die „Verletzung der Freiheit zur Arbeit“. Also gestreikt werden darf – sofern es nicht die Arbeit stört. Sagt die sogenannte Gerechtigkeitspartei. Andere Anklagepunkte sind weniger eine AKP-Spezialität: Widerstand gegen die Staatsgewalt (üblich von Rio übers Rheinland bis nach Istanbul und Bombay), und vermutlich gleich doppelt „Sachbeschädigung“ einmal schlicht so und einmal an öffentlichem Eigentum (was eigentlich? Gehört alles einem Unternehmens-Konsortium, wurde bisher immer gesagt). Schwerwiegender ist, dass faktisch versucht wird den Vorwurf der Bewaffnung zu konstruieren: „Verstoß gegen das Verbot der Mitnahme von Waffen oder in Paragraph 23 festgelegten Gegenständen zu Demonstrationen und Kundgebungen“. Jetzt erst recht ist Solidarität gefragt gegen diesen inszenierten Schauprozess! Zur Anklageerhebung und zur weiterhin bestehenden menschenfeindlichen Realität an der Baustelle (an der leider noch nie ein Staatsanwalt gearbeitet hat) sechs aktuelle Beiträge und nun neu:

  • Solidarität zeigt Wirkung! 30 von 31 inhaftierten Bau-Gewerkschaftsaktivisten aus der Haft entlassen – aber nur unter bestimmten Auflagen… New
    Das Gericht in Istanbul hat am 05.12.2018 endlich 30 von 31 inhaftierten Bau-Gewerkschaftsaktivisten unter Auflagen aus der Haft entlassen. Bei den anderen 30 die ein Verfahren hatten, wurde das Verfahren eingestellt. Insgesamt waren 61 angeklagt. Nur noch Serhat Bilici ist weiterhin inhaftiert, der nächste Gerichtsprozess ist am 20.März. Tausende Bauarbeiter waren am 3.Flughafen in Istanbul für bessere Arbeitsbedingungen in den Streik getreten, einen Tag später gab es Massenverhaftungen. Seit über 2 Monaten waren 31 der Bauarbeiter und einige Gewerkschaftsfunktionäre inhaftiert. Zwar wurden die Kollegen aus der Haft entlassen, aber nur unter bestimmten Auflagen. Die dreißig, die inhaftiert waren, müssen sich einmal die Woche persönlich in der nächst gelegenen Polizeiwache melden; die anderen dreißig, deren Verfahren jetzt eingestellt ist, müssen sich sogar drei mal in der Woche bei der Polizeiwache melden. Alle haben ein Auslandsverbot bekommen und dürfen die Türkei nicht verlassen. „Die Auflage, drei Tage in der Woche eine Polizeiwache aufzusuchen, wird die Kollegen massiv dran hindern zu arbeiten“ so die Rechtsanwälte der Bauarbeiter. Mit diesen Auflagen werden die Gewerkschafter trotz Haftentlassung weiterhin bestraft, und der Umstand, dass Bauarbeiter und Gewerkschaftsvertreter aufgrund Teilnahme und Organisierens eines Arbeitskampfes gegen Missstände verhaftet und inhaftiert werden, ist skandalös, so Mahir Sahin von der Föderation der Demokratischen Arbeitervereine (DIDF) zu den Ereignissen rund um den Prozess. Die Angeklagten Gewerkschafter berichten von Arbeitsbedingungen wie aus dem 17.Jahrhundert. (…) Wir fordern die sofortige Freilassung des Kollegen Bilici und fordern die umgehende Einstellung der gerichtlichen Verfahren gegen die Bauarbeiter. Die Forderungen der Bauarbeiter des Istanbuler 3.Flughafen sollten umgehend erfüllt werden…“ Aus der Erklärung von DIDF (Föderation der Demokratischen Arbeitervereine) vom 07.12.2018 externer Link, dokumentiert bei Arbeit – Zukunft der Organisation für den Aufbau einer kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands – siehe dazu zuvor, weniger detailreich:

    • Proteste gegen Arbeitsbedingungen: Türkisches Gericht lässt inhaftierte Flughafenarbeiter frei 
      Weil sie gegen schlechte Arbeitsbedingungen auf der Baustelle des Istanbuler Flughafens protestiert hatten, mussten 31 Arbeiter in Haft. Jetzt hat ein türkisches Gericht die Freilassung der Männer angeordnet. (…) „Das Gericht hat seine Entscheidung verkündet: Es lässt unseren Generaldirektor Özgür Karabulut, die Chefs der Gewerkschaft Insaat-IS und alle Arbeiter frei“, teilte die Baugewerkschaft Dev Yapi-Is am späten Abend per Twitter mit. (…)Der Oppositionsabgeordnete Ali Seker hatte am Montag mitgeteilt, die Regierung habe bestätigt, dass „mindestens 52 Arbeiter“ auf der Baustelle seit Beginn der Arbeiten 2015 ums Leben gekommen seien...“ Meldung vom 06.12.2018 beim Spiegel online externer Link, siehe auch:
    • Willkür in Istanbul: Prozess nach Streik auf Flughafen eröffnet. PEN-Zentrum: Demirtas-Urteil »politisch motiviert«. Weitere Massenverhaftungen in der gesamten Türkei
      In Istanbul hat am Mittwoch der Prozess gegen 61 Arbeiter und Gewerkschafter begonnen. Sie waren vor mehr als zwei Monaten wegen der unerträglichen Arbeitsbedingungen auf der Baustelle des neuen Flughafens in der türkischen Metropole in den Streik getreten. Von den Angeklagten sitzen bereits 31 in Untersuchungshaft. Das Interesse an der ersten Anhörung war so groß, dass sie von dem zunächst angedachten Verhandlungsraum in den Essenssaal verlegt werden musste, wie die Deutsche Presseagentur am Mittwoch meldete. Zugelassen waren dennoch nur ein Angehöriger pro Arbeiter und wenige Journalisten. Vor dem Gericht hatten sich zahlreiche Unterstützer versammelt, sie skandierten »Arbeiter sind keine Sklaven!« und forderten auf Schildern »Freiheit für die Arbeiter des 3. Flughafens«. Die Streikenden hatten im September gegen menschenunwürdige Unterkünfte, späte Lohnzahlungen und schlechte Sicherheitsvorkehrungen protestieren wollen. Erst am Dienstag hatte dpa berichtet, dass nach offiziellen türkischen Angaben in den vier Jahren seit Baubeginn mindestens 52 Arbeiter bei Unfällen auf dem am 29. Oktober eröffneten Flughafen gestorben sind. Vorgeworfen wird den 61 Arbeitern und Gewerkschaftern jetzt Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verstoß gegen das Recht auf Arbeit und Teilnahme an einer Versammlung mit Waffen…“ Artikel von Matthias István Köhler in der jungen Welt vom 06.12.2018 externer Link
  • „Anklage gegen streikende Flughafenarbeiter erhoben“ am 07. November 2018 bei der ANF externer Link berichtet unter anderem: „Die für organisiertes Verbrechen zuständige Generalstaatsanwaltschaft von Gaziosmanpaşa hat gegen 61 Bauarbeiter vom Istanbuler Großflughafen Anklage erhoben. Über 30 von ihnen befinden sich immer noch in Haft. In der Anklage wird den am Streik gegen die katastrophalen Arbeitsbedingungen beteiligten Arbeitern „Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verletzung der Freiheit zur Arbeit, Beschädigung öffentlichen Eigentums, Verstoß gegen das Verbot der Mitnahme von Waffen oder in Paragraph 23 festgelegten Gegenständen zu Demonstrationen und Kundgebungen sowie Sachbeschädigung“ vorgeworfen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=139700
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